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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 23.04.2008
Aktenzeichen: 2 K 214/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

2 K 214/02

Eigenheimzulage ab 2002

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 2. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. April 2008

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Weber als Vorsitzender,

den Richter am Finanzgericht Schulz,

die Richterin am Finanzgericht Dr. Leingang-Ludolph,

den ehrenamtlichen Richter ... und

den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, den Eigenheimzulagenbescheid vom 6. Juli 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. April 2002 - geändert durch den Bescheid vom 24. Februar 2004 - in folgender Weise abzuändern: Der Fördergrundbetrag der Eigenheimzulage wird für die Jahre 2002 bis 2005 auf jeweils 5.000 DM festgesetzt; die Kinderzulage wird für das Jahr 2002 auf 1.500 DM und für die Jahre 2003 bis 2005 auf jeweils 3.000 DM festgesetzt.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, wann die Verwaltungsangestellte F., inzwischen verheiratete B., eine rechtlich unzutreffende Auskunft erteilt hat und ob der Beklagte (das Finanzamt -FA-) aufgrund dieser Auskunft verpflichtet war, die Eigenheimzulage ab 2002 auf 6.500 DM bzw. ab 2003 wegen der Geburt der Tochter C. auf jährlich 8.000 DM festzusetzen.

Die Klägerin und ihr damaliger Lebensgefährte hatten 1998 einen Bauträgervertrag über die Errichtung einer neuen Eigentumswohnung geschlossen. Sie wurden Eigentümer zu je 1/2. Der Klägerin wurde daraufhin mit Bescheid vom 23. April 1999 Eigenheimzulage in Höhe von 3.250 DM (50% von 5.000 DM zuzüglich Kinderzulage 1/2 von 1.500 DM) gewährt. Mit notariellem Kaufvertrag vom 13. März 2001 erwarb die Klägerin den anderen hälftigen Miteigentumsanteil hinzu. Mit Schreiben vom 15. Juni 2001 beantragte sie die Festsetzung einer Eigenheimzulage ab 2002 in Höhe von 6.500 DM (5.000 DM zuzüglich Kinderzulage 1.500 DM). Der Beklagte setzte die Eigenheimzulage mit Bescheid vom 6. Juli 2001 auf 4.000 DM fest (2.500 DM Fördergrundbetrag zuzüglich 1.500 DM Kinderzulage).

Zur Begründung der hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, der beurkundende Notar habe ihr den Vertragsentwurf am 26. Februar 2001 übersandt. In dem Begleitschreiben habe der Notar sie, die Klägerin, gebeten, sie möge ihrem Steuerberater den Vertragsentwurf über den Hinzuerwerb des weiteren Miteigentumsanteils vorlegen. Sie, die Klägerin, habe sich daraufhin im Finanzamt ... während der allgemeinen Sprechzeiten Anfang März 2001 bei der Verwaltungsangestellten B. unter Vorlage des Entwurfs des notariellen Kaufvertrages erkundigt, ob sie nach dem Hinzuerwerb des Miteigentumsanteils Anspruch auf die volle Eigenheimzulage habe. Die Verwaltungsangestellte B. habe ihr daraufhin zugesichert, dass das FA die Eigenheimzulage nach Hinzuerwerb des weiteren Miteigentumsanteils auf 6.500 DM festsetzen werde. Auf die Nachfrage, ob sie sich sicher sei, oder ab sie sich an anderer Stelle im FA erkundigen solle, habe Frau B. mitgeteilt, dass die Auskunft zutreffend sei und sie sich darauf verlassen könne. Sie habe sich auf diese Aussage verlassen und den Vertrag beurkunden lassen. Von der Gewährung der Eigenheimzulage sei die Finanzierung abhängig gewesen, zumal in dem Vertrag eine Regelung betreffend der Unterhaltsverpflichtung des Veräußerers gegenüber der gemeinsamen Tochter getroffen worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Eigenheimzulagenbescheid vom 6. Juli 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. April 2002 in folgender Weise abzuändern:

Der Fördergrundbetrag der Eigenheimzulage wird für die Jahre 2002 bis 2005 auf jeweils 5.000 DM festgesetzt; die Kinderzulage wird für das Jahr 2002 auf 1.500 DM und für die Jahre 2003 bis 2005 auf 3.000 DM festgesetzt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das FA auf seinen Einspruchsbescheid. An dem von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt bezüglich des Zeitpunkts der Auskunft bestünden erhebliche Zweifel. Das Gespräch der Klägerin mit der Verwaltungsangestellten B. habe erst nach der notariellen Beurkundung stattgefunden. Aus diesem Grund könne die Auskunft der Frau B. für die Entscheidung der Klägerin nicht ursächlich gewesen sein. Gegen ein Gespräch im März spreche auch, dass die Klägerin den Antrag auf Eigenheimzulage erst Mitte Juni 2001 gestellt habe. Unbestritten habe zu diesem späteren Zeitpunkt zwischen der Klägerin und Frau B. ein Gespräch stattgefunden.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2007 ist die Verwaltungsangestellte B. als Zeugin vernommen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 14. November 2007 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben den Rechtsstreit betreffend Eigenheimzulage für das Jahr 2006 übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Klägerin das Objekt seit 2006 nicht mehr für eigene Wohnzwecke nutzt und der Beklagte den Bescheid über Eigenheimzulage insoweit aufgehoben hat.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Das FA war verpflichtet, aufgrund der fehlerhaften Auskunft der Frau B. den Fördergrundbetrag ab 2001 auf 5.000 DM festzusetzen, denn bei der Auskunft der Frau B. handelte es sich um eine Zusage, die Eigenheimzulage entsprechend der erteilten Auskunft festzusetzen. Im Einzelnen:

Die FÄ werden tagtäglich in einer Vielzahl von Fällen schriftlich oder mündlich um Auskunft gebeten, wie ein bestimmter Sachverhalt steuerlich behandelt wird. Für eine persönliche Vorsprache haben die FÄ in Sachsen-Anhalt sog. Auskunftstellen eingerichtet, in denen Beamte des mittleren Dienstes und vergleichbare Verwaltungsangestellte arbeiten. Bei den von den Bediensteten erteilten Auskünften handelt es sich regelmäßig um solche ohne Rechtsbindungswillen. Die FÄ können aber auch "verbindliche Auskünfte" erteilen, die sie verpflichten, entsprechend der erteilten Auskunft zu handeln. Ob eine Auskunft ohne Rechtsbindungswillen abgegeben wurde oder ob es sich hierbei um eine "verbindliche Auskunft" handelt, richtet sich in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nach dem Empfängerhorizont (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 17. September 1992 IV R 39/90 BStBl II 1993, 218). Eine verbindliche Auskunft kommt generell und nicht nur nach einer Außenprüfung in Betracht. Während letztere in § 204 Abgabenordnung (AO) gesetzlich geregelt ist, fehlt es für eine außerhalb einer Außenprüfung erteilten verbindlichen Auskunft an einer Rechtsgrundlage. Die Vorschrift des § 204 AO ist daher entsprechend anzuwenden.

Bei der Auskunft der Frau B. wegen der Förderung des hinzuerworbenen Miteigentumsanteils handelt es sich um eine das FA bindende verbindliche Auskunft. Eine rechtlich verbindliche Auskunft setzt voraus, dass der Steuerpflichtige den geplanten, noch nicht verwirklichten Sachverhalt vollständig schildert und sein besonderes Interesse an einer verbindlichen Auskunft darlegt. Diese Voraussetzungen lagen vor. Die Klägerin hatte vor der Beurkundung des notariellen Kaufvertrages bei der Verwaltungsangestellten B. angefragt, ob sie einen Fördergrundbetrag in Höhe von 5.000 DM erhalten würde, wenn der Kaufvertrag wie im Entwurf notariell beurkundet würde. Der Senat ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass sich die Klägerin vor der Beurkundung des notariellen Kaufvertrages unter Vorlage des Entwurfes bei der Zeugin B. erkundigt hatte, ob ihr der Fördergrundbetrag in Höhe von 5.000 DM zustehe. Der dahingehende Vortrag der Klägerin ist unter Berücksichtigung des notariellen Begleitschreibens anlässlich der Übersendung des Entwurfs plausibel. Die Klägerin sollte den Entwurf auf dessen steuerliche Relevanz überprüfen zu lassen. Zwar bat der Notar, die Klägerin möge den Vertrag ihrem Steuerberater vorlegen. Die Klägerin hat aber keinem Steuerberater, sondern dem FA vorgelegt. Dies ist nicht zu beanstanden. Das FA ist fachkundig und grundsätzlich verpflichtet, Auskünfte zu erteilen (§ 89 Abgabenordnung).

Nach Auffassung des Senats hat sich die Klägerin vor der Beurkundung des Vertrages beim FA erkundigt, ob der Hinzuerwerb zu einer Förderung nach dem Eigenheimzulagengesetz führt. Zwar konnte sich die Zeugin B. nur an ein Gespräch nach der notariellen Beurkundung, nicht jedoch an ein solches Anfang März, d.h. vor der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages erinnern. Dies schließt jedoch noch nicht aus, dass ein solches Gespräch stattgefunden, die Zeugin dies aber -auch im Hinblick auf die Vielzahl solcher Gespräche- wieder vergessen hat. Die Klägerin konnte sich im Gegensatz zur Zeugin auch nach Jahren sehr gut an das geführte Gespräch vor der notariellen Beurkundung erinnern. Dies ist für den Senat auch nicht verwunderlich, denn für die Klägerin war es eine besondere Situation. Für sie war die Entscheidung zum Kauf der Wohnung von weitreichender Bedeutung. Nicht nur, dass sie künftig allein die Finanzierung zu tragen hatte; mit dem notariellen Kaufvertrag sollten zugleich auch Unterhaltsansprüche des gemeinsamen Kindes bis zu dessen Volljährigkeit geregelt werden. Dass eine Einigung hierüber nur getroffen werden sollte, wenn Klarheit über die Förderung des hinzu erworbenen Miteigentumsanteils bestand, ist für den Senat nachvollziehbar. Im Hinblick auf die Vorlage des Entwurfs steht für den Senat darüber hinaus auch fest, dass der Zeugin klar gewesen sein musste, dass die Klägerin nicht nur eine bloße Auskunft über die Rechtslage, sondern eine Auskunft mit Bindungswillen der Verwaltung begehrte.

Zwar ist weitere Voraussetzung, dass der zuständige Beamte die verbindliche Auskunft erteilt hat, hierauf kommt es aber wegen der besonderen Umstände im vorliegenden Fall nicht an. Die Verwaltungsangestellte B. war für die Festsetzung der Eigenheimzulage nicht zuständig. Sie arbeitete seinerzeit in der allgemeinen Auskunftsstelle. In dieser Eigenschaft war sie zu keinem Zeitpunkt befugt, über die Festsetzung der Eigenheimzulage abschließend zu entscheiden. Allerdings hatte die Klägerin bei der Zeugin nachgefragt, ob sie sich bezüglich der erteilten Auskunft sicher sei oder ob sie, die Klägerin, sich noch an andere Stelle erkundigen solle. Dies hat die Zeugin verneint. Hierdurch trat die Zeugin gegenüber der Klägerin als die für die Bearbeitung des Falles zuständige Bearbeiterin auf. Unter diesen Umständen durfte die Klägerin auf die Richtigkeit der ihr erteilten Auskunft sowohl wegen der steuerlichen Behandlung als auch wegen der Zuständigkeit vertrauen. Es wäre unzumutbar, wenn man von der Klägerin verlangen würde, dass sie unter Heranziehung der ihr unbekannten hausinternen Zuständigkeitsregelungen den tatsächlich für die Eigenheimzulage zuständigen Beamten ermitteln soll. Hierfür bestand nach der erteilten Auskunft keine Veranlassung.

Auch die letzte Voraussetzung, wonach der Steuerpflichtige den geplanten Sachverhalt wie geschildert verwirklichen muss, ist erfüllt. Da die Klägerin aufgrund der ihr erteilten Auskunft Dispositionen getroffen hat, war das FA an der Zusage gebunden. Da § 204 AO keine Schriftform vorsieht, konnte die verbindliche Auskunft auch mündlich erteilt werden (Seer in Tipke/Kruse Kommentar zur Abgabenordnung vor § 204 Rz. 31).

Die Kostenentscheidung beruht, soweit sich der Rechtsstreit in der Hauptsache durch übereinstimmende Erklärung erledigt hat, auf § 138 Abs. 1 FGO, im Übrigen auf § 135 Abs. 1 FGO. Da die Klage auch für das Jahr 2006 Erfolg gehabt hätte, wenn die Klägerin die Wohnung nicht während des Klageverfahrens veräußert hätte, waren dem Beklagten auch insoweit die Kosten aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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