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Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 22.11.2006
Aktenzeichen: 2 K 152/04
Rechtsgebiete: StrabEG, AO


Vorschriften:

AO § 168
AO § 356 Abs. 2
StrabEG § 10 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit eines Einspruchs gegen eine strafbefreiende Erklärung.

Der Kläger reichte am 13. Februar 2004 eine strafbefreiende Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) beim Finanzamt ein. Hierin erklärte der Kläger Einnahmen aus dem Verkauf von Wertpapieren im Jahr 1998 in Höhe von 13.254,91 EUR. Die Erklärung war vom Kläger zunächst nicht unterschrieben worden. Die sich ergebende Abgabe in Höhe von 3.313,72 EUR (25 %) zahlte der Kläger am 13. Februar 2004.

Am 23. Februar 2004 reichte der Kläger zusammen mit einem Begleitschreiben die nunmehr mit Datum vom 13. Februar 2004 unterschriebene, inhaltsgleiche Erklärung nach dem StraBEG ein.

Mit Schreiben vom 22. März 2004 erhob der Kläger Einspruch gegen die strafbefreiende Erklärung vom 23. Februar 2004. In einem Telefonat führte der Kläger zur Begründung unter anderem aus, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 9. März 2004 entschieden habe, dass die Besteuerung der Spekulationsgewinne für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar und nichtig sei. Der Einspruch sei auch fristgemäß erhoben worden, da die Einspruchsfrist mit dem Eingang der unterschriebenen strafbefreienden Erklärung zu laufen beginne.

Das Finanzamt verwarf den Einspruch mit Entscheidung vom 21. April 2004 als unzulässig. Das Finanzamt führte Folgendes aus:

Die strafbefreiende Erklärung stehe als Steueranmeldung im Sinne des § 150 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich (siehe § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG und Tz. 5.1 und 12.3 des BMF-Merkblattes vom 3. Februar 2004, Bundessteuerblatt -BStBl- I 2004, 225). Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung sei gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 AO innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde einzulegen. Um die Unwirksamkeit einer formal mangelhaften Erklärung zu vermeiden, könne das zuständige Finanzamt innerhalb eines Monats nach Eingang einer strafbefreienden Erklärung auf die behebbaren formalen Mängel der strafbefreienden Erklärung hinweisen und dem Erklärenden Gelegenheit geben, diese Mängel binnen eines Monats zu beheben. Dies sei im Streitfall hinsichtlich der fehlenden Unterschrift geschehen. Habe der Erklärende die formalen Mängel innerhalb der ihm gesetzten Frist behoben, sei die strafbefreiende Erklärung von Anfang an wirksam (siehe Tz. 12.5 des BMF-Merkblattes vom 3. Februar 2004). Vorliegend sei somit die unterschriebene strafbefreiende Erklärung vom 13. Februar 2004 an wirksam, so dass die Monatsfrist ab diesem Tag zu laufen beginne. Die einmonatige Rechtsbehelfsfrist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) habe somit auf Grund der Feiertagsregelung demnach am 15. März 2004 geendet. Der am 22. März 2004 eingegangene Einspruch sei somit verspätet. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO würden nicht vorliegen. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass das BVerfG-Urteil vom 9. März 2004 bereits am selben Tag bekannt gemacht worden sei (Presse, Internet etc.). Es sei somit für den Kläger noch genügend Zeit für die Einlegung des Einspruchs verblieben. Dass er dennoch nicht fristgemäß Einspruch erhoben habe, müsse er bei dieser Sachlage gegen sich gelten lassen. Im Übrigen könnten bestandskräftige Bescheide nach Ergehen eines BVerfG-Urteils nicht geändert werden (siehe § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz -BVerfGG-).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Klage vom 17. Mai 2004, zu deren Begründung der Kläger Folgendes vorträgt:

Gemäß Urteil vom 9. März 2004 sei durch das BVerfG die Besteuerung der Spekulationseinkünfte mit Wertpapieren in den Jahren 1997 und 1998 für verfassungswidrig erklärt worden. Das Gesetz über die strafbefreiende Erklärung müsse im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Spekulationseinkünfte ebenso verfassungswidrig sein, da insoweit ein Vollzugsdefizit bestehe, das eine Ungleichheit im Belastungserfolg bewirke. So sei die Form der Steuererhebung auch durch das StraBEG unzureichend, denn das der Finanzverwaltung zur Verfügung stehende Überprüfungsinstrumentarium sei bei der Verifikation der Spekulationsgewinne auch im Hinblick auf das neue Gesetz nicht ausreichend. Der verfassungsrechtliche Anspruch des Klägers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) trete hinter das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltswirtschaft zurück. Es könne nicht sein, dass durch das Gesetz über die strafbefreiende Erklärung verfassungswidrige Gesetze Verfassungskonformität erlangen würden. Auch durch das StraBEG werde ein gleichmäßiger Belastungserfolg bei Einkünften aus Spekulationsgewinnen grundsätzlich verfehlt. Das Gesetz über die strafbefreiende Erklärung verstoße somit gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 19 Abs. 4 GG. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor. Im Übrigen setze die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben eine besondere Vertrauenssituation zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt voraus. Dies müsse durch das Urteil des BVerfG im Zusammenhang mit dem GG als gegeben hingenommen werden. Der Verstoß gegen Treu und Glauben werde durch die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Spekulationsgewinne für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 konkretisiert. Vor diesem Hintergrund sei zu überprüfen, wann die so genannte Zustimmung im Sinne des § 168 AO erfolgt sei. Wie der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits ausgeführt habe, liege es nach Wortlaut und Inhalt der gesetzlichen Regelung nahe, davon auszugehen, dass der Zustimmung im Sinne des § 168 AO (in Verbindung mit der Steueranmeldung) die Eigenschaft eines Verwaltungsaktes zukomme. Die Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO bedürfe gemäß § 168 Satz 3 AO keiner Form. Es genüge deshalb, wenn sie dem Steuerpflichtigen durch eine Abrechnung bekannt gegeben werde. Liege eine Abrechnung nicht vor, könne als Zustimmungsakt nur die Unterzeichnung der entsprechenden Verfügung durch den zuständigen Amtsträger in Betracht kommen. Zwar sei eine Steuererklärung, die die gesetzlich vorgeschriebene Unterschrift nicht enthalte, unwirksam; dieser Mangel werde aber beachtlich, wenn auf Grund einer solchen Steuererklärung ein nicht wirksamer Steuerbescheid ergehe. Der geschuldete Respekt vor dem Urteil des BVerfG begründe ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der den Steueranspruch bei Spekulationsgewinnen begründenden Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 b Einkommensteuergesetz (EStG) 1977 a.F. Es sei zu fragen, ob die so genannte Zustimmung vor bzw. nach dem 9. März 2004 erfolgt sei. Der Steuerbescheid könne insofern keine Wirksamkeit erlangen, sollte die interne Verfügung nach Urteilsbegründung durch das BVerfG erfolgt sein. Die Frage der Zustimmung stelle sich im Streitfall schon durch die dargestellte Beweislast. Das Finanzamt habe zu prüfen, ob eine wirksame Erklärung abgegeben worden sei. Die Prüfung habe die Anwendbarkeit des StraBEG zu beinhalten. Wenn schon ein Vorlagenbeschluss beim BFH ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der den Steueranspruch begründenden Vorschrift zulasse, solle vorläufig bundesweit Rechtsfrieden eintreten. Dieser Anspruch scheine für das Finanzamt nicht zu gelten. Eine Zustimmung sei zwingend erforderlich, da eine Festsetzung abweichend zur Erklärung auf Grund der oben angegebenen Gründe hätte erfolgen müssen. Die Frage des Klägers, wann diese erfolgt sei, sei weiterhin nicht beantwortet worden.

Darüber hinaus bleibe zu hinterfragen, ob im Sinne des § 356 Abs. 1 AO i.V.m. § 356 Abs. 2 AO im StraBEG nicht eine Rechtsbehelfsbelehrung hätte aufgenommen werden müssen. Gemäß § 3 Abs. 1 StraBEG sei die strafbefreiende Erklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und eigenhändig zu unterschreiben. Auf Grund der Interpretation des § 3 StraBEG müsse bei fehlender Unterschrift davon ausgegangen werden, dass eine strafbefreiende Erklärung gar nicht abgegeben worden sei. Gemäß § 10 StraBEG werde z.B. darauf hingewiesen, dass § 361 AO nicht anzuwenden sei. Es bleibe die Frage, ob das Anzeigen der Vorschrift § 347 AO i.V.m. § 355 AO im Hinblick auf § 356 AO anzeigepflichtig wäre. Vom Steuerpflichtigen selbst könne die Existenz des Merkblattes zur Anwendung des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung nicht vorausgesetzt werden. Darüber hinaus entfalte das Merkblatt zur Anwendung des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung vom 3. Februar 2004 keine Rechtsbindung für den Kläger. Lasse man eine Rechtsbindung des Merkblattes zu, bleibe zu fragen, wie durch die Finanzverwaltung festgestellt werden könne, dass die zuvor nicht unterschriebene strafbefreiende Erklärung mit der dann unterschriebenen strafbefreienden Erklärung übereinstimme. Vor diesem Hintergrund und der mangelnden Rechtsbindung des Merkblattes für den Kläger müsse davon ausgegangen werden, dass die unterschriebene strafbefreiende Erklärung als Neuabgabe, besonders im Hinblick auf die Einspruchsfrist zu bewerten sei. Im Ergebnis wäre der Einspruch somit nicht als unzulässig zu verwerfen gewesen. Hier werde seitens der Finanzverwaltung nicht sichergestellt, dass die dann eingereichte unterschriebene strafbefreiende Erklärung gleichzusetzen sei mit der vorher eingereichten nicht unterschriebenen strafbefreienden Erklärung. Vor diesem Hintergrund müsse bei Abgabe der strafbefreienden Erklärung ohne Unterschrift davon ausgegangen werden, dass vor dem Hintergrund der Bedeutung ein besonders schwerwiegender Fehler vorliege, der zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führe. Gemäß § 124 Abs. 3 AO sei ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam. Gemäß § 125 Abs. 1 AO sei der Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig sei. Gemäß § 150 Abs. 3 AO liege eine ordnungsgemäße Steuererklärung nicht vor, soweit es in der Steuererklärung an einer jeglichen eigenhändigen Unterschriften- und persönlichen Wahrheitsversicherung mangele.

Der Darstellung des Finanzamts, der Vertreter des Klägers habe das Versäumnis einer Rechtsbehelfsfrist zu verantworten, müsse in zweierlei Hinsicht widersprochen werden. Zu keinem Zeitpunkt sei die Überwachung der Rechtsbehelfsfrist Gegenstand des Auftrages des Vertreters gewesen. Der Kläger habe sich bei der Erstellung der strafbefreienden Erklärung lediglich steuerlichen Rat eingeholt. Weiter könne ein mögliches Verschulden des Vertreters doch nicht bedeuten, dass die Klage abzuweisen sei.

Der Kläger beantragt,

die Steuerfestsetzung in Form der strafbefreienden Erklärung vom 13. Februar 2004 bzw. 23. Februar 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2004 aufzuheben,

hilfsweise die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2004 festzustellen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt erwidert wie folgt:

Es treffe zwar zu, dass das BVerfG mit Urteil vom 9. März 2004 entschieden habe, dass § 23 Abs. 1 Nr. 1 b EStG in der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig sei, soweit die Vorschrift Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren betreffe. Daraus könne aber selbstverständlich nicht der Schluss gezogen werden, dass das StraBEG vom 23. Dezember 2003 ebenfalls verfassungswidrig sei. Vielmehr bestünden gegen die Verfassungsmäßigkeit des StraBEG keine durchgreifenden Bedenken. Das StraBEG verstoße insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und das Rechtsstaatsprinzip. Vor diesem Hintergrund könne ferner auch kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vorliegen. In diesem Zusammenhang könnten bestandskräftige Bescheide auf Grund des oben genannten BVerfG-Urteils nicht geändert werden (§ 79 Abs. 2 BVerfGG). Der gesetzliche Ausschluss der Änderungsmöglichkeit verbiete ebenfalls die Annahme einer sachlichen Unbilligkeit im Sinne der §§ 163, 227 AO. Nach dem BMF-Schreiben vom 19. März 2004 (BStBl I 2004, 361) sei in anhängigen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren, die Festsetzungen für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 betreffen - bei Zulässigkeit des Rechtsbehelfs -, ein Änderungsbescheid zu erlassen und eine Besteuerung der Einkünfte aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften rückgängig zu machen. Es werde somit ausdrücklich auf das Vorliegen eines zulässigen Rechtsbehelfs abgestellt. Ein solcher liege im Streitfall jedoch gerade nicht vor. Die Frage der Zustimmung im Sinne des § 168 AO stelle sich im Streitfall ebenfalls nicht. Die strafbefreiende Erklärung stehe als Steueranmeldung im Sinne des § 150 Abs. 1 Satz 3 AO einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich (siehe § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG). Eine Steueranmeldung sei eine Steuererklärung, in der der Steuerpflichtige die Steuer von Gesetzes wegen selbst berechne. Damit wirke die strafbefreiende Erklärung ohne weiteres Zutun der Finanzbehörde als Steuerfestsetzung. Demgegenüber stünden die in § 168 Satz 1 AO genannten Steueranmeldungen einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Nur für derartige Steueranmeldungen und nur in den Fällen, in denen die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer führe, sei in § 168 Satz 2 AO die Zustimmung durch die Finanzbehörde vorgesehen. Da diese besonderen Fallgestaltungen im Rahmen des StraBEG nicht zum Tragen kommen würden, könne der diesbezüglichen Begründung des Klägers von vornherein nicht gefolgt werden. Eine Korrektur der Berichtigung der strafbefreienden Erklärung könne daher nur auf Grund eines Einspruch oder gemäß §§ 10 Abs. 3 StraBEG, 129, 172 ff. AO erreicht werden. Die Möglichkeit der Einspruchseinlegung werde im BMF-Merkblatt ausdrücklich angesprochen (siehe Tz. 12.7). Die Einspruchsfrist betrage einen Monat und beginne, da es sich um eine Steueranmeldung handele, mit Eingang der strafbefreienden Erklärung bei der Finanzbehörde (vgl. § 355 Abs. 1 Satz 2 AO). Auf Grund der genannten Besonderheiten bei Steueranmeldungen werde bei der Einreichung einer strafbefreienden Erklärung die Steuer nicht gesondert durch Bescheid festgesetzt. Entgegen der Auffassung des Klägers stelle sich deshalb die Frage nach der Aufnahme einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht. Da die strafbefreiende Erklärung somit kein schriftlicher Verwaltungsakt im Sinne des § 356 Abs. 1 AO sei, verlängere sich die Rechtsbehelfsfrist nach ständiger Rechtsprechung nicht gemäß § 356 Abs. 2 AO auf ein Jahr (BFH-Urteil vom 25. Juli 1998,BStBl II 1998, 649). Der Einspruch sei deshalb binnen Monatsfrist einzureichen, da die Jahresfrist bei unterbliebener Rechtsbehelfsbelehrung nicht greife. Da die strafbefreiende Erklärung vom 13. Februar 2004 ausschließlich Wertpapierveräußerungsgeschäfte betroffen habe, hätte auf Grund des BVerfG-Urteils vom 9. März 2004 die Einlegung eines Einspruchs nahe gelegen. Entsprechende Ratschläge seien auch in der einschlägigen Fachliteratur und sonstigen Presseveröffentlichungen erteilt worden. Da das BVerfG-Urteil bereits am selben Tag bekannt gemacht worden sei, sei dem Kläger für die Einspruchseinlegung bis zum 15. März 2004 auch noch genügend Zeit verblieben. Im Hinblick darauf, dass die strafbefreiende Erklärung von einem Vertreter der steuerberatenden Berufe erstellt worden sei und entsprechende Hinweise zur Einspruchseinlegung vorgelegen hätten, hätte vorliegend der steuerliche Vertreter auf die Einspruchseinlegung hinwirken müssen. Da er dies nicht getan habe, liege insoweit ein Verschulden vor, das dem Kläger als Vertretenem zuzurechnen sei. Die strafbefreiende Erklärung sei nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und eigenhändig zu unterschreiben (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StraBEG). Da eine nicht eigenhändig unterschriebene strafbefreiende Erklärung keine Strafbefreiung und keine Abgeltung der verkürzten Steueransprüche zur Folge habe, sei der Erklärende auf den Mangel der fehlenden Unterschrift unverzüglich hinzuweisen (siehe Tz. 5.2 des BMF-Merkblattes). Dem Erklärenden sei Gelegenheit zu geben, den Mangel binnen eines Monats zu beheben. Vorliegend sei ein entsprechender Hinweis durch das Finanzamt erfolgt. Daraufhin habe der Kläger die strafbefreiende Erklärung vom 13. Februar 2004 mit demselben Datum unterschrieben und am 23. Februar 2004 beim Finanzamt abgegeben. Da der Kläger den Mangel somit innerhalb der ihm gesetzten Frist behoben habe, sei die strafbefreiende Erklärung von Anfang an wirksam (siehe Tz. 12.5 des BMF-Merkblattes). Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Frage der rückwirkenden Wirksamkeit im BMF-Merkblatt verbindlich geregelt worden. Im Verhältnis zum Erklärenden sei das Finanzamt an die Vorgaben im BMF-Merkblatt gebunden. Die rückwirkende Wirksamkeit werde in der gesamten einschlägigen Fachliteratur auch einhellig begrüßt und an keiner Stelle in Zweifel gezogen. Bei dieser Sachlage müsse selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass die zunächst nicht unterschriebene strafbefreiende Erklärung abgegeben worden sei. Die anderslautende Auffassung des Klägers sei nach dem Sinn und Zweck des StraBEG nicht haltbar. Unerheblich sei auch, ob die unterschriebene strafbefreiende Erklärung mit der nicht unterschriebenen übereinstimme. Dies könne im Übrigen vom Finanzamt durch einen Vergleich der beiden Erklärungen leicht festgestellt werden. Dabei sei davon auszugehen, dass das nicht unterschriebene Exemplar im Finanzamt verbleibe bzw. eine Kopie gefertigt werde. Schließlich stelle die fehlende Unterschrift entgegen der Auffassung des Klägers auch keinen besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 125 Abs. 1 AO dar. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Nachholung der Unterschrift bei anderen Steueranmeldungen und anderen Steuererklärungen ebenfalls möglich und üblich sei. Da die fehlende Unterschrift keinen besonders schwerwiegenden Fehler darstelle, stehe fest, dass die strafbefreiende Erklärung vom 13. Februar 2004 nicht unwirksam im Sinne des § 124 Abs. 3 AO sei. Diesbezüglich sei im Übrigen die vom Kläger angeführte Vorschrift des § 150 Abs. 3 AO nicht einschlägig.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze sowie die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen. Diese waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt hat den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen. Die vom Kläger abgegebene strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG war auf Grund der Nachholung der Unterschrift von Anfang an wirksam (1.). Es bedurfte insoweit im Übrigen auch keiner Zustimmung des Finanzamts (2.). Die Rechtsbehelfsfrist betrug nicht wegen fehlender Rechtsmittelbelehrung ein Jahr statt einem Monat (3.). Schließlich kommt auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist in Betracht (4.). Auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit des StraBEG kann sich der Kläger nicht berufen (5.). Auch der Hilfsantrag ist unbegründet (6.).

1. Wer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch unter anderem Einkommensteuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat, wird nicht nach den §§ 370, 370 a AO bestraft, soweit

1) er nach dem 31. Dezember 2003 und vor dem 1. Januar 2005 die auf Grund seiner unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen gegenüber der Finanzbehörde erklärt (strafbefreiende Erklärung) und

2) innerhalb von 10 Tagen nach Abgabe der Erklärung, spätestens aber bis zum 31. Dezember 2004 25 % der Summe der erklärten Beträge entrichtet werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG).

Diese strafbefreiende Erklärung ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 StraBEG nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und eigenhändig zu unterschreiben.

Der Kläger hat am 13. Februar 2004 eine strafbefreiende Erklärung im Sinne des § 1 Abs. 1 StraBEG beim Finanzamt eingereicht und den selbst berechneten Betrag in Höhe von 3.313,72 EUR entrichtet. Der Wirksamkeit dieser Erklärung steht nicht entgegen, dass die eigenhändige Unterschrift des Klägers zunächst fehlte. Denn dieser formale Mangel der Erklärung ist durch die Nachholung der Unterschrift geheilt worden, mit der Folge, dass die ursprünglich abgegebene Erklärung von Anfang an wirksam war. Dies entspricht zum einen der Regelung der Verwaltung im BMF-Erlass vom 3. Februar 2004 (BStBl I 2004, 225). Nach Tz. 5.2 i.V.m. Tz. 12.5 dieser Regelung hat das Finanzamt innerhalb eines Monats nach Eingang der strafbefreienden Erklärung auf die behebbaren formalen Mängel hinzuweisen und dem Erklärenden Gelegenheit zu geben, diese Mängel binnen eines Monats zu beheben. Hat der Erklärende die formalen Mängel innerhalb der ihm gesetzten Frist behoben, ist die strafbefreiende Erklärung von Anfang an wirksam (vgl. Tz. 12.5 des BMF-Erlasses). Zu diesen formalen Mängeln gehört auch das Fehlen der eigenhändigen Unterschrift. Seer (in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 3 StraBEG, Tz. 3) sieht diese Verpflichtung der Verwaltung als Ausdruck der Betreuungspflicht des Finanzamts im Sinne des § 89 AO. Auch im Übrigen werden - soweit ersichtlich - in der Literatur gegen diese rückwirkende Behebbarkeit formaler Mängel keine Bedenken erhoben (z.B. Stahl in Die Steuerberatung 2004, 153, 158; Baum in NWB Fach 2, Seite 8435, 8475; Kohlmann, Kommentar zum Steuerstrafrecht, § 371 AO, Rn. 321). Im Übrigen entspricht diese Rückwirkung auch dem Willen des Klägers. Denn im Begleitschreiben vom 23. Februar 2004 heißt es ausdrücklich:

"... Im Nachgang zur strafbefreienden Erklärung vom 13. Februar 2004 erhalten Sie zur Ergänzung ein unterschriebenes Exemplar."

Der Kläger sah also die am 23. Februar 2004 eingereichte unterschriebene Erklärung nicht als neue Erklärung, sondern lediglich als Ergänzung der ursprünglich abgegebenen Erklärung an.

Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG steht die strafbefreiende Erklärung einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Sie hat damit den Charakter einer Steueranmeldung gemäß § 150 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 167 AO (Seer, a.a.O., § 10 StraBEG, Tz. 6). Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den Fällen des § 168 Satz 2 AO innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Zustimmung, einzulegen (§ 355 Abs. 1 Satz 2 AO). Mit Ablauf dieser Einspruchsfrist tritt formelle und materielle Bestandskraft ein (Seer, a.a.O.). Durch Abgabe der Erklärung am 13. Februar 2004 begann vorliegend die Einspruchsfrist zu laufen, die am Montag, 15. März 2004, endete. Die Einlegung des Einspruchs am 22. März 2004 erfolgte somit verspätet.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers war für die Wirksamkeit der strafbefreienden Erklärung auch keine Zustimmung des Finanzamts im Sinne des § 168 Satz 2 AO erforderlich mit der Folge, dass die Einspruchsfrist erst später zu laufen begann. Nach § 168 Satz 2 AO ist zum Wirksamwerden einer Steueranmeldung die Zustimmung der Finanzbehörde erforderlich, wenn die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung führt. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die strafbefreiende Erklärung keine Steuerherabsetzung oder Steuervergütung begründet. Auf das BFH-Urteil vom 28. Februar 1996 (BFHE 179,248) kann sich der Kläger nicht berufen, da es auch hier um die Herabsetzung einer Steuer ging.

3. Die Einspruchsfrist war auch nicht wegen Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung auf ein Jahr verlängert. Gemäß § 356 Abs. 2 Satz 1 AO ist die Einlegung des Einspruchs binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zulässig, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluss vom 25. Juni 1998, BStBl II 1998, 649) ist die Regelung des § 356 AO auf eine Steueranmeldung, die keiner Zustimmung der Behörde bedarf, nicht anwendbar. Denn die an die Behörde gerichtete Steueranmeldung als solche ist kein Verwaltungsakt, sondern eine Steuererklärung im Sinne des § 150 AO, die lediglich gemäß § 168 AO in Folge der Gleichstellung mit einer Steuerfestsetzung die Wirkung eines Verwaltungsaktes hat. Nach diesem Beschluss ist auch eine entsprechen-de Anwendung des § 356 AO auf Fälle der keiner Zustimmung bedürftigen Steueranmeldung nicht geboten. Der Steuerpflichtige werde durch die Regelung des § 164 Abs. 2 AO hinreichend geschützt, wonach die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden kann, so lange der Vorbehalt der Nachprüfung wirksam ist. Es bedarf daher im Falle der ohne Zustimmung der Behörde als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkenden Steueranmeldung keiner Rechtsbehelfsbelehrung. Zwar steht die strafbefreiende Erklärung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG im Unterschied zu dem vom BFH entschiedenen Sachverhalt (dort ging es um Umsatzsteuervoranmeldungen) einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Dennoch kommt auch hier eine entsprechende Anwendung des § 356 AO nicht in Betracht, da die strafbefreiende Erklärung auf einer freien Entscheidung des Steuerpflichtigen beruht und ein weitergehender Schutz des Steuerpflichtigen nicht erforderlich ist (im Ergebnis ebenso Joecks/Randt, Steueramnestie 2004/2005, Rn. 274; Stahl, Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, RNr. 656; anders Kamps/Wulff in Finanzrundschau 2004, 121, 133 und Burkhard, Der Steuerberater 2003, 371, 374).

4. Wegen der Fristversäumnis musste das Finanzamt dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren. Gemäß § 110 Abs. 1 AO ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. In Betracht kommt vorliegend insoweit allenfalls ein Irrtum über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Spekulationsbesteuerung. Wegen unverschuldeten Rechtsirrtums kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur gewährt werden, wenn sich der Irrtum auf die Frist selbst oder die Form der Fristwahrung bezieht. Irrtümer über das materielle Recht begründen dagegen eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht, auch nicht ein Irrtum über die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung (Klein/Brockmeyer, Kommentar zur AO, § 110 Rn. 15; Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 26. November 1993 in Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1994, 629; anders: Tipke/Kruse, a.a.O., § 110 AO Tz. 47).

5. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit des StraBEG berufen. Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Regelungen des StraBEG verfassungskonform sind. Denn das Finanzamt weist insoweit zu Recht auf § 79 Abs. 2 BVerfGG hin. Danach bleiben die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen durch eine Entscheidung des BVerfG unberührt. Selbst wenn das BVerfG in Zukunft das StraBEG für verfassungswidrig erklären sollte, müsste es bei der unanfechtbaren Steueranmeldung verbleiben.

6. Der hilfsweise gestellte Antrag, die Nichtigkeit der Steueranmeldung festzustellen, ist ebenfalls unbegründet. Ein Verwaltungsakt ist gem. § 125 Abs.1 AO nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist. Selbst wenn die Steueranmeldung wegen der Verfassungswidrigkeit des § 23 EStG oder des StraBEG rechtswidrig sein sollte, handelt es sich nicht um einen besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 125 Abs.1 AO. Denn bei Abgabe der strafbefreienden Erklärung war auch die Verfassungswidrigkeit des § 23 EStG noch nicht festgestellt (vgl. hierzu allgemein Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 125 Tz. 10).

Die Klage war nach alledem abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr.1 FGO zuzulassen, da die Frage, ob wegen fehlender Rechtsbehelfsbelehrung bei einer Steueranmeldung nach dem StraBEG die Jahresfrist des § 356 AO Anwendung findet, grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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