Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 26.08.2009
Aktenzeichen: 4 K 183/08
Rechtsgebiete: FGO, AO, GrEStG


Vorschriften:

FGO § 47
FGO § 102
AO § 5
AO § 108 Abs. 3
AO § 122 Abs. 2
AO § 227 Abs. 1
AO § 240
GrEStG § 1 Abs. 1
GrEStG § 16 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 4. Senat

durch

Richter am Finanzgericht Großmann als Berichterstatter

gemäß § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung

ohne mündliche Verhandlung

am 26.08.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen den mit Einspruchsentscheidung vom 20.12.2007 bestätigten Verwaltungsakt vom 05.09.2006, mit dem der Beklagte den Antrag auf Erlass eines Säumniszuschlages i.H. von zuletzt 3.471,67 EUR (6.790 DM) abgelehnt hatte. Wegen der Einzelheiten wird auf den ablehnenden Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Rechtsbehelfsakte Bl. 72 ff., 93 ff.). Der Säumniszuschlag ist entstanden im Zusammenhang mit einer Grunderwerbsteuerfestsetzung i.H. von 679.000 DM für den Erwerb eines Grundstücks in B durch die Klägerin aufgrund eines notariellen Kaufvertrages vom 29.01.1999. Auf die jeweils mit Bescheiden des FA G vom 13.08.1999 den Gesellschaftern der Klägerin bekannt gegebene Grunderwerbsteuerfestsetzung und den notariellen Kaufvertrag wird Bezug genommen (Rechtsbehelfsakte Bl. 2 ff., 19, 21). Die Grunderwerbsteuerfestsetzung ist mit Bescheiden des FA G vom 01.11.1999 nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wegen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs aufgehoben worden (Rechtsbehelfsakte Bl. 29, 30), nachdem im Verlauf des gegen die Steuerfestsetzung gerichteten Einspruchsverfahrens die Gesellschafter der Klägerin zunächst u.a. erklärt hatten, es müsse geprüft werden, ob der Kaufvertrag, der eventuell rückabgewickelt werden müsse, überhaupt erfüllt werden könne (Schreiben vom 29.08.1999, Rechtsbehelfsakte Bl. 34f.), und schließlich mit Schreiben vom 08.10.1999, dem Finanzamt mitgeteilt am 11.10.1999, den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hatten (vgl. Rechtsbehelfsakte Bl. 44, 45). Von den auf die am 16.09.1999 fällig gewordene Grunderwerbsteuerforderung zunächst angeforderten Säumniszuschlägen i.H. von 13.580 DM hatte das Finanzamt mit Verfügung vom 27.01.2000 einen auf die Zeit ab der Rücktritterklärung entfallenden Teilbetrag i.H. von 6.790 DM erlassen. Den Antrag der Klägerin auf Erlass des verbleibenden Betrages i.H. von 6.790 DM für den ersten Monat der Säumnis hat der Beklagte mit den angefochtenen Entscheidungen abgelehnt.

Mit der am 28.01.2008 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Erlass des Säumniszuschlages weiter. Sie macht geltend, auch unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren, es stelle sich die Frage nach einem möglichen Alternativverhalten, wenn sich die Parteien die Option auf eine Erfüllung des Vertrages offen halten, andererseits sich aber auch im Sinne des Kaufvertrages hätten binden wollen, um eine andere Verwertung des Grundstücks zu verhindern. In der hier vorliegenden Situation, in der innerhalb der Rechtsmittelfrist noch nicht erkennbar sei, ob der Grundstückskaufvertrag vollzogen werde oder nicht, entspreche es der Billigkeit, für eine Steuer, die gar nicht angefallen sei, auch keine Säumniszuschläge zu erheben. Das Vorbringen des Beklagten gehe an der Klagebegründung vorbei; die Frage, wie bei dem gegebenen Sachverhalt ein Alternativverhalten sinnvollerweise ausgesehen hätte, werde nicht beantwortet.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsaktes vom 05.09.2006 und der Einspruchsentscheidung vom 20.12.2007 den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die Säumniszuschläge zur Grunderwerbsteuer aufgrund des Bescheides vom 13.08.1999 in Höhe von jetzt noch 3.471,67 EUR zu erlassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Erlassvoraussetzungen hätten frühestens mit Kenntnis der den Aufhebungsanspruch begründenden Tatsachen, also frühestens ab Eingang der Rücktrittserklärung, vorgelegen. Ohne Angaben und Nachweise über die Rückabwicklung des Kaufvertrages sei ein Erstattungsanspruch in Folge der Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides nicht hinreichend sicher gewesen. Erst aufgrund der vorgelegten Rücktrittserklärung habe das Finanzamt davon ausgehen können, dass die wirtschaftlichen Folgen des Grundstückskaufvertrages nicht eintreten würden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze des Klägervertreters und des Beklagten vom 08.06.2009 und 29.05.2008, Bl. 24, 21 dA).

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Dahingestellt bleiben kann, ob die erst am 28.01.2008 bei Gericht eingegangene Klage fristgerecht, innerhalb der einmonatigen Klagefrist nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, erhoben worden ist, § 47 FGO. Das erscheint zweifelhaft, weil die laut Postaufgabevermerk der Rechtsbehelfsstelle am 20.12.2007 zur Post gegebene Einspruchsentscheidung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 108 Abs. 3 AO am Montag , den 24.12.2007 (Werktag), als bekannt gegeben gilt (das reguläre Ende der Bekanntgabefrist fiel auf den 23.12.2007, einen Sonntag). Doch kann dies offen bleiben, ebenso wie die Frage nach dem Eingreifen möglicher Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Jedenfalls ist die Klage unbegründet. Der ablehnende Verwaltungsakt vom 05.09.2006 und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung vom 20.12.2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der nach dem bereits ausgesprochenen Teilerlass noch verbleibende Säumniszuschlag für den ersten Säumnismonat i.H. von 3.471,67 EUR ist nicht aus Billigkeitsgründen zu erlassen, § 227 Abs. 1 AO. Ermessenfehlerfrei hat der Beklagte entschieden, dass die Einziehung des Säumniszuschlages nicht unbillig im Sinne von § 227 AO ist, § 102 FGO, § 5 AO.

Sachliche Billigkeitsgründe für den begehrten Erlass des Säumniszuschlages auf die ursprünglich mit Bescheid vom 13.08.1999 festgesetzte Grunderwerbsteuer liegen nicht vor:

Sachliche Unbilligkeit setzt voraus, dass die Einziehung der Abgabe im Einzelfall, vor allem mit Rücksicht auf den gesetzlichen Zweck ihrer Erhebung nicht mehr zu rechtfertigen ist, oder dass sie den Wertungen des Gesetzgebers zuwider läuft, wobei im Rahmen einer solchen Billigkeitsprüfung grundsätzlich solche Erwägungen unberücksichtigt bleiben müssen, die der gesetzliche Tatbestand üblicherweise mit sich bringt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 24.10.1988 X B 54/88, BFH/NV 1989, 285; Klein, AO, 9. Auflage 2006, § 163 Rn. 32). Ein derartiger Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers liegt im Streitfall aber nicht vor. Der vom Beklagten angeforderte Säumniszuschlag entspricht Wortlaut und Zweck der gesetzlichen Regelung. Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO fällt ein Säumniszuschlag i.H. von 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrages für jeden angefangenen Säumnismonat an. Nach § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bleiben die verwirkten Säumniszuschläge auch dann unberührt, wenn wie im Streitfall die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder berichtigt wird. Vor dem Hintergrund, dass Säumniszuschläge neben dem Zweck, Druck zur pünktlichen Zahlung auszuüben, auch eine Gegenleistung für die verspätete Zahlung bzw. eine Abgeltung des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes bezwecken sollen (vgl. Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 240 Rn. 1 und 51), nimmt der Gesetzgeber das Anfallen von Säumniszuschlägen auch dann in Kauf, wenn eine Steuer zu Unrecht festgesetzt worden ist. Das gilt umso mehr für den Streitfall, in dem die Grunderwerbsteuer zunächst in rechtmäßiger Weise festgesetzt worden war, weil durch den notariellen Kaufvertrag vom 29.01.1999 (schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft) der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt war, und die zunächst rechtmäßige Steuerfestsetzung aufgrund einer später eingetretenen Umstandes (Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges aufgrund des am 08.10.1999 erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag) aufgehoben wurde, vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Demzufolge sind zwangsläufig und in nicht zu beanstandender Weise Säumniszuschläge auf die festgesetzte Grunderwerbsteuer angefallen, solange die Festsetzung wirksam war (vgl. BFH-Beschluss vom 14.05.2008 II B 49/07, BFH/NV 2008, 1438).

Zutreffend hat der Beklagte darüber hinaus die Säumniszuschläge teilweise erlassen, soweit sie zeitlich nach dem mit Schreiben vom 08.10.1999 erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag angefallen sind: Mit dem wirksam erklärten Rücktritt stand der Klägerin ein -vom Beklagten zu Recht bereits im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Grunderwerbsteuerbescheid berücksichtigter- gegenläufiger Anspruch auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung zu (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), so dass von diesem Zeitpunkt an die Erhebung von Säumniszuschlägen als unbillig anzusehen war. Das gilt jedoch nur für den Zeitraum ab dem wirksam erklärten Rücktritt. Für die Zeit vorher stand noch nicht fest, dass es zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrags kommen und ein Anspruch auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung entstehen würde - in den Schreiben vom 29.08.1999 hatten die Gesellschafter der Klägerin lediglich darauf hingewiesen, es müsse geprüft werden, ob der Kaufvertrag überhaupt erfüllt werden könne, "evtl" müsse das Vertragswerk rückabgewickelt werden. Somit war die Einziehung des für den ersten Säumnismonat, vor Abgabe der Rücktrittserklärung, angefallenen streitgegenständlichen Säumniszuschlages entgegen klägerischer Auffassung nicht unbillig und ein Erlass insoweit nicht geboten.

Die von der Klägerin weiter aufgeworfene Frage, welche Handlungsalternativen bestanden haben, um das aus ihrer Sicht unbefriedigende Ergebnis zu vermeiden, ist angesichts des hier konkret verwirklichten Sachverhaltes nicht entscheidungserheblich. Es kann daher offen bleiben, ob das Anfallen von Säumniszuschlägen ggf. durch eine andere rechtliche Gestaltung, etwa durch Abhängigmachen des Kaufvertrages von einer Bedingung, hätte vermieden werden können.

Persönliche Billigkeitsgründe wurden nicht substantiiert geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

Zurück