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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 15.01.2009
Aktenzeichen: 2 K 233/07
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 8 Abs. 1
EStG § 10 Abs. 1
EStG § 21 Abs. 1
BGB § 1361b Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

auf Grund mündlicher Verhandlung

am 15. Januar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ausschließlich noch die Frage, ob die Überlassung eines früher als gemeinsame Ehewohnung genutzten Wohnhauses zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geführt hat.

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Einfamilienwohnhaus bebauten Grundstücks, A-Straße XX in B-Stadt. Das Haus nutzte der Kläger bis zur Trennung von seiner Ehefrau im Mai 2000 als gemeinsame Ehewohnung. Nach seinem Auszug nutzte diese das Haus noch bis August 2005. Die Ehe ist noch nicht geschieden. Das Amtsgericht B-Stadt gab dem Kläger im Wege einer einstweiligen Anordnung auf, an seine damalige Ehefrau ab dem 23.08.2001 einen monatlichen Getrenntlebendunterhalt in Höhe von 1.282 DM zu zahlen. Bei der Bemessung des Unterhalts berücksichtigte das AG den Wert der Hausnutzung mit 525 DM (= 268,43 EUR) bedarfsmindernd, indem es den Nutzungswert auf die monatliche Barunterhaltsverpflichtung in Höhe von 1.807 DM anrechnete. Auf den Beschluss vom 23.08.2001 auf Blatt 23 f. der Gerichtsakte wird Bezug genommen. Nach dem Auszug der Ehefrau wurde der vom Kläger zu leistende Getrenntlebendunterhalt um den zuvor angerechneten Nutzungswert der Wohnung erhöht.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2002 erklärte der Kläger zunächst unter Hinweis auf die Trennung von seiner Ehefrau, dass diese das Haus nunmehr gegen eine monatliche Miete in Höhe von 511,20 EUR nutze. Für das Jahr 2002 setzte er aus dieser Überlassung Mieteinnahmen in Höhe 4.600,80 EUR (9 x 511,20 EUR) an. Der Betrag ergab sich aus der Überlegung des Klägers, dass seine getrennt lebende Ehefrau noch ein Jahr nach Einreichung des Ehescheidungsantrages ohne Anrechnung der Nutzungsentschädigung in der Ehewohnung wohnen könne. Für 2003 setzte der Kläger zunächst 6.135 EUR Mieteinnahmen an.

Beide Streitjahre berichtigte der Kläger mit beim Beklagten am 25.07.2005 eingegangenen Anlagen V. Darin gab er nunmehr für das Streitjahr 2002 Mieteinnahmen in Höhe von 2.415 EUR (9 x 268,43 EUR) und für das Streitjahr 2003 Mieteinnahmen in Höhe von 3.221 EUR (12 x 268,43 EUR) an, wobei er sich einen Werbungskostenüberschuss für 2002 in Höhe von 4.433 EUR und für 2003 in Höhe von 3.546 EUR errechnete. Hinsichtlich der genauen Zusammensetzung der Beträge wird auf die Anlagen V auf Seite 25 und 22 der Steuerakten 2002 und 2003 Bezug genommen. Zugleich machte der Kläger einen Betrag in Höhe von 11.040 EUR für Unterhaltsleistungen an den dauernd getrennt lebenden Ehegatten als Sonderausgaben geltend.

Der Beklagte folgte den Erklärungen hinsichtlich der für das Wohnhaus in B-Stadt erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht und ließ die aus der Überlassung erklärten Einkünfte in den für beide Streitjahre am 29.07.2005 ergangenen Einkommensteuerbescheiden unberücksichtigt. Zur Begründung gab er an, die Überlassung beruhe nicht auf einem Mietverhältnis, weil kein Mietvertrag bestehe.

Seinem hiergegen gerichteten Einspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.10.1999 IX R 39/99 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2000, 223) ein Mietverhältnis auch dann anzuerkennen sei, wenn die Miete durch Verrechnung mit dem Unterhaltsanspruch beglichen werde. Insoweit bestehe faktisch ein Mietverhältnis. Der Mietzufluss bestehe in der Anrechnung des Wohnwertes auf den Getrenntlebendunterhalt. Durch die richterliche Entscheidung über die Miete erübrige sich der Abschluss eines Mietvertrags, zumal es sich nur um eine Übergangsphase bis zur Wohnungsfindung handele. Nach Auszug der getrennt lebenden Ehefrau werde er die Wohnung fremd vermieten und auf Dauer nachhaltig Überschüsse erzielen.

Hinsichtlich der hier relevanten Streitfrage blieb der Einspruch erfolglos. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger erfülle nicht den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er erziele keine Einnahmen, weil es an einem Mietvertrag fehle. Die Ehefrau nutzte das Haus nicht aufgrund eines Mietvertrags, sondern allein aufgrund der im Rahmen des Getrenntlebens getroffenen Unterhaltsvereinbarung. Das Amtsgerichts B-Stadt habe lediglich darüber entschieden, mit welchem Wert die Hausnutzung auf den Unterhaltsbedarf in Anrechnung zu bringen sei. Eine für die Annahme eines Mietvertrags erforderliche Einigung über Nutzung der Wohnung gegen ein entsprechendes Nutzungsentgelt (Miete) enthalte der Beschluss nicht. Dass die Ehefrau die Wohnung habe nutzen dürfen, setze der Beschluss vielmehr stillschweigend voraus. Zwischen den getrennt lebenden Eheleuten sei keine Vereinbarung zustande gekommen, die als Mietvertrag angesehen werden könne. Nach dem Urteil des BFH vom 17.03.1992 IX R 264/87 (BStBl II 1992, 1009) begründe eine Unterhaltsvereinbarung kein Mietverhältnis. Ebenso wenig seien die BFH-Urteile vom 19.10.1999 IX R 39/99 (BStBl II 2000, 223) zum Mietvertrag zwischen Eltern und unterhaltsberechtigtem Kind mit Verrechnung von Miete und Barunterhalt und vom 16.01.1996 IX R 13/92 (BStBl II 1996, 214) zum Abschluss eines Mietvertrags mit der geschiedenen Ehefrau unter Verrechnung von Miete und Unterhalt im Streitfall anwendbar. In diesen Fällen werde zwar ein steuerlich anzuerkennendes Mietverhältnis angenommen. Im Gegensatz zum Streitfall lägen dort aber zivilrechtlich wirksam abgeschlossene Mietverträge vor. Angesichts dieser Beurteilung könne es dahinstehen, ob ein zwischen fremden Dritten üblicher Vertrag vorliege und ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO ausgeschlossen sei. Die Annahme vorweggenommener Einkünfte aufgrund späterer Vermietungsabsicht nach Auszug der Ehefrau scheitere im Streitfall an der Nutzung durch die Ehefrau, was einer ernsthaften Vermietungsabsicht entgegenstehe.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 28.02.2007 hat der Kläger am 29.03.2007 Klage erhoben, die er im Wesentlichen mit seinem Vortrag aus dem Vorverfahren begründet.

Der Kläger hat ursprünglich beantragt, die Einkommensteuer für die beiden Streitjahre von 14.917EUR (2002) und 14.841 EUR (2003) auf 0 EUR festzusetzen.

Nunmehr beantragt der Kläger,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 vom 29.07.2005, in Gestalt der gemeinsamen Einspruchsentscheidung vom 28.02.2007, die Einkommensteuer für 2002 um 1.276 EUR und für 2003 um 1.726 EUR niedriger festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er im Kern seine Ausführungen aus dem Vorverfahren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Bescheide vom 29.07.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 28.02.2007 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Kläger hat im Streitfall mit der Überlassung des Wohnhauses an seine Ehefrau keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Zwar kann man anders als in "intakten" Ehen im Regelfall - mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte - davon ausgehen, dass geschiedene oder voneinander getrennt lebende Ehegatten einander nichts zu schenken pflegen (BFH-Urteil vom 31.07.2002 X R 48/99 BFH/NV 2003, 542). Entgegen der Auffassung des Klägers hat er im Streitfall die Wohnung aber unentgeltlich überlassen, weil er damit seine Unterhaltsverpflichtung abgegolten hat. Insoweit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht erfüllt.

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs.1 Nr.1 EStG erzielt derjenige, der aus der Überlassung eines Grundstücks oder Gebäudes zur Nutzung Einnahmen erzielt. Gemäß § 8 Abs. 1 EStG sind alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen Einnahmen. Zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) gehören u.a. auch alle sonstigen Entgelte, die in einem objektiven wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen und damit durch sie veranlasst sind. Nach der Rechtsprechung hat sowohl eine Vermögensübertragung zur Abgeltung einer Ausgleichsforderung als auch eine Überlassung zur Nutzung Entgeltcharakter (BFH-Urteile vom 31.07.2002 X R 48/99, BStBl II 2003, 282; vom 15.02.1977 VIII R 175/74, BStBl II 1977, 389; vom 14.01.2004 IX R 54/99, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2004, 1088 und vom 8.03.2006 IX R 34/04, BFH/NV 2006, 1280). So hat der BFH u.a. die Erstellung eines Gebäudes durch den Nutzungsberechtigten, wenn das Gebäude entschädigungslos in das Eigentum des zur Grundstücksüberlassung Verpflichteten übergeht und der Vermögenszuwachs in einem Veranlassungszusammenhang mit der Nutzungsüberlassung steht, also seine Grundlage in einem Nutzungsvertrag hat (Urteil vom 14.01.2004 IX R 54/99, a.a.O.), und die Nutzungsüberlassung zur Abgeltung einer Zugewinnausgleichsforderung als entgeltliche Nutzungsüberlassung qualifiziert (Urteil vom 08.03.2006 IX R 34/04, BFH/NV 2006, 1280).

Die tragenden Gründe der Entscheidungen sind auf den Streitfall jedoch nicht übertragbar. Im Gegensatz zu den zitierten Entscheidungen fehlt es hier an einem Nutzungsvertrag, in dessen Rahmen eine Gegenleistung für Überlassung des Wohnhauses geschuldet wird. Insoweit wendet der Beklagte zu Recht ein, dass der Kläger und seine Ehefrau keinerlei Vereinbarung abgeschlossen haben, die den wirtschaftlichen Gehalt einer entgeltlichen Überlassung der Wohnung in Form eines Miet- oder sonstigen Nutzungsverhältnis beinhaltet. Das Recht zur Nutzung bestand für die Ehefrau unter den Voraussetzungen des § 1361 b Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wonach vermutet wird, dass nach Ablauf der im Gesetz vorgesehenen Frist der ausziehende Ehegatte dem in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten das alleinige Nutzungsrecht überlässt. Den damit korrespondierenden Anspruch des § 1361 b Abs. 3 BGB auf Vergütung der Nutzung durch den verbleibenden Ehegatten hat der Kläger nicht geltend gemacht. Diesbezüglich verkennt der Kläger die Wirkungen des Beschlusses des AG B-Stadt, auf den er sich zur Rechtfertigung seiner Auffassung beruft. Das Amtsgericht hat ihm darin lediglich die Zahlung eines Getrenntlebensunterhalts in Höhe von 1.282 DM auferlegt. Den Nutzungswert der von der damaligen Ehefrau bewohnten Wohnung hat das Gericht nur als Berechnungsposten bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs abgesetzt. Damit begründet der Beschluss weder ein faktisches Mietverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Frau noch beinhaltet er die Festsetzung einer von der Ehefrau zu leistenden Nutzungsvergütung. Der Beklagte hat deshalb zu Recht nach den im BFH-Urteil vom 12.04.2000 XI R 127/96 (BStBl II 2002, 130) aufgestellten Grundsätzen die unentgeltliche Überlassung der Wohnung im Rahmen des Sonderausgabenabzugs gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Naturalunterhaltsleistung bewertet. Denn wird eine Wohnung unentgeltlich zu Unterhaltszwecken überlassen und dadurch der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Barunterhalt vermindert, so ist die Wohnungsüberlassung einer geldwerten Sachleistung (Ausgabe) gleichzusetzen, die mit der Überlassung zur Nutzung abfließt, weil durch die Wohnungsüberlassung unter gleichzeitiger Verminderung des Barunterhalts lediglich der Zahlungsweg der Unterhaltsleistungen abgekürzt wird (BFH-Urteil vom 12.04.2000 XI R 127/96, BStBl II 2002, 130). Mithin steht die Nutzungsüberlassung nicht in einem objektiven wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Denn der Rechtgrund für die Überlassung liegt in der dem Kläger obliegenden Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Ehefrau. Im Ergebnis wird damit die Nutzungsüberlassung selbst als Unterhalt geschuldet und nicht, um damit eine andere Geldforderung zu begleichen. Insoweit kapitalisiert der Kläger nicht den Nutzungswert seines Hauses in der Form, dass er Erträge am Markt erwirtschaftet, um seiner Verpflichtung auf Getrenntlebensunterhalt nachzukommen, wie es in dem zitierten Urteil des BFH vom 8.03.2006 (IX R 34/04) vorausgesetzt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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