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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.07.2007
Aktenzeichen: 1 Bs 137/07
Rechtsgebiete: LottStVtvG HA, StGB, EG


Vorschriften:

LottStVtvG HA § 5
StGB § 284
EG Art. 43
EG Art. 49
Der Senat hält auch nach der Entscheidung des EFTA Gerichtshofs vom 30. Mai 2007, E-3/06 und der Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 14. Mai 2007 an seiner Rechtssprechung fest, dass das staatliche Oddset-Monopol für Sportwetten übergangsweise fortgilt.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

Beschluss

1 Bs 137/07

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld und Schulz sowie die Richterin Walter am 6. Juli 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt, den Beschluss des OVG Hamburg vom 9. März 2007, 1 Bs 339/06, und den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 14. November 2006, 4 E 3018/06 abzuändern, mit denen ihr Antrag ohne Erfolg blieb, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 18. September 2006 wiederherzustellen. Mit dieser hatte ihr die Antragsgegnerin u.a. untersagt, Oddset- Wetten zu veranstalten oder zu vermitteln. Das Verwaltungsgericht hat ihren Abänderungsantrag mit Beschluss vom 24. Mai 2007 abgelehnt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO hier allein zu prüfen hat, geben keinen Anlass, den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, die genannten früheren Beschlüsse im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO abzuändern.

1. Die Antragstellerin macht geltend, entgegen der Rechtsprechung des OVG Hamburg und des VG Hamburg verlange der Europäische Gerichtshof (Urt. vom 6. März 2007), dass ein nationales Sportwettmonopol nicht nur voraussetze, dass kohärent und systematisch die Wetttätigkeit beschränkt werde, sondern dass Glückspielpolitik insgesamt unter Einbeziehung weiterer Glückspielsektoren kohärent ausgestaltet sein müsse. Diese Konsistenz fehle der Glückspielpolitik der Antragsgegnerin, die das Automatenspiel ausgedehnt und die Spielbank online in das Internet gesetzt habe. Dies überzeugt nicht. Das Beschwerdegericht hat hierzu zuletzt mit Beschluss vom 19. Juni 2007, 1 Bs 131/07 ausgeführt:

"Es kommt nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin auch in anderen Sektoren des Glückspielmarkts, insbesondere im Bereich des Lotto und Toto sowie der Spielbanken und der Geldspielgeräte, das Ziel einer Verminderung der Spielgelegenheiten verfolgt (a.A. OVG Saarlouis, Beschl. vom 4.4.2007, 3 W 23/06). Der Europäische Gerichtshof (a.a.O. Rn 53) hat nicht verlangt, dass die Zahl der Wirtschaftsteilnehmer nur begrenzt werden darf, wenn nicht nur in einem Teilbereich des Gesamtmarktes für alle Glückspiele die Tätigkeiten kohärent und systematisch begrenzt werden, sondern in allen unterschiedlichen Glückspielmärkten. Der Europäische Gerichtshof (a.a.O.Rn 72), der eine Kontrolle der jeweiligen einzelnen Regelungen verlangt, spricht vielmehr in seiner Antwort auf die Vorlagefragen ausdrücklich von den "Glückspielsektoren". Er verweist in Rn 53 zur Begründung seines Grundsatzes, dass die Beschränkungen in jedem Fall dem Anliegen gerecht werden müssen, die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu begrenzen, ausdrücklich auf die Randziffern 62 und 67 seines Urteils vom 6.11.2003, C 243/0, - Gambelli -. Dort hat er ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Maßnahmen zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen müssen. Es ist zulässig, auch Gefahren in einem Sektor der Glückspiele zu bekämpfen, wenn es an einem kohärenten Gesamtkonzept für die gleichzeitige Suchtprävention in anderen Glückspielbereichen fehlt. Da es sich um unterschiedliche Märkte mit einem unterschiedlichen Spielsuchtpotential handelt, darf der Staat für die einzelnen Bereiche gesonderte Einzelkonzepte entwickeln.

Demgegenüber dringt die Antragstellerin nicht mit ihrem Hinweis auf das von ihr - ohne Datum - eingereichte Aufforderungsschreiben der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu den Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheiten auf dem Gebiet der Sportwetten durch. Zwar kritisiert die Kommission darin, dass die deutschen Behörden keine konsistente und systematische Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele betrieben und sie ihre expansive Politik im Bereich der Kasinospiele fortsetzten und die Spielverordnung in der Fassung vom 1. Januar 2006 für das Spiel an Spielautomaten Erleichterungen eingeführt habe. Dies wie auch der Hinweis auf die eher expansive Durchführung der Lottospiele ändern aber nichts daran, dass die Eignung des Sportwettmonopols, zur Bekämpfung der Spielsucht beizutragen, wie oben auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dargelegt, gesondert für den Glückspielsektor der Sportwetten zu prüfen ist.

Auch überzeugt der Hinweis der Kommmission nicht, es lägen keinerlei Nachweise für ein Risiko oder zumindest potenzielles Risiko der Spielsucht für die 20 Millionen Menschen vor, die jede Woche in Deutschland Lotto spielen oder auf Sportwetten setzen. Immerhin belief sich die Zahl der Spielsüchtigen nach einer von der Kommission zitierten Schätzung des Instituts für Therapieforschung und der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen auf 90.000. Wenn nach dem in dem Schreiben der Kommission genannten Abschlussbericht der Universität Bremen, Institut für Psychologie und Kognitionsforschung, vom Mai 2005 ein irrationales Suchtverhalten bei Lotterien kaum zu beobachten ist, aber das Risiko für Sportwetten höher eingeschätzt wird, spricht dies gerade für eine gesonderte Betrachtung der einzelnen Glückspielsektoren. Die Behörden müssen nicht abwarten, bis die durch Sportwetten, deren Anteil am Gesamtspielumsatz in Deutschland nach dem Schreiben der Kommission lediglich 5 % ausmachen soll, verursachte Spielsucht mit der Ausweitung des Spielangebots ein quantitativ auch im Vergleich mit anderem Suchtverhalten großes Ausmaß angenommen hat. Zu bedenken ist, dass die Zulassung privater Sportwettveranstalter das Wettangebot und den Wettmarkt erheblich ausdehnen kann (vgl. Hecker, ZfWG 2007, 119 ff) und damit ein erhebliches Gefährdungspotential beinhaltet. Das Vorbringen der Antragstellerin trifft nicht zu, es gebe keine Untersuchungen zu den Suchtgefahren von Sportwetten. Die Kommission berichtet aus der dem Bundesverfassungsgericht vorgelegten Studie von Meyer (2005) "Gefährdungspotenzial von Lotterien und Sportwetten", in der von den untersuchten 828 Fällen problematischen Spielverhaltens 8 % auf die Sportwetten entfielen. Das Ausmaß der Spielsucht kann mit der Ausweitung des Wettmarktes beträchtlich steigen. Nach allem teilt das Beschwerdegericht die Auffassung der Kommission nicht, die mit dem Sportwettmonopol verbundene Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sei nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

Auch führt der Hinweis der Antragstellerin auf die Stellungnahme der Kommission in dem Notifizierungsverfahren 2006/658/D für den Entwurf eines Staatsvertrages zum Glückspielwesen in Deutschland nicht zum Erfolg. Insoweit beziehen sich die Bedenken der Kommission ausschließlich auf das Verbot, Lottospiele und Sportwetten im Internet anzubieten."

Hieran hält der Senat fest. Die von der Antragstellerin herangezogene Entscheidung des EFTA Gerichtshofs vom 30. Mai 2007, E-3/06, veranlasst das Beschwerdegericht nicht, seine Rechtsauffassung aufzugeben. In jenem Verfahren ging es u.a. um die Einrichtung eines Monopols in Norwegen im Bereich der Geldspielautomaten (vgl. Winkelmüller, GewArch 2007, 235). Zwar verlangt der Gerichtshof Rn 45, dass die Spielpolitik als Ganzes auf eine Verminderung der Spielmöglichkeiten ausgerichtet sein müsse. Zugleich differenziert der EFTA-Gerichtshof Rn 52 ff, 57 aber zwischen den einzelnen Glückspielarten bzw. Glückspielmärkten und scheint er dem Lotto-Spiel - was plausibel erscheint - eine geringere Suchtgefahr beizumessen. Die Anreize und Gefährdungen, die von dem Spiel an Geldspielautomaten sowie in Spielbanken ausgehen und die Reize sowie Gefährdungen der Oddset-Wetten sind derart verschieden, dass der Staat unterschiedliche Einzelkonzepte zur Eindämmung und Bekämpfung der unterschiedlichen Spielsüchte verfolgen darf.

2. Auch die Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 14. Mai 2007 zu dem Entwurf eines Glückspielstaatsvertrages führt nicht zum Erfolg der Beschwerde.

Soweit die Europäische Kommission Bedenken gegen die in dem Vertragsentwurf vorgesehenen Beschränkungen des freien Zahlungsverkehrs nach Art. 56 Abs. 2 EGV erhebt, ist nicht ersichtlich, dass diesen Bedenken nicht durch eine Überarbeitung der Entwurfes Rechnung getragen werden könnte. Ferner beanstandet die Kommission, der Entwurf eines neuen Glückspielstaatsvertrages beinhalte zwar ein Verbot, dass Internet-, Fernseh- und Telefondienstleister Werbedienste für Glückspiel anböten, dieses Verbot gehe aber über das erforderliche Maß hinaus, da es die Werbung per Post, in der Presse oder im öffentlichen Raum nicht erfasse. Auch sei es problematisch, eine ausländische Mannschaft wegen des Verbots der Trikot- und Bandenwerbung daran zu hindern, das LOGO ihres Sponsors zu tragen. Auch diesen Bedenken wird im Wege einer Überarbeitung des Entwurfes - wenn dies gewollt ist - Rechnung getragen werden können. Das gilt auch für die von der Kommission befürchtete Diskriminierung ausländischer Spielvermittler, die insbesondere von den Lottogesellschaften der Deutschen Bundesländer veranstaltete Lotterien und Sportwetten anbieten. Entsprechendes gilt für die Bedenken der Kommission, die Aktivitäten der Lottogesellschaften in dem Vertrag auf das jeweilige Bundesland zu begrenzen. Auch wenn der Entwurf des Glückspielstaatsvertrages möglicherweise einer umfangreichen Überarbeitung bedarf, ist damit nicht - wie die Antragstellerin vorbringt - ausgeschlossen, dass die Bundesländer einen neuen Glückspielstaatsvertrag bis zum Ablauf der von dem Bundesverfassungsgericht bis Ende 2007 gesetzten Übergangsfrist verabschieden.

3. Ebenso führt das Vorbringen nicht weiter, der Europäische Gerichtshof habe in Sachen Lindmann, (Urt. vom 13.11.2003, Slg 2003 I-13519) verlangt, dass dem nationalen Gesetzgeber, der die Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Glückspiele beschränke, vor Erlass des Gesetzes eine Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Maßnahmen vorgelegen habe. Dies ist nicht so. Es müssen lediglich die Rechtfertigungsgründe, die von einem Mitgliedstaat geltend gemacht werden, von einer solchen Untersuchung begleitet sein. Deshalb genügt, dass sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.3.2006 (a.a.O.) auf eine Untersuchung zu dem Gefahrpotential gestützt hat, das für suchtgefährdete Spieler mit einer Ausweitung der Sportwetten verbunden ist. Ergänzend wird auf die obigen Ausführungen zu 1 verwiesen.

4. Auch kommt es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht darauf an, ob in anderen Bundesländern in einem über das von dem Bundesverfassungsgericht erlaubte Maß hinausgehenden Umfang geworben wird. Der Anwendungsvorrang des europäischen Rechts ändert nichts daran, dass die Antragsgegnerin angesichts der Eigenständigkeit der einzelnen Bundesländer nur für den Bereich ihres Landes für die Einhaltung der Werbeschränkungen verantwortlich ist. Zwar wird der Toto- und Lottoblock länderübergreifend tätig. Es ist aber nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass die Antragsgegnerin die länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Erstellung und dem Vertrieb der staatlichen Oddset-Wetten missbräuchlich nutzt, um sich den Anforderungen an den Fortbestand des staatlichen Wettmonopols zu entziehen. So wurde im Deutschen Lotto- und Totoblock eine Arbeitsgruppe "Suchtprävention" eingerichtet, die blockweite Standards für die Spielsuchtprävention erarbeiten soll. Auch ist nicht dargelegt, dass die in einzelnen Bundesländern möglicherweise - was hier nicht näher aufzuklären ist - bedenklichen Werbemaßnahmen in einer Weise und einem Umfang nach Hamburg hineinwirken, dass sie die Ausrichtung des hiesigen Wettmonopols an dem Ziel einer Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht in Frage stellen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; diejenige über den Streitwert beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.



Ende der Entscheidung

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