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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 09.07.2008
Aktenzeichen: 8 K 1376/05
Rechtsgebiete: 8 K 1376/05


Vorschriften:

ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

8 K 1376/05

Schenkungsteuer

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 8. Senat

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht R.,

des Richters am Finanzgericht T. und

der Richterin am Landgericht S. sowie

der ehrenamtlichen Richter Herr F. und Frau H.

auf Grund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 09. Juli 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Schenkungssteuerbescheid vom 29.06.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2005 und der Fassungen der Änderungsbescheide vom 20.03.2006 und vom 19.06.2006 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beitritt des Sohnes der Klägerin als Gesamtschuldner zu einem von der Klägerin und ihrem Ehemann zur Finanzierung eines Mietwohn- und Praxisgrundstücks des Ehemannes aufgenommenen Bankdarlehen eine Schenkung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz - ErbStG - darstellt.

Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 13.12.2002 übertrug der Ehemann der Klägerin dem gemeinsamen Sohn einen Miteigentumsanteil zu 1/2 an einem bis dahin in seinem Alleineigentum stehenden Mietwohn- und Praxisgrundstück in Z.. Das Grundstück war u.a. mit einer erstrangigen Grundschuld in Höhe von umgerechnet 217.503,56 EUR für die S.Bank GmbH D. belastet. Diese Grundschuld sollte bestehen bleiben. Alle daran bestehenden Eigentümerrechte und Rückgewähransprüche sollten mit Wirkung ab Übergabe des Grundstücks anteilig auf den neuen Miteigentümer übergehen. Als Gegenleistung verpflichtete sich der Sohn dem Vater gegenüber u.a., diesen zur Hälfte von den der genannten Grundschuld zugrundeliegenden schuldrechtlichen Verbindlichkeit mit Wirkung ab Übergabe freizustellen. Dem Sohn sollte es freistehen, dies zu bewirken, indem er mit der S.-BANK GmbH eine Schuldübernahme vereinbart oder eine neue Darlehensvereinbarung abschließt oder die Verbindlichkeit entsprechend tilgt. Der Besitz sollte am 31.12.2002 übergehen.

Mit Schuldbeitrittserklärung vom 30.01.2004 trat der Sohn dem Darlehensvertrag der Klägerin und ihres Ehemannes zur Finanzierung des Mietwohn- und Praxisgrundstücks in Z. vom 17.03.1997 über ein Darlehen zum Nennbetrag von umgerechnet 217.503,57 EUR mit Wirkung vom 23.01.2004 als weiterer Gesamtschuldner bei. Das Darlehen valutierte zu diesem Zeitpunkt noch in Höhe von 203.714,88 EUR.

Mit Schenkungssteuererklärung vom 02.06.2004 erklärte die Klägerin, dass ihr Sohn ihr gegenüber eine Zuwendung vorgenommen habe. Die Zuwendung bestehe aus zwei Darlehen bei der S.-BANK GmbH und der V.-Bank in Höhe von 103.094,08 EUR und 20.854,57 EUR; ihr Anteil daran betrage 51.547,04 EUR und 10.427,28 EUR. Daraufhin setzte der Beklagte mit Schenkungsteuerbescheid vom 29.06.2004 auf einen Erwerb im Wert von 61.974,32 EUR nach Abzug eines Freibetrages von 10.300 EUR und nach Abrundung auf einen steuerpflichtigen Erwerb von 51.600 EUR Schenkungsteuer mit 6.192 EUR fest. Dagegen legte die Klägerin am 12.07.2004 Einspruch ein. Die Schenkungsteuererklärung der Klägerin sei unwissentlich falsch abgegeben worden. Der Sohn sei lediglich in den Darlehensvertrag bei der S.-BANK GmbH als weiterer Mithafter eingetreten. An der gesamtschuldnerischen Haftung der Klägerin habe sich nichts geändert. Das genannte Darlehen bei der V.-Bank sei zur Finanzierung eines anderen Grundstücks aufgenommen worden, das nicht Gegenstand des Übertragungsvertrages zwischen dem Vater und dem Sohn gewesen sei und unveränderlich ausschließlich auf die Eltern laufe. Mit Einspruchsentscheidung vom 01.07.2005 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Am 02.08.2005 hat die Klägerin Klage erhoben.

Im Klageverfahren hat der Beklagte nach Vorlage des Darlehensvertrages der Klägerin und ihres Ehegatten mit der V.-Bank mit geändertem Schenkungsteuerbescheid vom 20.03.2006 die Schenkungsteuer auf einen Erwerb im Wert von nur noch 51.547,04 EUR nach Abzug des Freibetrages von 10.300 EUR und nach Abrundung auf einen steuerpflichtigen Erwerb von 41.200 EUR mit 4.944 EUR festgesetzt.

Daraufhin hat der Berichterstatter den Beklagten darauf hingewiesen, dass eine schenkungsteuerlich relevante Bereicherung der Klägerin allenfalls in einer Minderung ihrer Belastung aus dem Darlehensvertrag im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern liegen könne. Gehe man hinsichtlich des Innenausgleiches der Gesamtschuldner von § 426 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - aus, wonach die Gesamtschuldner im Zweifel zu gleichen Anteilen verpflichtet seien, hafte die Klägerin nach dem Schuldbeitritt des Sohnes statt zuvor in Höhe der Hälfte nur noch in Höhe eines Drittels der Darlehensverbindlichkeit. Ihr Anteil an der Darlehensschuld habe sich mithin nicht halbiert, sondern nur um ein Drittel gemindert. Im Übrigen spreche manches dafür, auf Grund des ursprünglichen Alleineigentums des Ehemannes an dem durch das Darlehen bei der S.-BANK GmbH finanzierten Mietwohn- und Praxisgrundstücks davon auszugehen, dass der Ehemann abweichend von der gesetzlichen Vermutungsregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB die Darlehensschuld im Innenausgleich der Gesamtschuldner ursprünglich allein habe tragen müssen. Dann sei auch nur der Ehemann durch den Schuldbeitritt des Sohnes im Innenverhältnis entlastet worden. Aber selbst wenn man im Innenverhältnis ursprünglich von einer Verpflichtung der Eheleute zu gleichen Teilen ausgehe, habe der Sohn als Gegenleistung für die Übertragung des Miteigentums an dem Grundstück nur den Ehemann entlasten müssen. Daraus könnte für den Innenausgleich der Gesamtschuldner abzuleiten sein, dass der Sohn nach seinem Schuldbeitritt nur die hälftige Belastung des Vaters übernommen habe.

Daraufhin hat der Beklagte den Schenkungsteuerbescheid unter dem 19.06.2006 erneut geändert und nur noch einen Erwerb im Wert von einem Drittel der auf die Klägerin entfallenden Darlehensschuld bei der S.-BANK GmbH, also in Höhe von 34.364,69 EUR zugrundegelegt. Nach Abzug des Freibetrages von 10.300 EUR und nach Abrundung auf einen steuerpflichtigen Erwerb von 24.000 EUR ist die Schenkungssteuer mit 2.880 EUR festgesetzt worden.

Die Klägerin beantragt,

die gegenständlichen Schenkungssteuerbescheide aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Vereinbarungen in dem Überlassungsvertrag zwischen dem Sohn und dem Vater seien für die streitige Schenkung nicht von Bedeutung. Da die Klägerin nicht Miteigentümerin des überlassenen Grundbesitzes gewesen sei, sei folgerichtig kein Raum für eine Gegenleistung gegenüber der Klägerin. Entgegen den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung sei danach die Schenkung erst mit dem Schuldbeitritt des Sohnes am 23.01.2004 bewirkt. Mit der Begründung der Gesamtschuldnerschaft sei nach der Vermutungsregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB eine freigebige Zuwendung erfolgt, da eine andere rechtliche Vereinbarung nicht nachgewiesen worden sei. Die Klägerin habe selbst eine Schenkungsteuererklärung abgegeben. Sie habe in keiner Weise vorgetragen, dass sie bereits vor dem Schuldbeitritt nicht mit der fraglichen Darlehensverbindlichkeit belastet gewesen sei. Sie habe vielmehr ausgeführt, ihre Rückzahlungsverpflichtung habe stets bestanden und daran habe auch der Schuldbeitritt des Sohnes nichts geändert. Dies spreche gegen eine Alleinschuldnerschaft des Ehemannes im Innenverhältnis.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid vom 29.06.2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FG0 -) vom 01.07.2005 und den Fassungen der Änderungsbescheide (§ 68 Satz 1 FGO) vom 20.03.2006 und vom 19.06.2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO). Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt der Schuldbeitritt des Sohnes als weiterer Gesamtschuldner des Darlehens der Klägerin und ihres Ehemannes zur Finanzierung des ursprünglich im Alleineigentums des Ehemannes stehenden Mietwohn- und Praxisgrundstücks in Z. im Zuge der Übertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück durch den Vater an den Sohn keine steuerpflichtige Schenkung unter Lebenden im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zugunsten der Klägerin dar.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegen der Erbschaft- und Schenkungsteuer die Schenkungen unter Lebenden. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigiebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Durch den Schuldbeitritt des Sohnes als weiterer Gesamtschuldner zum Darlehensvertrag vom 17.03.1997 ist keine Bereicherung der Klägerin auf Kosten des Sohnes eingetreten.

Für die Beurteilung, ob und inwieweit eine Bereicherung auf Kosten eines Schenkers vorliegt, ist nur das Verhältnis zwischen dem Schenker und dem Bedachten von Bedeutung. Das Verhältnis des Sohnes zur Darlehensgläubigerin ist unmaßgeblich (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Januar 2000 II B 88/99, BFH/NV 2000, 954). Abgesehen davon haftet die Klägerin auch nach dem Schuldbeitritt des Sohnes der Darlehensgläubigerin gegenüber als Gesamtschuldnerin nach § 421 BGB in Höhe des vollen Darlehensbetrages, sodass in diesem sog. Außenverhältnis schon keine Bereicherung in Form einer Minderung von Schulden oder Belastungen erkennbar ist.

Aber auch für das erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich maßgebliche Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Sohn als mutmaßlichem Schenker gilt im Ergebnis nichts anderes. Zwar sind nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB mehrere Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nichts anderes bestimmt ist. Demnach würde sich die Belastung durch das Darlehen im Innenverhältnis nach dem Schuldbeitritt des Sohnes gleichmäßig auf drei statt nur auf zwei Köpfe verteilen. Im Streitfall indessen war in dem sog. Innenverhältnis der Gesamtschuldner aber "ein anderes bestimmt": Aus dem Verwendungszweck des Darlehens zur Finanzierung des ursprünglich im Alleineigentum des Ehemannes stehenden Mietwohn- und Praxisgrundstücks in Z. ergibt sich, dass vor dem Schuldbeitritt des Sohnes im Innenverhältnis nur der Ehemann verpflichtet sein sollte, weil ihm die Darlehensvaluta allein zugute kam (vgl. BGH-Urteil vom 07. November 1985 III ZR 84/84, NJW-RR 1986, 673). Die Klägerin war mithin im Innenverhältnis der Gesamtschuldner aufgrund der aus dem Verwendungszweck des Darlehens abzuleitenden konkludenten Regelung des Gesamtschuldnerausgleichs abgesehen vom Risiko eines Ausfalles ihres Ehemannes nicht belastet. Dabei war eine über das statistische Risiko jedes im Innenverhältnis freizustellenden Gesamtschuldners hinausgehende in der Person des Ehemannes liegende konkrete Ausfallgefahr nicht erkennbar, zumal das Darlehen zudem grundschuldgesichert war. Bestand demnach schon vor dem Schuldbeitritt des Sohnes keine messbare Belastung der Klägerin, kann sich eine solche durch den Schuldbeitritt auch nicht in einer Weise vermindert haben, um darin eine schenkungsteuerrechtliche Bereicherung der Klägerin zu sehen.

Hinzu kommt, dass der Schuldbeitritt des Sohnes am 30.01.2004 den Vollzug des notariellen Überlassungsvertrages zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Sohn vom 13.12.2002 darstellt. Nach den Vereinbarungen im notariellen Überlassungsvertrag war der Sohn aber nur dem Vater gegenüber verpflichtet, diesen von den grundschuldbesicherten Darlehensverbindlichkeiten mit Wirkung ab Übergabe anteilig freizustellen. Der Sohn sollte also von der Klägerin keine Belastungen übernehmen. Selbst wenn man daher entgegen der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht bereits von vorne herein eine konkludente Freistellung der Klägerin in Innenverhältnis der Gesamtschuldner annehmen wollte, kann der im Außenverhältnis gegenüber der Darlehensgeberin vollzogene Schuldeintritt des Sohnes für das Innenverhältnis nur so verstanden werden, dass der Sohn die dortigen Belastungen seines Vaters als Gegenleistung für die hälftige Grundstücksüberlassung übernommen hat. Für eine Entlastung der am Überlassungsvertrag vom 13.12.2002 nicht beteiligten Mutter ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 151 Abs. 3 und Abs. 1 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 Sätze 1 und 2, § 709 Satz 2 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.



Ende der Entscheidung

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