Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.10.2007
Aktenzeichen: 1 Bs 236/07
Rechtsgebiete: IHKG


Vorschriften:

IHKG § 1 Abs. 1
1.) Eine Handelskammer, deren Presseerklärung sich im von § 1 Abs. 1 IHKG gezogenen Rahmen bewegt, ist nicht verpflichtet, gegen daraufhin erfolgte Presseveröffentlichungen vorzugehen, aufgrund derer der Eindruck entstehen kann, die Presseerklärung betreffe allgemein politische Fragen jenseits des in § 1 Abs. 1 IHKG bezeichneten Aufgabenbereiches.

2.) Aus dem Umstand, dass politische Parteien zu einer aktuellen politischen Frage, die auch die Interessen der gewerblichen Wirtschaft berührt, eindeutig Stellung bezogen haben (hier: Quorum bei Volksentscheiden in Hamburg), ergibt sich keine Verpflichtung der Handelskammer zur Zurückhaltung bei der Veröffentlichung von Stellungnahmen zu diesem Thema.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

1 Bs 236/07

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Schulz, Dr. Kränz und die Richterin Huusmann am 12. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/3.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,- Euro und unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. Oktober 2007 insoweit für das Verfahren in erster Instanz auf 22.500,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Antragsteller sind Mitglieder der Handelskammer Hamburg und begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, der Handelskammer vorläufig zu untersagen, in Bezug auf die Abstimmung "Hamburg stärkt den Volksentscheid - Mehr Demokratie" vom 14. Oktober 2007 Äußerungen abzugeben, abgeben zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen. Zugrunde liegen dem Informationen der Handelskammer Hamburg für die Medien mit der Überschrift "Gegen Blockaden durch Minderheiten", in denen sich die Handelskammer Hamburg gegen niedrigere Hürden bei der Volksgesetzgebung ausgesprochen hat. Die Antragsteller sehen sich dadurch in ihren Rechten verletzt.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist aus den von den Antragstellern dargelegten Gründen, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO allein zu prüfen hat, nicht abzuändern.

1.) Es kann dahinstehen, ob, wie die Antragsteller meinen, der in der Bild-Zeitung zitierte Teil der Presseerklärung der Antragsgegnerin vom 20. September 2007 rein allgemeinpolitischen Charakter hat. Denn entgegen der Ansicht der Antragsteller war die Antragsgegnerin nicht gehalten, einen in der Presse durch unvollständige Wiedergabe einer Presseerklärung möglicherweise hervorgerufenen Eindruck einer allgemeinpolitischen Stellungnahme durch Gegendarstellung, soweit sie überhaupt möglich gewesen wäre, zu korrigieren. Denn die Antragsgegnerin ist ihren Mitgliedern gegenüber nur für solche Äußerungen verantwortlich, die sie selbst abgegeben hat, nicht aber dafür, wie diese Äußerungen in der Presse wiedergegeben oder kommentiert werden. Der Stellungnahme der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren ist entgegen der Behauptung der Antragsteller auch nicht die Auffassung der Antragsgegnerin zu entnehmen, dass der in der Bild-Zeitung wiedergegebene Passus der Presseerklärung vom 20. September 2007 von den Aufgaben der Handelskammer gedeckt sei. Die Antragsgegnerin hat insoweit lediglich erklärt, dass Quelle des Artikels in der Bild-Zeitung ihre Pressemitteilung vom 20. September 2007 gewesen sei.

2.) Entgegen der Ansicht der Antragsteller ergibt sich aus dem Umstand, dass sich die politischen Parteien in Hamburg zu der Frage, ob Volksentscheide in Hamburg verbindlich werden sollen, eindeutig positioniert haben, keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zurückhaltung in ihren Äußerungen zu diesem Thema.

Maßgebliche Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Äußerungen der Antragsgegnerin, die die Antragsteller dann auch bei divergierender eigener Meinung hinzunehmen haben, ist § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl I S. 920), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. März 2005 (BGBl I S. 931) - IHKG -. Nach § 1 Abs. 1 IHKG haben die Kammern die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 19.9.2000, BVerwGE 112, 69) lässt sich diese Aufgabe als Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft im weitesten Sinn umschreiben. Da sehr viele öffentliche und staatliche Aufgaben die gewerbliche Wirtschaft berühren, ist diese Aufgabe kaum exakt eingrenzbar. Selbst dort, wo Belange der gewerblichen Wirtschaft nur am Rande berührt sind, ist es den Industrie- und Handelskammern grundsätzlich gestattet, das durch sie repräsentierte Gesamtinteresse zur Geltung zu bringen. Dabei ist es selbstverständlich, dass eine sachbezogene Argumentation erfolgt. In dem Rahmen kann sich die Antragsgegnerin auch an der allgemeinen politischen Diskussion beteiligen, soweit wirtschaftliche Fragen berührt werden (Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, Kommentar, 6. A. § 1 Rdz. 13). Entscheidend bleibt, dass die Äußerungen vom gesetzlichen Auftrag gedeckt sind.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist entgegen der Ansicht der Antragsteller festzustellen, dass die Pressemitteilung der Handelskammer Hamburg vom 20. September 2007 mit ihren Aufgaben gem. § 1 Abs. 1 IHKG übereinstimmt. Es bedarf keiner Erörterung, ob jeder der verlautbarten Sätze für sich genommen und isoliert betrachtet der Wahrung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft dient. Denn bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der "Informationen für die Medien" ist für einen verständigen Leser eindeutig erkennbar, dass die Handelskammer Hamburg mit ihrem Beitrag zur politischen Diskussion in Hamburg sich deshalb gegen niedrigere Hürden bei der Volksgesetzgebung ausgesprochen hat, weil sie wegen der Möglichkeit erfolgreicher Blockadehaltung der Vertreter von Einzelinteressen anderenfalls Gefahren für die wirtschaftliche Entwicklung Hamburgs und damit die Interessen der gewerblichen Wirtschaft insgesamt sowie für zukünftige Stadtentwicklungs- und Infrastrukturvorhaben sieht. Es liegt auf der Hand, dass die Handelskammer Hamburg damit die Interessen ihrer Mitglieder in dem von § 1 Abs. 1 IHKG vorgesehenen Rahmen vertritt und nicht nur zu allgemeinen politischen Fragen Stellung nimmt. Dies gilt auch dann, wenn Mitglieder, wie die Antragsteller, diese Ansicht nicht teilen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, § 100 ZPO. Die Streitwertfestsetzung fußt auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3, 39 Abs. 1 GKG. Angesichts der mit dem ersten Antrag erstrebten Vorwegnahme der Hauptsache ist eine Reduzierung des Streitwertes im Beschwerdeverfahren nicht angezeigt.

Der Senat macht von der Abänderungsbefugnis des § 63 Abs. 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung der ersten Instanz Gebrauch. Der Streitwert ist für die erste Instanz um den Wert des zweiten Antrages, der einen eigenen Gegenstand bildet und im Beschwerdeverfahren nicht mehr verfolgt wurde, zu erhöhen. Da mit dem zweiten Antrag allerdings nicht eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache erreicht werden sollte, bemisst sich die Erhöhung für jeden der Antragsteller mit der Hälfte des Regelwertes des § 52 Abs. 2 GKG und damit auf 7.500,-- Euro.

Ende der Entscheidung

Zurück