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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 19.03.2007
Aktenzeichen: 4 K 1395/05
Rechtsgebiete: InvZulG 2007, HGB, EStG


Vorschriften:

InvZulG 2007 § 2
HGB § 255 Abs. 2
EStG § 6 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

4 K 1395/05

Investitionszulage 2002

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 4. Senat

unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht K des Richters am Finanzgericht H des Richters am Finanzgericht G der ehrenamtlichen Richter M und K

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 19.03.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Investitionszulage für im Jahre 2002 hergestellte 66 "Erstmuster" für Zierdecken und Gardinen. Streitig ist die Bewertung dieser Erstmuster und insoweit die Frage, ob es sich um geringwertige Wirtschaftsgüter handelt.

Der Kläger ist Einzelunternehmer und stellt Stickereierzeugnisse (Schwerpunkt Gardinen, des weiteren Fensterbilder, Tischdecken und -läufer) her. Am 30.04.2004 stellte er einen Antrag über Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999 für das Kalenderjahr 2002. Dem Antrag lag eine Bemessungsgrundlage von 92.270,44 EUR zugrunde. Hiervon entfielen 79.763,09 EUR auf die Herstellung der 66 Erstmuster. Für die streitbehafteten Wirtschaftsgüter wurde eine Investitionszulage für Betriebe des verarbeitenden Gewerbes und für Erstinvestitionen in Höhe von 27,5 v. H. beantragt. Ausweislich der Anlage zum Antrag auf Investitionszulage betrugen die Herstellungskosten je Erstmuster zwischen 448,22 EUR (lfd. Nr. 39) und 5.058,34 EUR (lfd. Nr. 14). Auf die Anlage zum Antrag auf Investitionszulage wird Bezug genommen (Blatt 4 ff. der "Akten über die Betriebsprüfung"). Im Rahmen der sogenannten "0-Serie" (= erster Herstellungsprozess zur Fertigung eines Erstmusters) wurden wegen der erforderlichen Maschinenbestückung über die gesamte Arbeitsbreite der Großstickautomaten mindestens 60 bis 80 Erstmusterexemplare produziert. In welchem Umfange diese sodann Tests unterzogen und vernichtet wurden ist zwischen den Beteiligten streitig.

Am 06.07.2004 begann das Finanzamt mit einer betriebsnahen Veranlagung im Hinblick auf den vorbezeichneten Investitionszulagenantrag. Die Investitionen für die Erstmuster wurden als geringwertige Wirtschaftsgüter bewertet und wegen des Unterschreitens des für die Begünstigung durch das InvZulG 1999 maßgeblichen Wertes des einzelnen Wirtschaftsgutes in Höhe von 410 EUR nicht in die Bemessungsgrundlage zur Festsetzung der Investitionszulage einbezogen. Insoweit wurde die Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage (Zulagensatz: 27,5 v. H.) um 79.763,09 EUR gekürzt und die beantragte Investitionszulage um 21.934,85 EUR gemindert. Auf die Feststellungen vom 07.10.2004 zur betriebsnahen Veranlagung 2002 (Akten über die Betriebsprüfung, Blatt 107 ff.) wird Bezug genommen. In der Folge setzte der Beklagte durch Bescheid vom 24.09.2004 die Investitionszulage 2002 - ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 10.530 EUR mit 5 v. H. und einer Bemessungsgrundlage von 1.522 EUR mit 27,5 v. H. - in Höhe von 945,05 EUR fest. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Mit Schreiben vom 26.01.2005 forderte das Finanzamt den Kläger zur Vorlage einer nachvollziehbaren Berechnung des auf die Erstmuster entfallenden Anteils der Entwicklungskosten auf. Mit Schreiben vom 26.04.2005 (Blatt 68 ff. Rechtsbehelfsakte), 04.05.2005 (Blatt 74 ff. Rechtsbehelfsakte) und 27.05.2005 (Blatt 84 ff. Rechtsbehelfsakte), auf die Bezug genommen wird, legte der Kläger eine Erläuterung des Arbeitsgangs "Punchen" (Herstellung von Lochkarten bzw. Computersoftware zur maschinellen Umsetzung des jeweiligen neuen Designs) sowie eine "Aufschlüsselung der Personalkosten für die Herstellung von Erstmustern" für einzelne Erstmuster vor (Blatt 78 ff. Rechtsbehelfsakte) und erläuterte die von ihm vorgenommene Kalkulation. Mit der Entscheidung vom 08.07.2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Im Klageverfahren legte der Kläger u.a. eine Stellungnahme des BMF vom 05.10.2006 vor (Blatt 86 Gerichtsakte [GA]): Danach handele es sich bei den Erstmustern "bei jedem Stück um ein neues bewegliches Wirtschaftsgut", das dem Anlagevermögen des Unternehmens zuzurechnen und investitionszulagenbegünstigt sei, sofern es sich nicht um geringwertige Wirtschaftsgüter handele. Der erzielbare Preis für ein aus dem Erstmuster hergestelltes serienmäßiges Produkt sei für die Höhe des Aufwandes für ein Erstmuster nicht bestimmend.

Mit Verfügung vom 12.02.2008 (Blatt 120 f. GA) wurde gegenüber dem Kläger eine Ausschlussfrist nach § 79 b Abs. 2 FGO zur Darlegung und Glaubhaftmachung gesetzt, dass die Herstellungskosten für die streitbehafteten 66 Erstmuster jeweils höher als 410 EUR waren. Ferner wurde er zur präzisen Angabe aufgefordert, wie viele Exemplare (genaue Stückzahl) an Erstmustern bei der sogenannten "0-Serie" für die im Investitionszulagenantrag 2002 aufgeführten streitbehafteten 66 Erstmuster jeweils hergestellt wurden.

Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich bei den Erstmustern nicht um sogenannte "geringwertige Wirtschaftsgüter" handele. Es sei nur für solche Wirtschaftsgüter die Investitionszulage beantragt worden, bei denen der angefallene und aktivierte Investitionsaufwand über 410 EUR liege. Das Finanzamt komme in der von ihm angestellten Berechnung nur deshalb auf Herstellungskosten von weniger als 410 EUR, weil es nicht akzeptiere, dass für die Herstellung eines Erstmusters "eine komplette Maschinenbestückung über die gesamte Arbeitsbreite der Großstickautomaten vorzunehmen" sei. 90% der Herstellungskosten für die Erstmuster fielen selbst dann an, wenn es möglich wäre, z.B. nur 1 Meter des Erstmusters einer Gardine herzustellen, weil dieser hohe Kostenanteil auf die technische Aufbereitung des Erstmusters und die mit der Maschineneinrichtung zusammenhängenden Arbeitsgänge - insbesondere das "Punchen" - entfalle. Es sei technisch nicht möglich, mit den im Unternehmen des Klägers vorhandenen Maschinen nur das den Berechnungen des Finanzamtes zu Grunde liegende "eine" Exemplar des jeweiligen Erstmusters herzustellen.

Aus dem als Anlage 1 der Klagebegründung beigefügten Schreiben des Verbandes der N e. V. - VTI - vom 06.01.2005 (Blatt 5 f. GA) gehe hervor, dass die Finanzämter bei der Behandlung der Investitionszulagenanträge für Erstmuster unterschiedlich reagierten. So sei auch seinem Antrag für 2001 noch entsprochen worden. Hierdurch sei er dazu veranlasst worden, auch in den weiteren Planungen von der Investitionszulagengewährung auszugehen. Deshalb habe er im Streitjahr eine größere Anzahl Erstmuster hergestellt. Die Ablehnung seines Investitionszulagenantrages für die in 2002 hergestellten Erstmuster habe sich daher deutlich negativ auf seine finanzielle Situation ausgewirkt.

Die Erstmuster seien nicht zum Verkauf bestimmt. Deshalb sei eine Bewertung unter Einbeziehung der "Material- und Fertigungsgemeinkosten" nicht vorzunehmen. Derartige Kalkulationsmethoden bezögen sich auf die Herstellung von zum Verkauf bestimmten Erzeugnissen. Die Berücksichtigung der Kosten für die Erstmuster sei "in Form der Abschreibungen als Durchschnittssatz" erfolgt. Die Zuordnung der Kosten für jedes einzelne Erstmuster zu den jeweiligen Erzeugnissen, die auf der Basis jedes einzelnen Erstmusters hergestellt werden, sei aus mehreren Gründen nicht möglich: So führe nicht jedes Erstmuster auch zu Verkäufen, so dass in solchen Fällen "überhaupt keine Verrechnung der Kosten erfolgen" könne. Wenn ein Verkauf erfolge, sei die Höhe der Verkäufe pro Erstmuster sehr unterschiedlich und finde in der Regel über mehrere Jahre statt. Deshalb verblieben die Erstmuster mindestens fünf Jahre im Unternehmen. Der pro gefertigtem Erzeugnis anfallende Kostenanteil für das jeweilige Erstmuster sei also zu dem Zeitpunkt, in dem der Preis kalkuliert werden müsse, nicht bekannt und sei auch nicht mit hinreichender Genauigkeit einschätzbar.

Soweit der Beklagte vorbringe, dass die für die Erstmuster anfallenden Investitionsaufwendungen durch die Anzahl der bereits beim ersten Herstellungsprozess anfallenden Erstmuster zu teilen sei, verkenne dieser, dass diese Aufwendungen aus technologischen Gründen zwangsläufig mit der Herstellung anfielen, weil "jeweils eine komplette Bespannung der Großstickautomaten vorgenommen werden muss".

Mit Schriftsatz vom 05.03.2008 trägt der Kläger nunmehr vor, dass "nur der für Tests und das Hinterlegungsmuster nicht benötigte (und in der Regel geringe) Teil des jeweiligen neuen Erstmusterstückes, und keinesfalls das entstehende Stück insgesamt" überhaupt für Liasen (= einzelne Erstmusterexemplare) verwendbar gewesen sei. Im Streitjahr 2002 seien ca. 10% (ca. 6 Liasen) pro Erstmuster verwendbar gewesen. Der Rest (ca. 90%) sei vernichtet worden. Technologisch bedingt müsse für jedes neue Erstmuster eine komplette Maschinenbespannung vorgenommen werden, so dass jeweils zwei Spannen zu je 30 Meter an neuen Erstmustern entstanden seien. Für die dafür angefallenen Kosten in Höhe von insgesamt 79.763,09 DM werde die Investitionszulage begehrt. Für die Durchführung von Tests zur Sicherung der Verkaufsfähigkeit der neuen Erzeugnisse seien jeweils 45 - 50 m der gestickten Spannen benötigt worden, die durch diese Tests unbrauchbar geworden seien.

Der Kläger beantragt,

den Investitionszulagenbescheid für 2002 vom 24.09.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.07.2005 dahingehend abzuändern, dass die Investitionszulage 2002 um 21.934,85 EUR erhöht wird.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Aufwendungen für die Herstellung der Erstmuster nicht zulagenbegünstigt seien, da es sich bei allen beantragten Muster um geringwertige Wirtschaftsgüter handele. Die Herstellungskosten des Erstmusters seien auf die ganze Serie eines Produktes umzulegen und nicht nur auf das erste Musterexemplar. Selbst bei unmittelbar für die Erstellung des Erstmusters angefallenen Entwicklungskosten dürfe "nur ein angemessener Teil bei den Herstellungskosten des jeweiligen Erstmusters berücksichtigt werden". Sofern ein Erstmuster nicht in Produktion gehen sollte, seien diese Kosten "vergebliche Kosten, die als Betriebsausgaben zu bewerten wären". Die Berücksichtigung sämtlicher Entwicklungs- und produktionsvorbereitender Kosten des jeweiligen Erstmusters widerspreche handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen. Die Bewertung des Angebotsmusters dürfe nicht unter Berücksichtigung der gesamten Entwicklungskosten einer Serie erfolgen. Im Rahmen einer Betriebsbesichtigung beim Kläger sei festgestellt worden, dass aus dem fertigen Stoffballen (mind. 2 x 30 m Stoff oder 60 - 80 Fensterbilder) des ersten Stickens (sogenannte "0- Serie") die Muster gefertigt werden. Dabei verblieben einige Muster im Betrieb (durchschnittlich 3 - 7 Stück) und die restlichen Muster erhielten die Vertreter. Der restliche Stoffballen werde in der "Musterei" aufbewahrt und nach und nach für die einzelnen Muster verbraucht. Die strittigen Erstmuster bildeten nicht ein einheitliches Wirtschaftsgut. Bei den aus der "0-Serie" hergestellten 60 - 80 Erstmusterexemplaren handele es sich um eine Vielzahl von selbständig bewertungsfähigen Wirtschaftsgütern. Die hergestellten Musterstücke träten nicht nach außen als einheitliches Ganzes auf und seien auch nicht technisch miteinander verbunden. Sie seien selbständig nutzungsfähig und werden einzeln im Unternehmen des Klägers aufbewahrt oder an verschiedene Vertreter einzeln überlassen.

Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen handele es sich bei den Erstmustern um nicht investitionszulagenbegünstigte geringwertige Wirtschaftsgüter: Der im Investitionszulagenantrag enthaltene Wert der Erstmuster eines Designs schwanke zwischen 448 EUR und max. 5.058 EUR. Dabei seien in der Kalkulation zur Wertermittlung die kompletten Kosten zur Herstellung einer 0- Serie enthalten. Hierbei seien vom Kläger auch die nicht unmittelbar für die Erstellung der Erstmuster angefallenen Aufwendungen, wie z.B. für Design und Punchen, nicht nur mit einem angemessenen Teil, sondern mit den Gesamtkosten berücksichtigt worden. Selbst unter Zugrundelegung dieser Gesamtkosten könne bei der im Streitfall ermittelten Anzahl von durchschnittlich 60 - 80 Erstmusterexemplaren pro Design nicht von einem Wert des einzelnen Musters von über 410 EUR ausgegangen werden.

Soweit der Kläger im Klageverfahren erstmalig ausführe, dass nur ca. 10% der Erstmusterserie in Form von Liasen auf Warenständer genommen werden könnten und im übrigen die Erstmusterserie für Tests verbraucht werde, widerspreche dies den Schreiben des Klägers vom 04.05.2005 und vom 27.05.2005 im Einspruchsverfahren. Dort habe der Kläger noch erklärt, dass in der Regel alle Exemplare der jeweiligen Erstmuster zur Akquisition benötigt worden seien und den vielen Fachhändlern unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden müssten. Nur zu einem geringen Teil seien die Muster zu Testzwecken und zur Präsentation im Unternehmen des Klägers verblieben. Die ursprünglichen Ausführungen des Klägers deckten sich auch mit den Feststellungen des Beklagten bei einem Ortstermin im Unternehmen des Klägers, auf den diesbezüglichen Aktenvermerk vom 25.05.2005 (Blatt 82 Rechtsbehelfsakte) werde Bezug genommen.

Im übrigen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat zu Recht die Investitionszulage für die Erstmuster nicht gewährt.

Im Streitfall kann offen bleiben, ob es sich bei den vom Kläger im Investitionszulagenantrag als "Erstmuster für Erzeugnisse" bezeichneten 66 Wirtschaftsgütern um immaterielle Wirtschaftsgüter oder um abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handelt:

Soweit es sich bei den "Erstmustern" um immaterielle Wirtschaftsgüter in der Form von "Know-how" handelt, bei denen die in der Entwicklung enthaltene geistige Leistung im Vordergrund steht, zählen diese nicht zu den beweglichen Wirtschaftsgütern (BFH, Urteil vom 22.05.1979 III R 129/74, BStBl II 1979, 634; Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 06.10.2004, 4 K 172/02, EFG 2005, 1217). In diesem Falle sind die "Erstmuster für Erzeugnisse" gemäß § 2 Abs. 1 InvZulG 1999 nicht begünstigt.

Sollte es sich bei den "Erstmustern" hingegen um bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handeln, weil wirtschaftlich das Interesse an den Musterexemplaren als Hilfsmittel für den Verkauf und damit an deren körperlichen Substanz im Vordergrund steht (vgl. dazu BFH, Urteil vom 25.11.1965 IV 2999/63 U, BStBl III 1966, 86 für "Tapetenbücher"), hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Begünstigung nach § 2 Abs. 1 InvZulG 1999 erfüllt sind. Er hat im Streitfall trotz der ihm gegenüber nach § 79 b Abs. 2 FGO gesetzten Ausschlussfrist nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass es sich bei den im Investitionszulagenantrag 2002 aufgeführten streitbehafteten 66 "Erstmuster" nicht um geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 EStG handelt. Bei der sogenannten "0-Serie" (= erster Herstellungsprozess zur Fertigung der Erstmuster) sind nicht nur ein, sondern mehrere Musterexemplare hergestellt worden. Infolgedessen verteilen sich die vom Kläger in der Anlage zum Investitionszulagenantrag aufgelisteten Herstellungskosten auf diese Musterstücke. Dies ergibt sich aus dem Herstellungskostenbegriff des § 255 Abs. 2 HGB. Zu den Herstellungskosten gehören danach sowohl die unmittelbar der Herstellung dienenden Kosten als auch die Aufwendungen, die zwangsläufig im Zusammenhang mit der Herstellung des Wirtschaftsgutes anfallen oder mit seiner Herstellung in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dabei kommt der Zweckbestimmung der Aufwendungen als finales Element entscheidende rechtliche Bedeutung zu. Hiervon ausgehend gehören zu den Herstellungskosten u.a. die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung. Im Rahmen der Sonderkosten gehören dabei auch fertigungsbezogene Vorbereitungskosten zu den Herstellungskosten (BFH, Urteil vom 04.12.1986 V R 92/77, BFH/NV 1988, 534 m.w.N.). Danach sind in die Herstellungskosten nicht nur die eindeutig dem einzelnen Musterexemplar zuordnungsfähigen Materialeinzel- und Fertigungseinzelkosten einzubeziehen, sondern auch die Kosten, die durch eine Schlüsselung oder Umlage zu den herzustellenden Vermögensgegenständen in Beziehung gebracht werden können (vgl. dazu BFH, Urteil vom 21.10.1993 IV R 87/92, BStBl II 1994, 176). Ob hierdurch die im Streitjahr nach § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG geltende Grenze von 410 EUR je Wirtschaftsgut überschritten wird, hat der Kläger nicht substantiiert dargetan und glaubhaft gemacht.

Die Herstellungskosten je "Erstmuster" schwanken ausweislich der Anlage zum Antrag auf Investitionszulage zwischen 448,22 EUR (lfd. Nr. 39) und 5.058,34 EUR (lfd. Nr. 14). Im Rahmen der sogenannten "0-Serie" wurden jeweils 60 bis 80 Erstmusterstücke hergestellt. Teilt man die maximal angefallenen Herstellungskosten pro Muster (= 5.058,34 EUR) durch die Stückzahl 60, ergeben sich mithin Herstellungskosten von höchstens 84,31 EUR je Musterstück.

Soweit der Kläger erstmalig im Klageverfahren im Schreiben vom 18.12.2007 (Blatt 115 ff. GA) und 05.03.2008 (Blatt 130 ff. GA) vorgetragen hat, dass von der 0-Serie jeweils nur ca. 10% (= ca. 6 Stück) Liasen an Handelsvertreter weitergegeben worden seien, hat der Kläger dieses neue Vorbringen nicht nachgewiesen. Dieser Vortrag steht im Widerspruch zum Schreiben des Klägers vom 04.05.2005 im Einspruchsverfahren (Blatt 75 der Rechtsbehelfsakte): Dort hatte er noch ausgeführt, dass "in der Regel alle Exemplare der jeweiligen Erstmuster ... benötigt" werden. Der Kläger hat dort und auch in seinem Schreiben vom 27.05.2007 (Blatt 84 ff. der Rechtsbehelfsakte) nicht erwähnt, dass ca. 90% der bei der "0-Serie" angefallenen Liasen unbrauchbar seien und vernichtet werden. Es ist nicht nachvollziehbar, wie es zu dieser hohen Quote an unbrauchbaren Liasen kommen soll. Der Kläger vermochte dies auch in der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2008 nicht zu erläutern. Das "Protokoll über Einsatz und Verbleib der ... im Jahre 2002 hergestellten Erstmuster für Plauener Spitzen und Gardinen" vom 18.12.2007 (Blatt 117 GA) enthält keine detaillierten Angaben zu den einzelnen Erstmustern. Weitere Vernichtungsprotokolle wurden nicht vorgelegt. Unverständlich ist, weshalb in der "Aufschlüsselung der Personalkosten für die Herstellung von Erstmustern" (Blatt 78 ff. GA) weder Kosten für etwaige Tests noch für die Vernichtung von Erstmusterexemplaren aufgeführt sind.

Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei den Einzelstücken der "0-Serie" nicht um ein einheitliches Wirtschaftsgut. Ein solches läge dann vor, wenn bei zusammengefügten Wirtschaftsgütern durch das Herausnehmen eines Einzelstückes die Nutzbarkeit der "Gesamtanlage" verloren geht, die zusammengefügten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind und der Einsatz des einen Wirtschaftsgutes ohne die anderen Wirtschaftsgüter nicht möglich ist (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 09.08.2001 III R 30/00, BStBl II 2001, 842). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Bei jedem Musterstück handelt es sich um ein selbständig nutzungsfähiges Wirtschaftsgut. Es liegen selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter vor, da durch das Wegnehmen eines einzelnen Musterstücks die Nutzbarkeit der übrigen Musterstücke nicht verloren geht. Es liegt auch keine wechselseitige technische Abstimmung der einzelnen Stücke einer "0-Serie" vor. Der Einsatz des einen Musterstücks der "0-Serie" ist auch ohne das andere möglich. Es fehlt letztlich bereits an einer "Zusammenfügung".

Nicht entscheidend für die Frage, ob ein zusammengefügtes, einheitliches Wirtschaftsgut oder selbständige Wirtschaftsgüter vorliegen, ist hingegen der Umstand, dass es nach dem Klägervorbringen mit den im Unternehmen vorhandenen Maschinen technisch nicht möglich sei, nur "ein" Exemplar des jeweiligen Erstmusters herzustellen. Diese Besonderheiten des Herstellungsprozesses sind kein Kriterium für die Frage, ob ein einheitliches Wirtschaftsgut vorliegt. Infolgedessen sind die Herstellungskosten für die "0-Serie" auf die hierbei erzeugten Musterstücke aufzuteilen. Hierdurch wird bei allen 66 Erstmustern die Grenze von 410 EUR unterschritten. Dahingestellt bleiben kann im Streitfall deshalb, ob die Kosten für das "Punchen", das nicht nur der "0-Serie" zugute kommt, sondern auch späteren Produktionsserien, auch auf diese späteren Produktionsserien aufzuteilen wären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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