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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 19.07.2004
Aktenzeichen: 6 K 2151/03
Rechtsgebiete: UStG 2002, EWGRL 388/77


Vorschriften:

UStG 2002 § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchstabe bb
UStG 2002 § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchstabe bb
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Umsatzsteuer 2002

hat der 6. Senat durch den Vorsitzenden als Berichterstatter gem. § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung ohne mündliche Verhandlung am 19.07.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin war im Streitjahr im Bereich der Erwachsenenbildung tätig. Gegenstand des Unternehmens ist das "..." (Institut). Über eine Bescheinigung i.S. des § 4 Nr. 21 a) bb) des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) verfügen die Klägerin bzw. deren Institut nicht.

Im Streitjahr hat die Klägerin gegenüber der D GmbH (D) und der P GmbH (P), die beide über Bescheinigungen i.S. des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG verfügen, Unterrichtsleistungen erbracht. Soweit sie nicht -wie vertraglich vereinbart (vgl. Bl. 8 f.)- persönlich unterrichtet hat, hat die Klägerin freiberufliche Dozenten mit der Ausführung des Unterrichts beauftragt. In diesen Fällen vereinnahmte die Klägerin das mit der D bzw. der P vereinbarte Entgelt und reichte hernach das ihr von den Dozenten in Rechnung gestellte Honorar an diese weiter. In den Umsatzsteuervoranmeldungen für das erste und zweite Quartal 2002, die Gegenstand einer Umsatzsteuersonderprüfung waren, hat die Klägerin bezüglich der persönlich und durch Dritte erbrachten Unterrichtsleistungen -wie auch später in der Jahreserklärung- insgesamt umsatzsteuerfreie Umsätze gemeldet. Aufgrund der Feststellungen im Prüfungsbericht vom 17. April 2003 hat der Beklagte (das Finanzamt -FA-) die mit dem Einsatz freiberuflicher Dozenten erbrachten Umsätze (Entgelt 43.872 EUR) mit dem Nettobetrag von 37.821 EUR als umsatzsteuerpflichtig angesehen. Neben weiteren, hier nicht streitigen Änderungen erhöhte das FA die ermäßigt besteuerten Umsätze aufgrund festgestellter Buchverkäufe um 26 EUR. Die Feststellungen fanden sämtlich ihre Auswertung im geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das zweite Quartal 2002 vom 5. Mai 2003. Im Einspruchsverfahren erging der Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 4. Juli 2003, dem das FA neben den Prüfungsfeststellungen entsprechend geschätzte steuerpflichtige Mehrumsätze für das zweite Halbjahr 2002 in Höhe von 35.000 EUR zugrunde gelegt hat. Gegen die Einspruchsentscheidung vom 25. August 2003 hat die Klägerin vorliegende Klage erhoben.

Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, sie habe die Umsatzsteuererklärung 2002 abgegeben, ohne auf die Bitte des FA einzugehen, die Honorarzahlungen in solche für eigene Dozententätigkeit und solche für das Tätigwerden anderer Referenten aufzuteilen; eine solche Aufteilung hätte ein Abweichen von ihrer bisherigen Rechtsposition dargestellt. Ungeachtet der von einem Wirtschaftsprüfer testierten Einnahmen-Überschußrechnung habe das FA, ohne die Zahlen aus der Erklärung mit 7.092 EUR bzw. 399 EUR zu übernehmen, die Umsätze zu 16 % mit 80.442 EUR und die zu 7 % mit 425 EUR geschätzt. Bereits die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen sei unzulässig, nachdem sie ihren Auskunfts- und Vorlagepflichten vollumfänglich nachgekommen sei.

Das FA gehe fehl in der Annahme, die Befreiung des § 4 Nr. 21 b) bb) UStG gelte nur, wenn der selbständige Lehrer die Unterrichtsleistung in eigener Person ausführt. Davon abgesehen, daß das Hinzufügen eines im Gesetz nicht enthaltenen Tatbestandsmerkmals unzulässig sei, böten Gesetz und Verwaltungsvorschrift keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Ansicht. Insbesondere Abschnitt 112a Abs. 1 Satz 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) stelle klar, daß die Befreiung auch für juristische Personen gelte, die Unterrichtsleistungen in eigener Person gar nicht erbringen können. Nach Abschnitt 112a Abs. 2 Satz 4 UStR sei die Steuerfreiheit auch erfüllt, wenn eine andere als die den Unterricht erteilende Person vertragliche Beziehungen zum Bildungsträger unterhält. Zudem sei bislang nicht berücksichtigt worden, daß zwischen ihr und den von ihr beauftragten Dozenten zumindest im Innenverhältnis eine BGB-Gesellschaft vorgelegen haben könnte.

Selbst wenn aber die Auffassung des FA zuträfe, wären die Leistungen der Klägerin gemäß § 3 Abs. 11 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Wenn sie keine (persönliche) Unterrichtsleistung erbracht habe, komme nur noch eine Geschäftsbesorgung in Betracht. Die Klägerin sei zwar im eigenen Namen tätig geworden, der wirtschaftliche Erfolg sei jedoch den Bildungsträgern in Form von Unterrichtsleistung und den beauftragten Referenten in Form des Entgelts zugute gekommen. Sie habe lediglich ein Entgelt in Höhe der Differenz zwischen dem vom Bildungsträger erhaltenen und dem an die anderen Referenten ausgezahlten Honorar erhalten.

- Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25. August 2003 und Änderung des Bescheids vom 4. Juli 2003 die Umsatzsteuer 2002 auf ./. 4.040,98 EUR festzusetzen.

- Das FA beantragt Klageabweisung.

Die Klägerin bzw. deren Institut erfüllten nicht die Voraussetzungen für die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 21 a) UStG. Nur soweit sie selbst als Dozentin Unterricht erteilt hat und die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, seien diese Umsätze nach § 4 Nr. 21 b) UStG steuerfrei. Eine Besorgungsleistung gemäß § 3 Abs. 11 UStG sei im Streitfall nicht gegeben, weil die Klägerin ausweislich der vorliegenden Verträge über Dozententätigkeit ihre Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbracht habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze vom 1. September 2003, 5. Februar, 26. Mai und 11. Juni 2004 bzw. vom 19. Januar und 15. Juli 2004 Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage ist nicht begründet.

a) Die Klägerin hat, indem sie ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der D und der P erfüllte, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Umsätze getätigt. Diese Umsätze sind nicht von der Umsatzsteuer befreit, soweit die Klägerin nicht Unterrichtsleistungen in eigener Person erbracht hat.

aa) Wegen der Umsatzsteuerbefreiung kann sich die Klägerin insbesondere nicht auf die Vorschrift des § 4 Nr. 21 a) UStG berufen. Danach sind u.a. die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen umsatzsteuerfrei, wenn die in der Vorschrift beschriebene Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorliegt. Zwar handelt es sich bei der Klägerin, soweit sie als Institut auftritt, um eine dem Grunde nach begünstigungsfähige Einrichtung i.S. des Gesetzes; der Begriff der Einrichtung ist weit genug, um auch natürliche Personen zu erfassen, so daß natürliche Personen, die ein Unternehmen betreiben, nicht von vornherein von der Steuerbefreiung ausgeschlossen sind (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs -EuGH- vom 7. September 1999 C-216/97, EuGHE I 1999, 4947, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 1999, 1035). Die Klägerin hat jedoch keine Bescheinigung i.S. des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG, wie sie im übrigen auch Art. 13 Teil A Abs. 1 i) der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vorsieht, vorgelegt.

bb) Die streitgegenständlichen Leistungen der Klägerin sind auch nach § 4 Nr. 21 b) UStG nicht umsatzsteuerfrei. Nach dieser Vorschrift sind von der Umsatzsteuer u.a. befreit die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an allgemeinbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 a) UStG erfüllen. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale für eine Steuerbefreiung nur, soweit die Klägerin in Person bei der D und der P unterrichtet hat. Die Klägerin ist insoweit als selbständiger Lehrer aufgetreten.

Zwar ließe es der Wortlaut der Vorschrift des § 4 Nr. 21 b) UStG zu, eine Unterrichtsleistung eines selbständigen Lehrers auch dann anzunehmen, wenn sich der Lehrer in der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten Dritter bedient. Ob eine solche Auslegung angesichts des Zwecks der Steuerbefreiung, die gleichmäßige umsatzsteuerliche Belastung von privaten und öffentlichen Ausbildungsträgern zu gewährleisten (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juni 1999 V R 84/98, BFHE 188, 462, BStBl II 1999, 578), zumindest dann geboten ist, wenn sich der Lehrer im (ausnahmsweisen) Verhinderungsfalle vertreten läßt, braucht das Gericht nicht zu entscheiden. Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr ließ sich die Klägerin im ersten Halbjahr 2002 in dem von der Außenprüfung festgestellten und im zweiten Halbjahr 2002 in dem entsprechend geschätzten Umfang plan- und regelmäßig in der Erbringung ihrer Unterrichtsleistung vertreten.

Eine weite Auslegung des § 4 Nr. 21 b) UStG dahingehend, daß eine Unterrichtsleistung eines selbständigen Lehrers auch dann gegeben sei, wenn sich der Lehrer zum Zwecke der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten plan- und regelmäßig Dritter als Subunternehmer bedient, ist nicht geboten.

aaa) Eine solche Auslegung liefe bereits der Vorschrift des § 4 Nr. 21 a) UStG zuwider. In Fällen wie dem der Klägerin läßt sich gerade nicht unterscheiden, wann der selbständige Lehrer als Träger einer Bildungseinrichtung i.S. dieser Vorschrift -wie hier die Klägerin als Institut- oder als Honorarkraft an einer Bildungseinrichtung [§ 4 Nr. 21 b) UStG], als die er sich regelmäßig durch Dritte vertreten läßt, tätig wird. Würde ein solcher Sachverhalt unter die Vorschrift des § 4 Nr. 21 b) UStG subsumiert, liefe das Erfordernis des § 4 Nr. 21 a) UStG, daß nämlich die Einrichtung eine entsprechende Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorzulegen hat, praktisch ins Leere.

bbb) Eine Auslegung hat im übrigen vor dem Hintergrund des Art. 13 Teil A Abs. 1 i) und j) der Richtlinie 77/388/EWG zu erfolgen. Die Richtlinie 77/388/EWG ist durch die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zu den Gemeinschaftsverträgen Bestandteil des Bundesrechts und kann unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugen (BFH-Urteil vom 23. November 2000 V R 49/00, BFHE 193, 170, BStBl II 2001, 266 unter II.4.).

Die Vorschriften des Art. 13 Teil A Abs. 1 i) und j) der Richtlinie 77/388/EWG sehen eine Steuerbefreiung für den hier zur Entscheidung gestellten Sachverhalt gerade nicht vor (vgl. BFH-Urteil vom 27. August 1998 V R 73/97, BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376 unter II.3.). Art. 13 Teil A Abs. 1 j) der Richtlinie 77/388/EWG ordnet die Steuerbefreiung ausdrücklich nur für den von den Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht an, den die Klägerin nicht erbringt; die ferner in Art. 13 Teil A Abs. 1 i) der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Tätigkeiten "die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung" werden im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung der Leistungen von Privatlehrern nicht genannt. Solche Leistungen wurden im Streitfall aber erbracht.

Eine weite Auslegung des § 4 Nr. 21 b) UStG, dessen Befreiungstatbestand ohnehin bereits über den der Richtlinie 77/388/EWG hinausgeht, wäre nicht richtlinienkonform. Ob die Regelungen der UStR, auf die sich die Klägerin beruft, in gegebenem Zusammenhang einschlägig sind, braucht nicht entschieden zu werden. Soweit die UStR der Richtlinie 77/388/EWG nicht entsprechen, sind sie für das Gericht unbeachtlich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 60, BStBl II 1999, 376).

cc) Eine Steuerfreiheit ist im Streitfall auch nicht dadurch gegeben, daß sich die Klägerin auf die Vorschrift des § 3 Abs. 11 UStG berufen könnte. Eine Besorgungsleistung hat die Klägerin ersichtlich nicht erbracht. Sie war bezüglich der Unterrichtsleistungen alleiniger Vertragspartner der D und der P; soweit sie die geschuldeten Unterrichtsleistungen nicht in eigener Person erbracht hat, hat sie sich zur Erfüllung dieser Pflichten Dritter bedient. Daß sich die Klägerin mit den Dritten in einer Innengesellschaft befunden hätte, konnte weder festgestellt werden noch ist dies für den Streitfall erheblich.

dd) Das FA hatte bezüglich der Aufteilung der Umsätze in steuerpflichtige und steuerfreie die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zu schätzen, nachdem die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen war. Die Beteiligten sind gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Nach Satz 2 derselben Vorschrift kommen sie der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, daß sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben.

Es ist nicht zu beanstanden, daß sich das FA bei der Schätzung an den Prüfungsfeststellungen für das erste Halbjahr 2002 orientiert hat. Der Ansatz für das zweite Halbjahr in Höhe von 35.000 EUR liegt gar unter dem für das erste Halbjahr festgestellten Betrag.

ee) Das FA hat die dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Umsätze gemäß Tz. 16 des Berichts vom 17. April 2003 um 26 EUR erhöht. Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2004 hat das FA die Umsätze, die in der Summe den von der Klägerin zunächst eingereichten Voranmeldungen entsprechen, im einzelnen aufgelistet.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

3. Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden als Berichterstatter.

Ende der Entscheidung

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