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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 18.10.2000
Aktenzeichen: I 1043/00
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d
EStG § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1
EStG § 50a Abs. 5 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen

I 1043/00

Haftung für die Abzugsteuer nach § 50a des Einkommensteuergesetzes (EStG)

In dem Rechtsstreit

...

hat der I. Senat des Thüringer Finanzgerichts

mit Einverständnis der Beteiligten

gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)

ohne mündliche Verhandlung

in der Sitzung vom 18. Oktober 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Bis einschließlich 30. September 1998 werden die Kosten des Verfahrens dem Kläger zu 78 von Hundert, dem Beklagten zu 22 von Hundert auferlegt. Im Übrigen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Der Streitwert wird bis einschließlich 30. September 1998 auf 4.065 DM, danach auf 3.172 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids nach § 50a Abs. 5 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Bezug auf Vergütungen der Jahre 1995 und 1996.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein mit Sitz in A-Stadt. Vereinszweck ist unter anderem die Nachgestaltung historischer Begebenheiten des Mittelalters. Bei den vom Kläger veranstalteten Burgfesten, Ritterlagern und Mittelaltermärkten anlässlich von Stadtfesten und ähnlichen Gelegenheiten werden insbesondere bewaffnete Ritter, die in ihren Rüstungen Schaukämpfe austragen, und Handwerkerstände, an denen kostümierte Personen mittelalterliches Handwerk vorführen, gezeigt.

Zur Durchführung der beschriebenen Veranstaltungen verwendet der Kläger auch fremde, teilweise ausländische Auftragnehmer. Die Agentur XY J.B. (XY ), bei der es sich um ein tschechisches Einzelunternehmen ohne Betriebsstätte oder ständigen Vertreter im Inland handelt, war im Zeitraum von März 1995 bis August 1996 bei fünf Gelegenheiten mit der Ausführung solcher Präsentationen beauftragt. Darüber schlossen der Kläger und die XY schriftliche Verträge. Sie enthielten folgende Leistungen und Honorare:

1. Am 9.September 1995 in XXX "Ritterlager, Handwerker Aufbau", 6.140 DM

2. Am 16. September 1995 in XXX "Gestellung von 3 Handwerkerständen", 900 DM

3. Vom 30. September 1995 bis 1. Oktober 1995 in XXX "Zurverfügungstellung von 9 Handwerkerständen lt. Anhang mittelalterliche Tontechniken mit Technik", 5.900 DM

4. Am 19. März 1996 in A-Stadt "Ritterliche Schaukämpfe", 1.300 DM

5. Vom 5. bis 8. September 1996 in XXX "2 Ritter in voller Rüstung (6 Auftritte/Tag)", 1.200 DM.

Die in den Verträgen enthaltenen vorgedruckten Textpassagen über die Umsatzsteuer waren nicht ausgefüllt. Der vorstehend bezeichnete Vertrag Nr. 4 enthielt zusätzlich den vorgedruckten Satz: "Der Vertragspartner versichert ..., dass er berechtigt ist, die Mehrwertsteuer zu empfangen, bzw. sich selbst versteuert", ohne dass zu erkennen ist, welcher Vertragspartner gemeint ist. Der Vertrag Nr. 5 enthielt die Honorarbezeichnung "1.200 DM netto". Der Kläger vergütete die erbrachten Leistungen in bar unmittelbar am Ende der Veranstaltungen. Einen Steuerabzug von Einkommensteuer oder Umsatzsteuer nahm er nicht vor. Steuerliche Absprachen bestanden zwischen dem Kläger und der XY nicht.

Die hauptsächlichen Leistungen der XY für den Kläger - neben der Zurverfügungstellung von Ständen, Waffen, Rüstungen usw. - bestanden darin, dass das Personal der XY an Marktständen unter Einsatz handwerklicher Techniken aus der Ritterzeit auftrat oder zusammen mit Vereinsmitgliedern des Klägers verschiedene Szenen aus dieser Zeit in koordinierten Bewegungsabläufen, auch zu Pferde, darstellte. Bei bewegteren Szenen besprach der Vorsitzende des Klägers, der auch für das Drehbuch und die Regieanweisungen verantwortlich war, vorher mit einem Vertreter der tschechischen Helfer den Handlungsablauf. Nach den Informationen des Klägers sind die tschechischen Helfer in Tschechien in einer Ritter-Hobbygruppe zusammengeschlossen, deren Vorsitzender J.B. ist, und sind außerhalb der Ausübung ihres Hobbys zumeist Arbeitnehmer in Tschechien.

Mit Bescheid vom 27. März 1997 nahm der Beklagte den Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch, nachdem er eine Kontrollmitteilung der Umsatzsteuersonderprüfung erhalten hatte; diese enthielt die Anregung, die Einbehaltung der Steuer nach § 50a EStG zu prüfen, und den Vermerk "Anwendung der Null-Regelung im Abzugsverfahren, weil Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis (§ 52 ff. UStDV)". Der Beklagte unterwarf die Barzahlungen des Jahres 1995 einem Berechnungssatz von 22,77 v. H. und die Zahlungen in 1996 einem Berechnungssatz von 44,73 v. H., jeweils einschließlich Solidaritätszuschlag. Die Steuer betrug insgesamt 4.064,68 DM. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass mit den Tätigkeiten Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erzielt worden seien. Da die Verwirklichung der Ansprüche gegen Herrn Snabl mit einer Vollstreckung im Ausland verbunden sei, sei es angemessen, den Kläger zur Haftung heranzuziehen. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.

Der Kläger macht nunmehr geltend, dass es sich bei den Leistungen der XY nicht um künstlerische, sportliche oder artistische, vor allem aber nicht um "ähnliche" Darbietungen im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG gehandelt habe. Die Bedeutung dieses letztgenannten Merkmals ergebe sich aus einer jeweils erweiternden Auslegung der Begriffe "künstlerische, sportliche und artistische Darbietungen". Der Tätigkeit der XY fehle ein eigenschöpferisches Element, das der Begriff "ähnliche Darbietung" bei der gebotenen Auslegung aufweise. Durch diesen Begriff sollten vielmehr Aktionen von Personen erfasst werden, die zwar nicht die zur Annahme selbständiger Tätigkeit erforderliche künstlerische Gestaltungshöhe erreichten, aber dennoch mit gewissen dem Merkmal "künstlerisch" innewohnenden Kriterien, wie Originalität, Gestaltungskraft und Individualität, verbunden seien.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 27. März 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Oktober 1997, diese wiederum in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. Oktober 1998, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG das gesamte Show- und Unterhaltungsgeschäft umfasse. Zu den Darbietungen, die den künstlerischen, sportlichen oder artistischen Darbietungen ähnlich seien, gehörten demnach Darbietungen mit vergleichbarem Unterhaltungscharakter. Es handele sich um Veranstaltungen, die durch Künstler, Sportler, Artisten oder Unterhalter geprägt würden.

Im Erörterungstermin wegen Aussetzung der Vollziehung (Aktenzeichen I 147/97 V) vom 31. Juli 1997 und in der mündlichen Verhandlung am 30. September 1998 hat der Kläger Video-Aufzeichnungen von einigen der an den Kläger erbrachten Leistungen vorgeführt. Eine künstlerische Gestaltungshöhe wurde nach der übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten bei den aufgezeichneten Aktivitäten der XY nicht erreicht. Auf die Niederschriften wird hingewiesen. Die Parteien haben auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat der Beklagte die Haftungssumme herabgesetzt (Blatt 20 bis 22 der Gerichtsakte). Der Kläger hat den geänderten Haftungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens erklärt. Der Kläger hat sich ferner bemüht, beim Bundesamt für Finanzen für den Steuerschuldner die Erstattung der Abzugsteuern zu erlangen. Dies ist fehlgeschlagen, weil der Steuerschuldner die erforderliche Mitwirkung verweigert hat.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Ein beschränkt steuerpflichtiger Gewerbetreibender, der im Inland für einen inländischen Veranstalter künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen erbringt und dafür eine Vergütung erhält (Vergütungsgläubiger), ist nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 4 EStG Schuldner der inländischen Einkommensteuer (Steuerschuldner). Die Steuer wird nach § 50a Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 und 3 EStG dergestalt erhoben, dass der inländische Veranstalter (Vergütungsschuldner) sie im Wege des Steuerabzugs für Rechnung des Steuerschuldners an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen hat. Die Steuer beträgt nach § 50a Abs. 4 Satz 3 EStG in der für das Jahr 1995 geltenden Fassung fünfzehn von Hundert, nach § 50a Abs. 4 Satz 2 EStG in der für das Jahr 1996 geltenden Fassung 25 von Hundert der Vergütung. Wenn der Vergütungsschuldner die Vergütung ungekürzt auszahlt und den Steuerabzug unterlässt, kann das Finanzamt den Vergütungsschuldner gemäß § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG durch Haftungsbescheid oder den Steuerschuldner gemäß § 50a Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 EStG durch Steuerbescheid in Anspruch nehmen (vgl. § 73g Abs. 1 EStDV). Der Haftungsbescheid vom 27. März 1997 verstößt nicht gegen diese Vorschriften und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die wesentlichen Leistungen der Agentur XY J.B., die unbestritten gewerbliche Einkünfte erzielte, waren Darbietungen. Unter einer Darbietung ist die Präsentation eigener oder fremder Werke oder eigener Fähigkeiten vor oder für Publikum zu verstehen (Heinicke in Schmidt, EStG, Kommentar, § 49 Rz. 27; ähnlich Maßbaum in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 49 EStG Anm. 521, mit weiteren Nachweisen aus der Literatur). Dabei macht es aus der Sicht der hier in Rede stehenden Vorschriften keinen Unterschied, ob der Vergütungsgläubiger selbst die Darbietung erbringt oder ob er - wie im Streitfall - durch andere tätig wird, ferner ob er selbst Veranstalter ist oder - wie im Streitfall - von einem Veranstalterzu den Darbietungen verpflichtet wird (vgl. Maßbaum, a.a.O., Anm. 521).

Die Darbietungen der XY waren den künstlerischen, sportlichen oder artistischen Darbietungen ähnlich. Bei dieser Feststellung wertet der Senat die erbrachten Darbietungen in Übereinstimmung mit den Beteiligten weder bei den bewegten Szenen noch bei den handwerklichen Vorführungen als künstlerisch, weil die für diesen Begriff notwendige Gestaltungshöhe (ständige Rechtsprechung zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG; vgl. etwa BFH-Urteile vom 15. Oktober 1998 IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465, undvom 30. März 1994 I R 54/93, BFHE 175, 40, BStBl II 1994, 864) nicht erreicht wird. Die Darbietungen der Ritterschauspiele sind auch nicht als sportlich oder artistisch anzusehen, wenn man diese Elemente, wozu der Senat neigt, wegen der Parallelität zum Merkmal "künstlerisch" ebenfalls von einem höheren Leistungsgrad abhängig macht. Ferner lassen sich im Streitfall auch Mischformen der drei erwähnten Merkmale nicht feststellen, also zum Beispiel nicht künstlerisch-artistische oder sportlich-artistische oder zugleich sportliche und künstlerische Darbietungen, wovon man etwa sprechen kann, wenn in einem exklusiven Varieté ein Geiger in artistischen Posen ein anspruchsvolles Musikstück spielt oder eine Athletengruppe aus ihren Körpern mit erheblichem turnerischen Können wechselnde Pyramiden baut usw. Dabei kann es dahinstehen, ob man sich bei solchen Aktivitäten noch im Bereich der Merkmale "künstlerisch", "sportlich" oder "artistisch" bewegt oder ob es sich dabei um "ähnliche" Darbietungen handelt. Auch bedarf es in diesem Zusammenhang keiner Erörterung, ob etwa "artistische" Darbietungen nicht ohnehin schon eine Mischung sportlicher und künstlerischer Elemente darstellen (vgl. die Nachweise bei Maßbaum, a.a.O., Anm. 535).

Der Begriff der "ähnlichen Darbietungen" umfasst nach der Auslegung des Senats ein weites Spektrum. Dazu rechnen zunächst nicht nur hochrangige Leistungen im Grenzbereich von Kunst, Sport und Artistik, sondern - als Ergebnis einer "horizontal erweiternden" Auslegung - jede hochrangige Darbietung, die sich der Mittel dieser Gattungen und ihrer Mischformen bedient. Dabei wäre etwa an einen Showmaster zu denken, der unter Einsatz von Witz und Schlagfertigkeit ein Quiz durchführt und daneben selbst beachtliche musikalische oder schauspielerische oder artistische Einlagen erbringt, ohne dass die gesamte Darbietung bei natürlicher Betrachtung als künstlerisch, sportlich oder artistisch oder als eine Grenz- oder Mischform erschiene (ähnlich Keßler, Betriebsberater 1986, 1890, unter 4.2.2.2 ).

Darüber hinaus aber hält der Senat - als Ergebnis einer "vertikal erweiternden" Auslegung -Aktivitäten auf niedrigerem Niveau, die die gesamte soeben beschriebene Bandbreite umfassen, ebenfalls für "ähnliche" Darbietungen. Dabei bedarf es nicht der vom Kläger geforderten Prüfung, ob bei den Darbietungen noch gewisse Ansätze von Gestaltungskraft oder schöpferischer Eigeninitiative festzustellen sind. Es reicht aus, wenn - wie im Streitfall unbestritten -, die Darbietungen das Ergebnis einer über das Dilettantische hinausgehenden Schulung und Vorbereitung sind, dergestalt, dass Dritte vergleichbare Darbietungen nicht nachahmen könnten, ohne ihrerseits erhebliche Fertigkeiten sowie Aufwand an Vorbereitungszeit und Einübung einzusetzen. Der Senat lässt sich bei dieser Auslegung von folgenden Überlegungen leiten:

Rechtsprechung zum Merkmal "ähnlich" in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG, liegt, soweit ersichtlich, nicht vor. Die Rechtsprechung zu § 18 Abs.1 Nr.1 EStG ("ähnliche Berufe") und § 4 Nr.14 UStG ("ähnliche heilberufliche Tätigkeit") verlangt, dass die ähnlichen Berufe den konkret genannten Berufen in wesentlichen Punkten entsprechen, und bezieht sich vor allem auf das prägende Merkmal einer Regelung der Berufserlaubnis und -aufsicht (vgl. etwa BFH-Urteil vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BFHE 161, 196, BStBl II 1990, 804), was im Grunde das Ergebnis einer Auslegung ist, die oben als horizontale Erweiterung beschrieben wurde. Bei der Kunst, dem Sport und der Artistik gibt es keine vergleichbar prägenden Merkmale. Ihr Fehlen nötigt zu einer anderen Auslegung (in diesem Sinne auch Maßbaum, a.a.O., Anm. 536).

Bei der Auslegung hilft der Wortsinn nicht weiter. Im Sprachgebrauch gilt die Bezeichnung "ähnlich" für eine Fülle verschiedener Vergleiche. Nicht nur Zwillinge sind sich ähnlich; die unterschiedlichsten Lebenserscheinungen "ähneln" sich, ohne dass sich eine Regel dazu aufstellen ließe, auf welcher Ebene oder in welcher Richtung man sich dabei gedanklich zu bewegen hätte. Das Niedrigste kann dem Höchsten ähnlich sein, das Einfachste dem Kompliziertesten. Jede Art von Anleihe eines Merkmals rechtfertigt den Gebrauch des Wortes "ähnlich".

Eine verlautbarte Gesetzesbegründung zum Begriff "ähnlich" liegt nicht vor. Die Stimmen der Literatur bieten dem Senat keine überzeugenden Auslegungshilfen. Maßbaum (a.a.O., Anm. 536), der verschiedene Meinungsäußerungen ausgewertet hat, gelangt zu dem Ergebnis, dass "der Wortlaut als Auslegungsregel für einen weiten Begriff der künstlerischen, sportlichen und artistischen Darbietungen zu verstehen" sei. Welche Art der Erweiterung (im beschriebenen Sinne horizontal oder vertikal) und welcher Umfang der Erweiterung damit gekennzeichnet sein soll, wird nicht vollkommen deutlich. Maßbaum fordert allerdings - darauf fußen offenbar die Einwendungen des Klägers -, dass im Bereich der Darbietungen, die den künstlerischen ähnlich seien, eigenschöpferische Leistungen mit neuen Ideen, eigener Gestaltungskraft und Individualität vorliegen müssten. Das spräche für das Erfordernis einer gewissen Leistungshöhe auch im Bereich der den sportlichen oder artistischen ähnlichen Darbietungen. Maßbaum (ebenso Lüdicke in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum EStG, 4. Aufl., § 49 Anm. 474) widerspricht einer Erfassung des gesamten Show- und Unterhaltungsgeschäfts, wie sie unter anderem die Finanzverwaltung unter Tz. 2.2.1 der BMF-Schreiben vom 30. Mai 1995 und vom 23. Januar 1996 (BStBl I 1995, 337, und 1996, 89) - und mit ihr der Beklagte - für richtig hält (ebenso Keßler, a.a.O., Krabbe, Finanz-Rundschau 1986, 425; Wied in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 49 EStG Rz. 73j). Das lässt vermuten, dass Maßbaum von einer - bildlich gesprochen - höchsten Stufe aus eine vertikale Erweiterung allenfalls bis zu einer zweiten Stufe gelten lässt; darunter wäre eine dritte Stufe zu denken, die zwar noch Anleihen bei der Kunst, dem Sport oder der Artistik macht, der aber die geforderten neuen Ideen, die eigene Gestaltungskraft und Individualität fehlen. Dem kann der Senat bei seiner Auslegung nicht folgen.

Die Enstehungsgeschichte des Gesetzes und seine verlautbarte Begründung lassen allerdings den Sinn des Gesetzes in dem hier streitigen Zusammenhang ebenfalls nicht erkennen. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG ist durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl. I 1985, 2436) in § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG eingefügt worden. In der vorhergehenden Fassung verlangte das Gesetz für die Besteuerung der beschränkt Steuerpflichtigen mit vergleichbaren Einkünften aus Gewerbebetrieb eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter im Inland; darauf wurde lediglich bei Einkünften aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG verzichtet. Die Begründung des Regierungsentwurfs zum Steuerbereinigungsgesetz 1986 (Bundestags-Drucksache 10/1636 Seite 64) sagt dazu folgendes: "Der neue Buchstabe d in § 49 Abs. 1 Nr. 2 stellt klar, dass auch bei neueren Vertragsgestaltungen die beschränkte Steuerpflicht im Inland eindeutig gegeben ist. So sind z.B. ausländische Unternehmen, insbesondere in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft, dazu übergegangen, Künstler oder Berufssportler dem inländischen Veranstalter nicht im Wege der Vermittlung, sondern im eigenen Namen und für eigene Rechnung zur Verfügung zu stellen. Durch die Ergänzung wird sichergestellt, dass in diesen Fällen beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch dann vorliegen, wenn im Inland eine Betriebsstätte nicht unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter nicht bestellt ist. Dies soll unabhängig davon gelten, ob die zu erbringende Leistung in einem oder mehreren Verträgen vereinbart wird und ob der Gläubiger selbst oder ein Dritter die Vergütung für die in dieser Vorschrift ausgeübten oder verwerteten Tätigkeiten erhält." Eine Begründung für die Umschreibung des von der Neuregelung betroffenen Personenkreises liegt darin nicht. Der Senat kann der Begründung keine Klarstellung einer bestehenden Gesetzesabsicht entnehmen, sondern nur eine Neuregelung mit dem Zweck, zu Tage getretene Besteuerungslücken zu schließen.

Der Senat hat sich bemüht, einen sinnvollen Gesetzeszweck zu erschließen (teleologische Auslegung). Nach seiner Auffassung dürfen die Merkmale der Abzugsbesteuerung bei beschränkter Steuerpflicht von Künstlern usw. einerseits und die Merkmale der Zuweisungen des zwischenstaatlichen Besteuerungsrechts andererseits (hier Artikel 17 Abs. 1 und 2 des OECD-Musterabkommens 1977, dem Art. 17 Abs. 1 und 2 des Doppelbesteuerungsabkommens - DBA - Tschechien weitgehend entspricht) inhaltlich nicht entscheidend voneinander abweichen. Nur so lassen sich grundsätzlich nicht nur Doppelbesteuerungen, sondern auch Besteuerungslücken vermeiden. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG darf auf der Grundlage dieses Zwecks jedenfalls keinen engeren Personenkreis erfassen, als sich aus der Zuweisung des Besteuerungsrechts für Künstler und Sportler durch DBA ergibt. § 50d EStG lässt sogar erkennen, dass das deutsche Steuergesetz bereit ist, den Steuerabzug und die Haftung bei dem Vergütungsschuldner auch auf die Möglichkeit hin durchzusetzen, dass nach DBA gegenüber dem Vergütungsgläubiger kein inländisches Besteuerungsrecht besteht (sog. treaty overriding; vgl. Debatin, a.a.O., MA Art. 1 Rz. 12, mit weiteren Nachweisen).

Der in Art. 17 des OECD-Musterabkommens (und des DBA Tschechien) genannte Personenkreis folgt den traditionellen Begriffsbildungen des Doppelbesteuerungsrechts. Sie entsprechen im Bereich der steuerpflichtigen Künstler nicht den Kategorien des § 18 EStG oder gar des Art. 5 des Grundgesetzes (GG). Vielmehr sind danach alle unterhaltenden Darbietungen zu besteuern, die - so die englische Originalfassung des OECD-Musterabkommens - von "Entertainern" (französisch: "artistes du spectacle") erbracht werden. Es reicht aus, wenn die Darbietungen ausschließlich den Zweck haben, der Zerstreuung oder dem Zeitvertreib zu dienen oder zu erheitern oder zu vergnügen (vgl. im Einzelnen Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar, MA Art. 17, Rz. 9, 21 ff.). Nach den Erkenntnissen des Senats fallen die Darbietungen der Rittergruppe in diesen Bereich und damit nach dem Vorhergesagten zugleich in den Bereich der ähnlichen Darbietungen.

Der Senat teilt nicht die von einigen Stimmen der Literatur geäußerten Bedenken, nach denen das Merkmal "ähnlich" zu unbestimmt sei und daher verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung begegne (hierzu namentlich Heinicke, a.a.O., Rz. 28, unter Hinweis auf Art. 20 Abs. 3 GG, §§ 3 Abs. 1, 38, 85 der Abgabenordnung - AO - und den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Februar 1959, 2 BvL 10/56, BVerfGE 9, 137 [147]). Es erscheint zwar grundsätzlich richtig, der Gefahr einer zu weiten und ungenauen Auslegung des Merkmals der ähnlichen Darbietung und damit einer Ausuferung der Besteuerung vorzubeugen. Indessen sieht der Senat im Streitfall und in vergleichbaren Fällen eine solche Gefahr nicht. Kunst, Sport, Artistik und ihre Grenzgebiete einschließlich des gesamten Show-Geschäfts im weitesten Sinne sind hinreichend bestimmte Gebiete. Die erforderliche Limitierung der Besteuerung ergibt sich bereits aus den zu erfassenden Lebenssachverhalten selbst. Die bezahlte Nachfrage im Inland nach ausländischen Darbietungen vor Publikum besteht nur bei Künstlern usw., die eine bestimmte Anziehungskraft aufweisen. Weiterer Einschränkungen bedarf es nicht. Man würde sonst eine "übergenaue" Tatbestandsmäßigkeit mit Besteuerungslücken erkaufen.

Der Beklagte hat das ihm nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO zustehende Ermessen beim Erlass des Haftungsbescheides fehlerfrei ausgeübt. Den ausländischen Steuerschuldner vorrangig gemäß § 50a Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 EStG durch Steuerbescheid in Anspruch zunehmen, bestand kein Anlass. Ein solcher Steuerbescheid müsste im Ausland oder unter Ausnutzung lediglich sporadischer Zugriffsmöglichkeiten im Inland vollzogen werden. Darauf muss sich der Beklagte nicht verweisen lassen (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 3. Dezember 1996 I B 44/96, BFHE 181, 562, BStBl I 1997, 306; BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 I R 61/85, BFHE 154, 473, BStBl II 1989, 99). Vielmehr liegt im Streitfall die typische Situation vor, die die gesetzlich vorgesehene Haftung des Vergütungsschuldners sinnvoll macht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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