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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 06.06.2008
Aktenzeichen: 4 KO 554/08
Rechtsgebiete: BRAGO, RVG


Vorschriften:

BRAGO § 24
BRAGO § 128 Abs. 3 S. 1
RVG § 61 Abs. 1 S. 1
RVG § 61 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

4 KO 554/08

Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung aus der Staatskasse

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat -

am 6. Juni 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht . . . ,

den Richter am Finanzgericht . . . und

den Richter am Finanzgericht . . .

beschlossen:

Tenor:

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Gerichtsgebühren werden für das Erinnerungsverfahren nicht erhoben. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Erinnerungsführer begehrt die Festsetzung einer Erledigungsgebühr in Bezug auf den Rechtsstreit über die Einkommensteuer 1996.

Die Klägerin hatte am 10. Juli 2001 bei dem Gericht Klage gegen die Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 1994, 1995, 1996, 1997 und 1998 sowie gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer für den gleichen Zeitraum erhoben (Aktenzeichen: 4 K 326/01). Nach der Aufforderung des Gerichts, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen und die Klage zu begründen, zeigte der Erinnerungsführer an, dass er am 15. Dezember 2001 von der Klägerin den Auftrag zur Prozessführung erhalten habe. Er begründete die Klage mit Schriftsatz vom 30. Januar 2002. Diese Begründung bezog sich unter anderem auf die Einkommensteuer 1996. Vor der am 22. Januar 2008 durchgeführten mündlichen Verhandlung tauschten der Erinnerungsführer und das beklagte Finanzamt schriftsätzlich weitere Argumente (auch) in Bezug auf die Einkommensteuer 1996 aus, ohne dass insoweit jedoch eine Einigung erzielt wurde. Auf den Antrag der Klägerin vom 14. Januar 2003 bewilligte der Senat ihr mit Beschluss vom 12. September 2007 für das Verfahren des ersten Rechtszuges Prozesskostenhilfe und ordnete ihr den Erinnerungsführer bei.

In der am 22. Januar 2008 durchgeführten mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter des beklagten Finanzamtes, dass die Einkommensteuer 1996 auf 0,00 DM herabgesetzt und der Steuerbescheid entsprechend geändert werde. Hierauf erklärte der Erinnerungsführer für die Klägerin die Rücknahme der Klage - unter anderem - hinsichtlich der Einkommensteuer 1996. Die Kosten des Verfahrens hat der Senat in seinem Urteil vom 22. Januar 2008 der Klägerin auferlegt.

Auf den Antrag des Erinnerungsführers vom 19. März 2008 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung mit Beschluss vom 20. März 2008 im Wesentlichen antragsgemäß fest. Sie folgte dem Antrag des Erinnerungsführers sowohl hinsichtlich des der Gebührenberechnung zugrunde zu legenden Streitwertes als auch hinsichtlich der Gebühren und Auslagen. Hiervon ausgenommen ist lediglich die von dem Erinnerungsführer beantragte Festsetzung einer Vergleichsgebühr nach § 23 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte aus 6.608,56 Euro Einkommensteuer. Hierzu führte die Urkundsbeamtin aus, dass das Begehren des Erinnerungsführers als Antrag auf Festsetzung einer Erledigungsgebühr im Sinne von § 24 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte auszulegen sei. Eine Erledigungsgebühr sei nicht verdient worden, weil nicht festgestellt werden könne, dass der Erinnerungsführer zur Erledigung beigetragen habe.

Zur Begründung seiner dagegen gerichteten Erinnerung führt der Erinnerungsführer an, die Urkundsbeamtin sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Sache nach die Festsetzung einer Erledigungsgebühr begehrt werde. Diese Gebühr stehe ihm zu, obgleich die Klage zurückgenommen worden sei. Entscheidend sei insoweit, dass die Klagerücknahme allein wegen der in der Sitzungsniederschrift protokollierten Erklärung zur Herabsetzung der Einkommensteuer 1996 erfolgt sei. Diese Erklärung sei Ergebnis der Ausführungen des Erinnerungsführers in der mündlichen Verhandlung sowie in den zuvor gewechselten Schriftsätzen. Diese Ausführungen und Erläuterungen hätten maßgeblich zur Erledigung des Rechtsstreites über Einkommensteuer 1996 beigetragen. Ohne den entsprechenden Vortrag seinerseits wäre einer Herabsetzung der Einkommensteuer 1996 nicht erfolgt. Nur wegen der Herabsetzung der Einkommensteuer 1996 auf 0,00 DM sei die Klage insoweit zurückgenommen worden. Damit stehe fest, dass sich der angefochtene Steuerbescheid durch Änderung erledigt habe. Durch seine schriftsätzlichen Äußerungen und die Erörterung in der mündlichen Verhandlung habe er - der Erinnerungsführer - einen ausreichenden Beitrag zur Erledigung des Rechtsstreites im Hinblick auf die Einkommensteuer 1996 erbracht. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil eine Erledigungsgebühr auch dadurch verdient werden könne, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt an einem gerichtlichen Erörterungstermin mitwirke.

Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1.) Die Entscheidung über die Erinnerung obliegt gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) dem Senat. Die §§ 33 Abs. 8 Satz 1, 56 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), wonach der Einzelrichter zur Entscheidung über die Erinnerung berufen ist, sind nicht anwendbar.

Die Vergütung des Rechtsanwaltes richtet sich seit dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes am 01. Juli 2004 grundsätzlich nach den Vorschriften dieses Gesetzes. Für zu diesem Zeitpunkt bereits von dem Rechtsanwalt übernommene Mandate enthält das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz jedoch eine Übergangsregelung, die auch Bestimmungen zum Verfahrensrecht enthält. Danach sind für die vorliegende Erinnerung verfahrensrechtlich die Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte maßgebend.

Nach der Übergangsregelung des § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem 01. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Der Erinnerungsführer hat dem Senat im Rahmen des Klageverfahrens mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2001 angezeigt, dass er das Mandat am 15. Dezember 2001 - mithin vor dem 01. Juli 2004 - erhalten habe. Es liegt insoweit auch ein unbedingter Auftrag vor, denn der Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe wurde erst ein Jahr später - im Januar 2003 - gestellt.

Die sich hieraus ergebende Folge, dass das Verfahrensrecht der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte gilt, steht nicht im Widerspruch zu § 61 Abs. 1 Satz 2 RVG.

Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 RVG gilt "dieses Gesetz" - das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem 01. Juli 2004 eingelegt worden ist, wenn der Rechtsanwalt am 01. Juli 2004 in derselben Angelegenheit und, wenn ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, in demselben Rechtszug bereits tätig ist.

Soweit § 61 Abs. 1 Satz 2 RVG für die nach dem 01. Juli 2004 eingelegten Rechtsmittel die Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes anordnet, erfasst diese Regelung nicht das vorliegende Verfahren zur Entscheidung über die Erinnerung. Der Erinnerungsführer hat die Erinnerung zwar erst nach dem genannten Stichtag - nämlich mit Schriftsatz vom 09. April 2008 - eingelegt. Rechtsmittel sind jedoch nur solche Rechtsbehelfe, die dazu führen, dass die getroffene Entscheidung durch ein höheres Gericht überprüft wird (sog. Devolutiveffekt). Der in § 61 Abs. 1 RVG verwandte Begriff des "Rechtsmittels" erfasst mithin nur ein Rechtsmittel in der Hauptsache (Berufung, Revision), nicht hingegen die in der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelten Rechtsbehelfe gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes und die Vergütungsfestsetzung [OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28. Juni 2005 - 5 WF 83/05 - [...]; ebenso zur ähnlich ausgestalteten Regelung des § 72 des Gerichtskostengesetzes: BayVGH, Beschluss vom 07. Oktober 2005 - 1 C 05.151 - NVwZ-RR 2006, S. 150]. Den Übergangsregelungen des § 61 RVG liegt insoweit die gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, dass es für vor dem 01. Juli 2004 erteilte Mandate sowohl materiell als auch prozessual bei der Fortgeltung des alten - vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (BGBl. I 2004, 718) geltenden - Rechts bleibt.

2.) Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung über die von dem Erinnerungsführer begehrte Erledigungsgebühr ist - wie bereits dargelegt - gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte. Danach hat der Erinnerungsführer eine Erledigungsgebühr nicht verdient.

Nach § 24 BRAGO erhält der Rechtsanwalt eine volle Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes erledigt und der Rechtsanwalt bei der Erledigung mitgewirkt hat. Der innere Grund für die Erledigungsgebühr liegt darin, dass ein Rechtsanwalt, der besondere Arbeit und Mühe darauf verwandt hat, die Belastung eines beschwerenden Verwaltungsaktes von seinem Auftraggeber abzuwenden, ohne dass dieser es auf eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung in dem anhängigen Rechtsstreit ankommen lassen muss, im Falle des Eintritts dieses Erfolges dem Auftraggeber in besonderer Weise genützt hat (Fraunholz, in: Riedel/Sußbauer, Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, 8. Auflage, München 2000, § 24 RdNr. 2). Die von § 24 BRAGO vorausgesetzte Mitwirkung des Rechtsanwaltes an der Beilegung der Streitsache erfordert eine über die reine Verfahrensführung hinausgehende Tätigkeit des Rechtsanwaltes. Diese besondere Tätigkeit kann in Verhandlungen mit der Verwaltungsbehörde oder deren Aufsichtsbehörde bestehen (BFH, Beschluss vom 06. August 1968 - VII B 120/67 - BStBl. II 1968, S. 772) oder auch in einem Einwirken auf den Auftraggeber. Da die Erledigungsgebühr den Charakter einer Erfolgsgebühr hat, erfüllen im Übrigen nur solche Mitwirkungshandlungen des Rechtsanwaltes den Gebührentatbestand, die nicht nur allgemein auf Verfahrensförderung gerichtet sind, sondern auf den besonderen Erfolg einer Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung [von Eicken, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Auflage, München 2002, § 24 RdNr. 7 (S. 492)].

Hiernach hat der Erinnerungsführer die begehrte Erledigungsgebühr nicht verdient, denn mit den im gerichtlichen Verfahren eingereichten Schriftsätzen und seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2008 hat der Erinnerungsführer lediglich den Rechtsstandpunkt der von ihm vertretenen Partei dargelegt bzw. "verteidigt". Damit hat der Erinnerungsführer (nur) Leistungen erbracht, die in Bezug auf die von ihm verfassten Schriftsätze bereits mit der festgesetzten Prozessgebühr und in Bezug auf die Vertretung in der mündlichen Verhandlung mit der festgesetzten Verhandlungsgebühr abgegolten sind. Über die allgemeine Verfahrensführung und das Betreiben des Geschäfts hinausgehende Bemühungen, die auf den besonderen Erfolg einer Erledigung der Sache ohne Urteil gerichtet gewesen wären, sind nicht erkennbar und werden auch nicht geltend gemacht.

Soweit der Erinnerungsführer sinngemäß die Ansicht vertritt, sich durch seine umfangreichen Schriftsätze in besonderer Weise um die erzielte Erledigung bemüht und verdient gemacht zu haben, verkennt er, dass auch ein besonders umfangreicher oder ein besonders fundierter Sach- oder Rechtsvortrag lediglich der Führung des "streitigen" Prozesses dient und deshalb mit der bereits genannten Prozessgebühr abgegolten wird. Selbst wenn ein solcher Sach- oder Rechtsvortrag - unter Umständen sogar nur zufällig - zur Erledigung des Prozesses führt, ohne dass ein Urteil erforderlich wird, liegt keine zusätzlich erbrachte Leistung des Rechtsanwaltes vor, die die Festsetzung einer Erledigungsgebühr zu rechtfertigen vermag.

Die dargelegte Wertung steht im Übrigen auch nicht im Widerspruch zu der von dem Erinnerungsführer angeführten Rechtsprechung, nach der die Erledigungsgebühr durch Mitwirkung des Rechtsanwaltes an einem Erörterungstermin bzw. an der Erörterung des Sach- und Streitstandes verdient werden kann. Denn auch nach dieser Rechtsprechung setzt die Entstehung der Erledigungsgebühr voraus, dass die Mitwirkung des Rechtsanwaltes über das Betreiben des Geschäfts hinausgeht und der Rechtsanwalt eine besondere, auf die Erledigung ohne Sachentscheidung gerichtete Tätigkeit entfaltet [FG Berlin, Beschluss vom 28. April 1989 - VII 650/88 - EFG 1989, S. 537; Hess. FG, Beschluss vom 19. Juni 1981 - II Ko 35/81 - EFG 1982, S. 155 (156)]. Diese besondere Mitwirkung ist - wie bereits dargelegt - nicht feststellbar.

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 5 BRAGO in Verbindung mit § 61 Abs. 1 Satz 2 RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 128 Abs. 4 Satz 2, 10 Abs. 3 Satz 2 BRAGO, § 61 Abs. 1 Satz 2 RVG).



Ende der Entscheidung

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