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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 2 K 1633/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG 1999 § 4 Abs. 4a
EStG 1999 § 52 Abs. 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

2 K 1633/01

Ges./Einh. Feststellung von Grundlagen für die Einkommensteuer und Eigenheimzulage 1999

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 2. Senat

unter Mitwirkung von

xxx Vizepräsidentin des Finanzgerichts xxx Richter am Finanzgericht Richter am Amtsgericht und xxx der ehrenamtlichen Richter

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27. April 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensteuer 1999 vom 12. März 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2001 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit DM 113.426,00 festgestellt werden.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe vor der Vollstreckung leistet.

Tatbestand:

Streitig ist die Ermittlung von abziehbaren Schuldzinsen bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co KG und erzielt Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit auf dem Gebiet des Baustoffhandels. Sie erklärte für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommenbesteuerung 1999 Aufwendungen für Schuldzinsen in Höhe von DM 60.665 und wies den Gewinn mit DM 33.101,43 aus. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden mit DM 113.426 angegeben. Auf Nachfrage des Beklagten erklärte die Klägerin Überentnahmen von ./. DM 51.877,24, welche mit dem positiven Anfangskapital zum 1. Januar 1999 in Höhe von DM 142.397,84 zu verrechnen seien. Das Anfangskapital setze sich wie folgt zusammen:

 - Bestand 31. 12. 1998, KapitalkontoKomplementär./. DM 21.799,36
- Bestand 31. 12. 1998, KapitalkontoKommanditist./. DM 64.530,08
- Bestand 31. 12. 1998, KapitalkontoSonderbetriebsvermögen./. DM 228.727,28
Positives Kapital zum 31. 12. 1998DM 142.397,84.

Der Beklagte erhöhte den Gewinn um den Korrekturbetrag nach § 4 Abs. 4 a EStG in Höhe von DM 3.112 auf DM 33.828 und stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit Bescheid vom 12. März 2001 auf DM 116.537 fest. Der Korrekturbetrag ergab sich aus den Überentnahmen von ./. DM 51.877 x 6%. Dabei ging der Beklagte von einem Anfangskapital zum 01. 01. 1999 von DM 0 aus. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Sie machte geltend, dass nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 a EStG für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage die Eigenkapitalentwicklung durch die Kapitalentwicklungsvorgänge aus den Vorjahren ergänzt werden müssten. Dabei sollte vereinfacht davon ausgegangen werden, dass der Endbestand des Kapitals des Vorjahres als Anfangsbestand zu Grunde zu legen sei. Dieser Kapitalstand erfasse sämtliche Vorgänge aus den Vorjahren und spiegele den Saldo aus Entnahmen, Einlagen, Gewinn und Verlust wider. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 8. August 2001 zurück.

Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Die Hinzurechnung des Betrages von DM 3.112 sei nicht gerechtfertigt, da § 4 Abs. 4 Satz 4 EStG entgegenstehe. Es sei aus Gründen des Gesetzeszwecks und des Gleichbehandlungsgebotes davon auszugehen, dass das Kapital des Vorjahres in Höhe von DM 142.397 als Anfangskapital zu Grunde zu legen sei. In diesem Fall betrage die Überentnahme DM 90.520, sodass eine Hinzurechnung entfalle.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensteuer 1999 vom 12. März 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2001 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit DM 113.426,00 festgestellt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass § 4 Abs. 4 a EStG keine Regelungen zur Frage der rückwirkenden Einbeziehung von in Veranlagungszeiträumen vor 1999 getätigten Über- und Unterentnahmen in die Veranlagungen ab 1999 enthalte. Dies ergebe sich auch aus § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001. Dort sei gesetzlich klargestellt, dass Über- und Unterentnahmen der Wirtschaftsjahre, die vor dem 01. 01. 1999 endeten, unberücksichtigt blieben.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Feststellungs- und der Rechtsbehelfsakte sowie der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. April 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensteuer 1999 vom 12. März 2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Er ist dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit DM 113.426,00 festgestellt werden.

I.

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind nicht um DM 3.112 zu erhöhen, da eine Hinzurechnung von nicht abziehbaren Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG im Streitfall nicht zu erfolgen hat.

1. Nach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn und soweit Überentnahmen getätigt worden sind. Dabei sind nur betrieblich veranlasste Schuldzinsen berücksichtigungsfähig, weshalb ist die steuerliche Abziehbarkeit der Schuldzinsen zweistufig zu prüfen. Im ersten Schritt ist zu klären, ob und inwieweit Schuldzinsen überhaupt zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen gehören. Erst in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf Überentnahmen durch § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 21. September 2005 - X R 46/04, BStBl II 2006, 125).

a) Die geltend gemachten Schuldzinsen sind ausweislich der Bilanz zum 31. 12. 1999 für betriebliche Zwecke verwendet worden (vgl. Kontennachweis zum Jahresabschluss, Bl. 18, Bilanzakte).

b) Eine Überentnahme im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die Vorschrift ist gemäß § 52 Abs. 11 EStG 1999 erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 31. Dezember 1998 endet. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisierend ermittelt mit 6% der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Über- entnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (sog. Unterentnahmen). Dabei sind Unterentnahmen der Vorjahre bei der Berechnung mit zu berücksichtigen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

c) Der Beklagte ist der Auffassung, dass für das Streitjahr 1999 § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StBereinG nach § 52 Nr. 11 Satz 1 EStG anwendbar ist, jedoch die Über- oder Unterentnahmen in Wirtschaftsjahren, die vor dem Jahr 1999 geendet haben, unberücksichtigt bleiben (vgl. auch BMF-Schreiben vom 22. Mai 2000 - IV C 2-S 2144-60/00, BStBl I 2000, 588; wiederholt in BMF-Schreiben vom 17. November 2005 - IV B 2 - S 2144 - 50/05, BStBl I 2005, 1019). Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht an. Weder der Wortlaut des § 4 Abs. 4a EStG noch der des § 52 Abs. 11 Satz 1 EStG lassen eine solche Auslegung zu. Auch der Sinn und Zweck der Regelung steht der Auffassung des Beklagten entgegen. Dieser besteht - lediglich - darin, den betrieblichen Schuldzinsenabzug für überschuldete Betriebe einzuschränken. Die Entnahme von vorhandenem Eigenkapital soll keine Auswirkung auf den Schuldzinsenabzug haben. Zum Eigenkapital gehört aber nicht nur das im laufenden Wirtschaftsjahr gebildete, sondern auch das in vorangegangenen Wirtschaftsjahren angesammelte. Es sind keine Anhaltspunkte zu erkennen, nach denen der Gesetzgeber insoweit eine Differenzierung der Sachverhalte vor 1999 und danach gewollt hat. Insbesondere kann es jedenfalls für bilanzierende Steuerpflichtige wie die Klägerin keinen Nachteil ergeben, wenn es durch den Systemwechsel zum Stichtag 1. Januar 1999 bei nicht bilanzierenden Steuerpflichtigen eventuell zu Beweisschwierigkeiten käme. Ein positives Kapitalkonto lässt den Schluss auf Unterentnahmen in vorangegangenen Wirtschaftsjahren und damit auf Überentnahmepotenzial zu (BFH-Urteile vom 21. September 2005, X R 47/03, BFH/NV 2006, 180 sowie X R 40/02, BFH/NV 2006, 512).

§ 52 Abs. 11 Satz 2 EStG ist im Streitfall nicht anwendbar, da diese Norm erst durch das Steueränderungsgesetz 2001 am 23. Dezember 2001 in Kraft getreten ist. Daher kann sich diese Anwendungsvorschrift nur auf die Besteuerungszeiträume ab 2001 beziehen, Anhaltspunkte für eine rückwirkende Anwendung sind nicht ersichtlich (BFH a.a.O.).

2. Daher sind für die Klägerin im Streitjahr 1999 keine Hinzurechnungen nach § 4 Abs. 4a EStG vorzunehmen. Der Beklagte hat zutreffend für das Streitjahr Überentnahmen von DM 51.877 ermittelt, diese sind jedoch mit dem Kapitalkonto zum 31. 12. 1998 zu saldieren, welches DM 142.397,84 betrug.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich geklärt ist, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.



Ende der Entscheidung

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