Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: 2 K 625/07
Rechtsgebiete: InvZulG 2005


Vorschriften:

InvZulG 2005 § 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Investitionszulagenbescheid des Beklagten für 2005 vom 19. Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2007 wird dahingehend geändert, dass eine Investitionszulage i. H. v. 25 v. H. auf einer Gesamtbemessungsgrundlage i. H. v. 978.819,50 EUR festgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Investitionszulage 2005 für eine Großfeld- Photovoltaikanlage.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Stahlbauunternehmen. Sie unterhält u.a. eine Betriebsstätte in A-Stadt (Thüringen), die zum einen aus einem etwa 3.750 qm großen Grundstück besteht, auf dem sich ein Büro- und Verwaltungsgebäude und eine Fabrikationshalle für den Stahlbau befinden (Stahlbaubereich).

Auf einer unmittelbar angrenzenden weiteren Grundstücksteilfläche von knapp 20.000 qm errichtete die Klägerin von Oktober 2003 bis Januar 2006 eine Photovoltaikanlage (Modulbereich). Die für die Anlagen nötigen unterschiedlichen Wechselrichter befinden sich auf der dem Stahlbaubereich dienenden Teilfläche. Der erzeugte Solarstrom wird in das Stromnetz der Stadtwerke X-Stadt eingespeist, wofür die Klägerin die gesetzliche Einspeisungsvergütung erhält. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass von der gesamten betrieblichen Wertschöpfung der überwiegende Anteil auf den Bereich "Stahlbau" entfällt, hingegen auf den Bereich "Solarenergieerzeugung" nur ein untergeordneter Anteil. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingereichte Übersicht Bezug genommen, welche für die Jahre 2003 bis 2008 die Anteile an den Umsätzen, am investierten Kapital und an den Personalkosten ausweist.

Mit Investitionszulagenantrag für 2005 vom 27. Februar 2006 beantragte die Klägerin für in 2005 getätigte Investitionen eine 25%-ige Investitionszulage i. H. v. 244.704,88 EUR. In dem Antrag führte die Klägerin unter lfd. Nr. 1 bis 11 Investitionen i. H. v. insgesamt 978.819,51 EUR an. Bei den unter Nr. 1 - 9 angegebenen Investitionen i. H. v. 116.212,22 EUR handelte es sich um solche, die unmittelbar dem Stahlbaubereich der Klägerin zuzuordnen sind. Die unter Nr. 10 und Nr. 11 ausgewiesenen Investitionen i. H. v. 862.607,29 EUR entfielen nach den Angaben der Klägerin auf die (Teil-) Herstellung der Photovoltaikanlage.

Der Beklagte setzte mit Investitionszulagenbescheid vom 19. Mai 2006 eine Investitionszulage i. H. v. 29.049,50 EUR fest. Dabei berücksichtigte er als Bemessungsgrundlage lediglich die unmittelbar dem Stahlbaubereich zuzuordnenden Investitionen Nr. 1 - 9 i. H. v. 116.212,22 EUR. Die unter Nr. 10 und 11 ausgewiesenen Investitionen für die Photovoltaikanlagen i. H. v. 862.607,29 EUR ließ er unberücksichtigt.

Zur Begründung führte er aus, bei der Klägerin sei zwischen zwei Betrieben zu unterscheiden, nämlich dem Stahlbau und der Sonnenstromerzeugung. Da im Gegensatz zu einem Stahlbaubetrieb ein Betrieb zur Stromerzeugung - unstreitig - kein Betrieb des verarbeitenden Gewerbes darstellt, seien die hierauf entfallenden Investitionen der Klägerin nicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InvZulG 2005 zulagenbegünstigt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit ihrer Klage. Sie ist der Auffassung, ihre geschäftliche Betätigung könne nicht investitionszulagenrechtlich in zwei verschiedene Betriebe, nämlich einen Stahlbaubetrieb und einen Stromerzeugungsbetrieb geteilt werden. Die Klägerin betreibe Stahlbau und den Bau und den Vertrieb von Photovoltaikanlagen als zwei Sparten eines einheitlichen Betriebs. Dies ergebe sich bereits etwa aus § 2 Abs. 2 GewStG, wonach die Tätigkeit einer GmbH stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt. Ohnehin wären die Tätigkeiten im Bereich Stahlbau und PV-Anlagen aufeinander abgestimmt. Es stehe nicht der Verkauf von Strom im Vordergrund, sondern es werde versucht, mit der Herstellung und dem Vertrieb von PV-Anlagen ein zweites Standbein aufzubauen.

Die Klägerin beantragt,

den Investitionszulagenbescheid des Beklagten für 2005 vom 19. Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung 21. September 2007 dahingehend zu ändern, dass eine Investitionszulage i. H. v. 25 v. H. auf eine Gesamtbemessungsgrundlage i. H. v. 978.819,50 EUR festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Einspruchsentscheidung fest. Der Beklagte sieht weiterhin die Tätigkeiten der Klägerin im Stahlbaubereich und im Bereich der PV-Anlagen als jeweils eigenständige, voneinander unabhängige Betriebe an. Die Betätigung im PV-Anlagenbereich diene allein der Stromproduktion und dem Stromverkauf. Eine Verflechtung oder Ergänzung mit der mit der Stahlbautätigkeit der Klägerin bestehe nicht.

Dem Gericht haben die Investitionszulageakten des Beklagten für 2005 vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Investitionszulagenbescheid für 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Investitionszulage liegen vor. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 InvZulG 2005 ist unter weiteren - hier nicht streitigen Voraussetzungen - die Anschaffung und die Herstellung beweglicher Wirtschaftsgüter begünstigt, die in einer Betriebsstätte eines "Betriebs des verarbeitenden Gewerbes" verbleiben. Im vorliegenden Fall ist entgegen der Ansicht des Beklagten von einem einheitlichen Betrieb der Klägerin auszugehen, der insgesamt dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist.

1. Die verschiedenen Betriebszweige der Klägerin, nämlich Stahlbau und Solarstromerzeugung sind Teile eines Betriebs der Klägerin (Mischbetrieb).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist der Begriff des Betriebes ist im Investitionszulagenrecht -- ebenso wie andere aus dem Einkommensteuerrecht übernommene Begriffe -- nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen, soweit sich nicht aus dem InvZulG, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes entnehmen lässt (BFH vom 26. Januar 2006 III R 5/04, BStBl II 2006, 771, [...] Rn. 15 - 17, mit weiteren Nachweisen auch zur anderen Auffassung).

Unter einem Betrieb ist danach gemäß § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine selbständige nachhaltige Betätigung zu verstehen, die mit der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen, sich als Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr darstellt und über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgeht Für Personen- und Kapitalgesellschaften ist einkommen- und gewerbesteuerrechtlich unbestritten, dass diese nur einen Betrieb haben, der alle Betriebsstätten umfasst; dies folgt aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sowie § 2 Abs. 2 GewStG. Davon geht der BFH in ständiger Rechtsprechung auch für das Investitionszulagenrecht aus (BFH-Urteil vom 10. Februar 1989 III R 78/86, BStBl II 1989, 467, 468 f.; vom 26. Januar 2006 III R 5/04, BStBl II 2006, 771). Dieser Auffassung des BFH schließt sich der erkennende Senat an. Hiervon ist offensichtlich auch der Gesetzgeber des Investitionszulagengesetzes ausgegangen, da er keine Abweichungen vom ertragsteuerlichen Betriebsbegriff im Investitionszulagengesetz normiert hat.

2. Der Betrieb der Klägerin ist dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen.

Für die Eingruppierung eines Mischbetriebs als "Betrieb des verarbeitenden Gewerbes" kommt es darauf an, worin der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit liegt. Dieser ist grundsätzlich nach den Wertschöpfungsanteilen der einzelnen Tätigkeitsbereiche zu bestimmen. Als Abgrenzungsmerkmale kommen im einzelnen Fall die Umsätze, das investierte Kapital oder die Arbeitslöhne oder eine Kombination dieser Merkmale in Betracht (BFH Urteil vom 19.10.2000 III R 100/96, BFH/NV 2001, 487, [...], Rn. 19 f.; vom 23.10.2003 III R 40/00, BStBl II 2003, 360, [...], Rn. 11). Maßgebend für die Einordnung des Betriebs ist der Betätigungsabschnitt, auf den der höchste Anteil der Wertschöpfung entfällt.

Gemessen an den vorstehenden Maßstäben entfällt der höchste Anteil der Wertschöpfung im vorliegenden Fall auf den Bereich des Stahlbaus, während der Solarstromerzeugung nur eine untergeordnete Wertschöpfungsquote zukommt. Dies ergibt sich bei einer Gesamtschau aus den auf den Stahlbau einerseits und auf die Photovoltaik andererseits entfallenden Anteilen an den Umsatzerlösen, an dem investierten Kapital und an den Personalkosten. Danach ist - unstreitig - in allen Bereichen von einer überwiegenden Wertschöpfungsquote für den Bereich Stahlbau und von einem untergeordneten Anteil für den Bereich Solarenergieerzeugung auszugehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im außergerichtlichen Vorverfahren war wegen der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der zu entscheidenden Fragen gem. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendig, um dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu geben, seine Rechte wirkungsvoll durchzusetzen (vgl. BFH Beschluss vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BStBl II 1968, 56).

Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück