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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: 6 K 2076/06
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977, BauGB


Vorschriften:

EStG § 7h Abs. 2 S. 1
EStG § 10f
AO 1977 § 171 Abs. 10 S. 1
BauGB § 177
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

6 K 2076/06

In dem Finanzrechtsstreit

hat der 6. Senat

durch

den Berichterstatter gem. § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung

ohne mündliche Verhandlung

am 7. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2004 vom 14. Oktober 2005 und 22. Februar 2006 werden unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2006 dahingehend geändert, dass jeweils nach § 10f des Einkommensteuergesetzes Aufwendungen von 18.986 EUR wie Sonderausgaben abgezogen werden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 7/6 des vorgenannten Betrages abwenden, es sei denn die Kläger leisten zuvor Sicherheit in dieser Höhe.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, in welchem Umfang die Bescheinigung einer Gemeindebehörde nach § 7h Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für Gewährung des Abzugsbetrages nach § 10f EStG bindend ist.

Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger schafften mit Kaufvertrag vom 13. Mai 2002 ein mit einem Wohnhaus wiederzubebauendes Grundstück an. Die Bauarbeiten begannen nach Vertragsschluss. Das neu errichtete Gebäude wurde 2003 fertig gestellt, nachdem der Vorgängerbau - ein ruinöses Wohnhaus aus dem 19. Jahrhundert - bis zum Erdgeschoß abgebrochen war. In das selbstgenutzte Wohnhaus wurden aus Gründen des Denkmalschutzes im wesentlichen die erhaltenen historischen Kellerwände aus Natursteinmauerwerk sowie ein Stück Außenmauer (Höhe 1/3 des Erdgeschosses) integriert. Die Kläger beantragten für die Streitjahre eine Förderung nach § 10f EStG ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 189.853 EUR (240.972,80 EUR von der Gemeindebehörde als bescheinigungsfähig anerkannte Kosten einschließlich 166,50 EUR Gebühren ./. 51.120 EUR Bemessungsgrundlage für Eigenheimzulage). Sie legten unter anderem eine Bescheinigung der Stadt (G) vor, wonach sich das Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet befindet und dass Rekonstruktionsmaßnahmen im Sinne des § 177 des Baugesetzbuches (BauGB) sowie Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung des Gebäudes, das wegen seiner städtebaulichen Bedeutung erhaltenswert ist, durchgeführt wurden. Weiter heißt es, dass die Bescheinigung "nicht alleinige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung [ist]. Die Finanzbehörde prüft weitere steuerliche Voraussetzungen". Eine betriebsnahe Veranlagung kam zu dem Schluss, dass es sich um ein neues Gebäude handelte und dass der Wertanteil des erhaltenen Kellerwandbereiches gemessen am Gesamtwert der Gebäudekonstruktion als sehr gering - unter 10 v.H. - anzusehen sei. Eine Remonstration gegen die Bescheinigung der Stadt G blieb nach Prüfung indes mit Schreiben vom 13. Juni 2005 erfolglos. Mit Einkommensteuerbescheiden für 2003 und 2004, die zuletzt geändert am 14. Oktober 2005 und 22. Februar 2006 ergingen, setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 9.634 EUR und 11.356 EUR fest, ohne die Abzugsbeträge nach § 10f EStG zu berücksichtigen. Nachdem Einsprüche hiergegen mit Entscheidung vom 16. Oktober 2006 zurückgewiesen waren, erhoben die Kläger am 15. November 2006 Klage.

Sie sind der Auffassung, der Abzug sei zu gewähren. Der Beklagte könne sich nicht auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) X R 19/02 vom 14. Januar 2004 (BFHE 205, 87, BStBl II 2004, 711) berufen, weil sie zu § 7i EStG ergangen sei. § 7h EStG, der dem Streitfall zugrunde liege, stelle demgegenüber auf § 177 BauGB ab. Der Beklagte habe daher nur zu prüfen gehabt, inwieweit die Stadt G Baumaßnahmen nach § 177 BauGB bescheinigt habe. Eine solche Bescheinigung liege vor. Sie sei Grundlagenbescheid, dessen Bindung sich darauf erstrecke, ob es sich um Maßnahmen im Sinne von § 177 BauGB handele. Dies habe auch der BFH in dem Urteil vom 22. September 2005 IX R 13/04 (BFH/NV 2006, 284) so gesehen. Im übrigen habe der Beklagte den Grundlagenbescheid nicht auf dem Verwaltungsrechtsweg angegriffen.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2006 die Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2004 vom 14. Oktober 2005 und 22. Februar 2006 dahingehend zu ändern, dass jeweils nach § 10f EStG Aufwendungen von 18.986 EUR wie Sonderausgaben abgezogen werden.

Der Beklagte beantragt

Abweisung.

Er ist der Ansicht, die Bescheinigung enthalte keine bindende Aussage dazu, ob es sich um steuerlich zu berücksichtigende Aufwendungen handele. Sie beinhalte die ausdrückliche Einschränkung, nicht die alleinige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung zu sein. Der Prüfungsbefugnis der Finanzbehörde unterfalle auch die ausschließlich nach steuerlichen Kriterien zu beurteilende Abgrenzung zwischen Sanierung und - wie im Streitfall - nicht begünstigter Neuerrichtung eines Gebäudes. Dies ergebe sich auch aus dem BFH-Urteil in BFHE 205, 87, BStBl II 2004, 711. Die Kläger könnten sich nicht auf die Entscheidung des BFH in BFH/NV 2006, 284 berufen, weil dort die Bescheinigung keine solche Einschränkung enthalten habe. Auch sei das Urteil aufgrund der fehlenden Veröffentlichung im Bundessteuerblatt nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Im übrigen verweist der Beklagte auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 14. November und 22. Dezember 2006 sowie vom 30. Januar 2007 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sowie durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist begründet. Die Kläger haben in den Streitjahren Anspruch auf einen Abzugsbetrag nach § 10f EStG. Insoweit sind die angefochtenen Einkommensteuerbescheide rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

a) Ein Steuerpflichtiger kann Aufwendungen an einem eigenen Gebäude im Kalenderjahr des Abschlusses des Bauvorhabens und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 10 v.H. wie Sonderausgaben abziehen, wenn die Voraussetzungen des § 7h EStG vorliegen, § 10f Abs. 1 Satz 1 EStG. Neben den im übrigen unstreitig gegebenen Voraussetzungen müssen die Aufwendungen "für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne des § 177 BauGB" angefallen sein, § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG. Der Abzugsbetrag kann nur in Anspruch genommen werden, wenn durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde die Voraussetzungen des Abs. 1 für das Gebäude und die Maßnahmen nachgewiesen werden, § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG.

Eine Bescheinigung entspricht inhaltlich nicht den Anforderungen des § 7h Abs. 2 EStG, wenn sie keine Aussage darüber enthält, dass es sich etwa bei einem Neubau um Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne des § 177 BauGB handelt. Dann entfaltet sie keine Bindungswirkung gegenüber der Finanzbehörde, weil sie zu der Frage, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne des § 7h Abs. 1 EStG durchgeführt worden sind, nichts besagt (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 2002 X R 183/96, BFHE 200, 293, BStBl II 2003, 238). Aus dem Urteil lässt sich entgegen der Auffassung des Beklagten in der Einspruchsentscheidung nicht generell schließen, dass unter den Begriff der Kosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne des § 177 BauGB nicht die Kosten eines Neubaus, der anstelle eines abgerissenen Gebäudes errichtet wurde, fallen. Dies gilt ausdrücklich nur für den Fall, wenn eine Bescheinigung keine Aussage zum Vorliegen von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen trifft.

b) Stellt dagegen die Gemeindebehörde das Vorliegen von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen - wie im Streitfall - positiv fest, ist die Finanzbehörde hieran gebunden. Denn die Bescheinigung ist insoweit ein außersteuerrechtlicher Verwaltungsakt in Form eines Grundlagenbescheids (§ 171 Abs. 10 Satz 1 der Abgabenordnung), dessen Bindungswirkung sich auf die Tatbestände des Bau- und Raumordnungsrechts bezieht, nämlich unter anderem darauf, ob entsprechende Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. Allein die Gemeinde prüft, ob die in der Vorschrift angeführten Maßnahmen durchgeführt wurden. Dazu gehört auch, welchen Umfang die Baumaßnahme haben darf, um noch als (steuerbegünstigte) Sanierung zu gelten. Nach den Wertungen des BauGB muss entschieden werden, wie die Begriffe "Modernisierung" und "Instandsetzung" zu verstehen sind und ob darunter auch ein Neubau im bautechnischen Sinn zu subsumieren ist. Vertritt die Finanzbehörde eine von der Gemeindebehörde abweichende Auffassung, so hat sie nur die Möglichkeit, bei der Gemeinde darauf hinzuwirken, dass diese gegebenenfalls ihre Bescheinigung zurücknimmt oder ändert, und ist nach erfolgloser Remonstration auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen (vgl. BFH-Urteile vom 22. September 2005 in BFH/NV 2006, 284; vom 4. Mai 2004 XI R 38/01, BFHE 207, 100, BStBl II 2005, 171 zur insoweit entsprechenden Frage bei § 82g Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung). Im Streitfall hat sich der Beklagte vergeblich um eine Aufhebung der Bescheinigung bemüht, ohne daraufhin auf eine Änderung des Grundlagenbescheides im Verwaltungsrechtsweg hinzuwirken.

c) Die knappen, den Gesetzeswortlaut aufgreifenden Angaben der Gemeindebehörde zum Vorliegen von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in der Bescheinigung sind ausreichend (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22. September 2005 in BFH/NV 2006, 284).

d) Die zu § 7i EStG ergangene Entscheidung des BFH vom 14. Januar 2004 (in BFHE 205, 87, BStBl II 2004, 711) steht der Gewährung des Abzugsbetrages nicht entgegen. Danach bezieht sich die - bindende - denkmalschutzrechtliche Feststellung der Gemeindebehörde, dass ein saniertes Gebäude als "Baudenkmal" eingestuft wird, nicht auf die Beurteilung der Frage, ob das Baudenkmal im steuerrechtlichen Sinn ein nur saniertes Gebäude oder ein Neubau ist; dies soll jedenfalls dann gelten, wenn die Prüfung steuerrechtlicher Fragen ausdrücklich der Finanzbehörde vorbehalten geblieben ist. Bei einer Förderung nach § 7h EStG indes erstreckt sich die - ebenfalls bindende - Feststellung der Gemeindebehörde darauf, dass "Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten im Sinne des § 177 BauGB" durchgeführt wurden, § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Gemeindebehörde bescheinigte im einzelnen, dass "Rekonstruktionsmaßnahmen im Sinne des § 177 BauGB" sowie "Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes, das wegen seiner städtebaulichen Bedeutung erhaltenswert ist" durchgeführt wurden. Die Feststellungen beziehen sich damit nicht auf einen bloß außersteuerrechtlich bedeutsamen Begriff (wie etwa den denkmalschutzrechtlichen Begriff des "Baudenkmals"), sondern auf eine bautechnische Begrifflichkeit, die baurechtliche und zugleich steuerrechtliche Bedeutung hat. Die Bescheinigung stellt übereinstimmend mit § 7h Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG die Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechte Verwendung des Wohnhauses fest. Die Gemeinde hat dies - wie sich aus der Remonstrationsentscheidung ergibt - auch geprüft. Für eine abweichende Beurteilung des Beklagten, dass ein Neubau vorliegt, ist angesichts der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids kein Raum.

Der mit der Bescheinigung verbundene Vorbehalt führt nicht zu einer Prüfungsbefugnis des Beklagten hinsichtlich der Frage, ob das Gebäude erneuert bzw. erhalten wurde oder bautechnisch neu errichtet wurde. Denn nach dem Vorbehalt prüft "die Finanzbehörde [...] weitere steuerliche Voraussetzungen" [Hervorhebung durch das Gericht], mithin Voraussetzungen, die nicht bescheinigt wurden, etwa die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben.

2. Das Gericht konnte aufgrund Einverständnisses der Beteiligten nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO ohne mündliche Verhandlung sowie durch den Berichterstatter entscheiden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegen § 151 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung zugrunde.

5. Die Revision wird nach § 115 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.



Ende der Entscheidung

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