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Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 14.07.2008
Aktenzeichen: 1 K 344/03
Rechtsgebiete: UStG, RL 77/388/EWG, StPO


Vorschriften:

UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
RL 77/388/EWG Art. 17
StPO § 153a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 344/03

Umsatzsteuer 1996

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. Juli 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht Hübner,

den Richter am Finanzgericht Keilig,

die ehrenamtliche Richterin ... und

die ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Vorsteuerbeträgen.

Nach Steuerfahndungsprüfung und Ermittlungen der Kriminalpolizei verschiedener Dienststellen in ganz Deutschland entdeckten diese einen international agierenden Ring von Händlern, die mit Computerteilen (Prozessoren / CPU) handelten und Umsatzsteuerkarusselle aufgebaut hatten. Im Bereich des innergemeinschaftlichen Handels wurden Umsatzsteuern in Millionenhöhe hinterzogen. Das ausgedachte Modell nutzte das geltende deutsche Umsatzsteuergesetz dahingehend aus, dass eine inländische Firma von einer Firma aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union steuerfrei Computerprozessoren erwarb und diese Teile im Inland unter Einkaufspreis zuzüglich Umsatzsteuer an eine dritte Firma veräußerte, die vereinnahmte Umsatzsteuer jedoch nicht an das zuständige Finanzamt abführte. Durch ein Firmengeflecht unterschiedlicher Firmen wurden teilweise mehrere Firmen hintereinander geschaltet, von denen mehrere die Umsatzsteuern nicht abführten bzw. Vorsteuern geltend machten. Um einer Aufdeckung der Geschäfte zu begegnen, wurden die handelnden Firmen teilweise nur wenige Monate am Markt belassen bzw. sofort wieder liquidiert oder in Insolvenz gebracht. Die erzielten Gewinne wurden sofort aus dem Markt gezogen und teilweise international angelegt. Gegen die handelnden Personen wurden steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die handelnden Personen sind zwischenzeitlich - soweit sie sich nicht durch Flucht ins Ausland einer Verhaftung entzogen haben - rechtskräftig, teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Im Streitjahr 1996 (und den beiden Folgejahren) handelte auch der Kläger mit Computerteilen. Er besaß die Firma A und stand unter anderem in geschäftlichem Verkehr mit den aufgedeckten Firmen und deren handelnden Personen. 1996 ergaben sich u.a. folgende Handelsbeziehungen:

Die Geschäftsbeziehungen ermittelte die Steuerfahndung anhand aufgefundener Unterlagen und Beweisstücke sowie durch Zeugenvernehmungen. Soweit Rechnungen zwischen der Firma D und B vorlagen, konnte die Steuerfahndung keinen Waren- oder Zahlungsverkehr ermitteln. Dies gilt auch für ausgestellte Rechnungen zwischen E und C.

Die Firma C war für A im Zeitraum 24. Januar bis 07. November 1996 Hauptlieferant. Es erfolgten Wareneinkäufe über rund 25 Mio. DM brutto. Diese Umsätze wurden durch den Beklagten nicht problematisiert.

A und die Firma B standen im Zeitraum 14. Februar bis 25. September 1996 in Geschäftsbeziehungen. A soll nach den Ermittlungen der Steuerfahndung Waren in Höhe von rund 8,69 Mio. DM brutto (Vorsteuer 1.133.391 DM) erworben haben. Die Firma B gab keine Steuererklärungen ab. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung war es fraglich, ob die Firma B überhaupt als eigenständiges Unternehmen wirtschaftlich tätig geworden war. Die Steuerfahndung ging von einer Scheinfirma aus, einem so genannten missing trader, der in den Warenkreislauf dazwischen geschaltet worden war und nur der Hinterziehung der Umsatzsteuer diente. Bei einer Nachschau konnte keine Geschäftsadresse festgestellt werden. Der Kläger gab demgegenüber an, dass die Firma über ein eigenes Lager und Büro sowie Personal verfügt haben soll.

Die Steuerfahndung und Kriminalpolizei gingen aufgrund der Ermittlungen und von Vernehmungen davon aus, dass der Kläger von den Umsatzsteuerkarussellen Kenntnis hatte und innerhalb des Karussells das letzte Glied darstellte, bevor er die Computerteile an nicht beteiligte Firmen ordnungsgemäß unter Umsatzsteuerausweis weiter veräußerte. Nach den Feststellungen der Fahndungsbehörden erzielte der Kläger seinen Gewinn dadurch, dass er die Waren noch unter dem Einkaufspreis seines Lieferanten erwerben konnte. Dies war möglich, da die Lieferanten die nicht abgeführte Umsatzsteuer in ihre Kalkulationen einbezogen.

Im Rahmen der steuerstrafrechtlichen Ermittlungen wurde der Kläger kurzzeitig in Untersuchungshaft genommen. Das gegen ihn wegen Verdachts der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, Verdacht der Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitete Strafverfahren wurde am 03. April 2002 gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 5.113 EUR nach § 153a Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.

Aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung kürzte der Beklagte die bis dahin in den Voranmeldungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge. Jahreserklärungen lagen nicht vor. Mit Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 16. Oktober 2000 setzte der Beklagte Umsatzsteuer in Höhe von 1.133.393 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 169.995 DM und einen Verspätungszuschlag von 10.000 DM fest. Die Steuerforderung entspricht den geltend gemachten Vorsteuern aus den Umsätzen mit der Firma B.

Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 25. Oktober 2000. Der Kläger trug vor, dass die Feststellungen der Steuerfahndung unzutreffend seien und er tatsächlich mit renommierten und anerkannten Unternehmen gehandelt habe. Da den Rechnungen, in denen Vorsteuern ausgewiesen wurde, tatsächliche Lieferungen und Leistungen zugrunde gelegen hätten, stehe ihm der Vorsteuerabzug zu. Soweit die Steuerfahndung davon ausgehe, dass die Lieferungen durch Scheinfirmen erfolgt seien bzw. nur Scheinrechnungen vorliegen würden, sei dies nicht richtig, wie die gelieferten Computerteile bewiesen. Selbst wenn die Lieferanten an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt gewesen seien, könne dies nicht ihm - dem Kläger - angelastet werden, da er davon keine Kenntnis gehabt habe.

Mit Einspruchsbescheid vom 06. Februar 2003 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er verwarf die Einwände des Klägers und vertrat die Ansicht, dass für das Vorliegen eines Vorsteuererstattungsanspruches der Kläger die Beweislast trage und die vorgetragenen Einwände ungeeignet seien, die Feststellungen der Steuerfahndung zu entkräften. Konkrete Beweise, welche die Ermittlungsergebnisse in Frage stellen würden, seien nicht benannt oder vorgelegt worden.

Am 06. März 2003 hat der Kläger Klage erhoben. Er meint weiterhin, dass er gutgläubig gewesen sei und daher der Anspruch auf Vorsteuererstattung bestehe. Im Übrigen habe der Beklagte keine eigenen Ermittlungen angestellt und sich nur auf die Feststellungen anderer Behörden verlassen. Auch sei die Aussage einer ehemaligen (seinerzeit minderjährigen) Freundin vor der Steuerfahndung mehr als zweifelhaft. Andere Zeugenaussagen würden nicht bestätigen, dass er Kenntnis von einem wie auch immer gearteten Umsatzsteuerkarussell gehabt habe. Zudem hätten die von der Steuerfahndung ermittelten Rohgewinnaufschläge von 1 - 2% den Kläger nicht in die Lage versetzt, Millionenbeträge abzuzweigen.

Soweit der Beklagte darauf abstelle, dass teilweise Computerteile unter dem Einkaufspreis verkauft worden seien, habe dies seinen Hintergrund im Marktgeschehen. Prozessoren würden sehr schnell veralten, so dass neben dem offiziellen Markt noch ein Graumarkt bestehe, bei dem ebenfalls mit Computerteilen gehandelt werde. Es sei nicht unüblich, dass hierbei ein Preisverfall auftrete, der es Händlern oder Zwischenhändlern ermögliche bzw. diese zwinge, in einer Lieferantenkette CPU günstiger zu verkaufen als die vorherigen Händler. Dies habe auch zur Folge, dass die CPU teilweise im Kreisverkehr gehandelt würden.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 16. Oktober 2000 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 06. Februar 2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Feststellungen der Steuerfahndung und auf die Zeugenvernehmungen und zeigt insbesondere die Preisgestaltungen auf, die nach seiner Ansicht zu erheblichen Gewinnen geführt haben, da die Beteiligten aufgrund der - von vornherein geplanten - Nichtabführung der Umsatzsteuer mit wesentlich geringeren Einkaufspreisen kalkulieren konnten. Der Kläger habe bei insgesamt 29 Unternehmen Waren eingekauft, wovon 8 in Ermittlungsverfahren einbezogen worden seien. Von Gesamtumsätzen in den Jahren 1996 bis 1998 im Umfang von 74 Mio. DM seien 67 Mio. DM mit diesen Unternehmen abgerechnet worden. Die für diese Firmen handelnden Personen seien zwischenzeitlich unter anderem wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt worden. Der Kläger, den die Feststellungslast treffe, habe bisher nichts vorgetragen, was die Feststellungen der Steuerfahndung bzw. der Zeugen- und Beschuldigtenaussagen in den Strafverfahren widerlege. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass dem Kläger die Hintergründe der Umsatzsteuerkarusselle bekannt gewesen seien.

Dem Senat haben zwei Bände Umsatzsteuerakten, eine Akte mit Gewinnermittlungen des Klägers, die Einkommensteuerakte 1998 und 1999 sowie eine Heftung mit Vernehmungsprotokollen und dem Abschlussbericht der Steuerfahndung vorgelegen, auf die im Übrigen ausdrücklich Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte den geltend gemachten Vorsteuerabzug nicht gewährt und diesen um den Umfang der vom Umsatzsteuerkarussell umfassten Geschäfte rückgängig gemacht.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) kann der Unternehmer die in Rechnungen gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Der entsprechende Art. 17 der Sechsten MwSt-Richtlinie 77/388/EWG bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist danach befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer unter anderem die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert worden sind, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.

Nach den Urteilen des EuGH vom 06. Juli 2006, C-439/04 und C-440/04, BFH/NV Beilage 2006, 454, kann das Recht auf Vorsteuerabzug verweigert bzw. der Vorsteuerabzug rückgängig gemacht werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass die Lieferung an einen Steuerpflichtigen vorgenommen wird, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Das gilt auch dann, wenn der betreffende Umsatz die objektiven Kriterien der wirtschaftlichen Tätigkeit beziehungsweise des Lieferbegriffs erfüllt. Vorsteuer kann daher nur dann geltend gemacht werden, wenn Gutgläubigkeit des Leistungsempfängers vorliegt.

Das Recht zum Vorsteuerabzug bleibt des weiteren nur dann erhalten, wenn der Unternehmer alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können und die sicherstellen, dass er nicht in einen Betrug einbezogen wurde (vgl. BFH Urteil vom 19.04.07, V R 48/04, BFH/NV 2007, 2035). Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass die Identität des Rechnungsausstellers nachgewiesen ist, der Sitz des liefernden Unternehmens tatsächlich bestanden hat, kein Leistungsbezug von einem Nichtunternehmer vorliegt und keine Scheinrechnungen ausgestellt worden sind (st. Rspr., vgl. z.B. BFH Urteil vom 27.06.1996, V R 51/93, BStBl. II 1996, 620; BFH Beschluss vom 04.02.2003, V B 81/02, BFH/NV 2003, 670; BFH Beschluss vom 11.03.1999, V B 135/98, BFH/NV 1 999, 1253; BFH Urteil vom 06.12.2007, V R 61/05, DStZ 2008, 301, BFH-PR 2008, 273; BFH Beschluss vom 03.08.2007, V B 73/07, UR 2007, 944).

Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trägt für das Vorliegen der Voraussetzungen die Feststellungslast. Demzufolge ist es auch seine Sache, entscheidungserhebliche Tatsachen im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht, bei der auch die Beweisnähe zu berücksichtigen ist, glaubhaft zu machen. Dies gilt auch, soweit es um die Frage geht, ob der Kläger vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten wusste oder diesen zumindest kennen konnte. Die Schwierigkeit eines Negativbeweises ändert an dieser Verteilung der Beweislast grundsätzlich nichts (vgl. BFH Urteil vom 19.04.07, V R 48/04, unter II.C.3., BFH/NV 2007, 2035, m.w.N.).

Hinweise auf fehlende Gutgläubigkeit können die rechtlichen, wirtschaftlichen und personellen Verbindungen zwischen den Akteuren liefern. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Position des Steuerpflichtigen bei der Manipulation. Je näher die Verbindung zu den Handelnden ist, desto wahrscheinlicher ist die Kenntnis von der Einbindung in eine Mehrwertsteuerhinterziehung.

Nach diesen Grundsätzen und der Auswertung der vorhandenen Unterlagen sowie Akten und dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger von den Hintergründen der abgewickelten Geschäfte wusste und damit nicht gutgläubig war. Der Senat hat sich die Feststellungen der Steuerfahndungen und Polizeidienststellen in den Ermittlungs- und Abschlussberichten zu eigen gemacht und verweist insoweit ausdrücklich auf deren Inhalt.

Der Kläger hat gegen die Feststellungen der Steuerfahndung, auf denen die Rückforderung der Vorsteuerbeträge beruht, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine oder nur unsubstantiierte Einwendungen erhoben und die Feststellungen auch nicht widerlegt. Er hat lediglich behauptet, von den Umsatzsteuerkarussellen keine Kenntnis gehabt zu haben, und hat auch keine Nachweise erbracht, dass die beteiligten Firmen tatsächlich existierten und wirtschaftlich tätig waren. Einwendungen gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen bzw. Tatbeteiligten und deren teilweise Geständnisse hat der Kläger nicht vorgetragen. Dabei berücksichtigt der Senat, dass diese zwischenzeitlich rechtskräftig zu teilweise mehrjährigen Freiheitsstrafen unter anderem wegen Steuerhinterziehung verurteilt sind.

Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Geschäftsführers der Firma B, Herrn B. Dieser hat umfangreich und glaubhaft zu den getätigten Geschäften und Hinterziehungsmodellen sowie zu den handelnden Personen ausgesagt. Er stellte auch dar, dass der Kläger mit seiner Firma A an Geschäften beteiligt war und dieser insbesondere bar gezahlt habe. In seinen Vernehmungen am 25. und 26. August 2003 im Finanzamt für Fahndung und Strafsachen O finden sich wiederholt Glaubhaftigkeitsmerkmale, die für den Wahrheitsgehalt der Aussagen sprechen. So werden unter anderem verschiedene Gespräche der im Umsatzsteuerkarussell beteiligten Personen in direkter oder indirekter Rede wiedergegeben, stellt dieser ungewöhnliche Details dar (z.B. "Besonders in Erinnerung ist mir das Auto des Herrn ... Es war immer ein Porsche." / Verhaftung des Hausmeisters des Herrn X in seinem Haus in ... / Verpassen des Rückfluges des ... aus ... / Versuch der Vernichtung der Ermittlungsakten / "dicke Knie" des Rechtsanwaltes ... / Mordplanungen gegen ...), belastete er sich selber (er gab an, dass die Firma B - deren Geschäftsführer er war -Steuern hinterziehen sollte), gab er Erinnerungslücken zu ("Ich weiß nicht mehr genau, wann das war / Den Namen weiß ich heute nicht mehr / Ich muss mich korrigieren"), schilderte er Handlungskomplikationen (z.B. Probleme des X bei einer Kontoeröffnung in ... / Versuch der Plünderung eines Konto des ... / Vollmacht für Rechtsanwalt ..., ohne dass dieser für ihn tätig geworden ist / Abnahme der Kreditkarte und Bankkarte in ...) und stellte eigenpsychische Vorgänge ("Ich hatte das Gefühl / Da mir dies etwas dubios vorkam / Für mich entstand der Eindruck / Ich war sehr sauer auf ihn") sowie fremdpsychische Vorgänge dar ("X war bei diesem Treffen völlig aufgebracht und hat getobt / X war stinkig / X reagierte äußerst sauer / X war ungenießbar und hat jedem misstraut.")

Die gegen B erlassenen Haftungsbescheide sind bestandskräftig geworden. Er wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Nach seinen Aussagen diente die Firma B einzig und allein dazu, Rechnungen über angebliche Lieferungen zu erstellen und somit den Rechnungsempfängern einen unberechtigten Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Kontakte mit der Firma A des Klägers hat B zugestanden und wiederholt auf die Barzahlungen des Klägers ausdrücklich hingewiesen. Dies alles spricht dafür, dass der Kläger Kenntnis vom Umsatzsteuerkarussell hatte bzw. hätten wissen können und müssen, wie die Geschäfte abgewickelt worden sind.

Erkennbar wird aus der Zeugenaussage des B vor der Steuerfahndung auch, dass die Firma B keine eigenen Geschäfte vornahm bzw. die durchgeführten Geschäfte ausschließlich im Auftrage des X, (Firma C) vorgenommen wurden ("Er war der Boss, ohne ihn wäre nichts gelaufen.") und die Firma B daher als Scheinfirma anzusehen ist. B gab an, dass er als "Auslieferungsfahrer des X" tätig geworden sei, für diesen Waren aus den Niederlanden abgeholt und an deutsche Unternehmen bzw. an X ausgeliefert habe. Die Ware habe - ohne vorherige Bestellung, Auftrag oder Kontakt der B - bei den Lieferfirmen bereit gestanden und sei an die B fakturiert worden. Besteller der Waren sei ausschließlich X gewesen. Die Adressierung der Rechnungen an die B habe der Steuerhinterziehung gedient ("Weil B die Steuern hinterziehen musste"). Er gab an, dass er von X gesagt bekommen habe, bei welchen Firmen er welche Warenmengen abholen solle und welche Kunden beliefert werden sollten. Eigene Geschäftstätigkeiten der Firma B sind hieraus nicht ersichtlich, so dass bereits die Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG der B fraglich ist. Weiter gab B an, dass er Blankorechnungen und -vordrucke ausgefüllt habe, ohne dass Waren geliefert worden seien. Aus den Aussagen des B wird nicht erkennbar, dass die Firma B über einen eigenen Firmensitz, über ein Lager oder sogar über Personal verfügt hat. Vielmehr scheint die Wohnung des B als Sitz lediglich deklariert worden zu sein, hat B alleine gehandelt und mit seinem Pkw Waren transportiert, so dass auch ein Lager nicht erforderlich war. Die Behauptung des Klägers zum Bestehen eines Firmensitzes, eines Lagers und dem Vorhandensein von Personal ist für den Senat nicht nachvollziehbar und durch die Aussagen des B vor der Steuerfahndung widerlegt. Die fehlenden Feststellungen gehen zu Lasten des Klägers.

Selbst wenn dem Kläger der genaue Umfang aller Geschäfte und beteiligten Firmen sowie handelnden Personen unter Umständen nicht klar gewesen ist, wusste er oder hätte zumindest wissen müssen, dass die von ihm bezogenen und weiterverkauften CPU "nicht sauber" waren. Er hatte häufigen Kontakt mit den Tätern und flog sogar im Dezember 1996 für zwei Wochen nach Brasilien, als sich die Haupttäter dorthin abgesetzt hatten. Darüber hinaus war er derjenige, der einen nicht unerheblichen Teil der Geschäfte in bar (Barabhebungen 1996 in Höhe von rund 12.000.000 DM) abwickelte. Dies wird wiederholt in den Aussagen der Zeugen als "vorteilhaft" dargestellt. Der Senat geht davon aus, dass neben den Überweisungen und offiziellen Rechnungen und Buchungen auch Schwarzgeschäfte abgewickelt worden sind. Bei der Höhe der Rechnungsbeträge und Zahlungen sowie Umsätze sowie der Nichtabführung der Umsatzsteuer innerhalb des kurzen Zeitraumes von insgesamt etwas mehr als zwei Jahren kann davon ausgegangen werden, dass genügend Gelder "generiert" wurden, um diese z.B. im Ausland anzulegen. Dies widerlegt - obwohl für den Rechtsstreit nicht erheblich - zudem die Behauptung des Klägers, dass mit der ermittelten Gewinnspanne von 1 - 2% keine Millionenbeträge zur Seite geschafft werden konnten. Der Umfang der Geschäftstätigkeit und die durch die Nichtabführung der Umsatzsteuer entstandenen Gewinnmargen - außerhalb der offiziellen Buchführung - ermöglichten in kurzer Zeit die Entstehung von "Gewinnen" in wesentlicher Höhe.

Soweit die Steuerfahndung dargestellt hat, dass durch Nichtabführung der Umsatzsteuer im Karussell Gewinne "erwirtschaftet" werden konnten, zeigt sich dies auch am Beispiel eines Weiterverkaufs von CPU an die Firma .... Diese hatte CPU im Paket zuvor an eine Firma in ... verkauft und erhielt dasselbe Paket mit denselben CPU kurze Zeit später durch die Firma des Klägers zu einem niedrigeren Einkaufspreis, als sie ursprünglich selbst verkauft hatte. Zwar kann der Senat der Darstellung des Klägers folgen, dass innerhalb des Graumarktes mit CPU Preisabschläge auch in kurzen Abständen entstehen können, doch erklärt dies nicht, warum die Firma ... mit einem entsprechenden Druck und der Drohung mit der Staatsanwaltschaft den Kläger zur Rückgängigmachung des Geschäftes veranlassen konnte. Wären die Preisabschläge im üblichen Rahmen gewesen, hätte die Firma ... dies akzeptiert. Der Preisabschlag muss sich in einem Rahmen bewegt haben, der die Firma zur Annahme einer Umsatzsteuerhinterziehung veranlasst hat. Wäre der Kläger guten Gewissens gewesen, hätte er sich auf die Rückabwicklung nicht einlassen müssen. Dies spricht für ein Wissen / Wissen müssen des Klägers.

Selbst wenn das "Wissen müssen" nicht positiv nachgewiesen werden könnte - woran der Senat jedoch keinen Zweifel hat -, verbleiben noch die Feststellungen der Steuerfahndung, dass die Firma B über keinen bzw. keinen richtigen Firmensitz verfügt hat (vgl. auch die obigen Ausführungen). Am behaupteten Firmensitz konnte seitens der Steuerfahndung kein Unternehmen festgestellt werden. Es handelte sich bei der Adresse um ein Zweifamilienhaus, in dessen Dachgeschoss sich die Wohnung des B befand. Die Feststellungen zum Firmensitz sind bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch den Kläger nicht widerlegt worden. Nach dem BFH (z.B. BFH Beschluss vom 11.03.99 V B 135/98, BFH/NV 1999, 1253 oder Urteil vom 06.12.07, V R 61/05, DStZ 2008, 301) führt der fehlende Nachweis eines tatsächlichen Sitzes zu einer Rückforderung der Vorsteuer. Entsprechende Nachweise hat der Kläger - obwohl dies bereits mehrfach problematisiert wurde - nicht vorgelegt. Die bloße Behauptung der Existenz eines angeblichen Firmensitzes, Lagers und Personals ist nicht ausreichend, die Feststellungen der Steuerfahndung zu widerlegen. Bereits aus diesem Grunde ist der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma B zu versagen.

Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass das eingeleitete Strafverfahren gegen den Kläger nach § 153a StPO mit einer Geldauflage von 5.113 EUR eingestellt worden ist. Eine Einstellung nach § 153a StPO kommt dann in Betracht, wenn die Auflage geeignet ist, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und die Schwere der Schuld nicht entgegen steht. Für den Streitfall bedeutet dies, dass zumindest die Schuld festgestanden und der Kläger dies mit Zahlung der Geldauflage eingestanden hat. Andernfalls hätte er dagegen vorgehen können und müssen. Der Senat glaubt dem Kläger nicht, wenn er auf der einen Seite der Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153 a StPO zustimmt und eine Geldauflage leistet und auf der anderen Seite im Besteuerungsverfahren behauptet, keine Kenntnis von den Vorgängen gehabt zu haben. Der Kläger hat nicht dargestellt, warum er der Einstellung nach § 153a StPO zugestimmt hat, wenn er unschuldig war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

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