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Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 14.09.2006
Aktenzeichen: 5 K 236/03
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 26
EStG § 26b
EStG § 32a Abs. 1
EStG § 32a Abs. 5
EStG § 33a
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der Kläger lebt seit dem 17. Mai 2002 mit seinem Partner X in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) vom 16. Februar 2001 (BGBl. I 2001, 266). Die Partner beantragten mit gemeinsamer Einkommensteuer(ESt-)erklärung vom 25. März 2003 die Durchführung einer Zusammenveranlagung nach den §§ 26, 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem Ziel der Anwendung des Splittingtarifs gemäß § 32 a Abs. 5 EStG. Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - folgte dem Antrag nicht und führte eine Einzelveranlagung durch. Mit ESt-Bescheid 2002 vom 28. Mai 2003 setzte das FA die ESt des Klägers auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens von ... € nach der Grundtabelle auf ... € fest. Den Einspruch des Klägers vom 10. Juni 2003 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2003 zurück: Ein Anspruch auf Zusammenveranlagung bestehe nicht. Der Gesetzgeber habe die Lebenspartnerschaft rechtlich eigenständig und nicht als Sonderform der Ehe ausgestaltet. Er habe bewusst darauf verzichtet, sie in die Regelung über die Zusammenveranlagung einzubeziehen.

Mit seiner am 21. August 2003 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Soweit einfachgesetzliche Vorschriften einer Zusammenlegung entgegenstünden, seien diese als verfassungswidrig zu qualifizieren (Verstoß gegen das Gleichheitsgebot sowie das Gebot der Steuergerechtigkeit, Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG). Bei verfassungskonformer und europarechtskonformer Auslegung der einschlägigen steuerlichen Vorschriften sei eine Zusammenveranlagung durchzuführen. Die gegenteilige Rechtsmeinung des Bundesfinanzhofs sei nicht überzeugend, da dieser zu Unrecht eine gesetzliche Lücke verneine und auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht angemessen gewürdigt habe. Wegen der näheren Einzelheiten der Rechtsausführungen des Klägers wird auf den Inhalt der Klagschrift vom 19. August 2003 sowie der ergänzenden Schriftsätze vom 2. März 2006 und vom 23 Mai 2006 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das FA unter Aufhebung des ESt-Bescheides 2002 vom 28. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2003 zu verpflichten, die beantragte Zusammenveranlagung mit Herrn X durchzuführen,

1. hilfsweise,

das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und die Frage, ob die Versagung des Ehegattensplittings für eingetragene Lebenspartner mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen,

2. hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 234 des EG-Vertrages eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage einzuholen, ob die Versagung der Zusammenveranlagung gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung gemäß Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verstoße,

3. hilfsweise,

die Veranlagung unter Gewährung des Unterhaltspauschbetrages gemäß § 33 a EStG in Höhe von 7.188 € durchzuführen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die gesetzliche Regelung sei eindeutig. Die Finanzverwaltung sei hieran gebunden. Ein Anspruch auf Gewährung des Pauschbetrages gemäß § 33 a EStG bestehe ebenfalls nicht, weil der Partner X im Streitjahr eigene Einkünfte und Bezüge in Höhe von ... € gehabt habe, so dass der Grenzbetrag des § 33 a Abs. 1 Satz 4 EStG weit überschritten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2006 verwiesen.

Die Steuerakte des Klägers ist beigezogen worden.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der begehrte Anspruch auf Zusammenveranlagung mit seinem Lebenspartner X nicht zu. Nach §§ 26, 26b EStG steht das Recht auf Wahl der Zusammenveranlagung nur Ehegatten zu, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und während des Veranlagungszeitraums nicht dauernd getrennt gelebt haben. Haben Ehegatten die Zusammenveranlagung gewählt, ist nach § 32a Abs. 5 EStG das Splittingverfahren anzuwenden.

Mit dem Begriff "Ehegatten" sind eindeutig die Partner einer Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts gemeint. Unter einer "Ehe" ist nur die rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau zu verstehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. April 2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103 m.w.N.; die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1143/04 wurde durch Beschluss vom 12. Januar 2006 nicht zur Entscheidung angenommen).

Gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die eine Lebenspartnerschaft nach dem LPartG begründet haben, sind von dem Gesetzeswortlaut nicht erfasst. Eine unmittelbare Anwendung der Regelung auf die Kläger als gleichgeschlechtliche Lebenspartner scheidet somit aus. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Zusammenveranlagung auf eingetragene Lebenspartnerschaften kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht. Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Eine Gesetzeslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Diese Voraussetzungen sind hier aus dem Gründen des Urteils des BFH vom 26. Januar 2006 III R 51/05, BStBl II 2006, 515, denen das erkennende Gericht vollumfänglich beitritt, nicht erfüllt.

Der Ausschluss der Lebenspartner von der Zusammenveranlagung und vom Splittingtarif verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorgenannte BFH-Entscheidung verwiesen. Aus diesem Grunde kommt weder eine verfassungskonforme Auslegung noch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG in Betracht.

Der Senat sieht auch keine Veranlassung zur Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 234 Abs. 3 des EG-Vertrages besteht nicht, weil das erkennende Gericht im nationalen Finanzrechtszug nicht letztinstanzlich entscheidet. Für eine gemäß Art. 234 Abs. 2 des EG-Vertrages im pflichtgemäßen Ermessen stehende Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sieht der Senat keinen Anlass. Die Vorschriften des EStG über die Gewährung des Ehegattensplittings sind auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Sie stehen insbesondere nicht im Widerspruch zur Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABlEG Nr. L 303/16 vom 2. Dezember 2000). Die vorgenannte Richtlinie ist bereits thematisch nicht einschlägig, weil es hier nicht um eine berufs- oder beschäftigungsbezogene Ungleichbehandlung, sondern um eine an den Familienstand anknüpfende einkommensteuerliche Differenzierung geht. Die Richtlinie gilt aber nach Art. 3 Abs. 3 nicht für Leistungen der staatlichen Systeme und damit auch nicht für steuerliche Erleichterungstatbestände. Im Erwägungsgrund 22 der Richtlinie ist zudem ausdrücklich klargestellt, dass die Richtlinie die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt lässt.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Gewährung des Pauschbetrages gemäß § 33 a EStG zu, weil die eigenen Einkünfte und Bezüge des Partners den Grenzbetrag gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 4 EStG deutlich überschreiten. Die Regelung des § 33 a EStG ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie verstößt insbesondere nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (BFH, Urteil vom 20. Juli 2006 III R 8 /04 - im Internet auf der BFH-Seite abrufbar).

Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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