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Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 15.01.2007
Aktenzeichen: 3 K 990/06
Rechtsgebiete: AO 1977, BpO2000


Vorschriften:

AO 1977 § 118
AO 1977 § 121
AO 1977 § 194 Abs. 1 S. 2
BpO2000 § 4 Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

3 K 990/06

Erweiterung der Prüfungsanordnung auf Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer für 1997 vom 09. März 2006

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 3. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Januar 2007

durch

den Richter am Finanzgericht als Berichterstatter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Erweiterung der Prüfungsanordnung vom 09. März 2006 auf Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer für 1997 sowie die zu dieser ergangene Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der zweiten Erweiterung einer Prüfungsanordnung.

Der Kläger ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG.

Der Beklagte führte beim Kläger zunächst eine Außenprüfung für die Jahre 1994 bis einschließlich 1996 durch. In der Prüfungsanordnung behielt er sich ausdrücklich vor, diese auf weitere Steuerarten, Zeiträume und Sachverhalte, die für die Besteuerung von Bedeutung sein könnten, auszudehnen. Im Prüfungsbericht führte er aus, die betriebliche Veranlassung einer Zahlung von DM 35.000,-- im Jahre 1996, die der Kläger als Teil der Anschaffung eines Grundstücks behandelt habe, habe dieser nicht nachweisen können. Im Rahmen der Außenprüfung legte ihm der Kläger einen zwischen diesem und der Gemeinde im Jahre 1995 geschlossenen Erschließungsvertrag vor, aus dem hervorging, dass der Kläger beabsichtige, auf dem zu erschließenden Areal Einfamilienhäuser zu errichten.

Der Beklagte ordnete unter dem 18. Januar 2005 eine weitere Außenprüfung für die Jahre 1999 bis einschließlich 2001 hinsichtlich Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer an. Wiederum behielt er sich ausdrücklich vor, die Prüfungsanordnung auf weitere Steuerarten, Zeiträume und bestimmte Sachverhalte, die für die Besteuerung von Bedeutung sein könnten, auszudehnen.

Am 24. Februar 2005 sandte der Beklagte ein Fax an den Kläger, in dem er ihn u.a. aufforderte, zu erläutern, warum im Zusammenhang mit der Aufhebung des Kaufvertrags über ein vom Kläger erworbenes Objekt in , die am 14. Oktober 1997 erfolgt sei, 10.000,-- DM an ihn gezahlt worden seien. Mit demselben Schreiben forderte er ihn zur Vorlage eines 1997 betreffenden Kontenblatts auf.

Unter dem 01. März 2005 erweiterte der Beklagte die Prüfungsanordnung hinsichtlich Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer auf das Jahr 1998. Zur Begründung führte er aus, die Besteuerungsgrundlagen könnten nicht ohne Erweiterung des Prüfungszeitraums festgestellt werden. Es sei zu klären, inwieweit die bezahlten Erschließungskosten im Rahmen der Bauträgertätigkeit des Klägers in als Einnahme erfasst worden seien. Einen Vorbehalt der - abermaligen - Erweiterung brachte der Beklagte nicht an. Den gegen die Erweiterung der Prüfungsanordnung gerichteten Einspruch wies er unter dem 20. Mai 2005 als unbegründet zurück. Er führte aus, ab dem Jahre 1994 habe der Kläger Kosten der Erschließung von Grundstücken als Treuhänder für die späteren Grundstückserwerber getragen. Die ihm hierdurch entstandenen Betriebsausgaben führten beim Verkauf der Grundstücke an die späteren Erwerber zu Betriebseinnahmen. Auch die Einspruchsentscheidung enthält keinen Vorbehalt einer abermaligen Erweiterung.

Unter dem 09. März 2006 erweiterte der Beklagte die Prüfungsanordnung auf Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer für 1997. Der hiergegen gerichtete Einspruch ging beim Beklagten am 21. März 2006 ein. Der Kläger trug vor, die abermalige Erweiterung des Prüfungszeitraums sei unzureichend begründet worden. Der Beklagte wolle durch die Erweiterung der Prüfungsanordnung Beschränkungen, die ihn im Falle strafrechtlicher Ermittlungen träfen, umgehen.

Unter dem 23. Juni 2006 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, der Kläger sei seit 1994 als Makler tätig gewesen und habe Bauleistungen erbracht. Er habe Hinweise auf den Erwerb eines Grundstücks in durch den Kläger im Jahre 1996. Im Jahre 1997 seien Betriebsausgaben i.H.v. DM 84.100,-- verbucht worden, von denen jedoch DM 35.000,-- bereits im Jahre 1996 gezahlt worden seien. Diese habe er im Rahmen der Außenprüfung für 1994 bis 1996 nicht als Betriebsausgaben anerkannt, da er einen gewerblichen Grundstückshandel verneint habe. Der Kläger mache den Betrag von DM 35.000,-- nunmehr als Betriebsausgabe aus dem Jahre 1997 geltend, was steuerlich unzutreffend sei und zumindest den Verdacht einer Steuerstraftat begründe. Aus einem Vertrag vom 14. Oktober 1997 sei zu ersehen, dass der Kaufvertrag aufgehoben und an den Kläger DM 10.000,-- zurückgezahlt worden seien. Diese Rückzahlung habe der Kläger in seiner Gewinnermittlung nicht erfasst. Ungeklärt sei der Verbleib der Differenz von DM 74.100,--. Der Verkäufer habe das Grundstück später für DM 30.000,-- veräußert. Es sei mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen zu rechnen, was angesichts der Regelung des § 4 Abs. 3 S. 2 BpO2000 die Beschränkung der Außenprüfung auf 3 Besteuerungszeiträume nach § 4 Abs. 3 S. 1 BpO2000 nicht eingreife. Die Vorschrift lasse einen größeren Prüfungszeitraum auch beim Verdacht einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit zu, die allerdings wahrscheinlich sein müsse. Bereits die Erweiterung des Prüfungszeitraums auf 1998 habe gezeigt, dass im Zusammenhang mit dem Erwerb und der möglichen Erschließung von Grundstücken bisher eine unzutreffende Beurteilung des Lebenssachverhalts erfolgt und mit erheblichen Mehrsteuern durch eine zutreffende Beurteilung zu rechnen sei. Es treffe nicht zu, dass angesichts des Verdachts einer Steuerstraftat nicht das für die Besteuerung zuständige Finanzamt, sondern die Strafsachenstelle ermitteln müsse. Auch beim Verdacht einer Steuerstraftat dürfe die Finanzbehörde weiter ermitteln. Mit welchen Mitteln sie dieser Ermittlungspflicht nachkomme sei keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Zweckmäßigkeit und Praktikabilität. Außenprüfung und Strafverfolgung schlössen einander nicht aus. Dem Erlass einer Prüfungsanordnung stehe nicht entgegen, dass hinsichtlich der zu prüfenden Steueransprüche möglicherweise Festsetzungsverjährung eingetreten sei oder sie aus anderen Gründen nicht festgesetzt werden könnten. Er habe zwischen der Erweiterung der Prüfungsanordnung und Einzelmaßnahmen abzuwägen. Er habe bereits beim Erlass des streitgegenständlichen Verwaltungsakts berücksichtigt, dass der Betriebsprüfer die Jahre 1998 bis 2001 bereits vor Ort prüfe. Der Kläger habe in seiner Buchführung keine Trennung nach seinen Tätigkeitsbereichen vorgenommen. Es sei daher zweckmäßig erschienen, eine Außenprüfung vorzunehmen. Zwar komme es zu einer Anschlussprüfung, dies lasse jedoch § 4 Abs. 3 S. 3 BpO2000 ausdrücklich zu. Eine unbillige Härte ergebe sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch sei sie anderweitig zu erkennen. Den Umfang der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen bestimme die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Die Klage ging beim Gericht am 21. Juli 2006 ein.

Der Kläger trägt vor, er sei seit vielen Jahren als Versicherungs- und Immobilienmakler tätig und ermittle seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG.

Die abermalige Erweiterung der Prüfungsanordnung sei rechtswidrig, weil bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei und die offenen Fragen im Rahmen von Einzelermittlungsmaßnahmen hätten geklärt werden können. Der Beklagte habe es versäumt, diesbezügliche Überlegungen bei der Ausübung seines Ermessens anzustellen und eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Das Finanzamt ermittle gegen ihn hinsichtlich einer das Jahr 1998 betreffenden Steuerstraftat. Das Ermittlungsverfahren sei im Rahmen der derzeit noch laufenden Außenprüfung eingeleitet worden.

Die abermalige Erweiterung der Prüfungsanordnung über das Jahr 1998 hinaus auf das Jahr 1997 diene einzig dazu, eine etwaige Steuerhinterziehung aufzudecken. Denn sogar im Falle einer Steuerordnungswidrigkeit sei hinsichtlich 1997 Festsetzungsverjährung eingetreten. Der Beklagte wolle die den Kläger im Rahmen der Außenprüfung treffende Mitwirkungspflicht nutzen, die ihn jedoch im Strafermittlungsverfahren, das der Aufdeckung einer Steuerstraftat diene, gerade nicht treffe. Daher könnten die Finanzbehörden allenfalls das Ermittlungsverfahren auf 1997 ausdehnen und dieses nicht in das Gewand der Außenprüfung kleiden.

Es bestehe kein Bedarf nach Ermittlung komplexer Gesamtsachverhalte. Dass der Kläger DM 35.000,-- an Betriebsausgaben im Zusammenhang mit einem Grundstück in reklamiere, sie dem Beklagten bereits seit der Außenprüfung hinsichtlich der Jahre 1994 bis 1996 bekannt, die im Jahre 1998 stattgefunden habe. Der Beklagte besitze bereits detaillierte Kenntnis des Grundstücksgeschäfts. Der Beklagte habe seinerzeit angenommen, es handele sich um Anschaffungskosten von Grund und Boden. Dies habe im Jahre 1997 bei Veräußerung des Wirtschaftsguts des Anlagevermögens zu Aufwendungen geführt, die als Ausgaben absetzbar seien. Ein entsprechendes Kontenblatt habe er dem Beklagten bereits im Januar 2006 übergeben. Der Beklagte habe bereits im Februar 2005 erwogen, die Außenprüfung auf das Jahr 1997 zu erweitern. Der Kläger habe am 09. März 2005 dem Beklagten angeboten, weitere Unterlagen für das Jahr 1997, insbesondere Kontenblätter, zu übergeben. Der Beklagte habe dies vermutlich abgelehnt, um nicht in den Besitz von Informationen zu gelangen, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung ausschließlich Einzelermittlungsmaßnahmen erlaubt hätten.

Er habe nie bestritten, den in der Urkunde des Notars vom 11. November 1997 genannten Betrag von DM 10.000,-- erhalten zu haben. Der Notarvertrag liege dem Beklagten vor. Rückfragen seien im Rahmen von Einzelermittlungsmaßnahmen möglich. Den über DM 10.000,-- hinausgehenden Teil des Kaufpreises habe der in der notariellen Urkunde genannte R. einbehalten. R. habe den Kläger und seine Familie mehrfach bedroht.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags des Klägers wird auf dessen Schriftsätze vom 21. Juli und 15. August 2006 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die Erweiterung der Prüfungsanordnung vom 09.03.2006

in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 23.06.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung und führt aus, für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sei unerheblich, ob er die in seinem Vollzug getroffenen tatsächlichen Feststellungen materiell-rechtlich zutreffend würdige. Auch sei unerheblich, ob die zu prüfenden Steueransprüche möglicherweise verjährt seien oder aus anderen Gründen nicht durchgesetzt werden könnten. Die BpO2000 sehe gerade vor, dass eine Außenprüfung auch durchgeführt werden könne, soweit die sog. Regelfestsetzungsverjährung eingetreten sei. Hinsichtlich einer jeden Besteuerungsart liege wiederum hinsichtlich eines jeden Besteuerungszeitraums ein nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs selbstständiger Verwaltungsakt vor. Die Erweiterung einer Prüfungsanordnung bilde keine, auch nicht etwa eine schlüssige Modifikation der ihr vorangegangenen Prüfungsanordnung, sondern einen selbstständigen Verwaltungsakt. Weder die Abgabenordnung noch die Betriebsprüfungsordnung 2000 sähen vor, dass eine Prüfungserweiterung, eines Vorbehalts des Widerrufs der ihr vorangegangenen Prüfungsanordnung bedürfe.

Erstrecke sich eine Prüfungsanordnung zunächst einmal nicht auf Besteuerungszeiträume, hinsichtlich deren eine Außenprüfung angeordnet werden könne, so besage dies nicht, dass die Finanzverwaltung eine solche Prüfung nicht vornehmen werde, sondern lediglich, dass sie im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung keinen weiteren Prüfungsbedarf sehe. Insbesondere sei Gegenstand der Außenprüfung hinsichtlich des Jahres 1997 die weitere Entwicklung des erworbenen Grundstücks in gewesen. Dabei falle auf, dass der Kläger DM 10.000,-- der von ihm geleisteten Anschaffungskosten im Jahre 1997 zurückerhalten haben wolle, diese jedoch nicht gewinnsteigernd erfasst habe. Ferner reklamiere der Kläger Anschaffungs- und Erschließungskosten des Grundstücks von mehr als DM 84.000,--, was gleichfalls prüfungswürdig sei. Diese Umstände begründeten bereits für sich genommen die Prüfungswürdigkeit des Klägers hinsichtlich des Jahres 1997. Ihre Prüfungswürdigkeit sei dem Kläger bereits bei Erlass der Entscheidung über den Einspruch gegen die Erweiterung der Außenprüfung auf das Jahr 1998 bewusst gewesen. Daher habe er sie nicht dahingehend verstehen können, dass der Beklagte eine Regelung dergestalt habe treffen wollen, dass er von einer Außenprüfung hinsichtlich des Jahres 1997 Abstand nehme. Insbesondere sei das Grundstück in nicht Gegenstand der Prüfung hinsichtlich 1998 gewesen, so dass, zumal die es betreffenden Umstände die Prüfungswürdigkeit hinsichtlich des Jahres 1997 begründet hätten, eine solche Prüfung möglich gewesen sei, weil eben diese Umstände nicht bereits im einzelnen bekannt gewesen seien. Gerade der Umstand, dass Sachverhaltselemente, die die Prüfungswürdigkeit des Klägers hinsichtlich des Jahres 1997 begründeten, bereits vor Erlass der Prüfungsanordnung Gegenstand des Verkehrs zwischen den Beteiligten gewesen seien, führe dazu, dass der Kläger gerade nicht habe annehmen können, dass eine Prüfung hinsichtlich dieses Jahres nicht habe erfolgen sollen. Im Gegenteil habe er darauf schließen können, dass der Beklagte diesen Umständen nachgehen werde.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags des Beklagten wird auf dessen Schriftsätze vom 09. August und 01. September 2006 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Im Streitfall kann dahinstehen, ob der Beklagte nicht bereits deshalb rechtswidrig handelte, weil er eine einheitliche Ermessensentscheidung hätte treffen müssen, indem er die ursprüngliche Prüfungsanordnung und deren erstmalige Erweiterung - eventuell schlüssig - zurückgenommen hätte und die Prüfung sodann einheitlich für 1997 bis 2001 angeordnet hätte. Zum einen verletzt die abermalige Erweiterung der Prüfungsanordnung bereits aus anderen Gründen den Klägern in seinen Rechten, zum anderen besteht die Gefahr, dass das Gericht in eine Ermessensentscheidung der Behörde gestaltend und nicht lediglich kassatorisch eingriffe, nicht. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte auf die Prüfung des Klägers hinsichtlich der Jahre 1998 bis 2001 auch nur teilweise verzichten wollte. Er geht ohnehin von selbstständigen Verwaltungsakten aus.

Es fehlt an einer Rechtsgrundlage für die streitige den Kläger belastende Verwaltungsmaßnahme. Die erstmalige Erweiterung des Prüfungszeitraums lediglich auf 1998 bildet gemessen an der abermaligen Erweiterung auf 1997 den Kläger begünstigende Verwaltungsakte. Eine Rechtsgrundlage für deren Rücknahme oder Widerruf der erstmaligen Erweiterung des Prüfungszeitraums auf 1998 i.S.d. §§ 130 Abs. 2, 3 u. 4, 131 Abs. 2, 3 u. 4 und 132 S. 1 AO ist nicht erkennbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs enthält eine Prüfungsanordnung, die mehrere Steuerarten betrifft, mehrere selbständige Regelungen i.S. des § 118 AO 1977 (BFH-Urteil vom 18. Oktober 1994 IX R 128/92, BStBl II 1995, 291). Die erstmalige Erweiterung der Prüfungsanordnung ist nach Maßgabe des sog. Empfängerhorizonts des Klägers dahingehend auszulegen, dass der Beklagte bei der erstmaligen Erweiterung des Prüfungszeitraums sein Ermessen dahingehend betätigt habe, dass er von einer Erweiterung des Prüfungszeitraums auch auf 1997 bewusst abgesehen habe. Eine ausdrückliche Aussage hinsichtlich eines etwaigen Widerrufvorbehalts findet sich weder in der ursprünglichen Prüfungserweiterung noch in der zu dieser ergangenen Einspruchsentscheidung. Jedoch fehlt im Gegensatz zu den Prüfungsanordnungen für 1994 bis 1995 wie auch 1999 bis 2001 ein Vorbehalt der Ausdehnung der Prüfung. Hierin zeigte sich aus der Perspektive des Klägers, dass sich der Beklagte die Option auf eine abermalige Erweiterung des Prüfungszeitraums nicht mehr offen halten wollte. Die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 2005 machen deutlich, dass der Beklagte sich bei der Erweiterung des Prüfungszeitraums auf 1998 zumindest auch mit Auswirkungen bereits im Jahre 1994 begründeter Lebenssachverhalte beschäftigte. Diese Auswirkungen konnten hinsichtlich des Vorhabens in durchaus auch im Jahre 1997 liegen. Dasselbe gilt hinsichtlich des Objekts in . Es kann nicht angenommen werden, der Beklagte habe bei der erstmaligen Erweiterung der Prüfungsanordnung in dem Sinne bestehen lassen wollen, als er diese lediglich modifziert habe. Der Beklagte hat vielmehr offenbar eine gesonderte Regelung hinsichtlich der Erweiterung treffen wollen, die er nicht als abermalige einheitliche Betätigung seines Ermessens hinsichtlich des sich nunmehr insgesamt ergebenden Prüfungszeitraums begriffen wissen wollte. Vielmehr trägt der Beklagte selbst vor, ursprüngliche Prüfungsanordnung wie erstmalige Erweiterung seien in Bestandskraft erwachsen.

Die Frage, ob eine Erweiterung des Prüfungszeitraums zulässig ist, wenn dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) anlässlich einer Außenprüfung bereits Tatsachen bekannt sind, die zu nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen führen, ist eindeutig zu bejahen. Entscheidend ist, ob mit "nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist". Liegen entsprechende Feststellungen für bereits geprüfte Veranlagungszeiträume vor, sind diese Voraussetzungen regelmäßig gegeben (BFH-Beschluss vom 11. August 2005 XI B 207/04, BFH/NV 2006, 09).

Dies bedeutet jedoch nicht etwa, dass § 4 Abs. 3 der Bestimmung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung - Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - (BpO2000) eine Rechtsgrundlage für die streitige Erweiterung des Prüfungszeitraums bilden könnte.

Es fehlt an einer Rechtsnorm, die die Rücknahme oder den Widerruf der in der zunächst unterbliebenen Erweiterung des Prüfungszeitraums auf 1997 liegenden den Kläger begünstigenden Regelung eines Einzelfalls zu rechtfertigen vermöchte.

Im übrigen gilt, ohne dass es für die zu treffende Entscheidung von Bedeutung wäre:

Eine Prüfungsanordnung ( § 196 AO 1977) ist ein schriftlicher Verwaltungsakt, der gemäß § 121 AO 1977 zu begründen ist, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist (z.B. BFH-Urteile vom 16. Dezember 1987 I R 238/83, BFHE 152, 32, BStBl II 1988, 233 und vom 10. Februar 1983 IV R 104/79, BFHE 137, 404, BStBl II 1983, 286; BFH-Beschluss vom 12. August 2002 X B 210/01, BFH/NV 2003, 3). Die Verwaltung hat ihr Ermessen BpO 2000 vom 15. März 2000 (BStBl I 2000, 368) eingeschränkt. Diese Selbstbeschränkung ist auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten (BFH-Beschluss vom 15. Juli 2005 I B 25/05, BFH/NV 2005, 1967; BFH-Urteile vom 19. August 1998 XI R 37/97, BFHE 186, 506, BStBl II 1999, 07, und vom 28. Juni 2000 I R 20/99 , BFH/NV 2000, 1447).

Eine Außenprüfung kann nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 einen oder mehrere Besteuerungszeiträume umfassen. Den Umfang der Außenprüfung hat gemäß § 196 AO 1977 die zuständige Finanzbehörde in einer schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung zu bestimmen. Die Bestimmung des zeitlichen Umfangs einer Außenprüfung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde (BFH-Urteile vom 10. Juni 1992 I R 142/90, BFHE 168, 226, BStBl II 1992, 784, und vom 18. Oktober 1994 IX R 128/92 , BFHE 176, 298 , BStBl II 1995, 291). Auch diese Ermessensentscheidung unterliegt nur der gerichtlichen Prüfung auf fehlerfreie Ermessensausübung gemäß § 102 S. 1 FGO (BFH-Urteile in BFHE 176, 298 , BStBl II 1995, 291 , vom 10. April 1990 VIII R 415/83 , BFHE 160, 409 , BStBl II 1990, 721, und vom 28. Juni 2000 I R 20/99 , BFH/NV 2000, 1447).

Eine Prüfungsanordnung ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die Steueransprüche, die überprüft werden sollen, möglicherweise verjährt sind oder aus anderen Gründen nicht durchgesetzt werden können (BFH-Beschluss vom 13. Juli 2006 VII B 296/05, BFH/NV 2006, 1799). Denn die Frage der Verjährung wird sich vielfach erst nach Klärung des Sachverhalts durch die Außenprüfung zuverlässig beantworten lassen. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Eintritt der Festsetzungsverjährung auf der Hand liegt, weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Festsetzungsfrist ausnahmsweise noch nicht abgelaufen sein könnte. Maßgeblich ist, ob die Außenprüfung etwas zur Klärung des Verjährungseintritts beitragen könnte (BFH-Beschluss vom 26. Januar 2006 VI B 89/05, BFH/NV 2006, 964, BFH-Urteil vom 10. April 2003 IV R 30/01, BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827 ). Im Rahmen des § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO2000 reicht nach Sinn und Zweck der Außenprüfung und der Erweiterung des Prüfungszeitraums "naturgemäß" der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit aus (BFH-Beschluss vom 03. März 2006 IV B 39/04, BFH/NV 2006, 1250). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Erweiterung der Außenprüfung nur beim Verdacht einer Steuerstraftat zulässig wäre. Bei der Frage, ob eine Prüfungsanordnung erweitert werden darf bzw. durfte, bedarf es weder seitens des Finanzamts noch seitens des Finanzgerichts einer abschließenden Prüfung der sich aus den Feststellungen der beabsichtigten Außenprüfung ergebenden materiell-rechtlichen Fragen (BFH-Beschluss vom 03. März 2006 IV B 39/04, BFH/NV 2006, 1250). Schlösse die Möglichkeit einer Fahndungsprüfung eine Außenprüfung aus, so verhinderte der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit die Ermittlung der zutreffenden Besteuerungsgrundlagen im übrigen, was dem Gebot der gleichmäßigen Besteuerung widerspräche.

Die Frage, ob eine Außenprüfung überhaupt angeordnet werden darf, ist von der Frage nach der Rechtmäßigkeit einzelner Maßnahmen im Zuge der Prüfung zu unterscheiden (BFH-Beschluss vom 24. August 2006, I S 4/06, BFH/NV 2006, 2034; vgl. hierzu auch die Erläuterungen in der Prüfungsanordnung vom 18. Januar 2005).

Der Grundsatz "in dubio pro reo" gilt nicht im Rahmen des § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO (BFH-Beschluss vom 11. August 2005 XI B 207/04, BFH/NV 2006, 09). Fahndungsprüfung und Außenprüfung bilden zwei von einander unabhängige Verfahren.

Die Finanzbehörden sind auch bei Mittelbetrieben, Kleinbetrieben und Kleinstbetrieben weder durch die AO 1977 noch durch die BpO2000 an einen bestimmten Prüfungsturnus gebunden. Sie können daher auch solche Betriebe einer sog. Anschlussprüfung unterwerfen (BFH-Beschluss vom 14. März 2006 IV B 14/05, BFH/NV 2006, 1253).

Zu § 4 Abs. 2 BpO (nunmehr § 4 Abs. 3 BpO2000) hat der BFH entschieden, dass die Erweiterung des Prüfungszeitraums im Rahmen einer routinemäßigen Außenprüfung nicht voraussetze, dass eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Steuerfalls nicht zweckmäßig sei (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1989 III R 36/88, BFHE 156, 54, BStBl II 1989, 445 ). Soweit der Bundesfinanzhof verlangt, dass die Begründung einer Betriebsprüfungsanordnung ergeben muss, dass die gewünschte Aufklärung durch Einzelmaßnahmen nicht erreicht werden könne, betrifft dies Prüfungsanordnungen nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435, unter 2.). Der BFH vertritt zudem in ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf das Ermessen der Finanzbehörde, dass durch die Erweiterung eines Prüfungszeitraums die mit der Durchführung der Außenprüfung verbundene generelle Belastung des Steuerpflichtigen nicht wesentlich erhöht wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2003 III B 13/03, BFH/NV 2004, 312 , m.w.N.). Dennoch ist die zusätzliche Belastung durch die Erweiterung des Prüfungszeitraums im Hinblick auf die Änderungsvorschriften der AO ohne weiteres erkennbar. Der BFH hält im übrigen die in § 4 Abs. 3 BpO2000 getroffene Regelung, wonach der grundsätzlich dreijährige Prüfungszeitraum unter den dort genannten Voraussetzungen erweitert werden kann, in ständiger Rechtsprechung für ermessensgerecht (BFH-Beschluss vom 11. August 2005 XI B 207/04, BFH/NV 2006, 09).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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