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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 04.05.2005
Aktenzeichen: 2 K 2202/99
Rechtsgebiete: FördG


Vorschriften:

FördG § 6 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Finanzrechtsstreit

hat der 2. Senat unter Mitwirkung der Vizepräsidentin des Finanzgerichts ..., des Richters am Finanzgericht ..., der Richterin am Finanzgericht ..., des ehrenamtlichen Richters ... und der ehrenamtlichen Richterin ... auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 4. Mai 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage nach § 6 Fördergebietsgesetz (FördGG) erfüllt sind.

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes, der einen Einzelhandel mit Kraftfahrzeugen betrieben hat.

Ende 1990 / Anfang 1991 schloss der Ehemann der Klägerin mit der V. AG einen Händlervertrag. Unter Bezugnahme auf diesen Vertrag teilte die V. AG mit Schreiben vom 27. Januar 1991 dem Ehemann der Klägerin mit, dass bis spätestens 1992 innerhalb der Stadt P. eine Betriebsverlagerung auf ein neu zu erwerbendes Grundstück erfolgen müsse, wobei die Lage und die Größe des Grundstückes sowie das notwendige Investitionsvolumen mit der V. AG abzustimmen sei. Mit Schreiben vom 26. März 1991 wandte sich der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin und damalige steuerliche Berater des Ehemannes der Klägerin an die V. GmbH und gab das Interesse an dem Erwerb eines in deren Eigentum stehenden, in der B.straße in P. gelegenen Grundstückes in P. zum Zwecke der Errichtung eines Autohauses bekannt. In den folgenden Monaten des Jahres 1991 wandte sich sowohl der Prozessbevollmächtigte der Klägerin als auch die V. GmbH an die Treuhandanstalt bzw. an die Stadt P., um die Einleitung eines Investitionsvorrangsverfahrens hinsichtlich dieses Grundstückes zu erreichen. Da sich dieses Verfahren hinauszögerte und eine positive Entscheidung zugunsten des Ehemanns der Klägerin nicht absehbar war, sah dieser sich auch nach anderen Grundstücken um. In diesem Zusammenhang zeigte er Interesse für ein Grundstück in der R.straße in P.. Dieses Grundstück erwarb er schließlich im Jahr 1993 und stellte im selben Jahr einen Bauantrag zur Errichtung eines Autohauses auf diesem Grundstück. In der Folgezeit realisierte er sodann den Bau des Autohauses.

U.a. am 21. Oktober 1997 reichte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Änderung des unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheides 1991 vom 7. Mai 1993 ein. Die Änderung sollte unter Berücksichtigung der geänderten Bilanz für 1991 bezüglich des Einzelhandelsunternehmens des Ehemanns der Klägerin erfolgen. In der geänderten Bilanz war eine Rücklage nach § 6 FördGG in Höhe von 1.000.000 DM gebildet worden, weswegen diese einen Verlust in Höhe von 988.389 DM auswies. Gleichzeitig beantragte er u.a. den Verlustrücktrag nach 1990, welchen er mit Schreiben vom 20. Juli 1999 auf den positiven Gesamtbetrag der Einkünfte aus dem 2. Halbjahr 1990 und somit auf 433.931 DM beschränkte. Mit Schreiben vom 31. März 1998 lehnte der Beklagte die beantragte Änderung ab. Ferner erließ er am 1. April 1998 aufgrund nicht streitiger Feststellungen der inzwischen durchgeführten Betriebsprüfung für 1991 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, in welchem er die Steuer auf 0 DM festsetzte und einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 70.408 DM ansetzte. Außerdem trug er den sich ergebenden negativen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 16.329 DM in das Jahr 1990 zurück und erließ am 3. April 1998 einen entsprechend geänderten Bescheid über die Steuerrate 1990, welcher der Klägerin und ihrem Ehemann am 14. April 1998 zuging.

Am 13. Mai 1998 legte der Prozessbevollmächtigte Einspruch gegen den geänderten Bescheid über die Steuerrate 1990 ein. Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 1999 als unbegründet zurück, woraufhin die Klägerin und ihr Ehemann am 2. November 1999 Klage erhoben haben.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass im Jahr 1991 die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage nach § 6 FördGG in Höhe von 1.000.000 DM erfüllt gewesen seien. Ihr Ehemann habe aufgrund der vertraglichen Verpflichtung gegenüber der V. AG bereits im Jahr 1991 den endgültigen Entschluss zum Bau des Autohauses gefaßt. Aus diesem Grund habe er sich zum einen an die Stadt P. gewandt, um den Erwerb eines geeigneten Grundstückes zu realisieren. Hierbei sei neben dem zunächst angesprochenen Grundstück in der Böhlerstraße auch von Beginn an das Grundstück in der Röntgenstraße, auf dem der Bau auch später realisiert worden sei, ernsthaft ins Auge gefasst worden. Dies ergebe sich u.a. aus dem Schreiben der Stadt P. vom 15. Oktober 1997 (Bl. 19 ff der RB-Akte). Ferner habe er den als Zeugen benannten Architekten S. auch bereits im Jahr 1991 parallel mit der Konzeption beider Projekte beauftragt. Lediglich aufgrund der städteplanerischen Probleme sei es ihrem Ehemann nicht möglich gewesen, bereits im Jahr 1991 eines der Grundstücke zu erwerben, einen Bauvertrag abzuschließen und einen Bauantrag zu stellen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 3. April 1998 über die Steuerrate 1990 dahingehend zu ändern, dass hinsichtlich des positiven Gesamtbetrages der Einkünfte aus dem zweiten Halbjahr 1990 der im Jahr 1991 verbleibende Verlust aufgrund der Rücklage in Höhe von 1.000.000 DM zurückgetragen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage nach § 6 FördGG nicht vorliegen. Der Ehemann der Klägerin habe im Jahr 1991 die konkrete Bauinvestition noch nicht im wesentlichen umrissen, so dass er die Entscheidung zur Herstellung des Bauprojekts nicht nach außen bindend manifestiert habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Art und den Umfang der Planungen hinsichtlich des Baus des Autohauses im Jahr 1991 durch Vernehmung des Architekten S. als Zeuge. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2005 verwiesen. Ferner wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Steuerakten der Klägerin und ihres Ehemannes sowie die vorbereitenden Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist unbegründet.

Auch nach Durchführung der Beweisaufnahme steht nicht zu Überzeugung des Senats fest, dass der Ehemann der Klägerin die Baumaßnahme "Autohaus" im Jahr 1991 bereits in ihren wesentlichen Umrissen konkretisiert hat. Es besteht eine nicht behebbare Ungewissheit, ob der Ehemann der Klägerin seine Entscheidung zur Herstellung des Immobilienprojektes bereits im Jahr 1991 für sich bindend nach außen manifestiert hatte. Nur wenn der Ehemann der Klägerin bereits in 1991 eine entsprechende, nach außen bindend manifestierte Entscheidung getroffen hätte, wäre die Rücklage in der Bilanz 1991 zu Recht gebildet worden.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz FördGG können Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermitteln, eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage für Investitionen i.S.d. §§ 2 und 3 FördGG bilden, mit denen vor dem 1. Januar 1992 begonnen worden ist. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 FördGG kann die Rücklage bis zu der Höhe gebildet werden, in der voraussichtlich Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 1 FördGG in Anspruch genommen werden können, jedoch im Wirtschaftsjahr höchstens in Höhe von jeweils 20 Millionen DM.

Der Ehemann der Klägerin ermittelte seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Jahr 1991 durch Betriebsvermögensvergleich i.S.d. § 5 EStG. Ferner nahm er eine nach § 3 FördGG begünstigte Investition vor, indem er auf einem in der Stadt P. gelegenem Grundstück ein Autohaus errichtete. Ob der Ehemann der Klägerin mit der Investition "Bau des Autohauses" i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 FördGG vor dem 1. Januar 1992 begonnen hat, kann jedoch weder aufgrund der vorliegenden Unterlagen noch aufgrund der Aussage des Zeugen S. bestimmt werden.

Zwar ist nicht allein entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Ehemann der Kläger den Bauantrag zur Errichtung des Autohauses gestellt hat. § 6 Abs. 1 Satz 1 FördGG enthält keine ausdrückliche Aussage darüber, was unter "Beginn der Investition" zu verstehen ist. Aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift wird jedoch deutlich, dass mit der Investition nicht erst bei Beginn der Herstellung des Gebäudes oder bei Stellung eines Bauantrages begonnen worden ist. Vielmehr ist der Investitionsbeginn bereits dann zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige eine bindende Investitionsentscheidung getroffen hat (vgl. BFH, Urteil 12. März 2003, X R 33/00, BFH/NV 2003, 912). Dies ist bei einer Baumaßnahme dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige durch Maßnahmen dokumentiert, dass er seine Entscheidung, mit dem in seinen wesentlichen Umrissen konkretisierten Immobilienprojekt zu beginnen, für sich bindend nach außen manifestiert hat (BFH a.a.O.).

Es steht jedoch nicht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Ehemann der Klägerin bereits im Jahr 1991 Maßnahmen ergriffen hat, durch die er seine Entscheidung, mit dem Bau des Autohauses zu beginnen, nach außen bindend manifestiert hat. Er hat sich zwar bereits kurz nach dem Abschluss des Händlervertrages mit der V. AG dazu entschlossen, überhaupt ein neues Autohaus zu errichten, da die vorhandenen Räumlichkeiten den Anforderungen der V. AG nicht genügten. Durch diesen Entschluss hat er jedoch noch keine bindende Investitionsentscheidung getroffen, da zu diesem Zeitpunkt das konkrete Projekt "Autohaus" noch nicht in seinen wesentlichen Umrissen feststehend war. Er hatte zu diesem Zeitpunkt noch keinen fertigen Entwurf für das Autohaus, den er verwirklichen wollte, sondern machte die konkrete Ausgestaltung des Gebäudes von dem Grundstück abhängig, auf dem es gebaut werden würde. Aufgrund seines Entschlusses, überhaupt ein Autohaus zu bauen, hat er sich sodann nach einem geeigneten Grundstück umgeschaut. Insoweit steht zwar zur Überzeugung des Senats fest, dass er zunächst starkes Interesse an dem Grundstück in der Böhlerstraße zeigte, sich dann jedoch dem Grundstück in der R.straße zuwandte. Nicht sicher ist jedoch, wann er seine Entscheidung, das Autohaus auf dem Grundstück in der R.straße zu bauen, für sich nach außen bindend getroffen hat. Aufgrund der Aussage des Zeugen S. erscheint es dem Senat unsicher, ob er diese Entscheidung bereits im Jahr 1991 getroffen hat. Zwar hat der Zeuge angegeben, dass es bereits im Mai 1991 ein konkretes Konzept für die Planungen und die Kosten des Bau des Autohauses auf dem Grundstück in der R.straße gegeben habe, jedoch sprechen seine sonstigen Angaben ebenso wie die Sachverhaltsschilderung der Klägerin und die vorliegenden Unterlagen eher dafür, dass dies erst ein Jahr später - im Mai 1992 - der Fall war. Der Zeuge S. hat ausgeführt, dass der Ehemann der Klägerin zunächst die Böhlerstraße ins Auge gefasst und er sich erst, nachdem er aufgrund von den diesbezüglich aufgetretenen Schwierigkeiten hiervon Abstand genommen habe, für das Grundstück in der R.straße entschieden habe. Den sich in den Steuerakten befindlichen Unterlagen ist jedoch zu entnehmen, dass der Ehemann der Klägerin sich jedenfalls bis Mitte Oktober 1991 noch für das Grundstück Böhlerstraße interessiert hat. Erst mit Schreiben vom 26. März 1991 hat sich der Ehemann der Klägerin durch seinen Rechtsanwalt an die Eigentümerin des Grundstücks in der B.straße, die V. GmbH, gewandt und sein Interesse am Kauf desselben bekundet. Mit Schreiben vom 24. September 1991 beantragte er sodann bei der Treuhandanstalt den Verkauf des Grundstücks an ihn. Ferner beantragte die V. GmbH mit Schreiben vom 14. Oktober 1991 bei der Stadt P. die Erteilung einer Investitionsbescheinigung für die Veräußerung des Grundstücks in der B.straße an den Ehemann der Klägerin. Darüber hinaus wird in den im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegten Protokollen über die Beratungen des Ausschusses für Wirtschaftsförderung und Gewerbeaufsicht der Stadt P. am 14. und 24. Oktober 1991 zwar das Grundstück R.straße als möglicher Standort für ein Autohaus erwähnt, jedoch hierbei von dem "Autohaus G." - also einem anderen als dem des Ehemanns der Klägerin - gesprochen. Diese Umstände sprechen dafür, dass der Zeuge S. sich zwar an die Einzelheiten der Projektdurchführung genau erinnern konnte, sich jedoch bei der zeitlichen Einordnung um ein Jahr vertan hat. Auf letzteres deutet auch hin, dass der Zeuge S. bezüglich anderer Details sich nicht exakt zeitlich festgelegt hat, sondern z.B. angegeben hat, dass der Kontakt des Ehemanns der Klägerin zu VW entweder im Jahr 1990 oder im Jahr 1991 zustande gekommen sei oder der Bebauungsplan, durch den auch das Grundstück in der R.straße erfasst war, entweder im Jahr 1992 oder 1993 beschlossen worden sei. Darüber hinaus musste er auch selbst eingestehen, dass seine zunächst sicheren Angaben zum Auto des jüngsten Sohnes der Klägerin nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen können.

Weitere Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung bestehen nicht. Insbesondere sind nach Mitteilung der Klägerin die Planungsunterlagen des Zeugen S. für das Autohaus in der R.straße nicht mehr vorhanden, so dass auf diese nicht zurückgegriffen werden kann. Die demgemäß verbleibende Ungewissheit geht zu Lasten der Klägerin. Sofern die Voraussetzungen für die Rücklagenbildung erfüllt wären, hätte dies eine Minderung der Steuerschuld zur Folge. Die Feststellungslast für steuermindernde Tatsachen liegt grundsätzlich beim Steuerpflichtigen (vgl. z.B. von Groll in Gräber, FGO, § 96 Rn. 25).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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