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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: 7 K 530/06
Rechtsgebiete: VO 3950/92/EWG, ZAV


Vorschriften:

VO 3950/92/EWG Art. 9 Buchst. c
ZAV § 3
ZAV § 4
ZAV § 14 Abs. 1
ZAV § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

7 K 530/06

Marktordnungssache

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 7. Senat

unter Mitwirkung

der Vorsitzenden Richterin am Finanzgericht K des Richters am Finanzgericht H des Richters am Finanzgericht G der ehrenamtlichen Richterin H und des ehrenamtlichen Richters H

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27.02.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Abgabenbetrages in Höhe von 89.483,32 EUR nach § 4 i.V.m. § 19 der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (ZAV). Streitig ist insbesondere, ob die Klägerin trotz der Verpachtung von Milchkühen Milcherzeugerin im Sinne des Art. 9 Buchstabe c) der VO (EWG) Nr. 3950/92 für eine im Pachtzeitraum gelieferte Milchmenge von 252.892 kg mit einem Durchschnittsfettgehalt von 4,19% gewesen ist.

Im Rahmen der bei der Klägerin ab 14.09.2004 durchgeführten Marktordnungsprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin im Zwölfmonatszeitraum (ZMZ) 2003/2004 (= 01.04.2003 bis 31.03.2004) als - nach ihrem Vorbringen - "Verpächterin" von Milchkühen insgesamt drei Verträge mit der Fa. S mbH, , als Pächter abgeschlossen hatte. Die Entfernung zwischen Klägerin und Pächterin beträgt rd. 500 Kilometer.

Im einzelnen wurden folgende drei Verträge zwischen der Klägerin und der S mbH geschlossen:

Mit dem "Pachtvertrag über Milchkühe" vom 15.12.2003 (Blatt 84 f. der Behördenakte) hatte die Klägerin für die Zeit vom 15.12.2003 bis 15.02.2004 ihre näher bezeichneten 180 Milchkühe ("monatlich pro Kuh netto 50 Euro") an die S mbH verpachtet. Der Pachtpreis für die Pachtzeit betrug incl. Umsatzsteuer insgesamt 19.260 EUR.

Mit dem "Nutzungsvertrag für Rindviehgebäude einschl. Güllebehälter" vom 15.12.2003 (Blatt 86 f. der Behördenakte) wurde ein "Milchviehstall mit 180 Plätzen" ohne Angabe eines Pachtzeitraumes zu 2000 EUR "für die vereinbarte Pachtzeit" überlassen.

Mit dem weiteren -dritten- Vertrag vom 15.12.2003 (Blatt 88 f. der Behördenakte) beauftragte die S mbH die Klägerin "mit der Betreuung der Milchkühe". Als "Betreuungsentgelt" sollte die Klägerin "einen Stundenlohn von 8,-- Euro" erhalten. Die Klägerin sicherte der S mbH unter Ziffer 6. dieses Vertrags zu, "Rechnungen für Produktionsmittel (Silagen u.a.) maximal in der Höhe auszustellen, dass am Ende der Geschäftsbeziehung ein Guthaben in Höhe von 3 Cent/kg gelieferte Milch verbleibt". Auf die vorbezeichneten drei Verträge wird Bezug genommen.

Insgesamt erfolgten aus dem Stall der Klägerin im Pachtzeitraum folgende Milchlieferungen an die Molkerei M :

 MonatAuf Rechnung der Klägerin ("Verpächterin")Auf Rechnung der S mbHSumme (kg Milch)
November 2003114.6590114.659
Dezember 200355.07368.361123.434
Januar 20040124.412124.412
Februar 200455.15760.119115.276
März 2004121.7870121.787

Die Klägerin lieferte bis zum 15.12.2003 auf eigene Rechnung Milch bei der Molkerei an, danach erfolgten die Lieferungen bis einschließlich 15.02.2004 auf Rechnung der Pächterin. Ab dem 16.02.2004 lieferte die Klägerin wieder auf eigene Rechnung. Die Kühe verblieben im Stall der Klägerin und wurden durch Arbeitskräfte der Klägerin betreut. Die erzeugte Milch wurde im Pachtzeitraum an den bisherigen Abnehmer der Klägerin - die Molkerei M - geliefert. Die Milchmengen wurden im Pachtzeitraum auf Rechnung der Pächterin erfasst. Die Milchleistung der Klägerin war im ZMZ 2003/2004 so hoch, dass die "Auslastung" ihrer Anlieferungs-Referenzmenge auch ohne die streitbehafteten Milchlieferungen ca. 130% betrug und sie damit ihre unzweifelhaft "überlieferte". Auf Anlage 11 des Prüfungsberichtes, Blatt 91 der Behördenakte, wird Bezug genommen.

Der Beklagte gelangte im Rahmen der Marktordnungsprüfung zur Auffassung, "dass die in den Pachtverträgen ... festgelegte volle Dispositionsbefugnis des Pächters durch den Pächter nicht wahrgenommen wurde." Demzufolge sei das Unternehmen der Klägerin für die im Pachtverhältnis im Pachtzeitraum (15.02.2003 bis 15.02.2004) ermolkene und an die Molkerei gelieferte Milchmenge weiterhin als Erzeuger anzusehen. Die im Pachtzeitraum angelieferte streitbehaftete Milchmenge in Höhe von 252.892 kg mit einem Durchschnittsfettgehalt von 4,19% sei daher auf die Anlieferungsreferenzmenge der Klägerin umzubuchen. Auf den Bericht über die Marktordnungsprüfung vom 19.01.2005 (Behördenakte, Blatt 38 ff., insbesondere Blatt 48 ff. - Tz. 3.4.4 ff.) wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 21.07.2005 (Blatt 97 ff. der Behördenakte) setzte der Beklagte die Milchabgabe nach § 4 in Verbindung mit § 19 ZAV in Höhe von 89.483,32 EUR fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde durch die Entscheidung vom 07.03.2006 (Behördenakte, Blatt 233 ff.) als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Verfügung des Berichterstatters vom 14.02.2008 wurden Nachweise über die tatsächliche Durchführung der streitbehafteten Verträge der Klägerin mit der S angefordert. Auf diese Verfügung (Blatt 54 Gerichtsakte [GA]) wird Bezug genommen. Daraufhin teilte der Klägerinnenvertreter mit Schriftsatz vom 19.02.2008 (Blatt 59 GA) mit, dass weder der Klägerin noch der Pächterin irgendwelche Unterlagen über die Abrechnung derzeit vorlägen. Diese seien vom Zollfahndungsamt D beschlagnahmt worden. Auf Anforderung des Berichterstatters legte der Beklagte mit Schriftsatz vom 21.02.2008 (Blatt 63 ff. GA) zwei Kontoauszüge vor, ausweislich derer die Klägerin für die Kühe einen "Pachtzins" von 2 x 9.630 EUR und eine "Stallpacht" von 2.000 EUR von der S mbH erhielt. Weiterhin legte der Beklagte eine Übersicht über das "Milchgeldkonto" der S mbH bei der Volksbank O vor (Blatt 67 GA). Danach verblieb der S mbH ein "Abschluss-Saldo" in Höhe von 7.602,63 EUR auf diesem "Milchgeldkonto". Ferner teilte der Beklagte mit, dass im Rahmen der Durchsuchungen keine Belege über "Abschlagszahlungen und Endabrechnung" festgestellt worden seien. Auf den Schriftsatz des Beklagten vom 21.02.2008 und die dort beigefügten Anlagen wird Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 25.02.2008 legte der Klägerinnenvertreter Kopien einer Übersicht "Finanzkonten" der Klägerin vor (Blatt 76 ff. GA), in der Pacht- und Futtergeldzahlungen erfasst wurden. In der mündlichen Verhandlung am 27.02.2008 übergab der Klägerinnenvertreter außerdem eine Lohnabrechnung der Klägerin gegenüber der S mbH (Blatt 80 ff. GA) und erklärte, dass eine "gesonderte Endabrechnung" nicht erstellt wurde.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Abgabenbescheid rechtswidrig sei, weil sie im Milchwirtschaftsjahr 2003/2004 ihre Anlieferungsreferenzmenge nicht überschritten habe. Der Beklagte sehe sie zu Unrecht als Erzeugerin der Milch an, die von der S mbH im Zeitraum vom 15.12.2003 bis zum 15.02.2004 von der Betriebsstätte der Klägerin aus geliefert worden sei. Erzeugerin sei aufgrund der Verpachtung die S

Aufgrund der Verträge vom 15.12.2003, durch die sie sich gegenüber der S unter anderem verpflichtet habe, die verpachtete Milchviehherde zu betreuen und zu melken, habe sich die Dispositionsbefugnis für den gesamten Milcherzeugungsbetrieb bei der S befunden. Hierfür sei entscheidend, dass die Pächterin - die S - die Verantwortung für den Betrieb getragen habe und aufgrund "von allgemeinen Weisungen den Betrieb in rechtlicher Hinsicht geführt habe". Es sei nicht erforderlich, dass die Pächterin im Hinblick auf "das Haltungsverfahren, die Futterzusammensetzung, die Gestaltung der Arbeitsabläufe und das Herdenmanagement" ein eigenes Bewirtschaftungskonzept entwerfe und umsetze. Es genüge, wenn der Pächter "eine generelle Anweisung" gebe, "den Betrieb wie bisher weiterlaufen zu lassen". Gerade bei juristischen Personen als Pächter sei eine persönliche unmittelbare Einflussnahme und ständige Kontrolle über den Milcherzeugungsbetrieb nicht erforderlich.

Die Erhebung der Milchabgabe durch einen Bescheid sei zudem schon deshalb rechtswidrig, weil es an den Voraussetzungen für eine unmittelbare Erhebung der Abgabe von dem angeblichen Erzeuger durch eine staatliche Behörde fehle. Nach Art. 2 Abs. 2 der vorliegend noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 sei grundsätzlich alleine der Abnehmer - also die Molkerei - für die Erhebung und Abführung der Abgabe zuständig. Dies habe der EuGH in seiner Entscheidung vom 15.01.2004, Az. C-230/01, bestätigt. Ein Vorgehen der staatlichen Behörde unmittelbar gegenüber dem angeblichen Erzeuger sei ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn sich der Abnehmer nicht um die Erhebung der Abgabe bemüht habe. Dies habe der Beklagte nicht dargetan.

Außerdem habe der Beklagte zu Unrecht keine Saldierung mit nicht genutzten Referenzmengen anderer Erzeuger nach § 14 Abs. 1 Satz 6 ZAV vorgenommen. Soweit der Beklagte dies darauf stütze, dass die Klägerin unrichtige oder unvollständige Angaben über ihre tatsächlichen Milchlieferungen gemacht habe, treffe dies nicht zu. Sie habe in Bezug auf die tatsächlichen Verhältnisse niemals irgendwelche unrichtigen Angaben gemacht. Die Entscheidung des BFH vom 31.05.2006 VII B 48/05 stehe einer Saldierung ebenfalls nicht entgegen, weil diese Entscheidung sich auf die Regelung des § 7 b Abs. 1 Satz 4 MGV (Milch-Garantiemengen-Verordnung) und nicht auf die vorliegend anzuwendende Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 6 ZAV beziehe.

Der Klägerinnenvertreter beantragt,

den Abgabenbescheid über eine Milchabgabe vom 21.07.2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass aufgrund der Vereinbarung der Betreuung der Milchkuhherde durch die Klägerin die tatsächliche Sachherrschaft für die verpachtete Milchkuhherde nicht beim Pächter - der S mbH -, sondern weiterhin beim Verpächter - der Klägerin - gelegen habe. Zwar sei in den Verträgen die Dispositionsbefugnis der Pächterin festgelegt worden. Die Pächterin habe diese jedoch nicht wahrgenommen. Deshalb sei die Erzeugereigenschaft nicht auf die Pächterin übergegangen.

Eine Saldierung scheide aus, weil die Klägerin die ihr zugeteilte Referenzmenge bereits ohne die streitbehafteten Milchlieferungen überschritten habe. Außerdem habe sie über den Milcherzeuger unrichtige und unvollständige Angaben gemacht, so dass gemäß § 14 Abs. 1 Satz 7 ZAV auch deshalb eine Saldierung ausscheide.

Im übrigen wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Sitzungsniederschrift vom 27.02.2008, Bezug genommen.

II.

1. Die Klage ist nicht begründet. Der Abgabenbescheid vom 21.07.2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

a. Gemäß § 4 ZAV ist die Abgabe für die Milchmengen zu zahlen, die von einem Milcherzeuger an einen Abnehmer/Käufer geliefert werden und die seine Anlieferungs-Referenzmenge überschreiten. Aus §§ 3, 4 ZAV ergibt sich hierbei, dass der Beklagte für die Abgabenerhebung zuständig und berechtigt ist. Aus Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin nichts anderes.

Die Klägerin ist Erzeugerin der Milch, die sie aufgrund der drei Verträge der S mbH zugerechnet wissen will. Erzeuger im Sinne des Art. 9 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor ist der Betriebsinhaber, der einen Betrieb bewirtschaftet und der Milch oder Milcherzeugnisse direkt an den Verbraucher verkauft oder an den Abnehmer liefert. Für die Erzeugereigenschaft ist unerheblich, ob dieser Betriebsinhaber Eigentümer oder Pächter der Anlagen ist, die er für die Milchproduktion nutzt. Erforderlich ist lediglich, dass der Pächter die Produktionseinheiten selbständig betreibt (dazu EuGH, Urteil vom 15.01.1991, Az.: C - 341/89, ZfZ 1991, 109). Dabei steht allein eine kurze Dauer des Pachtvertrages der Annahme einer selbständigen Nutzung der gepachteten Produktionsmittel durch den Pächter nicht entgegen (BFH, Urteil vom 23.01.1996 VII R 67/95, BFH/NV 1996, 654). Eine selbständige Bewirtschaftung liegt aber nur dann vor, wenn der Pächter die Dispositionsbefugnis über die gepachtete Produktionseinheit innehat und die fachliche Verantwortung für die Bewirtschaftung trägt. Erfolg und Misserfolg seiner Tätigkeit müssen sich wirtschaftlich beim Pächter auswirken. Dieser muss mithin das Unternehmerrisiko tragen (BFH, Urteil vom 25.09.2007 VII R 28/06, HFR 2008, 164 mit Anmerkung Rüsken und ZfZ 2007, 330 unter Hinweis auf BFH, Beschluss vom 09.01.2007 VII B 210/05, BFH/NV 2007, 1216).

Daran fehlt es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände im Streitfall: Anweisungen des Pächters an die Klägerin sind nicht erfolgt. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin genügte es, "den Betrieb wie bisher weiterlaufen zu lassen". Der vorliegend ortsabwesende, rd. 500 Kilometer entfernte Pächter konnte ohne den Einsatz eigener Arbeitskräfte in den ihm zur Verfügung stehenden zwei Monaten (15.12.2003 bis 15.02.2004) eine selbständige Bewirtschaftung nicht im gebotenen Umfange erreichen. Es ist auch nicht ansatzweise nachvollziehbar, wie die Pächterin sich von dem Gedeihen der gepachteten Kuhherde und einer Erledigung der für deren Pflege, das Melken, die Ablieferung der Milch etc. erforderlichen Verrichtungen durch eigene Anschauung und diesbezügliche Kontrollen vor Ort ein Bild verschafft haben will. Die Pächterin hat in diesen zwei Monaten unstreitig kein eigenes Bewirtschaftungskonzept eingeführt, sondern lediglich von der Klägerin deren Bewirtschaftungskonzept fortführen lassen und dies passiv hingenommen. Eigenständige Entscheidungen der Pächterin über Fütterung, tierärztliche Vorsorge und ähnliches sind nicht feststellbar. Die Futtermittel waren laut Ziffer 6 des Vertrages über die Betreuung der Kühe (Blatt 88 der Behördenakte) im Ergebnis vorgegeben. Die Regelung in Ziffer 6 spricht gegen die Übernahme des vollen wirtschaftlichen Risikos, weil die Klägerin sich dort gegenüber der Pächterin verpflichtete, "Rechnungen für Produktionsmittel (Silagen u.a.) maximal in der Höhe auszustellen, dass am Ende der Geschäftsbeziehung ein Guthaben in Höhe von 3 Cent/kg gelieferte Milch verbleibt." Diese Vereinbarung führte im Ergebnis dazu, dass der Pächterin ein Überschuss von rd. 7.587 EUR garantiert wurde (252.892 kg x 0,03 Ct.). Sie - die S - erhielt von der Klägerin dann auch tatsächlich ausweislich der Übersicht "Milchgeldkonto" (Blatt 67 GA) ein "Abschluss - Guthaben" in Höhe von 7.602,63 EUR.

Gegen die Milcherzeugereigenschaft der S mbH spricht im Streitfall ferner, dass diese sich in dem mit der Klägerin geschlossenen Vertragsgeflecht, insbesondere in dem Vertrag über die Betreuung der Milchkühe, kein ausdrückliches Weisungsrecht gegenüber der Klägerin und deren Mitarbeiter vor Ort gesichert hat. Wenn der Verpächter - wie im Streitfall - die für die Bewirtschaftung des Milchbetriebes erforderlichen Verrichtungen selbst bzw. durch von ihm beschäftigte Mitarbeiter erledigt hat, muss sich der Pächter in den vertraglichen Vereinbarungen eine tatsächliche Einflussnahme auf die Bewirtschaftung des Pachtbetriebes und ein diesbezügliches Weisungsrecht sichern (BFH-Beschluss vom 29.10.2007 VII B 339/06, BFH/NV 2008, 418). Dies ist im Streitfall ausweislich der dem Gericht vorliegenden drei Verträge zwischen der Klägerin und der S mbH nicht geschehen.

Hinsichtlich dieser Sachverhaltsumstände war es nicht geboten, dem Klägerinnenvertreter auf dessen Antrag in der mündlichen Verhandlung eine weitere Schriftsatzfrist zu gewähren. Dies hätte gemäß § 283 ZPO, § 155 FGO vorausgesetzt, dass sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Daran fehlt es im Streitfall. Die vorgenannten entscheidungserheblichen Sachverhaltsumstände, insbesondere der Inhalt der Verträge und deren Umsetzung, waren dem Gericht und den Beteiligten bereits lange vor der mündlichen Verhandlung vollumfänglich bekannt. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu im Wesentlichen nichts neues vorgebracht. Auf den Inhalt des vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung übergebenen Berichtes des Zollfahndungsamtes vom 11.12.2007 kam es nicht mehr an. Es kann daher offen bleiben, ob der Klägerinnenvertreter, der nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung den Geschäftsführer der Klägerin im Verfahren beim Zollfahndungsamt vertritt, diesen Bericht bereits kannte.

Ohne rechtliche Wirkung bleibt die Vertragsregelung in Nr. 1 des dritten Vertrags vom 15.12.2003 (Blatt 88 der Behördenakte), wonach die Klägerin "ab dem 15.12.2003 die Eigenschaft als Milcherzeuger" aufgibt: Wer Milcherzeuger ist, richtet sich danach, ob die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.

b. Der Beklagte war auch berechtigt, die Abgabe gegenüber der Klägerin festzusetzen. Das Hauptzollamt war gemäß §§ 3 und 4 ZAV zur Abgabenerhebung unmittelbar gegenüber dem Erzeuger berechtigt. Soweit die Klägerin vorbringt, dass sich aus Artikel 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 ergebe, dass eine unmittelbare Erhebung der Abgabe von dem Milcherzeuger durch eine staatliche Behörde rechtswidrig sei und nur der Abnehmer - die Molkerei - für die Erhebung und Abführung der Abgabe zuständig sei, ist dies unzutreffend. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 enthält keine abschließende Regelung darüber, welche Stelle für die Abgabenerhebung zuständig ist. Die Mitgliedsstaaten sind daher befugt, ergänzende Regeln zu der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 zu erlassen, um die Festsetzung der Abgabe sicherzustellen (vgl. dazu ausführlich EuGH, Urteil vom 15.01.2004, Az.: C-230/01, ZfZ 2004, 196). Wenn der Abnehmer - die Molkerei - wie im Streitfall keine Abgabe gegenüber dem Milcherzeuger festsetzt und die Abgabe nicht abführt, ist die nach §§ 3 und 4 ZAV zuständige Stelle zur Abgabenfestsetzung befugt. Diese einzelstaatliche Regelung ist mit der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 entgegen der Auffassung der Klägerin unzweifelhaft vereinbar. Dies ergibt sich auch aus der achten Begründungserwägung der Verordnung: Danach ist in der Regel der Abnehmer "derjenige der am besten in der Lage erscheint, die nötigen Vorgänge abzuwickeln.." und "die Erhebung der Abgabe bei den Erzeugern als den Abgabeschuldnern sicherzustellen". Für den Fall, dass - wie vorliegend - die Molkerei die Abgabenpflicht des Milcherzeugers nicht erkennt und diese sich erst im Rahmen einer Marktordnungsprüfung lange nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraumes und des Zeitpunktes nach § 19 Abs. 3 ZAV herausstellt, ist die Erhebung der Abgabe durch das Hauptzollamt nicht zu beanstanden, da dann unmittelbar die Erkenntnisse aus der Marktordnungsprüfung - ohne Umweg über die Molkerei - bei der Festsetzung berücksichtigt werden können, so dass hierdurch die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechtes hergestellt werden kann. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, Maßnahmen vorzunehmen, mit denen die Einziehung der Abgabe für den Fall sichergestellt wird, dass der in Art. 2 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 vorgesehene Mechanismus nicht greift. Diese Pflicht hat die Bundesrepublik Deutschland durch die Regelungen der ZAV erfüllt, die die Befugnis der Bundesfinanzbehörden zur Abgabenerhebung im Streitfall normiert.

c. Die von der Klägerin begehrte Saldierung mit nicht genutzten Referenzmengen anderer Erzeuger nach § 14 Abs. 1 ZAV scheidet im Streitfall aus. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 7 ZAV in der Fassung vom 14.01.2004 dürfen umzubuchende Milchmengen, über die der Milcherzeuger unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, weder an der Saldierung auf Molkereiebene noch an der Saldierung auf Bundesebene teilnehmen. Die Klägerin hat weder gegenüber dem Milchabnehmer noch gegenüber dem Hauptzollamt angegeben, dass sie Erzeuger der angelieferten 252.892 kg Milch war. Erst im Rahmen der im September 2004 begonnenen Marktordnungsprüfung wurde dies festgestellt. Bereits deshalb ist im Streitfall eine Saldierung vom Beklagten zu Recht nicht vorgenommen worden.

Für die Berechnungen des Saldierungsschlüssels für das Milchwirtschaftsjahr 2003/2004 sind außerdem nur die Informationen über Referenzmengen und Anlieferungsdaten maßgeblich, die sich aus den Käufermeldungen zum 15.05.2004 ergeben. Spätere Erkenntnisse bleiben unberücksichtigt (vgl. dazu BFH, Beschluss vom 31.05.2006 VII B 48/05, ZfZ 2006, 373: diese Entscheidung bezieht sich zwar auf die Vorgängerregelung, gilt aber nach den Ausführungen des BFH unter Ziffer II. 1. der Entscheidung auch für die Nachfolgeregelung des § 14 ZAV).

Im übrigen hatte die Klägerin im Streitzeitraum die ihr zugeteilte Anlieferungsreferenzmenge auch ohne die streitbehafteten Lieferungen bereits in Höhe von rd. 130% ausgelastet, so dass insoweit eine Saldierung ausscheidet. Der Milcherzeuger hat keinen eigenen Anspruch auf Saldierung, da diese nicht den Zweck hat, den einzelnen Milcherzeugern eine höhere Anlieferungsreferenzmenge zu verschaffen. Die Saldierung soll den Mitgliedsstaaten eine möglichst weitgehende Ausschöpfung der ihnen zustehenden Garantiemengen und des darin verkörperten volkswirtschaftlichen Kapitals ermöglichen. Dies ist im Streitfall geschehen, denn die Bundesrepublik Deutschland hat im Zwölfmonatszeitraum 2003/2004 die ihr zustehende Garantiemenge ausgeschöpft. Der Milcherzeuger hat hingegen keinen eigenen Anspruch auf die Saldierung (vgl. zum Ganzen FG München, Urteil vom 09.12.2004, Az.: 14 K 3009/04, EFG 2005, 1988 und nachfolgend BFH, Beschluss vom 31.05.2006 VII B 48/05, a.a.O. sowie Hessisches Finanzgericht, Az. 7 K 2991/01, [...]Dokument, jeweils mit weiteren Nachweisen).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO aufgrund der bereits vorliegenden und benannten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht erfüllt sind.



Ende der Entscheidung

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