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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 12.10.2006
Aktenzeichen: 7 K 1406/00
Rechtsgebiete: StromStG


Vorschriften:

StromStG § 2 Nr. 3
StromStG § 9 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

7 K 1406/00

Erlaubniserteilung zum Bezug von steuerbeg. Strom

In dem Finanzrechtsstreit

hat der 7. Senat

unter Mitwirkung

des Richters am Finanzgericht H als Vorsitzender,

des Richters am Finanzgericht G,

des Richters am Amtsgericht S,

der ehrenamtlichen Richterin Dr. B und

des ehrenamtlichen Richters D

auf Grund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 12. Oktober 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2000 bestätigten Bescheid vom 17. März 2000, in dem der Beklagte den am 23. Februar 2000 eingegangenen Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Erlaubnis zur Entnahme von steuerbegünstigtem Strom gemäß § 9 Abs. 3 Stromsteuergesetzes abgelehnt hatte mit der Begründung, die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit sei dem Gastgewerbe zuzurechnen (Abschnitt H der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Wirtschaftszweig 55.52, Caterering) und nicht dem Produzierenden Gewerbe (Ernährungsgewerbe, Abschnitt DA der Klassifikation der Wirtschaftszweige).

Unternehmensgegenstand der Klägerin ist ausweislich des Handelsregisterauszuges (Bl. 4 der Behördenakte), des Antrages auf Erteilung der Erlaubnis zum Bezug von steuerbegünstigtem Strom (Bl. 3 der Behördenakte) sowie nach bisherigem klägerischen Vortrag die Herstellung und der Vertrieb von Warmverpflegung für Großverbraucher, insbesondere für Kinder in Kindergärten, Schüler und Veteranen in der Stadt D . Nach dem Vorbringen im Schriftsatz der Klägervertreter vom 29. September 2000 stellt die Klägerin verzehrfertige Speisen her, nämlich Fertigmenüs für Kantinenversorgung, Betriebe, Krankenhäuser, Schule und Senioren. Seit 2004 werden für die Klägerin statistische Daten gemeldet an das Statistische Landesamt Sachsen unter dem Wirtschaftszweig 55 52. Für das Jahr 2000 war die Klägerin nicht statistisch erfasst.

Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2006 hat die Klägerin (erstmalig) vorbringen lassen, ihre tatsächlich praktizierte Tätigkeit lasse sich -abweichend von der Eintragung im Handelsregister- wie folgt beschreiben: Herstellung (nicht: Vertrieb) von Fertiggerichten, überwiegend im Cook & Chill -Verfahren, zum weiteren Vertrieb in der gesamten Bundesrepublik. Die Klägerin liefere die von ihr hergestellten Fertigmenüs nur an einen einzigen Abnehmer, die Firma F GmbH . Der Vertrieb der von der Klägerin hergestellten Menüs erfolge ausschließlich durch die F GmbH, die wiederum Vertragspartner der Schulen/Schüler oder sonstigen belieferten Einrichtungen sei. Auch die Organisation der Essensausgabe und die Essensgeldkassierung werde nicht von der Klägerin vorgenommen, sondern von einer weiteren selbständigen Gesellschaft, der Firma C GmbH, . Das Produktionsverfahren "Cook & Chill " werde im Betrieb der Klägerin zu etwa 90% angewendet und habe auch bereits im Jahr 2000 die überwiegende Produktionsmenge ausgemacht.

Im Produktionsverfahren "Cook & Chill" werden die Speisen nach der vollständigen Zubereitung schockartig heruntergekühlt auf + 3° C. Bei kontrollierter Lagerung und Transport sind die Gerichte bei gleichbleibender Temperatur ohne merkbare Frischeverluste bis zu 5 Tagen haltbar, unter speziellen Bedingungen sogar 21 Tage. Auf den zur Erläuterung des klägerischen Vorbringens vorgelegten Internetausdruck betreffend "Cook & Chill " wird verwiesen (Anlage K3 zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 9. Oktober 2006, Bl. 83 dA).

Die Klägerin hat ein für Schülereltern bestimmtes Vertragsexemplar der C GmbH vorgelegt einschließlich Einzelvertrag für die Schulspeisung K sowie Erläuterungen zum Vertrag (vgl. Anlagen K2 zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 9. Oktober 2006, Bl. 80-82 dA). In der mündlichen Verhandlung hat die Klägervertreterin zur Erläuterung der Vertragsbeziehungen und der Abwicklungsmodalitäten folgende Unterlagen übergeben: Verpackungsanforderungen, Rechnungen der Klägerin an die F GmbH, Versorgungsverträge zwischen der F GmbH bzw. der C GmbH und verschiedenen Kunden; Bestellungen, die nach klägerischen Angaben gegenüber der F GmbH erfolgt sind.

Die Klägerin meint, die Erlaubnis zur Entnahme von steuerbegünstigem Strom nach § 9 Abs. 3 StromStG sei zu erteilen, weil ihr Unternehmen gemäß § 2 Nr. 3 StromStG dem Produzierenden Gewerbe zuzurechnen sei. Die vom Beklagten vorgenommene Einstufung ihrer Tätigkeit unter Abschnitt H der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Wirtschaftszweig 55.52 (Caterer) sei unzutreffend. Vielmehr sei ihr Unternehmen dem Produzierenden Gewerbe (Ernährungsgewerbe) zuzuordnen und nicht dem Dienstleisungsgewerbe (Gastgewerbe), weil im Unterschied zur Tätigkeit eines Caterers die Klägerin nur einen Abnehmer habe, sie nicht selbst an Verbraucher ausliefere, sondern sich auf die Herstellung beschränke, die Produkte der Klägerin infolge der Zubereitung im Cook & Chill -Verfahren nicht unmittelbar nach der Herstellung verbraucht werden müssten (zeitliche Ungebundenheit), und ihre Produkte infolge der längeren Haltbarkeit über große Entfernungen transportiert werden könnten und auch tatsächlich bundesweit vertrieben würden (örtliche Ungebundenheit). Insbesondere fehle bei der Klägerin das für Caterer typische, mit der Distribution und Essensausgabe verbundene Dienstleistungselement völlig. Die Tätigkeit der Klägerin, die sich auf bloße Zubereitung und Herrichtung der Speisen beschränke, sei vielmehr der Tätigkeit eines Unternehmens vergleichbar, das Tiefkühlkost herstelle. Im Übrigen sei mit der seit 2004 erfolgten Meldung der statistischen Daten unter der Klasse 55.52 keine rechtsverbindliche Einstufung verbunden.

Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird verwiesen auf die Schriftsätze der Klägervertreter vom 29. September 2000, 28. Dezember 2000 und 9. Oktober 2006 sowie auf das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung (vgl. Sitzungsprotokoll vom 12. Oktober 2006).

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 17. März 2000 und der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2000 den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin auf ihren Antrag vom 18. Februar 2000 die Erlaubnis zum Bezug von steuerbegünstigtem Strom gemäß § 9 Abs. 3 StromStG zu erteilen,

die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise

die Revsion zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Die Tätigkeit der Klägerin sei in jedem Fall dem Abschnitt H der Klassifikation der Wirtschaftszweige zuzuordnen, Wirtschaftszweig-Nummer 55.52 (Caterer). Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 19. Oktober 2000, 30. Januar 2001 und 11. Oktober 2006 sowie auf die vom Beklagten eingeholte Stellungnahme des Statistischen Bundesamtes vom 10. März 2000 (Bl. 32f. dA, Bl. 8f. der Behördenakte) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom gemäß § 9 Abs. 3 StromStG nicht zu, weil sie kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes im Sinne dieser Vorschrift betreibt.

Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin bereits im Jahr 2000, wie sie nunmehr abweichend von ihren bisherigen Angaben im gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren vorbringt, Fertiggerichte lediglich hergestellt hat, und zwar überwiegend im Cook & Chill -Produktionsverfahren. Offen bleiben kann auch, ob der Vertrieb der von der Klägerin hergestellten Menüs ausschließlich durch die F GmbH erfolgt ist, die nach klägerischen Angaben einzige Abnehmerin der Klägerin und Vertragspartnerin der schließlich belieferten Einrichtungen war. Denn die Tätigkeit der Klägerin lässt sich auf keinen Fall, auch nicht mit dem zuletzt beschriebenen Inhalt, einem Wirtschaftszweig des Verarbeitenden Gewerbes unter Abschnitt D der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes in der hier maßgeblichen Fassung (Ausgabe 1993) zuordnen, § 2 Nr. 3 StromStG. Vielmehr ist das Unternehmen der Klägerin dem Gastgewerbe zuzuordnen (Abschnitt H der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Unterklasse 55.52.0, Caterer):

Die Unterklasse 55.52 umfasst ausweislich der Erläuterungen Tätigkeiten von Einrichtungen, die in einer Produktionszentrale zubereitete verzehrfertige Speisen sowie Getränke an bestimmte Einrichtungen (z.B. Fluggesellschaften, "Essen auf Rädern") oder Personengruppen und für bestimmte Anlässe (z.B. Hochzeiten und andere Feiern oder Festlichkeiten) liefern. Hierunter fällt auch die zuletzt geschilderte Tätigkeit der Klägerin:

Die Klägerin stellt in ihrer Produktionszentrale verzehrfertige Speisen her. Deren geschilderte Herstellung im Cook & Chill -Verfahren ändert an der Verzehrfertigkeit nichts. Die in diesem Produktionsverfahren hergestellten Speisen sind vollständig zubereitet. Unbeachtlich ist, dass die Speisen nach der vollständigen Zubereitung schockartig heruntergekühlt auf + 3° C und ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Internetausdruckes kurz vor dem Verzehr regeneriert bzw. in speziellem Regenerationsklima wieder zurück auf den Garpunkt gebracht werden: Das Statistische Bundesamt hat in seiner vom Beklagten eingeholten Stellungnahme zur Frage der Abgrenzung von Ernährungsgewerbe und Catering vom 10. März 2000 (Behördenakte Bl. 8f.) in Bezug auf die von einem Cateringunternehmen zubereiteten verzehrfertigen Mahlzeiten ausgeführt, für die Zuordnung sei ein vorheriges Auftauen oder erneutes Erwärmen vor dem Verzehr unschädlich. Entsprechendes gilt für das hier geschilderte schockartige Abkühlen der Speisen und die Regeneration kurz vor dem Verzehr.

Die von der Klägerin hergestellten verzehrfertigen Speisen werden zudem, wie dies der BFH für die Tätigkeit eines Caterers verlangt, an einen bestimmten Abnehmerkreis ausgeliefert, der die in der Regel nicht für einen längeren Zeitraum haltbar gemachten Produkte dem alsbaldigen Verzehr zuführt (vgl. BFH-Beschluss vom 1. Februar 2005 VII B 232/04, BFH/NV 2005, 1151f.): Vertragspartner der Klägerin ist nach klägerischem Vorbringen ihr einziger Abnehmer, die F GmbH, die wiederum Vertragspartner der Schulen und sonstigen belieferten Einrichtungen ist, neben der für Organisation der Essensausgabe und Essensgeldkassierung zuständigen C GmbH . Ausweislich der beispielhaft vorgelegten Versorgungsverträge zwischen F GmbH bzw. C GmbH und verschiedenen Abnehmern stellt die F GmbH ihren Abnehmern Monatsspeisepläne im Voraus zur Verfügung. Diese bestellen, wie der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt und unter Bezugnahme auf die vorgelegten Unterlagen erläutert hat, die gewünschten Gerichte bei der F GmbH (vgl. die beispielhaft vorgelegten Bestellzettel), welche ihrerseits die entsprechenden Gerichte bei der Klägerin anfordert (vgl. die beispielhaft vorgelegten Verpackungsanforderungen) und die hergestellten Gerichte bei der Klägerin abtransportieren lässt. Damit steht fest, dass die von der Klägerin hergestellten verzehrfertigen Speisen an einen bestimmten Abnehmer (F GmbH) auf dessen Aufforderung hin ausgeliefert werden, der sie seinerseits bestimmten Vertragspartnern auf deren Bestellung zum alsbaldigen Verzehr zuführt. Einer derartigen Bestimmung zum alsbaldigen Verzehr im Rechtssinne steht die verlängerte Haltbarkeit der Speisen infolge der Herstellung im Cook & Chill -Verfahren nicht entgegen, ebensowenig der aus diesem Grund mögliche und hier nach klägerischen Angaben praktizierte Transport der Speisen über längere Strecken: Denn auch bei der Zubereitung im Cook & Chill -Verfahren sind die Speisen -anders als tiefgefrorene Mahlzeiten oder Dosengerichte- nicht über einen langen Zeitraum haltbar, sondern nur bis zu 5 Tagen und unter speziellen Bedingungen bis 21 Tage. Ebensowenig steht einer Qualifikation der Klägerin als Cateringunternehmen entgegen, dass sie nur einen Abnehmer hat (F GmbH), der seinerseits an seine Vertragspartner weiterliefert: Die Einstufung in die Unterklasse 55.52 erfordert nicht eine bestimmte Anzahl von Abnehmern. Ebensowenig hängt die Einstufung als Cateringunternehmen davon ab, ob der Abnehmer zugleich Endabnehmer ist oder, wie hier die F GmbH, nur Zwischenabnehmer. Entscheidend ist nach den Grundsätzen des o.a. BFH-Beschlussesvom 1. Februar 2005 VII B 232/04 (BFH/NV 2005, 1151f.) der Gesichtspunkt, ob verzehrfertige Speisen an einen bestimmten Abnehmerkreis ausgeliefert werden, der sie dem alsbaldigen Verzehr zuführt. Aufgrund dieses -hier gegebenen- Umstandes unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von den Fällen der Herstellung von Fertiggerichten: Diese werden an den Handel ausgeliefert, sind für noch nicht feststehende Abnehmer vorgesehen und regelmäßig über einen langen Zeitraum haltbar, mithin werden sie typischerweise nicht dem alsbaldigen Verzehr zugeführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind. Insbesondere sind die Grundsätze für die Einstufung eines Unternehmens in die Unterklasse 55.52 der Klassifikation der Wirtschaftszweige geklärt.

Ende der Entscheidung

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