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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 15.09.2008
Aktenzeichen: 1 V 1704/07
Rechtsgebiete: FGO, EStG, AO


Vorschriften:

FGO § 69
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1a
AO § 165
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 V 1704/07

Einkommensteuer 2005 (Aussetzung der Vollziehung)

In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

am 15. September 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht Hübner und

den Richter am Finanzgericht Keilig

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Antragsteller wehren sich gegen die Änderung eines Einkommensteuerbescheides, mit der der Antragsgegner unter Berufung auf einen Vorläufigkeitsvermerk Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemindert hat, und begehren hierfür die Aussetzung der Vollziehung.

Im Jahre 2004 erwarben die Antragsteller ein Einfamilienhaus (Altbau) in der ... Str. 4 in H. für EUR 140.000,00. Nach Abzug des auf den Grund und Boden entfallenden Anteils und Hinzurechnung der anteiligen Anschaffungsnebenkosten betrugen die Anschaffungskosten des Gebäudes unstreitig EUR 119.035,00. Sie sanierten das Objekt durch Erneuerung der Bäder, Fußböden und Elektroinstallation. Dach, Fenster und Heizung wurden nicht erneuert. Vom 01. März 2006 an vermieteten sie es.

In ihrer am 05. Mai 2006 eingegangenen Steuererklärung für das Jahr 2005 machten die Antragsteller für dieses Objekt Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 40.838,00 geltend, die mangels Einnahmen den Werbungskosten entsprachen. In diesen Betrag war unter anderem Erhaltungsaufwand von EUR 33.733,00 eingeflossen. Nach eigener Angabe (zu der nach Aktenlage auch Belege vorgelegen haben) war insgesamt im Jahre 2005 Erhaltungsaufwand von EUR 67.466,00 angefallen. In einer Anlage zur Erklärung hatten die Antragsteller erklärt, den Erhaltungsaufwand auf zwei Jahre aufzuteilen. Der Bearbeiter des Antragsgegners vermerkte hierzu handschriftlich "Erhaltungsaufwand (keine originären HK) geprüft".

Mit Bescheid vom 11. Juli 2006 setzte der Antragsgegner Einkommensteuer von EUR 11.546,00 fest und berücksichtigte hierbei Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von insgesamt EUR - 39.129,00, von denen EUR - 41.443,00 auf das streitige Objekt und vermutlich EUR 2.304,00 auf ein anderes Objekt - die entsprechende Anlage V befindet sich nicht in den Akten - entfielen. Die Änderung gegenüber dem angegebenen Verlust beruhte auf einer Erhöhung des Afa-Satzes von 2% auf 2,5%.

Im Kopf des Bescheides heißt es "Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO teilweise vorläufig." Unter den Erläuterungen heißt es eingangs "Die Festsetzung der Einkommensteuer ist vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil zurzeit die Überschusserzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden kann." Weitere Erläuterungen zur Vorläufigkeit (beschränkte Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen etc.) stehen mit der Vermietung und Verpachtung nicht in Zusammenhang.

Mit der am 26. Juni 2007 eingegangenen Steuererklärung für das Jahr 2006 machten die Antragsteller für dieses Objekt einen Verlust von insgesamt EUR 47.298,00 geltend, der sich aus Einnahmen von EUR 4.300,00 und Werbungskosten von EUR 51.598,00 zusammensetzte. In die Werbungskosten war der zweite Teil des Erhaltungsaufwandes aus dem Jahre 2005, mithin wieder ein Betrag von EUR 33.733,00 eingegangen.

Mit Bescheiden vom 12. September 2006 lehnte der Antragsgegner die Berücksichtigung dieses Betrages für das Jahr 2006 ab und änderte den Bescheid für 2005 unter Berufung auf § 165 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung - AO -. Er setzte nunmehr Einkommensteuer von EUR 22.483,00 fest und berücksichtigte dabei Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von nur noch EUR - 7.083,00. Er erläuterte hierzu, nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Einkommensteuergesetz - EStG - führten Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen an einem Gebäude zu Herstellungskosten, wenn die hierfür entstandenen Aufwendungen 15% der Anschaffungskosten des Gebäudes überstiegen. Die anschaffungsnahen Aufwendungen würden daher im Rahmen der Afa von nunmehr EUR 4.663,00 berücksichtigt.

Auf Grund teilweiser Verrechnung mit dem Einkommensteuerguthaben 2006 war für 2005 ein Betrag von insgesamt (Einkommen- sowie Folgesteuern) EUR 7.871,72 zu zahlen.

Hiergegen richteten sich die am 28. September 2007 eingegangenen Einsprüche, mit denen die Antragsteller gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung beantragten, die der Antragsgegner am 09. Oktober 2007 für das Jahr 2005 ablehnte. Auf einen am 16. Oktober 2007 eingegangenen Einspruch lehnte der Antragsgegner am 23. Oktober 2007 die Aussetzung nochmals ab und wies den hiergegen nochmals eingelegten Einspruch am 30. November 2007 zurück.

Am 13. Dezember 2007 haben die Antragsteller die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung beantragt. Gegen die vermutlich auf den 25. Juni 2008 datierenden Einspruchsbescheide betreffend die Jahre 2005 und 2006 haben sie am 23. Juli 2008 Klage erhoben (1 K 1069/08).

Die Antragsteller sind der Auffassung, die Änderung des Bescheides für 2005 sei rechtswidrig.

Sie hätten nach § 82b Einkommensteuerdurchführungsverordnung - EStDV - die Verteilung der Erhaltungsaufwendungen auf zwei Jahre beantragt und auch erhalten. Der Vorläufigkeitsvermerk beziehe sich lediglich auf die Gewinnerzielungsabsicht, nicht aber auf die Frage, wie die Erhaltungsaufwendungen zu verteilen seien.

Hinsichtlich der Behandlung des Erhaltungsaufwandes habe tatsächlich auch keine Ungewissheit im Sinne von § 165 Abs. 1 Satz 1 AO bestanden. Der Sachverhalt habe fest gestanden. Soweit der Antragsgegner ihn nicht geprüft habe, hätte er den Bescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO stellen können. Da er dies nicht getan habe, sei davon auszugehen, dass er sämtliche Sachverhalte auch im Bereich Vermietung und Verpachtung abschließend geprüft habe und allein die auf die Überschusserzielungsabsicht bezogene Prognose noch eine Ungewissheit habe bestehen können. Es sei aber unzulässig, bei einer lediglich auf einen Punkt bezogenen Ungewissheit die Vorläufigkeit auf die ganze Besteuerungsgrundlage auszudehnen. Sofern das Finanzamt Angaben geprüft habe, ohne sie ausdrücklich in die Vorläufigkeit einzubeziehen, würden sie von der Vorläufigkeit nicht erfasst (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04. November 1999, 8 K 43/99).

Die Antragsteller beantragen,

die Vollziehung des Bescheides vom 12. September 2007 hinsichtlich von EUR 6.580,00 Einkommensteuer, EUR 272,00 Zinsen, EUR 351,19 Solidaritätszuschlag und EUR 668,53 Kirchensteuer auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner meint, die Änderung sei zulässig.

Materiellrechtlich entspreche sie § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, der für alle nach dem 31. Dezember 2003 begonnenen Baumaßnahmen Anwendung finde.

Verfahrensrechtlich sei sie nach § 165 Abs. 2 AO möglich. Die noch nicht abschließend zu beurteilende Überschusserzielungsabsicht sei lediglich der Grund der Vorläufigkeit, während die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung deren Umfang und damit den Änderungsrahmen bezeichneten. Die Vorläufigkeit umfasse sowohl die Hauptfrage, nämlich die Gewinnerzielungsabsicht, als auch die Folgefragen wie etwa die Höhe der Werbungskosten. Wenn eine bestimmte Beurteilung der Hauptfrage die Beantwortung nachrangiger Fragen überflüssig machen könne, so sei es zulässig, die nachrangigen Fragen in den Vorbehalt der Vorläufigkeit aufzunehmen (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Dezember 1987, IV B 174/86, BStBl. 1988 II 234) und zunächst auch nicht näher zu prüfen.

Dem Senat haben Ablichtungen aus den Einkommensteuerakten 2005 und 2006 vorgelegen.

II. Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2005 im Sinne von § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Die Änderung des Bescheides vom 11. Juli 2006 war angesichts der eindeutigen Gesetzeslage in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG materiellrechtlich unzweifelhaft richtig.

Sie war aber auch verfahrensrechtlich zulässig. Der Bescheid war mit einem Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 165 Abs. 1 AO versehen, der mangels Anfechtung bestandskräftig geworden ist. Ein Vorläufigkeitsvermerk erlaubt nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO die Änderung der Festsetzung, "soweit" die Steuer vorläufig festgesetzt ist. Die Steuer war vorläufig festgesetzt hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Folglich war jedwede Änderung des Bescheides hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zulässig. Diese und keine andere Änderung hat der Antragsgegner vorgenommen.

1. Dieses Ergebnis ist angesichts des Wortlauts des Vorläufigkeitsvermerks eindeutig.

a. Der entsprechende Text in den Erläuterungen, der den im Kopf des Bescheides enthaltenen Hinweis auf § 165 AO erst inhaltlich konkretisiert, enthält dem Wortlaut nach im Hauptsatz die Entscheidung, im Nebensatz deren Begründung.

Die Entscheidung, gewissermaßen der Tenor des Vorläufigkeitsvermerks, lautet, dass die Festsetzung vorläufig hinsichtlich der Vermietungs- und Verpachtungseinkünfte ist, und zwar mangels Einschränkungen zur Gänze. Das ist sein Umfang im Sinne von § 165 Abs. 1 Satz 3 AO.

Die Begründung dafür lautet, dass die Überschusserzielungsabsicht nicht abschließend beurteilt werden könne. Das ist sein Grund im Sinne von § 165 Abs. 1 Satz 3 AO. Dass und warum der Grund etwas strukturell anderes sein soll als eine Begründung (wovon wohl der BFH in seinem Urteil vom 25. April 1985, IV R 64/83, BStBl. 1985 II 648, ausgeht), kann der Senat nicht nachvollziehen.

b. Verschiedene andere Fragen, ob die Begründung die Entscheidung vollumfänglich trägt, ob bei unterlassener Sachverhaltsermittlung vielmehr der Vorbehalt der Nachprüfung die richtige Nebenbestimmung gewesen wäre, ob bei ermessensgerechter Vorläufigkeit hinsichtlich der Einkunftserzielungsabsicht alle weiteren auf diese Einkünfte bezogenen Fragen ermessensgerecht in die Vorläufigkeit einbezogen werden dürfen, ob sie ungeprüft blieben und ungeprüft bleiben dürfen, sind unerheblich.

Diese Fragen zielen sämtlich auf die Frage ab, ob der sich auf die gesamte Einkunftsart Vermietung und Verpachtung beziehende Vorläufigkeitsvermerk rechtmäßig ist. Da er aber bestandskräftig geworden ist, kommt es hierauf nicht an. Die Änderungsbefugnis hängt nicht von der Rechtmäßigkeit, sondern nur von der Wirksamkeit des Vorläufigkeitsvermerks ab.

Auch wenn man die Auffassung vertreten wollte, dass der Ausspruch eines Vorläufigkeitsvermerks für eine gesamte Einkunftsart durch Zweifel (nur) hinsichtlich der Einkunftserzielungsabsicht nicht gerechtfertigt ist, so betrifft dies lediglich die Rechtmäßigkeit des Vorläufigkeitsvermerks, nicht seine Wirksamkeit. Das gilt auch dann, wenn man weiter davon ausgehen wollte, dass damit der Grund der Vorläufigkeit im Sinne von § 165 Abs. 1 Satz 3 AO nicht oder nicht hinreichend angegeben ist. Ist der Umfang angegeben, so besteht kein Zweifel darüber, welchen Regelungsanspruch der Vorläufigkeitsvermerk hat.

Allein die mangelnde Angabe eines Grundes führt auch noch nicht zur Nichtigkeit des Vorläufigkeitsvermerks (so jedenfalls noch Urteil des BFH vom 30. Juni 1994, V R 106/91, BFH/NV 1995, 466). Das gänzliche oder teilweise Fehlen einer Begründung macht für sich genommen ebenso wie eine fehlerhafte Begründung einen nicht gebundenen Verwaltungsakt allenfalls rechtswidrig, aber nicht nichtig.

c. Aus dem Umstand, dass der Antragsgegner die Frage, wie der Erhaltungsaufwand zu behandeln ist, ausweislich des Vermerks des Bearbeiters augenscheinlich tatsächlich geprüft hat, wenn auch fehlerhaft, können die Antragsteller nichts für sich herleiten.

Ein Vorläufigkeitsvermerk wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Von der Prüfung konnten die Antragsteller nichts wissen. Die inhaltliche Reichweite des Vorläufigkeitsvermerks konnte daher auch nicht konkludent durch diese Prüfung begrenzt sein. Das unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt von demjenigen, den das FG Baden-Württemberg in dem von den Antragstellern herangezogenen Fall zu entscheiden hatte.

2. Der Senat verkennt nicht, dass diese Rechtsauffassung in Begründung und Ergebnis von den Grundsätzen abweichen könnte, die sich in der jüngsten Rechtsprechung des BFH zu Inhalt und Wirksamkeit von Vorläufigkeitsvermerken zu entwickeln scheinen.

a. Zwar ging der BFH in dem von dem Antragsgegner herangezogenen Beschluss vom 22. Dezember 1987 davon aus, dass ein mit der Frage der Liebhaberei begründeter Vorläufigkeitsvermerk es auch erlaube, Änderungen hinsichtlich der nachrangigen Höhe der Einkünfte vorzunehmen. Das führt zumindest praktisch zu demselben Ergebnis wie der von dem beschließenden Senat bevorzugte Ansatz, die Entscheidung und die Begründung des Vorläufigkeitsvermerks voneinander zu unterscheiden.

b. Andererseits sieht der Senat in verschiedenen Überlegungen späterer Entscheidungen zum Umfang der Vorläufigkeit - jedenfalls bei gedanklich folgerichtiger Fortführung - einen sich anbahnenden Widerspruch zu diesem Beschluss.

aa. Nach verschiedenen Entscheidungen soll der tatsächliche Umfang eines Vorläufigkeitsvermerks nicht allein anhand seines Ausspruchs, sondern auch mit Hilfe seiner Begründung zu bestimmen sein, und zwar in der Tendenz mehr einschränkend als erweiternd. In den Urteilen vom 12. März 1991 (IX R 282/87, BFH/NV 1991, 506) , vom 06. März 1992 (III R 47/91, BStBl. 1992 II 588) , vom 23. September 1992 (X R 10/92, BStBl. 1993 II 338) sowie vom 29. Juni 2004 (IX R 14/02, BFH/NV 2005, 2) hatte der BFH die Reichweite der dort angebrachten Vorläufigkeitsvermerke nicht nur von den darin angegebenen Gründen, sondern sogar von sonstigen, den Beteiligten bekannten Umständen abhängig gemacht.

In dem Sachverhalt schließlich, der dem Urteil vom 12. Juli 2007 (X R 22/05, BFH/NV 2007, 2377) zu Grunde lag, hatte das Finanzamt gesonderte Feststellungsbescheide erlassen, die ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung enthielten. Sie waren mit Vorläufigkeitsvermerken versehen, die jedoch nicht näher erläutert oder begründet worden waren.

Das FG hatte die Vorläufigkeitsvermerke mangels Angabe von Grund und Umfang für nichtig erachtet, der BFH für unwirksam, da ihre Reichweite nicht dem Bescheid habe entnommen werden können. Selbst wenn Gegenstand des Bescheides nur eine Einkunftsart sei, könne aus dem Vermerk selbst nicht geschlossen werden, auf welches der drei Sachverhaltselemente der Gewinnermittlung, nämlich Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben und Einkunftserzielungsabsicht, sich die Vorläufigkeit beziehen solle. Damit sei der Bescheid nicht so eindeutig, dass sich der Umfang des Vorläufigkeitsvermerks für den Steuerpflichtigen von selbst erschließen müsse.

Umfasste der Vorläufigkeitsvermerk aber die Einkunftsart insgesamt, so liefe § 165 Abs. 1 Satz 3 AO leer. Es genügte der bloße Vorläufigkeitsvermerk, um im Ergebnis eine unbegrenzte Änderungsmöglichkeit zu eröffnen, während es dem Finanzamt keine Mühe bereitete, Grund und Umfang der Vorläufigkeit zu benennen. Es bestehe daher keine Notwendigkeit, den mit § 165 Abs. 1 Satz 3 AO verfolgten Rechtsschutzzweck zu vernachlässigen.

bb. Wenn nach dieser Rechtsprechung ein Vorläufigkeitsvermerk, der sich ohne weitere Einschränkungen auf eine Einkunftsart bezieht, nicht wirksam sein soll, und zwar deswegen, weil er nicht klarstellt, ob er sich auf Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben oder die Einkunftserzielungsabsicht bezieht, so wäre es nicht folgerichtig, wenn ein Vorläufigkeitsvermerk, der sich formal lediglich auf die Einkunftserzielungsabsicht bezieht, es im Ergebnis doch wieder erlaubte, jedwede Änderungen hinsichtlich Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben vorzunehmen - wovon der Beschluss vom 22. Dezember 1987 noch ausging.

Praktisch käme ein derartiger Vorläufigkeitsvermerk einem allumfassenden Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Einkunftsart schlechthin gleich. Es wäre allerdings eine äußerst formalistische und deshalb zweifelhafte Betrachtungsweise, wenn auf der einen Seite ein ohne nähere Begründung oder Einschränkung auf eine Einkunftsart bezogener Vorläufigkeitsvermerk unwirksam sein sollte, während ein Vorläufigkeitsvermerk, der zwar in seiner Begründung die Einkunftserzielungsabsicht nennt, ohne dass diese Beschränkung aber inhaltlich irgendeine Bedeutung hätte, wirksam sein sollte.

Es wäre schließlich auch nicht ohne weiteres erkennbar, warum es für die rechtliche Beurteilung hinsichtlich des Umfangs des Vorläufigkeitsvermerks erheblich sein sollte, ob die Einkunftsart, auf die sich der Vorläufigkeitsvermerk bezieht, einziger Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist, wie es in der dortigen Gestaltung der Fall war, oder ob sie, wie hier, lediglich eine von mehreren in einem Bescheid verarbeiteten Einkunftsarten ist.

cc. Der Senat kann jedoch der in dem Urteil vom 12. Juli 2007 vertretenen Auffassung schon dem Grunde nach nicht folgen.

Der Senat weiß nicht, warum ein allumfassender und nicht oder nicht ausreichend begründeter Vorläufigkeitsvermerk unwirksam sein sollte. Der Umfang eines solchen Vorläufigkeitsvermerks ist insbesondere nicht entgegen § 119 Abs. 1 AO inhaltlich unbestimmt, weil er ohne Einschränkungen eine gesamte Einkunftsart umfasst. Zum einen führen selbst Zweifel über die Reichweite einer Norm oder eines Verwaltungsakts in deren Randbereichen nicht zur Unbestimmtheit der betreffenden Regelung insgesamt. Unschärfen am Rande von Regelungen sind das tägliche Brot der Rechtsanwendung; Streit hierüber ist im Rechtsbehelfsverfahren, ggf. gerichtlich auszutragen. Zum anderen enthält gerade ein umfassender Vorläufigkeitsvermerk kaum eine inhaltliche Unschärfe, weil er umfassend ist und komplizierte Abgrenzungen meidet. Es verhält sich nicht anders als bei einer Globalzession nach § 398 BGB, die zwar im Einzelfall dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit oder sonstiger Kritik ausgesetzt sein mag, aber keinen Zweifel daran lässt, auf welche Forderungen sie sich erstreckt, und deswegen gerade nicht unbestimmten Umfangs ist.

Es kann offen bleiben, ob ein derartiger umfassender Vorläufigkeitsvermerk rechtswidrig ist, insbesondere gegen § 165 Abs. 1 Satz 3 AO verstößt, und deshalb die Antragsteller ihn mit Erfolg hätten anfechten können. Sie haben dies innerhalb der Rechtsbehelfsfrist nicht getan. Er ist daher bestandskräftig geworden, so dass die Frage der Rechtmäßigkeit - außerhalb der Nichtigkeit - nicht mehr erheblich und deshalb auch nicht mehr zu prüfen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass der Vorläufigkeitsvermerk nicht nur rechtswidrig, sondern sogar nichtig ist, kann der Senat nicht erkennen. Die Voraussetzungen des § 125 Abs. 2 AO liegen erkennbar nicht vor. Von einem besonders schwerwiegenden, offenkundigen Fehler kann ebenfalls nicht die Rede sein, nachdem der BFH in seinem Beschluss vom 22. Dezember 1987 für einen ähnlich strukturierten Vorläufigkeitsvermerk derartige Erwägungen auch nicht im Ansatz angestellt hat.

Soweit aber ein wirksamer Vorläufigkeitsvermerk reicht, ist das Finanzamt nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO unzweifelhaft berechtigt - wenn nicht sogar verpflichtet -, eine materiellrechtlich fehlerhafte Festsetzung durch die materiellrechtlich zutreffende Festsetzung zu ersetzen. Dies ist hier geschehen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

IV. Der Senat hat wegen des latenten Widerspruchs zu der Rechtsprechung des BFH die Beschwerde gemäß §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten nach § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerde zu.

Ende der Entscheidung

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