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Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: 3 K 69/07
Rechtsgebiete: StBerG, GG, StPO


Vorschriften:

StBerG § 10
StBerG § 122
GG Art. 17
StPO § 171
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts

auf Grund mündlicher Verhandlung vom 29. Oktober 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat zu erfahren, ob die Beklagte ein standesrechtliches Verfahren gegenüber der Firma X GmbH eingeleitet und mit welchem Ergebnis dies geendet hat.

Der Kläger betreibt eine Tankstelle. Am 2. März 2005 ersuchte er die Beklagte, das Verhalten der Firma X GmbH unter standesrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.

Letztere habe behauptet, dass sie Honoraransprüche gegenüber dem Kläger in Höhe von rd. 957 Euro besitze. Sie habe in einem arbeitsgerichtlichen Prozess gegen einen früheren Mitarbeiter behauptet, für den Kläger Einkommensteuererklärungen für vier Jahre erstellt zu haben. Dadurch habe sie ihre Verschwiegenheitspflichten gemäß § 203 Abs. 1 Ziff. 3 des Strafgesetzbuches (StGB) verletzt. Am 10. März 2005 teilte die Beklagte mit, dass sie die Angelegenheit im Rahmen der ihr obliegenden Berufsaufsicht eingehend prüfen werde, aufgrund der Verschwiegenheitsverpflichtung jedoch keine Auskunft über den Verlauf bzw. Ausgang eines berufsaufsichtlichen Verfahrens geben könne. Dies wiederholte die Beklagte mit Schreiben vom 17. November 2005. Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger stellte gegen die X GmbH auch einen Strafantrag, das Verfahren wurde zwischenzeitlich eingestellt.

Der Kläger trägt vor, er habe einen Anspruch darauf zu erfahren, welches Schicksal seine Beschwerde genommen habe. Es könne nicht angehen, dass Mandanten in rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Steuerberater und Angestellten hineingezogen würden. Dies müsse die Beklagte prüfen. § 10 StBerG sei anwendbar.

Zudem müsse Artikel 17 des Grundgesetzes herangezogen werden. Wenn jemand ein Petitionsrecht habe, müsse ihm auch das Ergebnis der Petition mitgeteilt werden.

Auch Rechtsanwaltskammern würden einem Anzeigeerstatter nach Abschluss der Ermittlungen regelmäßig Mitteilung über deren Ergebnis machen. Es könne nicht sein, dass eine Steuerberaterkammer ohne Kontrolle durch den Anzeigeerstatter nach Belieben mit einer Anzeige verfahren könne. Er müsse wissen, was aus der Anzeige geworden ist.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen, wie die Beklagte über die klägerische Beschwerde vom 2. März 2005 gegen die Verantwortlichen der Firma X Steuerberatungsgesellschaft mbH, Niederlassung A-Stadt, entschieden hat und warum so und nicht anders.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, es bestehe keine Anspruchsgrundlage für eine Auskunft. § 10 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) sei nicht einschlägig, da er nur Mitteilungen über Pflichtverletzungen zwischen öffentlichen Institutionen regele. Nach § 83 StBerG sei sie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Behauptung des Klägers, dass Rechtsanwaltskammern in vergleichbaren Fällen Auskunft erteilten, sei unzutreffend.

Sie verweist auf einen Referentenentwurf, der die Mitteilungspflichten der Kammern erweitern soll. Dies zeige, dass bisher solche Pflichten nicht bestehen.

Die Klage wurde zunächst beim Verwaltungsgericht B-Stadt eingelegt. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2006 verwies die Kammer die Sache an das Finanzgericht.

Der Berichterstatter wies mit Verfügung vom 28. März 2007 darauf hin, dass ein Auskunftsanspruch problematisch sei.

Entscheidungsgründe:

Das Finanzgericht ist kraft der Verweisung des Verwaltungsgerichts B-Stadt im Beschluss vom 19. Dezember 2006 zuständig, § 17 a Abs. 2 GVG.

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auskunft über das Ergebnis seiner Beschwerde. Es fehlt derzeit an einer entsprechenden Anspruchsgrundlage.

Einer Auskunft steht die Verschwiegenheitspflicht der Beklagten gegenüber ihren Mitgliedern entgegen.

§ 10 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) regelt die Mitteilungen über Pflichtverletzungen und andere Informationen. Werden den Steuerberaterkammern Tatsachen bekannt, die den Verdacht begründen, dass ein Steuerberater oder eine Steuerberatungsgesellschaft eine Berufspflicht verletzt hat, so teilt sie diese Tatsachen der zuständigen Stelle mit. Empfänger der Mitteilung kann eine Berufskammer oder eine andere Behörde sein. Die Vorschrift des § 10 StBerG regelt indes nur die Mitteilungen zwischen öffentlichen Institutionen, nicht aber Auskunftsansprüche gegenüber anderen Personen, so dass der Kläger als Privatperson hieraus keine Informationsrechte ableiten kann. Aus dem Fehlen einer vergleichbaren Regelung für Privatpersonen kann allenfalls umgekehrt der Schluss gezogen werden, dass diese keinen Auskunftsanspruch haben sollen.

Auch aus Artikel 17 des Grundgesetzes (GG) folgt kein Anspruch auf detaillierte Auskunft.

Art. 17 GG gewährt jedermann das Recht, sich einzeln oder gemeinschaftlich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Der hieraus folgenden umfassenden Behandlungskompetenz entspricht eine Behandlungspflicht. Art 17 GG verpflichtet die zuständigen Stellen zu Kenntnisnahme, sachlicher Prüfung und regelmäßig auch zur Bescheidung der bei ihnen eingereichten Bitten und Beschwerden, wobei ein Petitionsbescheid keine besondere, die inhaltlich entscheidenden Erwägungen wiedergebende Begründung enthalten muss (BVerfG, Kammerbeschluss vom 15.05.1992, 1 BvR 1553/90).

Grundsätzlich gewährt Art. 17 GG einem Petenten einen Anspruch, in angemessener Frist einen Bescheid zu seiner Eingabe zu erhalten (Klein in Maunz-Dürig, Komm.

zum GG, Art. 17 Rdnr. 129). Dies gilt indes nur insoweit, als keine Rechte Dritter entgegenstehen.

Als Ausprägung der verfassungsimmanenten Schranke des Art. 17 GG verpflichtet § 83 StBerG die Beklagte zur Verschwiegenheit gegenüber jedermann.

Einem Dritten, der Anzeige erstattet, kann nur mitgeteilt werden, dass im Wege der Berufsaufsicht das Erforderliche veranlasst werde. Weitergehende Mitteilungen würden gegen die Verpflichtung des Kammervorstandes zur Verschwiegenheit verstoßen (vgl. Gehre/von Borstel, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, § 81 Anm. 30). Diese Verschwiegenheitspflicht stößt wie im Streitfall bei Personen, die einen Berufsangehörigen bei der Kammer angezeigt haben, "häufig auf Unverständnis" (so ausdrücklich Gehre/von Borstel, § 84 Anm. 19). Sie ergibt sich jedoch aus der Natur der Berufsaufsicht. Es handelt sich um eine Selbstverwaltung und Standesaufsicht.

Diese betrifft nur den Berufsstand selbst, so dass Auskünfte an Dritte nicht zulässig sind. Dasselbe gilt, wenn Maßnahmen der Berufsaufsicht ergriffen wurden. Die Mitteilung an den Anzeigenden muss sich darauf beschränken, dass das Erforderliche veranlasst wurde, d.h. dass eine Prüfung vorgenommen werde. Hinweise auf berufsaufsichtliche oder berufsgerichtliche Verfahren und deren Ergebnisse sind unzulässig (vgl. Goez im Kommentar zum Steuerberatungsgesetz NWB-Verlag, § 83 Anm. 9).

Entsprechend postuliert das Steuerberatungsgesetz, anders als die Regelung in § 171 der Strafprozessordnung, ausdrücklich keine Mitteilungspflicht über das Ergebnis einer Anzeige. Dieser Umstand zeigt, dass im bloßen berufsaufsichtsrechtlichen Verfahren dem Anzeigeerstatter nicht zwingend eine detaillierte Mitteilung zu machen ist.

Der Grundsatz der Nicht-Öffentlichkeit einer Hauptverhandlung in § 122 StBerG verdeutlicht darüber hinaus, dass dem Datenschutz Priorität eingeräumt wird.

Auch zeigt der Referentenentwurf zum Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, dass derzeit solche Mitteilungspflichten nicht kodifiziert sind. Hierin werden den Rechtsanwaltskammern drei zusätzliche Informationspflichten auferlegt. Unter anderem macht es § 73 Abs. 3 des Entwurfs künftig nötig, den Ausgang von Beschwerdeverfahren mitzuteilen und eine kurze Begründung beizufügen. Als Begründung zum Referentenentwurf wird dargelegt, dass in der Praxis die Rechtsanwaltskammern die Beschwerdeführer bereits ohne entsprechende Verpflichtung über den Ausgang von Verfahren unterrichtet hätten. Dies solle nunmehr gesetzlich geregelt werden. Daraus lässt sich aber nicht die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge ableiten, dass bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine solche Auskunftspflicht besteht.

Zum einen konnte der Senat nicht feststellen, dass, insbesondere bei der Beklagten, eine solche ständige Praxis, wonach Auskünfte erteilt werden, geübt wird. Das Gegenteil ist der Fall, die Steuerberaterkammer in Thüringen nimmt die entsprechenden Eingaben entgegen, sie teilt deren Ergebnis jedoch gerade nicht mit. Nach deren Ausführungen entspricht dies auch den Gepflogenheiten in anderen Bundesländern.

Selbst wenn dies in einzelnen Bundesländern jedoch großzügiger zu Gunsten des Petenten gehandhabt würde, so könnte diese Verwaltungspraxis keinen Auskunftsanspruch im Wege einer Selbstbindung gegenüber der Beklagten als eigenständiger Körperschaft des öffentlichen Rechts begründen.

Zum anderen stellt auch der Gesetzesentwurf fest, dass "zusätzliche" Informationspflichten begründet werden sollen. § 73 Abs. 3 des Entwurfs mache es "künftig" nötig, den Ausgang der Beschwerdeverfahren mitzuteilen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass dies gegenwärtig gesetzlich gerade nicht vorgesehen ist.

Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass es sich lediglich um einen Gesetzesentwurf handelt, der also noch nicht einmal beschlossen ist. Gegenwärtig mag es also zwar vielfache Praxis sein, Auskünfte zu erteilen, indes ist dies derzeit rechtlich nicht zwingend.

Die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung belegt vielmehr, dass kein Auskunftsanspruch besteht. Der entsprechende Gesetzesentwurf bezieht sich zudem nur auf die Rechtsanwaltskammern, nicht auch auf die Steuerberaterkammern. Der Umstand, dass das Steuerberatungsgesetz unlängst geändert worden ist, jedoch keine Verpflichtung, wie im Entwurf zum Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht aufgenommen wurde, verdeutlicht, dass diese - geplante - Regelung auch nicht ohne Weiteres auf das Berufsrecht der Steuerberaterkammern übertragen werden könnte, selbst wenn dieser Gesetzesvorschlag umgesetzt würde.

Es verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn von der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen (BVerfG, Beschluss vom 16.01.2007, Aktenzeichen: 1 BvR 2803/06). Auch dies spricht dafür, dass die Auskunftspflichten, an die sich laut dem Gesetzesentwurf Informationspflichten knüpfen, derzeit nicht bestehen und auch über die Rechtsprechung nicht konstruiert werden können. Dies zu tun bleibt Aufgabe des Gesetzgebers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Für eine Zulassung der Revision sieht der Senat keinen Anlass.

Ende der Entscheidung

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