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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Gerichtsbescheid verkündet am 21.07.2008
Aktenzeichen: 4 K 1741/06
Rechtsgebiete: BewG, GrStG


Vorschriften:

BewG § 22 Abs. 1
GrStG § 17 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

4 K 1741/06

Einheitswert 2007 und Grundsteuermessbetrag 2007

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat -

am 21. Juli 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht R. ,

den Richter am Finanzgericht S. und

den Richter am Finanzgericht T.

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung des Einheitswertes und die Festsetzung des Grundsteuermessbetrages auf den 01. Januar 2007.

Die Klägerin wurde im Dezember 2005 im Wege der Erbfolge Eigentümerin des Grundstückes M.-Straße in X.-Dorf. Mit Einheitswertbescheid vom 07. August 2006 stellte der Beklagte im Wege der Zurechnungsfortschreibung auf den 01. Januar 2006 fest, dass das Grundstück der Klägerin zuzurechnen sei und teilte nachrichtlich den zuletzt festgestellten Einheitswert (4.857,00 Euro) mit. Mit Grundsteuermessbescheid vom gleichen Tage setzte der Beklagte den Grundsteuermessbetrag auf den 01. Januar 2006 auf 29,14 Euro fest und stellte fest, dass die Klägerin Steuerschuldnerin sei. Im Hinblick auf eine der Klägerin erteilte Baugenehmigung forderte der Beklagte die Klägerin zur Abgabe einer Feststellungserklärung zum Einheitswert auf. Hierzu teilte die Klägerin mit, dass der Beklagte nicht legitimiert sei, eine solche Erklärung zu verlangen. X.-Dorf liege nicht im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Dies habe zur Folge, dass der Beklagte nicht durch das Grundgesetz legitimiert sei, hoheitlich gegenüber ihr - der Klägerin - tätig zu werden. Es sei deshalb im Ergebnis davon auszugehen, dass seit dem 25. September 1990 wieder in vollem Umfang Besatzungsrecht gelte, der Beklagte gegen das mithin geltende US-Recht verstoße und eine Steuerpflicht nicht bestehe.

Da eine Feststellungserklärung nicht vorgelegt wurde, ermittelte der Beklagte im Wege der Schätzung einen Einheitswert von 15.923,00 DM - gerundet 15.900,00 DM (8.129,00 Euro) - und stellte diesen mit Einheitswertbescheid vom 14. August 2006 auf den 01. Januar 2007 fest. Dementsprechend änderte der Beklagte den Grundsteuermessbetrag mit Bescheid vom gleichen Tage auf 48,77 Euro. Im Rahmen der Begründung wies er die Klägerin darauf hin, dass das Grundgesetz nach seiner Präambel für das gesamte deutsche Volk gelte, mithin auch für die Klägerin.

Im Rahmen ihres dagegen gerichteten Einspruchs führte die Klägerin an, die Präambel des Grundgesetzes enthalte lediglich eine politische Wertung. Denn die Aussage, dass das Grundgesetz für das gesamte deutsche Volk gelte, könne nicht als Aussage über den territorialen Geltungsbereich des Grundgesetzes verstanden werden, da diese Aussage ansonsten bedeuten würde, dass das Grundgesetz hoheitliche Ansprüche auf alle Gebiete des Erdballs erhebe. Entscheidend sei die Regelung des Art. 23 des Grundgesetzes (in seiner bis 1990 geltenden Fassung), die den Beitritt der Gebiete der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik habe ermöglichen sollen. Da diese Regelung aber schon zum 29. September 1990 aufgehoben worden sei, habe der Beitritt am 03. Oktober 1990 nicht mehr rechtswirksam erfolgen können. Hinzu komme, dass die beitrittswilligen Länder gemäß dem Ländereinführungsgesetz der Deutschen Demokratischen Republik erst am 14. Oktober 1990 - mithin erst nach ihrem vermeintlichen Beitritt - gegründet werden sollten. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 07. November 2006 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 06. Dezember 2006 Klage erhoben.

Sie führt ergänzend zu ihrem Vorbringen im Einspruchsverfahren an, dass der Unterzeichner der Einspruchsentscheidung kein zu einer solchen Entscheidung befugter Amtsträger sei; eine entsprechende Vollmacht habe der Einspruchsentscheidung nicht beigelegen. Das Deutsche Reich sei nicht untergegangen und bestehe in den Grenzen des Jahres 1937 fort. Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland sei nicht völkerrechtlich legitimiert. Das Grundgesetz sei vielmehr "reines Besatzungsrecht", weshalb für alle Deutschen die Weimarer Verfassung gelte. Die Klägerin weist im Übrigen auf das ihr - ihrer Meinung nach - zustehe völkerrechtliche Widerstandsrecht (Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes) hin.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Einheitswertbescheid des Beklagten vom 14. August 2006 und dessen Grundsteuermessbescheid vom 14. August 2006 in der Gestalt, die diese durch den Einspruchsbescheid vom 07. November 2006 gefunden haben, aufzuheben.

Der Beklagte hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dem Senat hat bei seiner Entscheidung ein Band Akten des Beklagten vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Klage gemäß § 90 a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid, da alle wesentlichen Gesichtspunkte hinreichend schriftsätzlich erörtert bzw. vorgetragen wurden und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Erkenntnisse erwarten lässt. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die Klägerin vermag mit Ihren Einwänden, dass die Gebiete der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik der Bundesrepublik Deutschland nicht wirksam beigetreten seien und das Grundgesetz nicht geltendes Verfassungsrecht sei, nicht durchzudringen.

In diesem Zusammenhang sieht der Senat keine Veranlassung, im Einzelnen den Rügen der Klägerin nachzugehen, dass der Beitritt der Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zur Bundesrepublik Deutschland nicht wirksam sei. Die im Wesentlichen an der zeitlichen Abfolge der Verkündung der entsprechenden Verträge und Gesetze in den amtlichen Verkündungsblättern anknüpfenden Einwände der Klägerin übersehen, dass der Beitritt der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland bereits vor der Verkündung des sog. Einigungsvertrages im Bundesgesetzblatt (BGBl. II 1990, S. 885 = GBl. DDR I 1990, S. 1627) von den hierzu berufenen Verfassungsorganen beschlossen bzw. vereinbart wurde. Die nachfolgende Verkündung in den hierzu bestimmten Verkündungsblättern ist daher nur für den Zeitpunkt entscheidend, zu dem der Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik wirksam wurde. Die Gültigkeit des Beitritts als solchen wird hierdurch nicht in Frage gestellt.

Der diese (Verfassungs-) Wirklichkeit in Abrede stellende Vortrag der Klägerin verkennt im Übrigen, dass es sowohl völkerrechtlich als auch staatsrechtlich kein geregeltes Verfahren gibt, durch welches die Betätigung der verfassungsgebenden Gewalt gebunden wäre [Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage, München 1984, § 5 I 2 c (Seite 148)]. Hieraus ergibt sich zwanglos, dass die verfassungsgebende Gewalt in Deutschland eine Verfassung - das Grundgesetz - beschließen und damit die Bundesrepublik Deutschland gründen konnte, ohne zuvor ausdrücklich zu beschließen oder zu bestimmen, dass das Deutsche Reich nicht mehr existiert bzw. die Bundesrepublik Deutschland an dessen Stelle tritt. Entsprechendes gilt für den Beitritt der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland. Die Legitimität dieser Verfassung - des Grundgesetzes - ergibt sich daraus, dass sie mit den überwiegend im Volke bestehenden Wert-, Gerechtigkeits- und Sicherheitsvorstellungen übereinstimmt [vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage, München 1984, § 5 I 2 d (Seite 149)] und dieser Konsens - wie bereits ausgeführt - seit Jahrzehnten "gelebt" wird.

Soweit die Klägerin im Übrigen die im Hinblick auf die in der Präambel des Grundgesetzes postulierte Geltung für das deutsche Volk in Abrede stellt, dass das Grundgesetz (auch) für das Gebiet von X.-Dorf gelte, übersieht sie, dass in der Präambel auch festgestellt wird, dass damit die Deutschen in den dort namentlich bezeichneten Bundesländern - unter anderem Sachsen-Anhalt - gemeint sind. Der Geltungsbereich des Grundgesetzes erstreckt sich daher erkennbar auf das Hoheitsgebiet (nur) dieser Bundesländer.

Bestehen hiernach keine Zweifel an der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und des Bundeslandes Sachsen-Anhalt sowie an der Wirksamkeit des Grundgesetzes, ist auch gegen die Wirksamkeit der (einfachgesetzlichen) Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und des Bundeslandes Sachsen-Anhalt nichts zu erinnern. Ebenso steht die Existenz des beklagten Finanzamtes außer Zweifel.

Die dargelegte faktische und rechtliche Existenz des Staates Bundesrepublik Deutschland und des Bundeslandes Sachsen-Anhalt hat die Klägerin im Übrigen mit der Anrufung des Senates insoweit anerkannt, als sie damit ein Gericht der Bundesrepublik Deutschland bzw. des Bundeslandes Sachsen-Anhalt angerufen hat und nicht ein Gericht des Deutschen Reiches.

II. Ist hiernach im Ergebnis von der Geltung des Grundgesetzes und der auf dieser verfassungsrechtlichen Grundlage bestehenden Rechtsordnung auszugehen, begegnen die angefochtenen Bescheide des Beklagten keinen durchgreifenden Bedenken.

1.) Rechtsgrundlage des angegriffenen Einheitswertbescheides ist § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG). Danach wird der Einheitswert eines Grundstückes neu festgestellt (sog. Wertfortschreibung), wenn der in Deutsche Mark ermittelte und auf volle hundert Deutsche Mark abgerundete Wert, der sich für den Beginn des Kalenderjahres ergibt, von dem entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunktes nach oben um mehr als den zehnten Teil, mindestens aber um 5.000,00 DM, oder um mehr als 100.000,00 DM, nach unten um mehr als den zehnten Teil, mindestens aber um 500,00 DM, oder aber um mehr als 5.000,00 DM, abweicht.

Diese Voraussetzungen sind nach Aktenlage erfüllt, denn der zuletzt - mit Bescheid vom 19. März 1976 - festgestellte Einheitswert von 9.500,00 DM (4.857,00 Euro) wird mit dem nunmehr festgestellten Einheitswert von 15.900,00 DM um etwa 60 v.H. und zugleich um mehr als 5.000,00 DM überschritten.

Zweifel an der Richtigkeit des festgestellten Einheitswertes sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht.

Der von dem Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid festgestellte Einheitswert beruht auf einer Schätzung. Hierzu war der Beklagte nach § 162 der Abgabenordnung (AO) berechtigt. Nach der genannten Vorschrift sind die Finanzbehörden berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn eine Ermittlung - wie hier mangels Mitwirkung der Klägerin - nicht möglich ist. Es sind auch keine Umstände ersichtlich oder geltend gemacht, die darauf hindeuten, dass die vorgenommene Schätzung nicht - zumindest in etwa - den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.

2.) Der weiterhin angegriffene Grundsteuermessbetrag hat seine Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG). Danach ist der Grundsteuermessbetrag neu festzusetzen, wenn - wie hier - eine Wertfortschreibung nach § 22 Abs. 1 BewG erfolgt.

Dass die Festsetzung fehlerhaft wäre, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht.

3.) Soweit die Klägerin schließlich anzweifelt, dass der Unterzeichner der Einspruchsentscheidung zur Zeichnung des Einspruchsbescheides berechtigt war, hat der Beklagte dem Gericht die entsprechenden Auszüge aus dem Geschäftsverteilungsplan und dem Zeichnungsrechtskatalog vorgelegt und dazu nachvollziehbar erläutert, dass hiernach Steueramtsrat Y. zur Zeichnung befugt war. Einwände hiergegen hat die Klägerin nicht erhoben.

Ungeachtet dessen würde ein Mangel bei der Unterzeichnung der Einspruchsentscheidung allenfalls die Rechtmäßigkeit der Einspruchsentscheidung berühren, nicht hingegen deren Wirksamkeit, da sich hieraus kein besonders schwerwiegender Mangel im Sinne des § 125 AO ergäbe. Eine eventuelle Rechtswidrigkeit der Einspruchsentscheidung könnte zudem die Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 14. August 2006 nicht in Frage stellen, so dass die Klage auch unter diesem Gesichtspunkt keinen Erfolg haben kann.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten mündliche Verhandlung beantragen.

Ende der Entscheidung

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