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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.01.2006
Aktenzeichen: 1 Bf 92/05
Rechtsgebiete: JAO, JAG, VO zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare


Vorschriften:

JAO § 28 Abs. 2
JAG § 37 Abs. 2
VO zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare § 3
Die Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare darf Einkünfte aus Nebentätigkeiten teilweise auf die Unterhaltsbeihilfe anrechnen.
1 Bf 92/05

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Meffert und E.-O. Schulz am 4. Januar 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 1.700,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger befand sich seit dem 1. Juni 2003 als Rechtsreferendar bei der Beklagten in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Hierfür erhielt er eine monatliche Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 850,-- Euro. Seine Einkünfte aus Nebentätigkeiten rechnete die Beklagte gemäß § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare vom 30. Juli 2002 (HmbGVBl. S. 216) auf die Unterhaltsbeihilfe an. Sein gegen die Anrechnung eingelegter Widerspruch blieb ebenso wie die dagegen erhobene Klage ohne Erfolg.

II.

Dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung muss ebenso der Erfolg versagt bleiben. Die von ihm dargelegten Gründe besonderer rechtlicher Schwierigkeiten, ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO) dringen nicht durch. Die dargelegten Zulassungsgründe liegen sämtlich nicht vor.

1. Entgegen der Ansicht des Klägers fehlt es nicht an der nötigen Ermächtigungsgrundlage für § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare. Sowohl § 28 a Abs. 2 Satz 2 JAO in der Fassung des 12. Gesetzes zur Änderung der Juristenausbildungsordnung vom 3. Juli 2002 (HmbGVBl. S. 122) als auch § 37 Abs. 2 des Hamburgischen Juristenausbildungsgesetzes vom 11. Juni 2003 (HmbGVBl. S. 156) stellen eine Ermächtigungsgrundlage für die hier angegriffene Anrechnungsvorschrift dar, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß die beanstandete Anrechnungsvorschrift hinreichend bestimmt vorprägen.

Bereits der Wortlaut des § 28 Abs. 2 Satz 2 JAO und des wortgleichen § 37 Abs. 2 Satz 2 JAG besagt, dass eine Anrechnung anderweitigen Einkommens möglich ist. Die Norm beinhaltet auch ein ausreichend bestimmtes Programm für den Verordnungsgeber, in welchem Umfang und mit welcher Zwecksetzung er die Anrechnung vorsehen darf:

Nach den vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 80 Abs. 1 GG entwickelten Rechtsgrundsätzen, die auf Art. 53 Abs. 1 der Hamburgischen Verfassung übertragen werden können, ist eine Ermächtigung auch dann nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt, wenn sich die Bestimmtheit durch Auslegung im Rahmen der allgemeinen gültigen Auslegungsmethoden ermitteln und feststellen lässt. Dabei können zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung, wie auch sonst bei der Auslegung von Vorschriften, der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Bestimmungen und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden (BVerfG, Beschl. v. 25.11.1980, BVerfGE Bd. 55, S. 207, 226). Satz 1 von § 28 a Abs. 2 JAO begrenzt die Höhe des Unterhaltsbeitrages auf eine Unterhaltsbeihilfe und setzt damit einen Rahmen für deren Inhalt und Umfang (vgl. Bü-Drucks. 17/901, Begründung zu § 26 a JAO). Damit wird vorgegeben, dass der monatliche Unterhaltsbeitrag nicht zwingend in jedem Falle den Unterhalt des Referendars vollständig zu sichern bestimmt ist, sondern lediglich zu seinem Lebensunterhalt beitragen soll. Zwar haben sich Referendare nach § 28 a Abs. 1 Satz 1 JAO der Ausbildung mit vollem Einsatz ihrer Arbeitskraft zu widmen. Im Übrigen verweist Satz 2 dieser Vorschrift mit wenigen Ausnahmen auf die Bestimmungen, die für Beamte auf Widerruf gelten. Ziel der praktischen Ausbildung nach § 29 Abs. 2 JAO war aber nicht die Nutzbarmachung der Arbeitskraft des Referendars, sondern die Ausbildung, an der sich das Maß und die Art der dem Referendar zu übertragenden Arbeiten orientieren sollte. Da die gesamte praktische Ausbildung gemäß § 33 Abs. 1 JAO lediglich zwei Jahre dauerte, liegt es nahe, dass der Referendar, um die Ziele der Ausbildung zu erreichen, seine Arbeitskraft vollen Umfangs der Ausbildung, nicht aber sonstigen zeitraubenden Tätigkeiten, insbesondere Erwerbstätigkeiten, widmen sollte.

An dieser Zweckrichtung orientiert sich die Anrechnungsregelung des § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare. Die Anrechnung hält Referendare zwar nicht von jedweder Nebentätigkeit ab; die Anrechnungsregelung vermindert aber jenseits des Freibetrages von 500,-- Euro die Attraktivität entgeltlicher Nebentätigkeiten, da jeweils 50 % des 500,-- Euro überschießenden Betrages auf die Unterhaltsbeihilfe angerechnet werden. Ab einen Betrag von 2.200,-- Euro, die der Referendar für eine Tätigkeit erhält, entfällt die Unterhaltsbeihilfe vollen Umfangs. Damit stützt § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare den Zweck der Ausbildung, sich in der Zeit der Ausbildung vollen Umfangs und unter Einsatz möglichst der gesamten Arbeitskraft der Ausbildung zu widmen.

Angesichts des Umstandes, dass sonstige Einkünfte, die mit einer Tätigkeit des Referendars nicht verbunden sind, wie z.B. Einkünfte aus Vermögen, sein Zeitbudget in der Regel nicht oder nur geringfügig beanspruchen, entspricht es auch dem Sinn und Zweck der Verordnungsermächtigung, wenn die Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare eine Anrechnung derartiger Einkünfte auf den Unterhaltsbeitrag nicht vorsieht. Denn derartige Einkünfte berühren die Ausbildung und deren Erfolg nicht.

2. Soweit der Antragsteller darüber hinaus rügt, dass es an Vorschriften zur Höhe der Ermittlung des Entgeltes fehle, überzeugt diese Rüge nicht. Denn ersichtlich setzt die Beklagte die Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe so um, wie sie formuliert ist: Es werden Unterhaltsbeihilfen in Form von Bruttobeträgen gezahlt und darauf Entgelte angerechnet, die (brutto) 500,-- Euro (brutto) übersteigen. Hinreichend deutlich ist auch, dass die Anrechnungen jeweils monatlich auf den monatlich zu zahlenden Unterhaltsbeitrag erfolgen sollen. Auch wenn dies nicht ausdrücklich in der Verordnung geregelt ist, ergibt sich das aus dem Zusammenhang der Vorschriften der §§ 1 und 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe unschwer.

3. Der Senat vermag dem Kläger auch nicht in der Annahme zu folgen, dass § 3 Unterhaltsbeihilfeverordnung gegen Art. 12 Abs. 1 GG insofern verstoße, als diese Vorschrift das Recht auf Verwertung der eigenen Arbeitskraft einschränke. Ein Verbot oder eine Einschränkung der Möglichkeit durch entgeltliche Tätigkeit Einkommen zu erzielen enthält § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe nicht. Die gestaffelte Anrechnungsregelung reduziert lediglich den Anreiz, über den anrechnungsfreien Betrag von 500,-- Euro monatlich hinaus entgeltliche Tätigkeiten zu übernehmen. Dies geht, wie oben dargestellt, konform mit dem Sinn und Zweck sowohl der Ermächtigungsgrundlage als auch der Referendarausbildung insgesamt. Da es sich bei der Unterhaltsbeihilfe nicht um Anwärterbezüge und auch nicht um eine Vergütung für die Ausbildung handelt, sondern der Gesetzgeber ausdrücklich nur einen Beitrag zum Unterhalt leisten will, ist es auch nicht zu beanstanden, dass dem Referendar ab einer entgeltlichen Tätigkeit von 2.200,-- Euro monatlich in Folge der Anrechnungsregelung des § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe keine Unterhaltsbeihilfe mehr gewährt wird, obwohl er weiterhin verpflichtet bleibt, sich mit seiner ganzen Arbeitskraft der Ausbildung zu widmen. Denn die Ausbildung dient nicht der Nutzbarmachung seiner Arbeitskraft. Vielmehr soll der Referendar in der praktischen Ausbildung durch Tätigkeit lernen, Tatsachen festzustellen und zu ordnen, zu argumentieren, Konflikte zu entscheiden oder durch Vorbeugung zu vermeiden und die Wechselwirkung zwischen Recht und Wirklichkeit zu erfassen. Zugleich soll er angeregt werden, Arbeitsweisen und Ergebnisse der Praxis wissenschaftlich zu verarbeiten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 JAO). Dient demnach die Ausbildung des Rechtsreferendars überwiegend dem Interesse des Referendars selbst und hat die Beklagte mithin kein - wirtschaftliches - Interesse an der Verwertung der Arbeitskraft des auszubildenden Referendars, so besteht kein zwingender Grund ihm für die ganztägige Ausbildungstätigkeit einen Mindestunterhaltsbeitrag zu belassen, wenn er seinen Unterhalt durch anderweitige Nebentätigkeiten selbst sichert. Der Unterhaltsbeitrag stellt eben keine Vergütung für die während der Ausbildung für die Beklagte geleisteten Dienste dar.

4. Soweit der Kläger beanstandet, dass das Verwaltungsgericht teilweise falsche Rechtsgrundlagen seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat, begründet dies keine Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Denn inhaltliche Differenzen zwischen § 37 Abs. 2 JAG und § 28 a Abs. 2 JAO bestehen nicht. § 37 Abs. 2 JAG hat § 28 a Abs. 2 JAO wortgleich übernommen. Darüber hinaus gilt gemäß § 49 Abs. 3 JAG die Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare vom 30. Juli 2002 als auf Grund dieses Gesetzes erlassen. Mithin spielt es für das Ergebnis keine Rolle, ob das Verwaltungsgericht zu Recht bei seinen Überlegungen § 37 Abs. 2 JAG i.V.m. § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe zu Grunde gelegt hat oder doch richtigerweise sich hätte auf § 28 a Abs. 2 JAO i.V.m. mit der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe hätte stützen müssen. Entgegen der Ansicht des Klägers sind auch Referendare, die unter der Geltung des JAG den Vorbereitungsdienst absolvieren, verpflichtet, sich vollen Umfangs ihrer Ausbildung zu widmen. Eine rechtliche Differenz zwischen den Vorschriften des JAG und der JAO ist damit schwerlich erkennbar. Denn gemäß § 37 Abs. 1 JAG i.V.m. § 59 Satz 1 HmbBG hat sich der Referendar mit voller Hingabe seinem Beruf, nämlich seiner Ausbildung zu widmen. Dies entspricht § 28 a Abs. 1 Satz 1 JAO, wonach sich Referendare der Ausbildung mit vollem Einsatz ihrer Arbeitskraft zu widmen haben.

5. Es kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen, ob die Anrechnungsregelung des § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare in Fällen familiärer Unterhaltspflichten des Referendars für Ehefrau und/oder Kinder mit Art. 6 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist. Sollte dies nicht der Fall sein, würde die Vorschrift zwar gegen das Grundgesetz verstoßen und auf solche Fälle nicht anwendbar sein. Dies hat aber entgegen der Ansicht des Klägers nicht zur Folge, dass § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare insgesamt nicht anwendbar ist. Das Oberverwaltungsgericht verfügt, anders als das Bundesverfassungsgericht, nicht über die Kompetenz, die Vorschrift einer Verordnung als insgesamt verfassungswidrig und damit nichtig zu verwerfen. Vielmehr kann das Gericht lediglich inzident in den Entscheidungsgründen feststellen, dass eine Verordnungsvorschrift mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und daher in dem zu entscheidenden Falle nicht anwendbar ist. Dies bezieht sich vorliegend allerdings allenfalls auf Fälle der Kollision mit Art. 6 GG. Da der Kläger nicht geltend macht, dass in seinem Fall eine solche Kollision des § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare mit seinem Recht aus Art. 6 GG in Betracht kommt, bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob aus diesem Grunde § 3 der Verordnung in Fällen des Art. 6 GG nicht anwendbar ist. Auch kann nicht festgestellt werden, dass die Anrechnungsregelung insgesamt ihren Sinn verlöre, wenn sie in den Fällen des Art. 6 GG nicht angewendet würde.

6. Soweit der Kläger annimmt, dass eine Rechtsanwendungsgleichheit deshalb nicht gewährleistet sei, weil die Beklagte mangels Angabe seitens der Referendare gerade nicht von allen deren Hinzuverdienst kenne, und es keine entsprechenden Kontrollmöglichkeiten gebe, um bei allen Hinzuverdiensten gleichermaßen anzurechnen, bewegen sich seine Darlegungen im Rahmen von Spekulationen und Vermutungen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben sich daraus nicht. Die Beklagte hat dazu vielmehr im gerichtlichen Verfahren unter Beweisantritt dargelegt, dass die Personalstelle für Referendare bei allen Referendaren, die mehr als 500,-- Euro hinzuverdienten eine Kürzung vornehme. Dies sei bei 23,5 % der Referendarinnen und Referendaren der Fall. Bei dieser Sachlage reichen die Vermutungen und Annahmen des Klägers nicht aus, ernstliche Zweifel an der Entscheidungsgrundlage und damit an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu begründen.

7. Soweit der Kläger die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, "inwieweit § 3 Unterhaltsbeihilfeverordnung i.V.m. § 28 a Abs. 2 Satz 2 Juristenausbildungsordnung nicht mit den Vorgaben der Hamburger Verfassung und des Grundgesetzes zu vereinbaren und daher nichtig ist", erscheint es schon zweifelhaft, ob der pauschale Verweis auf die Hamburgische Verfassung und das Grundgesetz als Darlegung entscheidungserheblicher Rechtsfragen, die grundsätzlicher Klärung bedürfen, ausreicht. Jedenfalls bedarf es aber, wie oben ausgeführt, nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens zur Klärung der in den Darlegungen zum Zulassungsantrag aufgeworfenen Frage der Vereinbarkeit von § 3 der Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare mit der Hamburger Verfassung und dem Grundgesetz. Soweit der Kläger die Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit Art. 6 GG rügt, stellt sich die insofern grundsätzlich bedeutsame Frage im vorliegenden Verfahren nicht, da sie, wie oben dargestellt, für die Entscheidung ohne Relevanz ist.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO, 47 Abs. 3, 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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