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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Beschluss verkündet am 06.06.2008
Aktenzeichen: 4 Ko 518/07
Rechtsgebiete: GKG, RVG, KV-GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 6 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 4
GKG § 63 Abs. 1 S. 4
GKG § 66 Abs. 1
GKG § 66 Abs. 6
RVG § 47
RVG § 59
KV-GKG Nr. 9007
ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen

4 Ko 518/07

Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 22. Mai 2007 (Rechnungsdatum: 7. Juni 2007)

In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Thüringer Finanzgerichts

am 6. Juni 2008 beschlossen:

Tenor:

1. Auf Erinnerung wird die angegriffene Kostenrechnung vom 22. Mai 2007 (Rechnungsdatum: 7. Juni 2007) aufgehoben.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

3. Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der Erinnerungsführer selbst zu tragen.

Gründe:

I.

Die Erinnerung wendet sich gegen die Festsetzung von Gerichtskosten in der Kostenrechnung vom 22. Mai 2007 (Rechnungsdatum: 7. Juni 2007).

Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 7. Februar 2005 reichte die Erinnerungsführerin Klage gegen die Ablehnung des Antrages auf Kindergeld für ihren Sohn X für den Zeitraum April 2004 bis Juli 2004 ein und stellte gleichzeitig Antrag auf Prozesskostenhilfe.

Mit vorläufiger Kostenrechnung nach § 6 Abs. 1 GKG der Kostenbeamtin des Thüringer Finanzgerichts vom 10. Februar 2005 wurde gegenüber der Erinnerungsführerin als Kostenschuldnerin aus dem Mindeststreitwert gemäß § 52 Abs. 4 GKG von 1.000 EUR eine vierfache Verfahrensgebühr in Höhe von insgesamt 220 EUR gemäß § 63 Abs. 1 Satz 4 GKG vorläufig festgesetzt.

Mit Beschluss des 3. Senats des Thüringer Finanzgerichts vom 22. Mai 2006 wurde der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwältin A als Prozessbevollmächtigte ohne Festsetzung einer Ratenzahlung nur insoweit bewilligt, als die Durchsetzung eines Kindergeldanspruchs für den Monat Juli 2004 in Höhe von 154 EUR betroffen war. Im Übrigen, wegen des Kindergeldanspruchs für die Monate April bis Juni 2004 in Höhe von 462 EUR, wurde der Antrag abgelehnt.

Damit die Erinnerungsführerin am Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2006 teilnehmen konnte, wurde ihr ein Fahrschein für die Hin- und Rückfahrt mit der Bahn im Wert von 23,40 EUR zugesandt. In der mündlichen Verhandlung wurde dann der Sohn der Erinnerungsführerin als Zeuge vernommen. Es entstanden dafür Kosten für die Entschädigung von Zeugen in Höhe von 58,60 EUR.

Im Laufe der mündlichen Verhandlung erklärte sich die beklagte Behörde bereit, für Juli 2004 Kindergeld zu gewähren. Daraufhin nahm die Klägerin und Erinnerungsführerin ihre Klage zurück. Das Verfahren wurde nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO eingestellt.

Mit Vergütungsantrag vom 14. November 2006 beantragte die beigeordnete Rechtsanwältin gemäß § 55 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG -) aus einem Gegenstandswert in Höhe von 154 EUR folgende Festsetzung:

 VV-Nr. 32001,6 Verfahrensgebühr40,00 EUR
VV-Nr. 32021,2 Terminsgebühr30.00 EUR
VV-Nr. 7002Post-Telekomm.-Pauschale19.00 EUR
VV-Nr. 7003Fahrtkosten 170 km51,00 EUR
VV-Nr. 7005Abwesenheitsgeld35,00 EUR
 Summe200,00 EUR
VV-Nr. 7008Umsatzsteuer32,00 EUR
 Gesamtsumme232,00 EUR
 abzgl. Vorschüsse128,02 EUR
zu zahlender Betrag ? 103,98 EUR

(VV = Vergütungsverzeichnis in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG)

Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 30. November 2006 setzte der Urkundsbeamte des Thüringer Finanzgerichts die aus der Landeskasse vorläufig zu zahlende Vergütung der Bevollmächtigten gemäß § 47 RVG antragsgemäß auf 103,98 EUR fest.

Gemäß § 9 Abs. 1 GKG erging am 22. Mai 2007 eine abschießende Kostenrechnung, in der aus dem Mindeststreitwert nach § 52 Abs. 3 GKG in Höhe von 1.000 EUR folgende Gerichtskosten festgesetzt wurden:

 KV-Nr. 61112,0 Verfahrensgebühr110,00 EUR
KV-Nr. 9005Zeugenentschädigung58,60 EUR
KV-Nr. 9008Auslag. f. Zahlungen an mittellose Pers. f. Fahrten zum Ort der Verhandlung 23,40 EUR
 Verauslagte Anwaltskosten103,98 EUR
? Zwischensumme : 295,98 EUR

(KV = Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz)

Davon wurde ein auf Grund der Prozesskostenhilfebewilligung vom 22. Mai 2006 aus einem Streitwert von 154 EUR zu ermittelnder Gerichtskostenbetrag, hier 50 EUR, abgezogen, sodass sich ein Rechnungsbetrag in Höhe von 245,98 EUR ergab. Hinsichtlich der genauen Zahlen wird auf die Kostenrechnung Bezug genommen.

Dagegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit ihrer Erinnerung vom 20. Juni 2007. Zur Begründung führt sie aus, dass sie die verauslagten Anwaltskosten - KVNr. 9008 -, bereits an die Rechtsanwältin, Frau A, am 12. Dezember 2006 gezahlt habe. Sie habe Vorauszahlungen in Höhe von 260 EUR und 24,04 EUR geleistet. Sie könne deshalb die Kostenrechnung nicht nachvollziehen.

Auch auf Aufforderung durch den Berichterstatter im Schreiben vom 2. Juli 2007 hat die Erinnerungsführerin nicht dargestellt und glaubhaft gemacht, welche Vorschussleistungen sie an ihre Prozessbevollmächtigte erbracht hat.

Die Kostenbeamtin und der Bezirksrevisor haben der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist begründet. Die angegriffene Gerichtskostenrechnung vom 22. Mai 2007 (Rechnungsdatum: 7. Juni 2007) ist rechtswidrig und wird deshalb aufgehoben. Gegenüber der Erinnerungsführerin können die hier streitigen Gerichtskosten wegen der dieser bewilligten Prozesskostenhilfe für das zu Grunde liegende Hauptsacheverfahren vom Gericht (Staatskasse) nicht geltend gemacht werden.

Über Erinnerungen entscheidet nach § 66 Abs. 1 GKG das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt worden sind. Es entscheidet nach § 66 Abs. 6 GKG durch den Einzelrichter. Auf Erinnerung wird die Kostenrechnung regelmäßig im vollen Umfang von Amts wegen überprüft (Brandis in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Rdn. 29 zu § vor § 135 FGO), auch wenn die Erinnerungsführerin in ihrer Erinnerung die Kostenrechnung vom 22. Mai 2007 nur hinsichtlich der verauslagten Rechtsanwaltskosten angegriffen hat. Bei dieser Überprüfung stellte sich heraus, dass bei der Erstellung der angegriffenen Gerichtskostenrechnung die Regelungen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht richtig berücksichtigt worden waren.

Die zuständige Kostenbeamtin des Thüringer Finanzgerichts hatte entsprechend den gerichtskostenrechtlichen Regelungen aus dem Mindeststreitwert nach § 52 Abs. 4 GKG in Höhe von 1000 EUR eine wegen der Rücknahme der Klage auf den zweifachen Satz verminderte Verfahrengebühr in Höhe von 110 EUR (Nr. 6111 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG - KV-GKG -), Auslagen für Zeugenentschädigung in Höhe von 58,60 EUR (Nr. 9005 KV-GKG) und die Auslagen für Zahlungen an mittellose Personen für die Reise zum Ort einer Verhandlung in Höhe von 23,40 EUR (Nr. 9008 KV-GKG) in der Kostenrechnung angesetzt.

Weiterhin hat sie die vom Gericht an die Rechtsanwältin gezahlten Anwaltskosten in Höhe von 103,98 EUR in der Gerichtskostenrechnung angesetzt. Dieser Ansatz der "verauslagten Anwaltskosten" ist bereits auf Grund der gerichtkostenrechtlichen Regelungen nicht statthaft. Nach Nr. 9007 KV-GKG können nämlich an Rechtsanwälte zu zahlende Beträge nur ohne die nach § 59 RVG auf die Staatskasse übergegangenen Ansprüche geltend gemacht werden. Bei dem in der angegriffenen Kostenrechnung ermittelten Betrag handelt es sich gerade um einen solchen auf die Staatskasse übergegangenen Anspruch der Prozessbevollmächtigten aus § 59 RVG. Die Prozessbevollmächtigte hatte gemäß § 55 Abs. 1 RVG gegenüber der Staatskasse die Vergütung in Höhe von 103,98 EUR beantragt. Mit der antragsgemäßen Festsetzung sind diese vergüteten Gebühren gemäß § 59 Abs. 1 RVG auf die Staatskasse übergegangenen. Dementsprechend darf die Kostenbeamtin die Rechtsanwaltskosten nicht gemäß Nr. 9007 KV-GKG gegenüber der Erinnerungsführerin geltend machen. Diese Regelung entspricht den Intentionen des Prozesskostenhilferechts. Gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) bewirkt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung nicht mehr gegen die Partei geltend machen können. Die beigeordnete Prozessbevollmächtigte darf ihre Honoraransprüche im Umfang der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nur noch gegen die Staatskasse bzw. gegen den unterliegenden Prozessgegner, dem die Kosten des Verfahrens (ganz oder teilweise) auferlegt wurden, geltend machen. Die Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, muss wiederum Zahlungen nur noch entsprechend den Regelungen im Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe leisten, z.B. in Form von Ratenzahlungen. Die Prozessbevollmächtigte hatte im Streitfall Ihre Honoraransprüche, die sie in ihrem Vergütungsantrag gegenüber der Staatskasse durchgesetzt hatte, nur aus dem Streitwert ermittelt, der der teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Umfang eines Kindergeldanspruches für einen Monat in Höhe von 154 EUR entspricht. Diese vergüteten Rechtsanwaltsgebühren sind auf die leistende Staatskasse übergegangen. In diesem Umfang ist die Erinnerungsführerin auf jeden Fall von der gerichtskostenrechtlichen Geltendmachung der Anwaltsgebühren befreit, weil andernfalls die vom Prozesskostenhilferecht bezweckten Zahlungserleichterungen bzw. -freistellungen nicht wirksam wären.

Aber auch die anderen, hier streitigen Gerichtkosten dürfen wegen der (teilweisen) Bewilligung der Prozesskostenhilfe im Beschluss vom 22. Mai 2006 in der angegriffenen Gerichtskostenrechnung nicht gegenüber der Erinnerungsführerin geltend gemacht werden.

Gemäß § 122 Abs. 1 ZPO bewirkt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, wie oben bereits dargestellt, dass die Landeskasse gemäß Nr. 1a) der Vorschrift die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten sowie gemäß Nr. 1b) der Vorschrift die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei nur nach den Bedingungen, die das Gericht trifft, geltend machen kann. In der Hauptsache wurde Prozesskostenhilfe ohne die Festsetzung von Raten gewährt.

Das bedeutet, dass Gerichtskosten grundsätzlich insoweit nicht gegenüber der Erinnerungsführerin geltend gemacht werden dürfen, als sie auf den Teil des streitigen Klagebegehrens entfallen, für den Prozesskostenhilfe gewährt worden war.

Im vorliegenden Streitfall ist allerdings die Besonderheit zu beachten, dass sowohl der Wert des Teils des Klagebegehrens, für den Prozesskostenhilfe gewährt wurde (154 EUR = 25% des Gesamtstreitwerts), als auch der Wert des Teils des Klagebegehrens, für den der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt wurde (462 EUR = 75% des Gesamtstreitwerts), als auch der Wert des insgesamt anhängigen Klagebegehrens (616 EUR) jeweils unter dem für finanzgerichtliche Verfahren geltenden Mindeststreitwert von 1000 EUR liegen. Demgemäß muss das Gericht bei der Festsetzung der Gerichtskosten entscheiden, ob bzw. in welchem Umfang die nur teilweise Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei der Berechnung der von der Klagepartei zu tragenden Gerichtskosten innerhalb der Grenzen des Mindeststreitwerts zu berücksichtigen ist.

Für die Ermittlung des Anteils der Gerichtskosten, die auf Grund der Prozesskostenhilfebewilligung nicht zu erheben sind, bieten sich u.a. folgende Methoden an:

Die aus dem Gesamtstreitwert ermittelten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden entsprechend den Anteilen am Klagebegehren verteilt, für die Prozesskostenhilfe gewährt bzw. abgelehnt wurde, also im Streitfall im Verhältnis 25 : 75 oder 1 : 3. Dies würde vorliegend dazu führen, dass von den in der angegriffenen Kostenrechnung vom 22. Mai 2007 errechneten gesamt Gerichtskosten in Höhe von 192 EUR (ohne die nicht zu erstattenden verauslagten Rechtsanwaltskosten von 103,98 EUR, s. o.) eine Freistellung in Höhe von 48 EUR (= 25%) erfolgt und Gerichtskosten in Höhe von 144 EUR (= 75%) zu zahlen sind. Diese Methode wurde z.B. früher vom Oberlandesgericht - OLG - München angewendet (Beschluss vom 18. Januar 1988 - 11 WF 1490/87, zitiert nach [...]), aber später aufgegeben (Beschluss vom 6. Dezember 1996 - 11 W 3197/95, zitiert nach [...]) und wird heute praktisch nicht mehr vertreten.

Denkbar ist auch, dass man die auf den Gesamtstreitwert entfallenden Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) nach dem GKG ermittelt (hier ohne die verauslagten Rechtsanwaltskosten = 192 EUR, s. o.) und davon die Gerichtskosten abzieht, die ohne den Ansatz des Mindeststreitwerts für den Wert des Teils des Klagegegenstandes, für den Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, nach den Grundsätzen des GKG entstanden wären (hier eine zweifache Gebühr aus dem Streitwert von 154 EUR = 2 x 25 EUR = 50 EUR). Diese Methode wurde in der angegriffenen Kostenrechnung angewendet.

Zu folgen ist aber einer für das finanzgerichtliche Verfahren modifizierten Variante dieser zweiten Ermittlungsmethode. Danach ist nur der Betrag festzusetzen, der sich aus der Differenz der Gerichtskosten, die ohne die Gewährung der Prozesskostenhilfe entstanden wären (hier die vollen 192 EUR), und der Gerichtskosten, die unter Beachtung des Mindeststreitwerts von 1.000 EUR aus dem Teilstreitwert errechnet werden, für den Prozesskostenhilfe gewährt wurde. Diese Berechnungsmethode geht auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 2. Juni 1954 (V ZR 99/53, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1954, 1406) zurück, dem Rechtsprechung und Literatur weitgehend gefolgt sind (z.B. Beschlüsse der OLG München vom 28. Oktober 1994 - 11 W 979/94 und vom 6. Dezember 1996 11 W 3197/96, Schleswig-Holstein vom 11. Mai 2005 - 15 WF 90/05, Stuttgart vom 26. April 1984 - 8 W 517/83, und des Landgerichts Osnabrück vom 16. Februar 1989 9 T 13/89, alle zitiert nach [...], Zöller, Kommentar zur ZPO, Rdn. 45 zu § 121 ZPO, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, Rdn. 22 zu § 121, Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, Kommentar zum RVG, Rdn. 11 zu § 48 RVG, Hartmann, KostG, Kommentar, Rdn. 65 zu § 48 RVG). Der BGH hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass eine Partei, der Prozesskostenhilfe (damals Armenrecht) nur für einen Teil des Streitgegenstandes bewilligt sei, die aber trotzdem ihre Rechtsverfolgung wegen des übrigen Teils auf eigene Kosten durchführe, Anspruch darauf habe, von der Zahlungspflicht der Gebühren in der Höhe einstweilen verschont zu bleiben, die sich für den Umfang der Prozesskostenhilfebewilligung (Armenrechtsbewilligung) bei der Berechnung der Gebühren ergebe. Nur diese Auffassung entspreche § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a der Zivilprozessordnung (ZPO), wonach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bewirke, dass die Bundes- oder Landeskasse die rückständigen und die entsprechenden Gerichtkosten nur nach den Bestimmungen, die das Gericht treffe, gegen die Partei geltend machen könne. Bei dieser Berechnungsmethode wird also der anteilige Gerichtskostenbetrag, der wegen der teilweisen Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht erhoben werden darf, aufgrund einer fiktiven Berechnung so ermittelt, als wenn nur dieser Teil des Streitgegenstandes gerichtlich verfolgt worden wäre.

Auf den Streitfall bezogen bedeutet dies, dass die Berechnung des Umfangs der nicht zu erhebenden Gebühren, aus dem Teilstreitwert zu erfolgen hat, für den im Beschluss vom 23. April 2007 Prozesskostenhilfe gewährt wurde. Grundsätzlich richten sich die Gerichtsgebühren gemäß § 3 Abs. 1 GKG nach dem Wert des Streitgegenstandes (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Streitwert wird nach § 52 Abs. 1 GKG im Finanzgerichtsverfahren nach der sich aus dem Klageantrag ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen bestimmt. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist nach § 52 Abs. 2 GKG deren Höhe, hier also grundsätzlich der Teilbetrag von 154 EUR, maßgebend.

Nach § 52 Abs. 4 GKG darf aber in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Streitwert nicht unter 1.000 EUR angenommen werden. Dieser in finanzgerichtlichen Verfahren geltende Mindeststreitwert ist also für alle Klageverfahren verbindlich anzuwenden. Diese verbindliche Anordnung des Streitwertes nicht unter 1.000 EUR durch Gesetz gilt nach Auffassung des Gerichts deshalb auch für die Berechnung der Gerichtsgebühren, die wegen der teilweisen Gewährung von Prozesskostenhilfe gegenüber der Klagepartei nicht festgesetzt werden dürfen. Die (fiktive) Berechnung der wegen einer nur teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht zu erhebenden Gerichtsgebühren erfolgt deshalb im finanzgerichtlichen Verfahren bis zu einem durch Prozesskostenhilfe begünstigen Wert von 1.000 EUR anhand der Gerichtsgebührentabelle innerhalb der Tabellengrenzen von 900 EUR bis 1.200 EUR. Dies führt in Streitfällen mit einem Gesamtstreitwert bis zu 1.200 EUR regelmäßig dazu, dass die Differenz aus dem gesetzlichen Gebühren des gesamt Streitwertes und aus den gesetzlichen Gebühren des Teilstreitwertes, für den Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, 0 EUR ergibt. Dementsprechend muss eine Klagepartei, der innerhalb der vorgenannten Streitwertgrenzen bis zu 1.200 EUR ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, keine Gerichtsgebühren bzw. Gebühren nur entsprechend den Maßgaben in der Prozesskostenhilfebewilligung (z.B. Ratenzahlung) tragen. Deshalb können auch im hier zu Grunde liegenden Hauptsacheverfahren, in dem sowohl der Streitwert für das gesamte Klagebegehren (hier Kindergeld in Höhe von 616 EUR) als auch der Teilstreitwert für den Teil des Klagebegehrens, für den (teilweise - hier Kindergeld in Höhe von 154 EUR) Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, die hier streitigen Gerichtsgebühren nicht festgesetzt werden. Diese Auffassung wird in der Tendenz auch vom Richter am BFH Brandis (in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Rdn. 124 zu vor § 135 GKG) geteilt. Dieser führt aus: "Wird Prozesskostenhilfe für ein Verfahren beantragt, für das der Mindeststreitwert anzusetzen ist, und besteht Erfolgsaussicht nur für einen Teil des Begehrens, ist Prozesskostenhilfe in vollem Umfang nach dem Mindeststreitwert zu gewähren, da der Zugang zum Gericht (der dem "Mittellosen" bei einer "Erfolgsaussicht" offen stehen muss) die Regelung des § 52 Abs. 4 GKG auslöst." Das hier entscheidende Gericht ist, unabhängig von der Entscheidung der Rechtsfrage, ob der Mindeststreitwert hier nicht bereits bei der teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom Senat der Hauptsache hätte berücksichtigt werden müssen, der Auffassung, dass der Ansatz des Mindeststreitwertes infolge einer teilweisen Prozesskostenhilfeverfahren jedenfalls spätestens bei der Festsetzung und Erhebung der Gerichtskosten zu berücksichtigen ist. Damit dürfen die für das hier maßgebliche, der streitigen Kostenrechnung zu Grunde liegende finanzgerichtliche Verfahren entstandenen Gebühren insgesamt nicht gegenüber der Erinnerungsführerin geltend gemacht werden, weil die Klägerin und Erinnerungsführerin bis zur Summe der aus dem Mindeststreitwert zu ermittelnden Gebühren von der Erhebung der Gerichtkosten befreit ist.

Vorliegend dürfen aber auch die Auslagen des Gerichts - hier die Zeugenentschädigung in Höhe von 58,60 EUR und die Fahrtkosten der bedürftigen Erinnerungsführerin zur Gerichtsverhandlung in Höhe von 23,40 EUR - nicht gegenüber der Erinnerungsführerin geltend gemacht werden. Bei den Auslagen muss nach Auffassung des Senats unterschieden werden, ob die bestimmten Auslagen konkret ausschließlich dem Verfahrensteil zugeordnet werden können, für den Prozesskostenhilfe nicht bewilligt wurde, oder ob eine derartige Zuordnung nicht möglich ist. Im ersteren Falle könnten diese Auslagen gegenüber der Klagepartei geltend gemacht werden, weil diese Auslagen gerade nicht in den Schutzbereich der durch den Mindeststreitwert erweiterten Prozesskostenhilfebewilligung fallen. Insoweit führt eine Klagepartei den Prozess auf eigenes Kostenrisiko. Ist eine klare Zuordnung der Auslagen in der vorgenannten Weise nicht möglich, so teilen die Auslagen die rechtliche Zuordnung der Gebühren. Auf den hier zu entscheidenden Fall bezogen bedeutet dies, dass die festgesetzten Auslagen insgesamt nicht geltend gemacht werden dürfen, weil sie keinem Teilbereich des Klagebegehrens konkret zuzuordnen sind.

Damit hat die Erinnerung in vollem Umfange Erfolg. Die angegriffene Kostenrechnung muss aufgehoben werden.

Das Verfahren über die Erinnerung ist nach § 66 Abs. 8 GKG gerichtsgebührenfrei.

Kosten werden nach § 66 Abs. 8 GKG nicht erstattet.



Ende der Entscheidung

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