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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 25.07.2002
Aktenzeichen: III 312/01
Rechtsgebiete: ErbStG, BGB


Vorschriften:

ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4
BGB § 328
BGB § 331
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

III 312/01

In dem Rechtsstreit [...]

hat der III. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 25. Juli 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger (Kl.) wendet sich gegen eine Erbschaftsteuer (ErbSt)-Festsetzung.

Die am 26. Juni 1998 verstorbene A war nicht verheiratet, hatte keine Kinder und im Zeitpunkt ihres Todes auch keine Eltern oder Geschwister mehr. Der Kl. ist der Sohn der Schwester. Die Verstorbene besaß zuletzt bei der Sparkasse Sparguthaben und Sparkassenbriefe im Werte von rd. 238.818 DM.

Am 21. Juli 1997 vereinbarte sie mit der Sparkasse eine "Verfügung zu Gunsten Dritter für den Todesfall (Sparkonto/Sparkassenbrief)", wonach im Zeitpunkt ihres Todes alle Rechte aus den Sparkonten und Sparkassenbriefen unmittelbar auf den Kl. übergehen sollten. Die unwiderruflich getroffene Vereinbarung erfolgte nach dem Inhalt des Formularvertrages in Gegenwart des Kl., der auch den Vertrag unterschrieb. Weiterhin hat die Verstorbene - soweit ersichtlich - in einem handschriftlich verfassten Schreiben vom Juli 1997 angegeben, wie ihr Vermögen nach ihrem Tode verwendet werden und wer die Sparkassenbücher und Sparkassenbriefe erhalten sollte. Der Kl. hat entsprechend dieser Erklärung und nach seinen Angaben entsprechend einer mündlichen Äußerung der Verstorbenen die Sparguthaben und -briefe zwischen sich, den Söhnen und der Tochter der Schwester, der Tochter des Sohnes, dem Sohn des Sohnes der Schwester sowie den Töchtern des Sohnes der Schwester der Verstorbenen aufgeteilt; sein, des Kl., Anteil betrug danach 27.198 DM. In Anlehnung an diese Aufteilung haben der Kl. und die o.a. Verwandten der Verstorbenen die ErbSt-Erklärungen abgegeben.

Mit Bescheid vom 13. September 2000 setzte das Finanzamt (FA) die ErbSt gegen den Kl. auf 33.796 DM fest und legte dabei einen steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 198.800 DM zu Grunde. Hiergegen legte der Kl. mit Schreiben vom 22. September 2000 Einspruch ein, über den zunächst noch nicht entschieden wurde.

Darauf hin hat der Kl. am 13. Dezember 2001 Untätigkeitsklage erhoben.

Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens wies das FA den Einspruch des Kl. mit Einspruchsentscheidung vom 16. April 2002 als unbegründet zurück.

Zur Begründung seiner Klage bezieht sich der Kl. auf sein Vorbringen im Einspruchsverfahren und trägt im Wesentlichen vor:

Der angefochtene ErbSt-Bescheid sei rechtswidrig. Mit der gegenüber der Bank abgegebenen Erklärung vom 21. Juli 1997 habe es folgende Bewandtnis: Die Verstorbene habe die o.a. Verwandten um sich versammelt und ihnen mitgeteilt, dass er, der Kl., es übernommen habe, ihren letzten Willen durchzuführen; sie habe damit die Rechtsverhältnisse nach ihrem Tod ordnen wollen. Mit der schriftlichen Verfügung vom Juli 1997 habe sie regeln wollen, wie und an welche Verwandte der Kl. die Sparbücher und Sparkassenbriefe habe weiterreichen sollen. Hierfür stelle das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) mehrere Rechtsinstitute zur Verfügung, insbesondere die Schenkung und den Vertrag zu Gunsten Dritter. Die Vereinbarung zwischen der Verstorbenen und ihm, dem Kl., könne als Vertrag sui generis angesehen werden; bei der schriftlichen Aufteilung des Nachlasses vom Juli 1997 handele es sich um eine Auflage des Beschenkten, bei deren Nichterfüllung die Schenkung rückgängig gemacht werden könne. Unabhängig davon habe das FA übersehen, dass hier der Vollzug einer Schenkung durch die Beteiligung eines Mittlers vorliegen könne. Werde an einen anderen eine Zuwendung gemacht, die dieser als Durchgangs- oder Mittelsperson in vollem Umfang an einen Dritten weitergeben müsse, so sei nach einer Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 105, 305) keine Schenkung, sondern ein Auftrag i.S. des § 662 BGB gegeben. Nach alledem sei hier in Bezug auf ihn, den Kl., ein schenkungssteuerpflichtiger Vorgang nicht gegeben.

Der Kl. beantragt sinngemäß,

den ErbSt-Bescheid vom 13. September 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. April 2002 insoweit zu ändern, als das FA von dem Kl. eine ErbSt von mehr als 852 DM fordert.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf den Inhalt der beigezogenen ErbSt-Akten und Gerichtsakte III 6/01 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Als Erwerbstatbestand kommt hier § 3 Abs. 1 Nr. 4 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in Betracht. Nach dieser Vorschrift gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Hauptanwendungsfall nach dieser Vorschrift ist der Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall. Nach § 328 BGB kann durch Vertrag vereinbart werden, dass ein Dritter unmittelbar das Recht erwirbt, eine Leistung zu fordern. Soll die Leistung an den Dritten erst nach dem Tod desjenigen erfolgen, der sie ausbedungen hat, erwirbt der Dritte nach § 331 BGB das Recht auf die Leistung im Zweifel erst mit dessen Tod (vgl. Moench, § 3 Rn. 146). Weist jemand eine Bank (Sparkasse) an, nach seinem Tode ein Sparguthaben an eine bestimmte Person auszuzahlen, so handelt es sich um eine rechtswirksame Zuwendung durch Vertrag zu Gunsten Dritter (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen -BGHZ- 66, 13 ff). So liegt es hier. Die Verstorbene hat mit der Bank einen Vertrag auf den Todesfall zu Gunsten des Kl. abgeschlossen. Es ist auch davon auszugehen, dass die Verstorbene das Sparguthaben und die Sparkassenbriefe dem Kl. zuwenden wollte und diese Rechtsfolge auch vom Vertragswillen der Bank umfasst war (BGH in Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1984, 480); Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Willen sind hier nicht ersichtlich. Der Kl. ist damit im Zeitpunkt des Todes außerhalb der Erbfolge Rechtsinhaber (Forderungsinhaber) hinsichtlich der Sparguthaben und Sparkassenbriefe gegenüber der Bank geworden (BGHZ 41, 95 ff; 66, 13 ff).

Auch die weiteren Merkmale eines Erwerbs von Todes wegen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG sind erfüllt. Voraussetzung für die Annahme eines Erwerbs von Todes wegen durch einen Vertrag zu Gunsten Dritter ist die Erlangung eines Vermögensvorteils; wie bei Zuwendungen unter Lebenden ist daher Voraussetzung eine objektive Bereicherung des Erwerbers, was nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben zu beurteilen ist (Bundesfinanzhof -BFH- in Bundessteuerblatt -BStBl- II 1987, 861; 1991, 181). Von einer Bereicherung des Kl. ist hier auszugehen; Anhaltspunkte dafür, dass dem Kl. durch den Vertrag etwas zugesprochen wurde, worauf er bereits aus einem anderen Rechtsgrund Anspruch hatte, sind hier nicht gegeben.

Der Kl. kann sich nicht darauf berufen, dass eine steuerpflichtige Bereicherung nicht gegeben sei, soweit er Teile des erworbenen Vermögens mit Rücksicht auf den erklärten Willen der Verstorbenen an Verwandte weitergegeben habe. Es entspricht zwar dem Grundprinzip des ErbSt-Rechts, nur die aus dem Todesfall erfolgte Bereicherung zu erfassen; der Kl. übersieht aber, dass mündliche Erklärungen mit Hinweis auf den letzten Willen des Erblassers nur in Ausnahmefällen unter bestimmten Voraussetzungen erbschaftsteuerlich von Belang sind, weil sonst die Gefahr besteht, dass mit Hilfe von bloßen Behauptungen, die schwer widerlegbar sind, eine Minderung der ErbSt herbeigeführt werden kann (vgl. Kapp/Ebeling, § 3 Rn. 70-77; Moench, § 3 Rn. 54-59; vgl. auch BFH in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2000, 661). Die Frage, ob auch ein formgültiger Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall unter Hinweis auf mündliche Erklärungen des Erblassers mit Wirkung für die ErbSt abgeändert werden kann, falls eine Weitergabe von Teilen dieses erworbenen Vermögens ohne rechtliche Verpflichtung an Erben oder Miterben erfolgt, kann hier dahinstehen (vgl. Moench, § 3 Rn. 171; Kapp / Ebeling, § 3 Rn. 261; Wilms, § 3 Rn. 231; R10 ErbSt-Richtlinien). Denn das Gericht hat unter Würdigung aller Umstände nicht feststellen können, dass die Verstorbene einen ernsten und eindeutigen - vom Inhalt des Vertrages vom 21. Juli 1997 abweichenden - Erblasserwillen zum Ausdruck gebracht hat.

Die Kl. kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Verstorbene im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 21. Juli 1997 die begünstigten Verwandten um sich versammelt habe, um die Rechtsverhältnisse nach ihrem Tod zu ordnen. Diese Verwandten haben nämlich inzwischen überwiegend schriftlich erklärt, dass dieses Familientreffen, bei dem es um die Verteilung des Vermögens der Erblasserin ging, am 18. Oktober 1998 - also nach ihrem Tod - stattgefunden habe. Diesen Angaben der Verwandten ist der Kl. nicht mehr entgegengetreten. Daraus folgt, dass die Verstorbene ihren Erblasserwillen bei diesem Treffen nicht geäußert haben kann.

Entgegen der Auffassung des Kl. ist auch die "Anordnung" vom Juli 1997 nicht geeignet, einen vom Inhalt des Vertrages vom 21. Juli 1997 abweichenden Erblasserwillen nachzuweisen. Diese Anordnung ist undatiert; es steht somit nicht fest, ob diese Anordnung vor oder nach der vertraglichen Vereinbarung vom 21. Juli 1997 getroffen worden ist. Im Übrigen fällt auf, dass der Kl. selbst sich an diese Anordnung nicht gehalten hat. Er hat offenbar die ihm zugedachte Forderung aus dem Sparkassenbrief Nr. ... zwischen sich und seinen Geschwistern aufgeteilt.

Nach alledem steht nicht fest, wo und wann die Verstorbene mündlich erklärt hat, wie der Nachlass nach ihrem Tod verteilt werden soll; der Kläger hat hierzu keine Angaben gemacht. Trotz eines gerichtlichen Hinweises in dem Beschluss über die Aussetzung der Vollziehung vom 9. März 2001 - III 6/01 - hat der Kl. damit einen ernstlichen und eindeutigen Erblasserwillen weder substantiiert und widerspruchsfrei dargelegt noch glaubhaft gemacht. Für den Nachweis des ernstlichen Erblasserwillens trägt der Kl. jedoch die Feststellungslast (vgl. Moench, § 3 Rn. 59). In diesem Zusammenhang hat der Kl. bislang auch nicht plausibel erklärt, aus welchen Gründen das zivilrechtliche Rechtsinstitut des Vertrages zu Gunsten Dritter, an dessen Zustandekommen er bei der Bank mitgewirkt hat, gewählt worden ist. Nach einer Mitteilung der Sparkasse vom 22. Januar 2002 wurde die Verstorbene über die Rechtsfolgen bei Vertragsschluss aufgeklärt; zusätzlich wurde ihr am 21. Juli 1997 das Merkblatt für Verfügungen zu Gunsten Dritter über Sparkonten, Wertpapierdepots etc. ausgehändigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Verstorbene fälschlich und unüberlegt die Vereinbarung mit der Bank zur Durchsetzung ihres Erblasserwillens gewählt hat, sind daher nicht ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kl. die von ihm unerwünschten steuerlichen Rechtsfolgen ohne weiteres auf Grund einer Bankvollmacht der Erblasserin hätte vermeiden können, die auch durch den Tod des Vollmachtgebers nicht erlischt; der ErbSt-Festsetzung hätte er im Übrigen auch durch Zurückweisung des Erwerbs entgehen können (§ 333 BGB).

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben; die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Gründe, die gem. § 115 Abs. 2 FGO die Zulassung der Revision zum BFH rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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