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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.10.2004
Aktenzeichen: 1 Bs 385/04
Rechtsgebiete: SchiffSV


Vorschriften:

SchiffSV § 6 Abs. 1
Zu den Grenzen rein kommerzieller Nutzung von Traditionsschiffen.
1 Bs 385/04

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Meffert und E.-O. Schulz am 25. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 3. August 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Antragstellern dargelegten Gründe, die hier gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO allein zu prüfen sind, rechtfertigen keine andere Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die auf- schiebende Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, mit denen sich die Antragsteller gegen den Bescheid vom 25.5.2004 wenden, mit dem die Antragsgegnerin das für das Schiff ".........." ausgestellte Sicherheitszeugnis für Traditionsschiffe zurückgenommen und das Auslaufen und die Weiterfahrt untersagt hat.

1. Die Antragsgegnerin hat das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Bescheides ausreichend gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Begründung die Umstände des zu entscheidenden Einzelfalles hinreichend berücksichtigt. Daran ändert das Vorbringen der Antragsteller nichts, die Antragsgegnerin habe ihre Begründung einem Beschluss des Beschwerdegerichtes entnommen. Sie hat darauf abgestellt, es sei nicht sichergestellt , dass das Schiff einen Sicherheitsstandart aufweist, der gewährleistet, dass der Betrieb des Schiffes keine Gefahr für die Gesundheit seiner Fahrgäste und Besatzung etc. darstellt und dass angesichts der Schwere eines Schadens im Falle eines Unterganges durch Kollision oder schwere See nur geringe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes gestellt werden müssen. Die Antragsgegnerin, die die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch ausdrücklich auf die Rücknahme des von ihr für das Schiff erteilte Schiffssicherheitszeugnis erstreckt hat, hat damit eine ausreichende Begründung gegeben. Nicht etwa hat sie verkannt, dass sie für das Schiff ein Schiffssicherheitszeugnis ausgestellt hat.

2. Die Antragsgegnerin hat - wie auch ihr weiteres Vorgehen gegenüber den kroatischen Behörden zeigt - den Antragstellern lediglich das Auslaufen mit zahlenden Passagieren an Bord sofort vollziehbar untersagt . Insoweit überwiegt das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Gästefahrten gegenüber dem Interesse der Antragsteller vor der Entscheidung über ihren Widerspruch weitere derartige touristische Fahrten durchzuführen. Die Antragsgegnerin hat das lediglich für den Betrieb als Traditionsschiff erteilte Sicherheitszeugnis voraussichtlich zu Recht zurückgenommen (dazu unter 3). Im Interesse der Sicherheit der Fahrgäste liegt es, dass diese Fahrten, die nicht der maritimen Traditionspflege dienen, nur auf Schiffen unternehmen, deren Besatzung die für die Führung von Kauffahrteischiffen erforderlichen Anforderungen erfüllt und die den im Vergleich zu Traditionsschiffen für Fahrgastschiffe geltenden höheren Sicherheitsanforderungen vollständig genügen. Insoweit überzeugt die Überlegung der Antragsteller nicht, die Gefahren eines Unterganges oder einer Kollision seien nicht deshalb größer, weil auf einzelnen Fahrten auch zahlende Passagiere mitgenommen würden. Die Antragsgegnerin kann an die Sicherheit der Fahrgäste höhere Anforderungen stellen, wenn diese Schiffsfahrten außerhalb des Bereiches der maritimen Traditionspflege oder vergleichbarer sozialer Zwecke unternehmen. Es ist nicht zu beanstanden, dass entsprechend § 6 Schiffssicherheitsverordnung - SchSV - vom 18. 9. 1998 (BGBl. I S. 3013 mit spät. Änd.) an die Sicherheit von Traditionsschiffen im Interesse der Erhaltung dieser Schiffe geringere Anforderungen gestellt werden, als an den Betrieb von Fahrgastschiffen. 3. Die Antragsgegnerin hat das für das MS "..........." am 2. 7. 2002 erteilte Schiffssicherheitszeugnis für Traditionsschiffe zurückgenommen. Diese Rücknahme dürfte im Widerspruchsverfahren und voraussichtlich auch einem etwaigen späteren Klagverfahren Bestand haben.

a) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte das Schiffsicherheitszeugnis gemäß § 48 VwVfG zurücknehmen kann, wenn das Zeugnis rechtswidrig geworden ist. Gegen diesen Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts wenden sich die Antragsteller nicht.

b) Ihr Vorbringen, ihr Schiff, ein ehemaliges, ca. 44 m langes, hölzernes Minensuchboot aus den sechziger Jahren, sei ein Traditionsschiff und werde als solches eingesetzt, deshalb verfügten sie zu Recht lediglich über ein Sicherheitszeugnis für Traditionsschiffe, überzeugt nicht.

Die nach § 6 Abs. 1 SchSV erlassene Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe vom 3. 2. 2000 (Verkehrsblatt 2000 Heft 4) in der Fassung der Änderung vom 12. März 2003 (Verkehrsblatt 2003, 205) gilt nach ihrer Nr. 1.1 für historische Wasserfahrzeuge, die die Bundesflagge führen, soweit sie nicht den internationalen Schiffssicherheitsregelungen unterliegen,

- und die hauptsächlich mit Originalwerkstoffen im Original als Einzelnachbildung gebaut worden sind,

- und deren Rumpflänge 55 Meter nicht übersteigt,

- und deren Betrieb ausschließlich ideellen Zwecken dient,

- und die zur maritimen Traditionspflege, zu sozialen oder vergleichbaren Zwecken, zum Beispiel von der Sail Training Association, als Seeschiffe eingesetzt werden.

Insoweit kann dahinstehen, ob das ehemalige Minensuchboot nach dem von den Antragstellern durchgeführten Umbau und der Einrichtung der Kabinen sowie insbesondere der Ausstattung der Schiffsbar noch ausreichend den Charakter des früheren in den sechziger Jahren aus Holz gebauten Minensuchbootes wahrt. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin erscheint möglich, dass das Schiff trotz seines Umbaues noch ein historisches Wasserfahrzeug ist. Immerhin hat die Gemeinsame Kommission für historische Wasserfahrzeuge auf der Grundlage des von einem Sachverständigen für Traditionsschiffe 2002 erstellten Schiffssicherheitsgutachten die Ausstellung des Sicherheitszeugnisses für Traditionsschiffe befürwortet und scheinen die Umbauten - anders als die Antragsgegnerin meint - bereits vor der Erteilung des Schiffssicherheitsgutachtens erfolgt zu sein. Den damit verbundenen Fragen ist jedoch nicht weiter nachzugehen. Die Antragsgegnerin hat ihren Rücknahmebescheid auch selbständig auf die Erwägung gestützt, dass zum einen der Betrieb des Schiffes nicht ausschließlich ideellen Zwecken diene und es zum anderen nicht zur maritimen Traditionspflege oder vergleichbaren sozialen Zwecken eingesetzt werde. Diese Bedenken treffen - soweit in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erkennbar - zu:

Allerdings schließt eine Mitnahme zahlender Gäste und eine professionelle Werbung derartiger Gäste mit dem Ziel, dadurch einen Beitrag zu den hohen Unterhaltungskosten des Schiffes zu erwirtschaften, die ideelle Zweckrichtung des Betriebes und die Verwendung des Schiffes zur maritimen Traditionspflege nicht von vornherein aus. Es kann schwerlich angenommen werden, der Richtliniengeber habe derartige Fahrten gänzlich ausschließen wollen, obgleich Traditionsschiffe aus wirtschaftlichen Gründen vielfach nur betrieben werden können, wenn die Betreiber einen Teil der hohen Unterhaltungskosten im Wege von Gästefahrten finanzieren. Jedoch müssen derartige Gästefahrten sollen sie der ideellen Zielsetzung des Schiffsbetriebes und der Zweckbestimmung der maritimen Traditionspflege nicht entgegenstehen neben der Erzielung von Kostenbeiträgen wesentlich auch der maritimen Traditionspflege selbst oder vergleichbaren sozialen Zwecken dienen. Rein kommerzielle Aktivitäten, die nicht wesentlich auch mit der Traditionspflege verbunden sind, sind wenn überhaupt so allenfalls ausnahmsweise mit dem Betrieb eines Traditionsschiffes vereinbar, wenn sie einen ganz untergeordneten Anteil an der Schiffsnutzung ausmachen. So liegt es hier nicht.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die von den Antragstellern im Internet betriebene Werbung maßgeblich für eine kommerzielle Nutzung und gegen eine ideelle Nutzung zum Zwecke der maritimen Traditionspflege spricht. Das Gericht vermag den Antragstellern nicht zu glauben, dass das im Frühjahr/Frühsommer 2003 von der Ostsee in die kroatischen Gewässer verlegte Schiff bei den dort in der Adria geplanten umfangreichen touristischen Aktivitäten wesentlich zum Zwecke der maritimen Traditionspflege eingesetzt und die in dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten Betreiberkonzept beschriebenen Aktivitäten der Traditionspflege tatsächlich durchgeführt werden. Auch kommt es nicht darauf an, dass nach dem Vorbringen der Antragsteller das Schiff in der Adria erst drei Gästefahrten unternommen haben soll. Die von den Antragstellern konzipierten Werbemaßnahmen sprechen deutlich dafür, dass ein weitaus größerer Umfang touristischer Fahrten geplant ist. Die von den Antragstellern konzipierten Fahrten unterscheiden sich nicht von den Angeboten anderer kommerzieller Betreiber. Dass die Antragsteller unter dem Druck des laufenden Verfahrens ihre Werbung eingestellt zu haben scheinen, ändert an ihrer Konzeption nichts. Die von ihnen geplanten Fahrten werden nicht durch eine maritime Traditionspflege geprägt. Insbesondere lassen die für Oktober 2004 geplanten beiden 8-tägigen Rad-/Schiffsreisen in der Küstenregion Montenegros keinerlei Bezug zur maritimen Traditionspflege erkennen. Gleiches gilt für den Internetauftritt "Yachten mit Crew" sowie die Angebote unter "Erlebnisreisen Segeln Gruppen", in der sich lediglich ein Hinweis darauf findet, dass das Schiff nach der Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe fährt. Dass die Gäste - wie die Antragsteller vortragen - in die im Betreiberkonzept genannten Arbeiten auf dem Schiff eingebunden werden sollen, ist nicht glaubhaft. Dies zeigt insbesondere die Werbung für eine Zwei -Wochen- Traumreise von Venedig nach Athen für 850 Euro und Kreuzfahrten in der Adria unter Überschrift "Urlaub, Abenteuer und ein Hauch von Luxus". Hierin wird u.a. versprochen "Traumhafte Inseln, baden, tauchen, relaxen - und der gewohnt erstklassige Service an Bord". Entsprechendes gilt für die angepriesenen Übernachtungen an Bord sowie die Tagungen, die in der ".............-Lounge" durchgeführt werden sollen. Entsprechend heißt es an anderer Stelle des Werbeauftrittes bei der Präsentation des als exklusive Yacht bezeichneten Schiffes "In der gut ausgerüsteten Kombüse kreiert der Smutje üppige Frühstücksbuffets ....Der freundliche und hilfsbereite Service betreut sie auch außerhalb der Essenszeiten gerne." Insoweit überzeugt es nicht, wenn die Antragsteller vortragen, sie hätten mit dieser Werbung zunächst Gäste anlocken und diese sodann später über das Konzept informieren und in die maritime Traditionspflege einbinden wollen. Ebenso dringen die Antragsteller angesichts dieser Werbemaßnahmen mit ihrem Hinweis auf die Törnbedingungen vom März 2002 nicht durch, nach deren Nr. 1 die Törnteilnehmer eine Crew bilden und die Gäste keine zu befördernde Passagiere sind, sondern Mitglieder einer Crew und die Pflege der traditionellen Schifffahrt im Vordergrund steht. Im übrigen spricht auch nicht für die Glaubwürdigkeit der Antragsteller, dass das Schiff im Oktober 2004 trotz des von der Antragsgegnerin verhängten Auslaufverbotes mit 10 Gästen an Bord im Hafen von Dubrovnik angetroffen wurde.

c) Die Beklagte hat das ihr bei der Rücknahme des Schiffssicherheitszeugnisses nach § 48 VwVfG eröffnete Ermessen ausgeübt. Insoweit erscheint zwar sehr zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin den Antragstellern im Rahmen der von ihr vorgenommenen Vertrauensschutzabwägung entgegenhalten kann, der Umbau des Schiffes sei aus den im Antragsverfahren eingereichten Unterlagen nicht ersichtlich gewesen. Dies dürfte nicht zutreffen. Auch hat die Antragsgegnerin das nicht bei den Sachakten befindliche und erst im Beschwerdeverfahren eingereichte Betreiberkonzept nicht gewürdigt. Jedoch ist angesichts des Vorbringens der Antragsgegnerin anzunehmen, dass sie ihr Ermessen im Widerspruchsverfahren fehlerfrei ausüben und den Widerspruch zurückweisen wird. Gegen ihre Erwägung, das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Schiffssicherheitsverordnung spreche für eine Rücknahme des Sicherheitszeugnisses ist angesichts der dahinter stehenden Sicherheitsinteressen der Kunden der Antragsteller schwerlich etwas einzuwenden.

1. Auch die nachträglich auf Gästefahrten begrenzte Festhalteverfügung ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsteller haben nichts dargelegt, was die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 SchSV gestützten Festhalteverfügung in Frage stellen könnte. Sie tragen in der Sache - verständlicherweise - lediglich vor, die Grundlage für die Festhalteverfügung, nämlich die für sofort vollziehbar erklärte Rücknahme des Sicherheitszeugnisses, sei zu Unrecht erfolgt. Dies überzeugt, wie oben dargelegt nicht.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Wert des Streitgegenstandes war für die nach dem Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. 5. 2004 (BGBl. I S. 718) zum 1. 7. 2004 eingereichte Beschwerde gemäß den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 71 Abs. 1 Satz 2 GKG n.F. auf 5000 Euro festzusetzen. Die Beschwerde richtet sich gegen die Rücknahme des Schiffssicherheitszeugnisses und die Festhalteverfügung. Der deshalb zu verdoppelnde Auffangstreitwert von 5000 Euro ist, da nur vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, zu halbieren.

Ende der Entscheidung

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