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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 12.04.2007
Aktenzeichen: 2 K 784/06
Rechtsgebiete: UStG, RL 77/388/EWG, UStDV


Vorschriften:

UStG § 14 Abs. 3 Nr. 6
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
RL 77/388/EWG Art. 22 Abs. 3b
UStDV § 31 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

2 K 784/06

Umsatzsteuer 2005

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 2. Senat

durch

Vizepräsidentin des Finanzgerichts ,

Richter am Finanzgericht ,

Richter am Amtsgericht und

die ehrenamtlichen Richter

auf Grund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 12. April 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung zum Vorsteuerabzug.

Die Klägerin betreibt als Unternehmerin eine Fleischerei. Sie reichte für November 2005 die Umsatzsteuervoranmeldung am 10. Januar 2006 ein, in der u.a. Vorsteuern in Höhe von EUR 4.636,46 aus einer Rechnung der Fa. R. Kühlanlagen GmbH vom 30. November 2005 über netto EUR 28.977,90 enthalten waren (Bl. 5 - 9 Rechtsbehelfsakte). Auf der Rechnung war das Auftragsdatum vom 15. November 2005 vermerkt. Ein Lieferdatum oder ein Hinweis auf einen Lieferschein ist nicht angegeben. Die Klägerin legte einen Lieferschein mit Datum vom 28. November 2005 (Bl. 15 - 18) vor, der dasselbe Auftragsdatum und dieselbe Auftragsnummer wie die Rechnung enthält, aber keine Angaben zum Lieferzeitpunkt macht.

Der Beklagte verweigerte die Anerkennung der Rechnung und setzte mit Bescheid vom 7. Februar 2006 die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2005 auf ./. EUR 1.943,01 fest. Dagegen legte die Klägerin Einspruch mit der Begründung ein, dass das Lieferdatum zwischen Auftragserteilung und Rechnungsstellung liegen müsse. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 6. April 2006 zurück, wogegen sich die vorliegende Klage wendet. Am 17. Juli 2006 erging die Mitteilung über Umsatzsteuer 2005, die die Umsatzsteuer 2005 mit EUR 35.806,63 erklärungsgemäß abrechnete. Der Beklagte erließ am 22. August 2006 den Bescheid über Umsatzsteuer 2005 und setzte die Umsatzsteuer 2005 auf EUR 40.439,60 fest, wobei die streitgegenständliche Vorsteuer keine Berücksichtigung fand.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Vorsteuern aus der Rechnung der Fa. R. GmbH Berücksichtigung finden müssten. Aus Rechnung und Lieferschein ergebe sich, dass die Lieferung im November 2005 stattgefunden habe. Durch die Rechnungs-Richtlinie der EU sei keine Verschärfung der Anforderungen bezweckt worden, sondern eine europaweite Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung. Die Angaben auf der Rechnung seien kein Selbstzweck, sondern dienten dem Nachweis und Überprüfbarkeit der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Art. 22 Abs. 3 b der 6.EG-Richtlinie enthalte zwar nun auch die Datumsangabe der Lieferung auf der Rechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, definiere aber den Rechnungsbegriff nicht. Dies ergebe sich vielmehr aus der Funktion des Umsatzsteuerrechts. Daher könnten die notwendigen Angaben aus der Rechnung und dem Lieferschein entnommen werden. Dem stehe auch § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV nicht entgegen, da dieser eine nicht durch die 6. EG-Richtlinie gedeckte Erschwernis enthalte und daher richtlinienkonform auszulegen sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 6. April 2006 den Bescheid über Umsatzsteuer 2005 vom 22. August 2006 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer EUR 35.806,63 beträgt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass es für den Vorsteuerabzug genüge, wenn der Leistende auf dem Lieferschein vermerkt, dass das Datum des Lieferscheines das Datum der Leistung sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhaltes im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie den Inhalt der Rechtsbehelfsakte sowie der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. April 2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Umsatzsteuerbescheid vom 22. August 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

I. 1. Die Versagung des Vorsteuerabzuges ist berechtigt. Nach § 14 Abs. 3 Nr. 6 UStG in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung ist es erforderlich, dass der Zeitpunkt der Lieferung angegeben ist, sofern dieser feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum identisch ist. Die Angabe des Lieferdatums fehlt auf der vorgelegten Rechnung. Die Regelung entspricht Art. 22 Abs. 3 b der Richtlinie 77/388/EWG (sog. 6. EG-Richtlinie), der wie folgt lautet:

"Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß Buchstabe a) Unterabsätze 1,2 und 3 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:

...das Datum, an dem die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt bzw. abgeschlossen wird, oder das Datum, an dem die Vorauszahlung nach Buchstabe a) Unterabsatz 2 geleistet wird, sofern dieses Datum feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung identisch ist, ..."

Diese Regelung ist durch die Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 (ABl. L 15/24 vom 17. Januar 2002) eingeführt worden. In den Erwägungen wird dargelegt, dass die Neuregelung notwendig war, weil bislang die Richtlinie nur geringe Anforderungen für die Rechnungsstellung beinhaltete und die Mitgliedsstaaten die wesentlichen Inhalte selbst regelten. Zur Vereinheitlichung der Angaben, die jede Rechnung enthalten muss, wurden die nunmehr geltenden Kriterien eingeführt (Erwägungsgrund 4). Zweck der Regelung ist bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten den Zeitpunkt der Leistung zu bestimmen, um den richtigen Voranmeldungszeitraum berücksichtigen zu können. Insbesondere ist der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers erst dann möglich, wenn der Umsatz ausgeführt ist. Werklieferungen werden dann ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erhält (Reiß/Kraeusel/Schmidt, UStG, § 14 Rn. 200).

2. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 UStDV kann eine Rechnung auch aus mehreren Dokumenten bestehen, soweit sich aus den Dokumenten insgesamt die Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ergeben, in einem der Dokumente das Entgelt und der darauf entfallende Steuerbetrag jeweils zusammengefasst angegeben sind und alle anderen Dokumente bezeichnet sind, aus denen sich die übrigen Angaben ergeben. Nach allgemeiner Meinung kann auch ein Lieferschein dazugehören. Die Verwaltung hat zwar die Regelung nach Abschnitt 202 Abs. 3 Satz 6 UStR 2000 nicht übernommen. Allerdings ist im BMF-Schreiben vom 26. September 2005 (IV A 5 - S 7280 a - 82/05, BStBl I 2005, 937) die Auffassung enthalten, dass ein in der Rechnung bezeichneter Lieferschein ausreichend sein kann, ausdrücklich wird auf die Notwendigkeit der Angabe des Leistungsdatums im Lieferschein hingewiesen. Nach § 31 Abs. 4 UStDV kann auch als Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung der Kalendermonat angegeben werden. Die Norm ist ihrem Wortlaut nach auf Dauerschuldverhältnisse anzuwenden, soll aber auch sonst als Vereinfachung Berücksichtigung finden (Reiß/Kraeusel/Schmidt, UStG, § 14 Rn. 203). Dies entspricht auch der Auffassung der Verwaltung (Abschnitt 185 Abs. 15 UStR 2005). Die Vorschrift galt schon für § 14 UStG a.F. und stellt auch zur Neufassung eine - durch den Verordnungsgeber - zulässige Erleichterung auch gegenüber Art. 22 der 6. EG-Richtlinie dar. Die Angabe des Lieferdatums ist nur entbehrlich, wenn es sich um eine Vorauszahlungsrechnung handelt, dann muss dies aber auf der Rechnung kenntlich gemacht werden (Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 14 Rn. 319), was vorliegend nicht der Fall ist.

3. Im Streitfall ist weder auf der Rechnung noch auf dem Lieferschein der Zeitpunkt der Lieferung angegeben, daher ist an Hand dieser Unterlagen nicht feststellbar, wann der Zeitpunkt der Lieferung war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Anwendung der Erleichterungsregelung des § 31 Abs. 1, 4 UStDV. Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV ist bei Verwendung von mehreren Dokumenten für die notwendigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG die Bezeichnung der Dokumente in dem Dokument erforderlich, in dem das Entgelt und der entsprechende Steuerbetrag enthalten sind. Hier hätte also in der Rechnung der Lieferschein bezeichnet sein müssen. Dies wäre - ebenso wie die Angabe des Lieferzeitpunkts - ohne weiteres möglich gewesen, weil die Lieferung nach der Behauptung der Klägerin vor Stellung der Rechnung erfolgt sein soll. Aber selbst wenn man entgegen dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV im Streitfall für die Bezugnahme der Rechnung auf dem Lieferschein es ausreichen lässt, da diese in der Bezeichnung der zu liefernden Gegenstände, des Auftragsdatums und der Auftragsnummer identisch sind, ändert dies nichts am Ergebnis, da auch der Lieferschein nicht das Datum der Lieferung enthält. Das Datum des Lieferscheins genügt dafür nicht, denn dieses besagt nur, dass der Lieferschein an diesem Tag ausgestellt wurde, nicht aber, dass die Lieferung auch tatsächlich erfolgt ist. Insbesondere bei größeren Lieferungen mit Montageleistungen ist die Lieferung nicht bereits mit Übergabe der Gegenstände, sondern erst mit Erbringung sämtlicher Leistungen erfüllt, eine Lieferung kann sich daher sogar über einen längeren Zeitraum erstrecken. Aus Sicht des Senates wäre es sogar ausreichend, wenn sich auf dem Lieferschein ein - im Verkehr üblicher - Vermerk des Besteller über den Zeitpunkt der Entgegennahme befände, allerdings ist im vorliegenden Fall auch dieses nicht ersichtlich.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Zeitpunkt der Lieferung auch nicht dadurch vermerkt, indem sich aus dem Lieferschein der Monat der Lieferung ergeben soll. Dies ist zwar nach § 31 Abs. 4 UStDV für Rechnungen bzw. weitere Dokumente i.S.v. § 31 Abs. 1 UStDV grundsätzlich ausreichend. Insbesondere bei Lieferungen am Ende des Monats oder eines längeren Voranmeldungszeitraums, wie etwa dem Kalenderjahr, kann diese über das Ende des Voranmeldungszeitraums erfolgt sein, was im Streitfall nicht auszuschließen ist. Erforderlich ist daher entweder die Angabe des genauen Lieferdatums oder die Angabe, dass die Lieferung in einem bestimmten Monat erfolgt ist. Jedoch ist im vorliegenden Fall auch der Monat der Lieferung nicht angegeben.

4. Die Versagung des Vorsteuerabzuges bei Nichteinhaltung der Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ist auch nicht unbillig, da der Empfänger der Leistung einen Anspruch auf Korrektur der Rechnung gegenüber dem Lieferanten hat. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Vorsteuerabzuges bei Besitz einer nach § 14 UStG ausgestellten Rechnung ausgeübt werden. Davon ist das Entstehen dieses Anspruchs zu unterscheiden. Fallen die beiden Zeitpunkte auseinander, findet keine Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Entstehung des Vorsteueranspruchs statt (Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 2004 - Rs. C-152/02 - Terra Baubedarf). Daraus ist zu schließen, dass der Besitz der Rechnung eine materielle Anspruchsvoraussetzung ist, die dem Entstehen des Anspruchs gleichkommt (Urteil des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 1. Juli 2004 - V R 33/01, BFHE 206, 234, BStBl II 2004, 861). Das Recht auf den Vorsteueranspruch kann also erst dann ausgeübt werden, wenn die Leistung bewirkt wurde und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Daraus folgt, dass eine Verzinsung einer möglichen Vorsteuererstattung nach § 233 a AO nicht in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 - V R 76/01, BFHE 207, 1, BStBl II 2005, 236 ). Die negativen Folgen kann der Steuerpflichtige vermeiden, wenn er sich zeitnah um eine korrigierte Rechnung bemüht.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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