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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 07.12.2005
Aktenzeichen: 2 K 220/01
Rechtsgebiete: EStG, AO, UrhG


Vorschriften:

EStG § 24 Nr. 2
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
AO § 173 Abs. 2
AO § 175 Abs. 1 Nr. 2
UrhG § 64
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob nachträgliche Einkünfte aus selbstständiger Arbeit vorliegen.

Der Kläger ist der Sohn und Erbe der im Laufe des Klageverfahrens verstorbenen ursprünglichen Klägerin B. Diese war die Witwe des 1979 verstorbenen Vaters des Klägers, des A. Dieser übte bis zu seinem Tode seine freiberufliche Tätigkeit in dem gemeinsamen Haus der Ehegatten in X aus.

Vom 9. Februar bis 21. April 1983 wurde bei der ursprünglichen Klägerin eine Betriebsprüfung durchgeführt. Für die Veranlagungszeiträume 1977 bis 1979 erfolgte diese Betriebsprüfung für die Mutter des Klägers als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes. In dem Betriebsprüfungsbericht vom 27. Mai 1983 gelangte der Betriebsprüfer zu dem Ergebnis, dass durch den Tod des Vaters des Klägers eine Betriebsaufgabe stattgefunden hätte. In dem Prüfungsbericht wurde unter anderem ausgeführt:

"Tz. 10: Ergebnis der Schlussbesprechung: Übereinstimmung.

Tz. 23: Die hieraus abzuführende Umsatzsteuer von 3.232,23 DM ist im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe durch den Tod von Herrn A in 1979 gemäß § 4 Abs. 1 EStG als Verbindlichkeit zu bilanzieren.

Tz. 28: Nach Entnahme der betrieblich genutzten Grundstücksteile sind die anteiligen Werbungskosten nicht mehr als Betriebsausgaben abzugsfähig.

Tz. 30: Betriebsveräußerung: Nach dem Tode von Herrn A wird das Grundstück X nicht mehr zu 30 % betrieblich genutzt. Der nicht weiter betrieblich genutzte Anteil ist 1979 zum Verkehrswert zu entnehmen. Der Veräußerungsgewinn ist gemäß § 18 Abs. 3 EStG zu versteuern.

Tz. 38: Sonstige Anlagevermögen: Betriebsvorrichtungen, die mit dem Gebäude fest verbunden sind, sind nach der Betriebsaufgabe privat nicht selbstständig nutzbar.

Tz. 40: Zusammenfassung des Veräußerungsgewinnes:

 Tz. 31: Grund und Boden45.000 DM
Tz. 35: Gebäude122.279 DM
Tz. 36: Betriebsvorrichtungen-18.181 DM
Tz. 37: Pkw11.300 DM
 160.398 DM"

Den Veräußerungsgewinn ermittelte der Betriebsprüfer unter Anwendung eines Freibetrages von 60.000 DM auf 100.398 DM.

Der ESt-Bescheid für 1979 wurde unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Betriebsprüfung mit Bescheid vom 12. Januar 1984 gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert.

Am 25. Januar 1998 schloss die Mutter des Klägers mit ... (Y) einen Vertrag, in dem an Y die ausschließlichen Nutzungsrechte an allen Werken übertragen wurden, die in der Anlage zu dem Vertrag aufgelistet und näher bezeichnet sind. In § 1 des Vertrages erklärte die Mutter des Klägers, dass sie über die zum Nachlass von Herrn A gehörenden und den Gegenstand dieses Vertrages bildenden Werke, insbesondere Manuskripte, Expose'es, Ideensammlungen etc. allein verfügungsberechtigt sei. Nach § 6 des Vertrages zahlt Y der Mutter des Klägers für die Einräumung der genannten Rechte netto 600.000 DM zuzüglich 7 % Umsatzsteuer (USt) 42.000 DM, d.h. insgesamt 642.000 DM. Dieser Betrag war nach § 6 Abs. 2 des Vertrages wie folgt zur Zahlung fällig: 200.000 DM zuzüglich USt bei Vertragsabschluss, 200.000 DM zuzüglich USt nach Materiallieferung gemäß § 4, jedoch nicht vor dem 1. Juli 1998 sowie 200.000 DM zuzüglich USt am 2. Januar 1999, jedoch nicht vor Fälligkeit der zweiten Rate.

Die Mutter des Klägers erhielt zwei Raten 1998 und die letzte Ratenzahlung in Höhe von 214.000 DM im Jahre 1999.

In ihren Einkommensteuer(ESt)-Erklärungen für 1998 und 1999 gab die Mutter des Klägers keinen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Nutzungsrechte an den Werken ihres verstorbenen Ehemannes an.

Mit ESt-Bescheid für 1998 vom 26. Juli 2000 setzte das damals zuständige Finanzamt die ESt auf ... DM fest. Dabei berücksichtigte es einen Veräußerungsgewinn bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 342.400 DM, den es bei der Berechnung der ESt dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 2 EStG unterwarf. Den hiergegen eingelegten Einspruch nahm die Mutter des Klägers zurück, nachdem das Finanzamt darauf hingewiesen hatte, dass es beabsichtige, den Gewinn im Wege einer verbösernden Einspruchsentscheidung als laufenden Gewinn mit dem normalen Steuersatz anzusetzen.

Mit ESt-Bescheid für 1999 vom 27. Februar 2001 setzte das Finanzamt die ESt nach einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von ... DM auf ... DM fest. Dabei berücksichtigte es einen Veräußerungsgewinn bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 171.200 DM, den es bei der Berechnung der ESt dem § 34 Abs. 1 EStG unterwarf. Den Veräußerungsgewinn berechnete das Finanzamt unter Berücksichtigung der letzten Ratenzahlung von 214.000 DM und unter Abzug von Beratungskosten in Höhe von 42.800 DM, so dass ein Überschuss von 171.200 DM als steuerpflichtige Einkünfte zu Grunde gelegt wurde.

Hiergegen legte die Mutter des Klägers am 2. März 2001 Einspruch ein. Am 27. März 2001 erging ein nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderter ESt-Bescheid, mit dem die ESt auf ... DM reduziert, dem Einspruch hinsichtlich der Erfassung eines Veräußerungsgewinnes von 171.200 DM jedoch nicht abgeholfen wurde.

Zur Begründung des Einspruchs trug die Mutter des Klägers vor, die Erfassung der Einkünfte sei zu Unrecht erfolgt, da diese keiner Einkunftsart im Sinne des EStG zuzuordnen seien. Es habe bereits 1979 eine Betriebsaufgabe stattgefunden mit der Folge, dass die Wirtschaftsgüter des Betriebes durch eindeutige Handlungen in ihr Privatvermögen überführt worden seien. Die Aufgabe des Betriebes sei im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung im Jahre 1983 von ihr bzw. ihren damaligen Beratern erklärt worden. In diesem Zusammenhang sei es schließlich zur Aufdeckung der gesamten stillen Reserven und nicht nur der Reserven im Grundstück gekommen. Diese Aufgabehandlungen seien von einem Aufgabewillen getragen worden. Der Betriebsprüfer habe also zu Recht einen Veräußerungsgewinn ermittelt. Der Umstand, dass der Wert des künstlerischen Nachlasses bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes seitens des Finanzamts keinen Ansatz gefunden habe, sei darauf zurückzuführen, dass weder von der Seite des Finanzamts noch von ihrer Seite zum damaligen Zeitpunkt dem künstlerischen Nachlass ein materieller Wert beigemessen worden sei. Diese Einschätzung sei angesichts der damaligen Verhältnisse auch zutreffend gewesen. Wenn nunmehr - nahezu 20 Jahre nach dem Tod des Künstlers - seitens eines Dritten den Rechten am Nachlass ein nicht unerheblicher Wert beigemessen werde, so führe das nicht dazu, dass die dadurch erzielten Erlöse einkommensteuerrechtlich zu erfassen seien. Vielmehr gehöre der künstlerische Nachlass bereits nahezu 20 Jahre zu ihrem Privatvermögen, da das gesamte Betriebsvermögen des Erblassers, das sich auf dem Grundstück X befunden habe, im Jahre 1979 überführt worden sei. Die Veräußerung an Y stelle sich dementsprechend als ein Vorgang dar, der ausschließlich ihre private Vermögenssphäre betreffe und einkommensteuerrechtlich unbeachtlich sei. Sie habe nahezu 20 Jahre nach dem Tode ihres Ehemannes durch einen einmaligen Veräußerungsakt den künstlerischen Nachlass verwertet. Bei dem künstlerischen Nachlass handele es sich um Wirtschaftsgüter, die in ihr Privatvermögen hätten überführt werden können, da es sich nicht um Wirtschaftsgüter handele, die nur betrieblich nutzbar seien. Der künstlerische Nachlass des Verstorbenen habe durch die Überführung in den Privatbereich eine rein private Zweckbestimmung erhalten, nämlich, dem Andenken an den Verstorbenen zu dienen und die Erinnerung an ihn in der Familie und im Freundeskreis wach zu halten. Der künstlerische Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes habe damit typischerweise der Privatsphäre angehört. Dem Umstand, dass auf den Kaufpreis USt erhoben worden sei, komme einkommensteuerrechtlich keine Bedeutung zu. Die umsatzsteuerliche Würdigung eines Sachverhaltes sei für dessen einkommensteuerliche Einordnung keinesfalls präjudiziell.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2001 setzte das Finanzamt unter Änderung des angefochtenen Bescheides die ESt 1999 auf ... DM fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Reduzierung der ESt ergab sich dabei aus der Nichtanwendung des § 34 Abs. 1 EStG und der daraus folgenden Anwendung der Grundtabelle auf das gesamte zu versteuernde Einkommen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass keine Betriebsaufgabe gegeben sei. Der Tod eines Freiberuflers führe nicht ohne weiteres zu einer Betriebsaufgabe. Wenn eine Betriebsaufgabe erfolgen solle, müsste eine Aufgabeerklärung erfolgen und die Wirtschaftsgüter des Betriebes müssten durch eindeutige Handlungen in das Privatvermögen der Erben überführt werden. Im Streitfall fehle es an einem solchen Aufgabewillen und daran anschließenden Entnahmehandlungen. Eine Aufgabe des Betriebes sei nicht erklärt worden. Vielmehr sei der Betriebsprüfer von einer Betriebsaufgabe durch den Tod des Ehemannes ausgegangen. Dieser hätte einen Teil des Grundstücks für betriebliche Zwecke genutzt. Wegen des Wegfalls dieser Nutzung habe der Grundstücksteil - auch unabhängig von einer Betriebsaufgabeerklärung - nicht mehr zu einem Betriebsvermögen gehört, die stillen Reserven seien zu versteuern gewesen. Ebenso hätte es sich mit dem bis dahin betrieblich genutzten Pkw verhalten. Dass der sich daraus ergebende Gewinn zu Unrecht nach §§ 16 und 34 EStG versteuert worden sei, ändere nichts an der Tatsache, dass tatsächlich eine Betriebsaufgabe nicht gegeben gewesen sei. Die Leistung eines jeden Künstlers sei zwar grundsätzlich eine höchstpersönliche. Dies schließe jedoch eine Verwertung durch Dritte nicht aus, wie auch der Vertrag mit Y beweise. Im Übrigen handele es sich bei den jetzt an Y veräußerten Werken auch nicht um entnahmefähige Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens. Wirtschaftsgüter, die nur betrieblich nutzbar seien, blieben nach der Rechtsprechung selbst bei Betriebsaufgabe Betriebsvermögen. Ihre spätere Veräußerung führe daher zu nachträglichen Betriebseinnahmen. Ob es sich im Streitfall um solche nicht privaten Wirtschaftsgüter handele, könne jedoch dahingestellt bleiben, da keine Betriebsaufgabe gegeben sei. Zwar präjudiziere die umsatzsteuerliche Behandlung nicht die einkommensteuerliche Einordnung der Einkünfte. Sie sei jedoch ein Indiz dafür, dass bei Vertragsabschluss nicht von einer Veräußerung von Privatvermögen ausgegangen worden sei, da ansonsten die Inrechnungstellung unzulässig gewesen wäre. Die Einnahmen aus dem Vertrag mit Y seien daher als nachträgliche Einkünfte nach § 24 Nr. 2 EStG der Einspruchsführerin zuzurechnen und zu versteuern. Hinsichtlich der Einkunftsart sei auf die Verhältnisse des Erblassers abzustellen, d.h. die Einkünfte seien als solche aus selbstständiger Arbeit zu berücksichtigen. Entgegen der Handhabung im angefochtenen Bescheid handele es sich um laufende Einkünfte, für die ein Antrag auf Versteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG nicht in Betracht komme. Es ergebe sich keine Änderung des zu versteuernden Einkommens.

Hiergegen hat die Mutter des Klägers am 16. August 2001 Klage erhoben. Zur Begründung wird vorgetragen, dass eine Steuerbarkeit gemäß § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 EStG nicht bestehe, da es sich nicht um Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit handele, die der Mutter des Klägers als Rechtsnachfolgerin zugeflossen seien. Die Voraussetzungen einer Betriebsaufgabe seien erfüllt. Die betriebliche Tätigkeit sei endgültig eingestellt worden. Alle wesentlichen Betriebsgrundlagen habe die Mutter des Klägers in einem einheitlichen Vorgang in ihr Privatvermögen überführt. Spätestens anlässlich der Betriebsprüfung 1983 habe sie auch eine Betriebsaufgabeerklärung abgegeben. Eine Aufgabeerklärung sei formfrei und müsse nicht notwendig mit der Erklärung eines Aufgabegewinns verbunden sein, aber erkennen lassen, dass der Steuerpflichtige sich für eine Betriebsaufgabe ("endgültige Betriebseinstellung") mit allen Folgen entschieden habe. Eine andere Auslegung des Ergebnisses der Betriebsprüfung erscheine lebensfremd. Der Betriebsprüfer sei daher nicht entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu Unrecht von einer Betriebsaufgabe ausgegangen, sondern habe das Verhalten der Mutter des Klägers rechtlich zutreffend gewürdigt. Diese Einschätzung des Betriebsprüfers, der die Umstände zeitnah und vor Ort gewürdigt habe, sei auf jeden Fall ein stärkeres Indiz als die Inrechnungstellung von Mehrwertsteuer anlässlich des Vertragsabschlusses im Jahre 1998.

Der Tod eines Freiberuflers führe zwar nicht ohne weiteres zur Betriebsaufgabe. Wegen des Erfordernisses der persönlichen qualifizierten Berufsausübung eines Künstlers führe dies allerdings regelmäßig zur Betriebsaufgabe. Zwar könne sich noch eine mit dem bisherigen Beruf des Steuerpflichtigen zusammenhängende - allerdings zeitlich begrenzte - Abwicklungstätigkeit anschließen. Eine Abwicklungstätigkeit in diesem Sinne habe es jedoch durch die Mutter des Klägers nicht gegeben. Keinesfalls könne man die nahezu 20 Jahre spätere Vereinbarung mit Y dahingehend auslegen.

Außerdem seien die an Y veräußerten Werke keinesfalls nur betrieblich nutzbare Wirtschaftsgüter. Der künstlerische Nachlass des Verstorbenen sei einer rein privaten Zweckbestimmung zugänglich, nämlich dem Andenken an den Verstorbenen zu dienen und die Erinnerung an ihn in der Familie und im Freundeskreis wach zu halten. Eine Überführung von zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen sei stets dann anzunehmen, wenn nicht besondere Anhaltspunkte dafür festgestellt würden, dass der Gegenstand des bisherigen Betriebsvermögens nur mit dem Ziel der späteren geschäftlichen Verwertung zurückbehalten worden sei. Dem künstlerischem Nachlass von A sei kein kommerzieller Wert nach seinem Tode beigemessen worden. Dieser sei erst später im Zuge der Rückbesinnung eines breiteren Publikums auf die 60er und 70er Jahre, d.h. einer Entwicklung, die beim Ableben von Herrn A in keiner Weise vorhersehbar gewesen sei, entstanden. Aus diesem Grunde habe der Betriebsprüfer bei der Ermittlung des Aufgabegewinns den künstlerischen Nachlass nicht berücksichtigt.

An diese Sachbehandlung sei der Beklagte auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten gebunden. Den Feststellungen des Betriebsprüfers komme gemäß § 173 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) eine erhöhte Bestandskraft zu. Alle Tatsachen und Grundlagen für die Bewertung des künstlerischen Nachlasses von Herrn A seien dem Betriebsprüfer zugänglich gewesen. Aus dem Nichtansatz bei der Bemessung des Veräußerungsgewinns ergebe sich somit zwangsläufig, dass er diesem keinen eigenständigen Wert beigemessen habe. Diese Beurteilung sei gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 AO abschließend.

Selbst wenn man jedoch eine Überführung in das Privatvermögen ablehne und auch Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht für durchgreifend erachte, komme nur eine Änderung der Veranlagung für das Jahr der Betriebsaufgabe, also hier 1979, gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, nicht aber die nachträgliche Erfassung in den Jahren 1998 und 1999 in Betracht. Nachträgliche Änderungen des Veräußerungsgewinns seien auf den Veräußerungstag, also den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zurückzubeziehen. Der künstlerische Nachlass sei bereits zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe vorhanden gewesen. Wäre ihm zu diesem Zeitpunkt ein entsprechender Wert beigemessen worden, hätte das zur Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG geführt. Es sei nicht ersichtlich, weshalb allein der Zeitablauf zu einer Benachteiligung der Klägerseite führen solle.

Vertrete man jedoch die Auffassung, es sei 1979 keine Betriebsaufgabe erfolgt, so läge eine Betriebsaufgabe 1998 anlässlich des Vertragsschlusses mit Y vor. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt habe die Mutter des Klägers auf Grund eines einheitlichen Entschlusses, den Betrieb aufzugeben, die betriebliche Tätigkeit endgültig eingestellt und alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang erkennbar betriebsfremden Zwecken zugeführt. Damit habe spätestens zu diesem Zeitpunkt der Betrieb als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufgehört. Somit komme die Erfassung eines Teils des Aufgabegewinnes in 1999 nicht in Betracht, da gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1EStG der Aufgabegewinn für den Zeitpunkt der Aufgabe zu ermitteln sei. Nach der hier einschlägigen Gewinnermittlungsvorschrift § 4 Abs. 1 EStG habe die Ermittlung des Aufgabegewinns für 1998 zu erfolgen. Der in dieser Weise erzielte Aufgabegewinn sei unter Anwendung der 1998 gültigen Tarifvorschrift des § 34 Abs. 1 EStG mit dem halben Steuersatz zu besteuern. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des BFH vom 29. April 1993 IV R 16/92 (BStBl II 1993, 716), weil sich im Urteilsfall die Verwertungshandlungen über einen längeren Zeitraum erstreckt hätten und die zum Nachlass gehörenden Kunstwerke einzeln veräußert worden seien.

In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass während der Betriebsprüfung beantragt worden sei, den Betriebsaufgabegewinn begünstigt zu besteuern.

Der Kläger beantragt,

den für 1999 angesetzten Veräußerungsgewinn von 171.200 DM steuerlich nicht zu erfassen und die ESt sowie den Solidaritätszuschlag 1999 unter Abänderung des ESt-Bescheides 1999 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 27. März 2001 sowie der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2001 entsprechend niedriger festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2001. Weiter führt er aus, dass entgegen der Darstellung des Klägers im vorliegenden Fall eindeutige Handlungen, getragen vom Aufgabewillen des künstlerischen Betriebes des in 1979 verstorbenen Vaters, mit daran anschließenden Entnahmehandlungen nicht erkennbar seien. Allein der Umstand, dass ein Betrieb nach dem Tod eines Freiberuflers (Wissenschaftler, Schriftsteller, Künstler ...) von den Erben aufgrund der ihrer Natur nach höchstpersönlichen Tätigkeit nicht fortgeführt werden könne, sei nicht gleichbedeutend einer Betriebsaufgabe. Auch sei ein bewusstes Zurückhalten von Wirtschaftsgütern hier nicht erforderlich für die Annahme einer Weiterführung des freiberuflichen Betriebs, da ein künstlerischer Nachlass der in Rede stehenden Art seiner Natur nach nicht privat genutzt werden könne und nach dem Tod eines Künstlers als (Rest)-Betriebsvermögen verbleibe. Die im Rahmen der Außenprüfung 1983 vorgenommene steuerliche Würdigung des sich zu diesem Zeitpunkt darstellenden Sachverhaltes könne nur dahingehend verstanden werden, dass der Prüfer die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachtet habe. Einer Wertbeimessung der Manuskripte und weiterer Unterlagen im Zeitpunkt des Todes des Vaters des Klägers könne hier keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen, da gerade ein derartiger künstlerischer Nachlass oftmals erst durch erheblichen Zeitablauf einen Wertzuwachs erfahre. Da eine Betriebsaufgabe 1979 nicht vorliege, würden die Ausführungen zur Wertung der Vereinnahmungen infolge Veräußerung der Nutzungsrechte als nachträgliches Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO auf eine Betriebsaufgabe fehlgehen. Auch komme der Umstand der Verwertung dieser Rechte durch den Vertragsabschluss nicht einer Betriebsaufgabe im Kalenderjahr 1998 gleich. Die von der Mutter des Klägers daraus erzielten Einnahmen seien als nachträgliche Einkünfte aus der künstlerischen Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes zu besteuern (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG). Ausdrücklich werde auf die Entscheidung des BFH vom 29. April 1993 (IV R 16/92) verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie 3 Bände ESt-Akten sowie 1 Band Betriebsprüfungs- und Bilanzakten verwiesen. Diese Akten waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene ESt-Bescheid für 1999 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten; eine Änderung kommt daher nicht in Betracht (§ 100 Abs. 1, 2 FGO). Der Beklagte hat zu Recht den in 1999 von Y gezahlten Betrag abzüglich der Beratungskosten der Besteuerung unterworfen.

Nach § 24 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG auch Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG, und zwar auch dann, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Erben (Rechtsnachfolger) zufließen. Nach § 24 Nr. 2 i.V.m. § 18 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit auch solche aus einer ehemaligen freiberuflichen Tätigkeit. Einkünfte aus einer ehemaligen (früheren) künstlerischen Tätigkeit gehören danach beim Erben des Künstlers auch dann zu den Einkünften aus künstlerischer Tätigkeit, wenn der Erbe nicht selbst Künstler ist. Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit liegen dann vor, wenn die Einkünfte in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit stehen, insbesondere ein Entgelt für die im Rahmen der ehemaligen Tätigkeit erbrachten Leistungen darstellen (BFH-Urteile vom 10. Oktober 1963 VI 322, 323/61 U , BFHE 77, 741, BStBl III 1963, 592; vom 25. März 1976 IV R 174/73, BFHE 118, 572, BStBl II 1976, 487; vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716; BFH-Beschluss vom 27. November 1992 IV B 109/91, BFH/NV 1993, 293).

Dem Rechtsnachfolger zufließende nachträgliche Einkünfte sind ihm als eigene Einkünfte zuzurechnen. Der Tod eines Freiberuflers hat nicht zur Folge, dass eine Betriebsaufgabe vorliegt oder das Betriebsvermögen bei seinen Erben in das Privatvermögen übergeht (BFH-Urteile vom 7. Oktober 1965 IV 346/61 U, BF­HE 83, 462, BStBl III 1965, 666; vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36). Auch wenn ein Schriftsteller, Wissenschaftler oder Künstler stirbt und die Berufstätigkeit des verstorbenen Freiberuflers aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur von den Erben nicht fortgeführt werden kann, liegt darin keine Betriebsaufgabe (BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716; Brandt in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 18 Anm. 332 m.w.N.; Wacker in Schmidt, EStG, 24. Auflage, § 18 Rz. 256; a.A. FG Berlin, Urteil vom 22. September 1986 VIII 152/85, EFG 1987, 244; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 7. August 1991 IV 1053/87, EFG 1993, 329). Die Veräußerung der vom Erblasser geschaffenen Werke stellt sich als Abschluss und Abwicklung der künstlerischen Betätigung dar und wird daher noch dieser zugerechnet (vgl. BFH-Urteil vom 7. Oktober 1965 IV 346/61 U, BF­HE 83, 462, BStBl III 1965, 666). Aus diesem Grunde ist schon in der bisherigen Rechtsprechung entschieden worden, dass Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gegeben sind, wenn der Erbe die noch vom Erblasser geschaffenen Werke veräußert und wenn die Witwe und Erbin eines Erfinders dessen Erfindungen durch Übertragung von Patentrechten verwertet (BFH-Urteil vom 7. Oktober 1965 IV 346/61 U, BFHE 83, 462, BStBl III 1965, 666). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BFH auch, wenn die Verwertungshandlungen sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und die zum Nachlass gehörenden Kunstwerke einzeln veräußert werden. Diese Gestaltung der Abwicklung hat zur Folge, dass nicht ein begünstigter Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinn entsteht, sondern dass nach dem Normaltarif zu besteuernde Einkünfte anfallen. Die Qualifikation der Einkünfte als (nachträgliche) Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit wird dadurch jedoch nicht berührt. Der BFH hat auch in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass sich an den Tod eines freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen eine Abwicklungstätigkeit anschließen kann, die noch der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen ist (BFH-Urteil vom 30.März 1989 IV R 45/87, BFHE 156, 204, BStBl II 1989, 509). Wenn in dieser Entscheidung von einer zeitlich begrenzten Abwicklungstätigkeit gesprochen wurde, so ist damit gemeint, dass die damals zu beurteilenden Aktivitäten (im Wesentlichen Durchsicht von Manuskripten und Akten) nur über einen begrenzten Zeitraum in Betracht kamen. Bei der Verwertung von zum Nachlass gehörenden Kunstwerken ergibt sich die zeitliche Begrenzung mittelbar daraus, dass nur die Verwertung der noch vorhandenen Kunstwerke der freiberuflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann (BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716). Nachträglich eingehende Honorare und Gewinnanteile und Verwertungsentgelte (GEMA, VG-Wort) oder vom Erben vereinbarte Entgelte aus der Verwertung von Urheberrechten des Erblassers gehören gleichfalls zu den freiberuflichen Einkünften der Erben (Seeger in Schmidt, EStG, 24. Auflage, § 24 Rz. 93 und Wacker in Schmidt, EStG, § 18 Rz. 257; BFH-Urteil vom 2. März 1995 IV R 62/93, BFHE 177, 113, BStBl II 1995, 413). Etwas anderes gilt nur, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter durch Entnahme vor der Veräußerung in das Privatvermögen überführt worden waren (Seeger in Schmidt, EStG, 24. Auflage, § 24 Rz. 93; Horn in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 24 Anm. 78).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Streitfall nachträgliche Einkünfte der Mutter des Klägers aus der freiberuflichen Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 18 Nr. 1 EStG vor. Die Einnahmen der Mutter des Klägers aus der Veräußerung der Manuskripte, Ideensammlungen und Expose'es des Vaters des Klägers standen in wirtschaftlichen Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit ihres Ehemannes. Diese an Y veräußerten Werke und Nutzungsrechte gehörten zu dem der selbstständigen Arbeit dienenden freiberuflichen Betriebsvermögen des Vaters des Klägers, was in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten unstreitig war. Diese Eigenschaft verloren diese Wirtschaftsgüter auch nicht durch den Tod des Vaters des Klägers im Jahre 1979, denn ein Übergang in das Privatvermögen der Erbin erfolgte dadurch nicht. Der Tod des Vaters des Klägers führte auch nicht zu einer Betriebsaufgabe, da eine entsprechende Betriebsaufgabeerklärung nicht abgegeben wurde. Die Mutter des Klägers entnahm im Jahre 1979 den künstlerischen Nachlass auch nicht. Der künstlerische Nachlass war nunmehr Betriebsvermögen der Mutter des Klägers (vgl. insoweit insbesondere BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716).

Auch im Rahmen der Betriebsprüfung im Jahre 1983 erfolgte keine Überführung des künstlerischen Nachlasses in das Privatvermögen der Mutter des Klägers. Eine Entnahme des künstlerischen Nachlasses fand ausweislich des Betriebsprüfungsberichts nicht statt. Der Kläger hat auch keine außerhalb der Betriebsprüfung erfolgten Entnahmehandlungen oder darauf gerichtete Erklärungen vorgetragen. Auch erfolgte keine Betriebsaufgabeerklärung. Eine Betriebsaufgabeerklärung muss gegenüber dem Finanzamt eindeutig und klar erklärt werden. Die Äußerung des Steuerpflichtigen muss erkennbar von dem Bewusstsein getragen sein, dass es als Folge dieser Erklärung zur Versteuerung der stillen Reserven kommt (BFH-Urteil vom 19. August 1998 X R 176/96, BFH/NV 1999, 454 m.w.N.). Eine ausdrückliche Betriebsaufgabe wurde durch die Mutter des Klägers oder ihre steuerlichen Berater 1983 nicht erklärt, was auch nachvollziehbar ist, weil der Betriebsprüfer entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von einer 1979 durch den Tod des Entertainers erfolgten Betriebsaufgabe ausging und es nach dieser Rechtsauffassung gar keiner Betriebsaufgabeerklärung bedurft hätte. Dass die Mutter des Klägers die fehlerhafte rechtliche Würdigung des Prüfers bei der Schlussbesprechung hinnahm, kann allerdings nicht als Betriebsaufgabeerklärung, auch nicht als konkludente Betriebsaufgabeerklärung für 1983 oder 1979 aufgefasst werden. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann eine rückwirkende Betriebsaufgabe nicht erklärt werden, da steuerliche Gestaltungserklärungen, zu denen die Betriebsaufgabeerklärung gehört, nicht mit rückwirkender Kraft abgegeben werden können (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1992 IV R 29/91, BFHE 168, 405, BStBl II 1993, 36 m.w.N.). Eine Betriebsaufgabeerklärung im Rahmen der Betriebsprüfung hätte folglich bei der Veranlagung für die Einkommensteuer 1983 umgesetzt werden müssen, was aber im Streitfall gerade nicht erfolgte. Prüfer und Klägerin gingen also erkennbar nicht von einer Betriebsaufgabeerklärung, sondern von einer Betriebsaufgabe durch den Tod des Entertainers im Jahr 1979 aus. Dies zeigt, dass ein gemeinsamer Irrtum über die Rechtslage vorlag, die Mutter des Klägers aber jedenfalls keine Betriebsaufgabeerklärung für 1983 abgeben wollte. Auch aus der vom Prüfer als Entnahme behandelten Überführung des für betriebliche Zwecke genutzten Grundstücksteils und Kraftfahrzeugs in das Privatvermögen kann keine konkludente Betriebsaufgabeerklärung der Mutter des Klägers für 1983 gefolgert werden. Da die betriebliche Nutzung eines Teils des Grundstücks und des PKW nach dem Tod entfiel, waren die stillen Reserven - auch unabhängig von einer Betriebsaufgabeerklärung - in 1979 zu versteuern. Eine Betriebsaufgabeerklärung für das Jahr 1983 sollte offenbar nicht abgegeben werden, sonst hätte die Besteuerung von stillen Reserven des künstlerischen Nachlasses bei der Veranlagung 1983 geprüft werden müssen, was jedoch unterblieb. Damit verblieb der künstlerische Nachlass auch 1983 mangels einer Betriebsaufgabe und einer durchgeführten Entnahme in das Privatvermögen als (Rest-) Betriebsvermögen der Mutter des Klägers bestehen.

Schließlich kann auch anlässlich des Vertragsabschlusses mit Y im Jahre 1998 keine Betriebsaufgabeerklärung festgestellt werden. Die Mutter des Klägers hat weder in ihren ESt-Erklärungen für 1998 und 1999 einen Aufgabegewinn mitgeteilt noch in anderen Schreiben dem Beklagten eine Betriebsaufgabe oder Entnahme des künstlerischen Nachlasses erklärt bzw. mitgeteilt. Selbst wenn im Rahmen des Einspruchs- oder Klageverfahrens eine Betriebsaufgabe erklärt worden wäre, würde diese Erklärung nach ständiger Rechtsprechung nicht auf das Jahr 1998 zurückwirken. Die Mutter des Klägers veräußerte 1998 (nur) die von ihrem Ehemann geschaffenen Manuskripte, Ideensammlungen und sonstigen Werke. Sie realisierte damit den wirtschaftlichen Erfolg der künstlerischen Tätigkeit in gleicher Weise wie das bei ihrem Ehemann etwa der Fall gewesen wäre, wenn dieser nach Einstellung der aktiven künstlerischen Tätigkeit, z.B. wegen Krankheit, die noch vorhandenen Manuskripte, Ideensammlungen etc. nach und nach veräußert hätte (§ 18 Abs. 3 EStG). Danach reicht es für die Annahme von Einkünften aus einer ehemaligen künstlerischen Tätigkeit aus, dass der Ehemann die Manuskripte etc. geschaffen hat; unschädlich ist, dass nicht mehr der Künstler, sondern dessen Erbin diese veräußerte. Danach ist im Streitfall von einem Abschluss der künstlerischen Betätigung durch die Veräußerung der vom Erblasser geschaffenen Werke auszugehen, die daher noch der freiberuflichen Tätigkeit zugerechnet wird. Da der Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit im Streitfall nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln ist, ist die der Mutter des Klägers 1999 zugeflossene Ratenzahlung zu Recht im Streitjahr 1999 erfasst und besteuert worden.

Der Senat ist der Auffassung, dass sich an der rechtlichen Beurteilung auch durch den Umstand nichts ändert, dass nach dem Tod des Entertainers 19 Jahre bis zur Veräußerung des künstlerischen Nachlasses vergingen, in denen die Erbin nicht versuchte, den künstlerischen Nachlass zu veräußern. Zwar mag durch einen sehr langen Zeitablauf ohne Verwertungsversuche und Abwicklungsaktivitäten ein Übergang eines (Rest-) Betriebsvermögens in das Privatvermögen der Erben von Künstlern und Schriftstellern anzunehmen sein, wenn es sich nicht um Wirtschaftsgüter handelt, die nur betrieblich genutzt werden können (notwendiges (Rest-) Betriebsvermögen). Im Streitfall kann der Senat dahinstehen lassen, ob der künstlerische Nachlass als notwendiges (Rest-) Betriebsvermögen eingeordnet werden müsste, weil eine solche zeitliche Grenze nach Auffassung des Senats jedenfalls noch nicht überschritten wäre. Hierfür spricht die Regelung des § 64 des Urhebergesetzes (UrhG), wonach das Urheberrecht erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt. Die Manuskripte, Ideensammlungen und Expose'es des Vaters des Klägers gehören als Schriftwerke und persönliche geistige Schöpfungen nach § 2 UrhG zu den geschützten Werken. Das Urheberrecht ist nach § 28 Abs. 1 UrhG vererblich. Ein Erbe kann daher noch bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers Nutzungsrechte an geschützten Werken veräußern. Jedenfalls bei einer Veräußerung 20 oder 30 Jahre nach dem Tod des Urhebers kann nicht von einem Übergang in das Privatvermögen ohne Entnahme ausgegangen werden. Gerade der Streitfall zeigt, dass erhebliche Einnahmen durch die Veräußerung von Nutzungsrechten an den übertragenen Manuskripten, Expose'es und Ideensammlungen etc. noch viele Jahre nach dem Tod eines Künstlers anfallen können, die dann steuerbar sind, weil keine Überführung in das Privatvermögen erfolgt war.

Entgegen der Auffassung des Klägers steht § 173 Abs. 2 AO einer Besteuerung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Aus dem klaren Wortlaut der Vorschrift ergibt sich lediglich, dass nur die für die geprüften Jahre ergangenen Bescheide einer erhöhten Bestandskraft unterliegen, so dass der Beklagte den auf Grund der Außenprüfung ergangenen ESt-Bescheid für 1979 nicht ändern könnte. Dies ist im Streitfall aber nicht geschehen.

Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen der Besteuerung nicht entgegen. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren (nachhaltigen) Verhalten nicht in Widerspruch setzt, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er unwiderrufbar disponiert hat. Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann indes nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen "das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen" (so BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990 unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90; BFH-Urteil vom 25. Oktober 1977 VII R 5/74, BFHE 124, 105, BStBl II 1978, 274 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Im Streitfall hatte die Mutter des Klägers keine unwiderrufbaren Dispositionen hinsichtlich des künstlerischen Nachlasses getroffen, sondern ihm nach eigenem Vorbringen lediglich keinen Wert beigemessen. Auch kann von keinem (nachhaltigen) Verhalten des Beklagten dahingehend ausgegangen werden, dass eine spätere Veräußerung des künstlerischen Nachlasses nicht besteuert werde.

Eine Verwirkung kommt gleichfalls nicht in Betracht. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen würde (Heinrichs in Palandt, BGB, 65. Auflage, § 242 Rn. 87 m.w.N.). Eine Verwirkung kann hier schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Veräußerung des künstlerischen Nachlasses erst 1998 erfolgte und damit der Steueranspruch entstand, den der Beklagte sofort nach Kenntniserlangung auch geltend machte.

Eine Änderung der Veranlagung für 1979 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt nicht in Betracht, da kein rückwirkendes Ereignis im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Im Streitfall liegt nämlich keine nachträgliche Veränderung eines Veräußerungsgewinns vor, weil 1979 keine Betriebsaufgabe erfolgte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, ob und gegebenenfalls unter welchen (insbesondere) zeitlichen Voraussetzungen bei Fehlen von Entnahmehandlungen ein künstlerischer Nachlass als (Rest-) Betriebsvermögens bei Erben von Künstlern und Schriftstellern in das Privatvermögen übergehen kann.

Ende der Entscheidung

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