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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.07.2005
Aktenzeichen: 1 Bs 89/05
Rechtsgebiete: HmbHG


Vorschriften:

HmbHG § 14
Hamburgisches Hochschulrecht verlangt nicht, dass die Berufungskommission nur nach Vorlage schriftlicher Gutachten über die Bewerber den Berufungsvorschlag erstellt.
1 Bs 89/05

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld und Dr. Meffert, sowie die Richterin Huusmann am 8. Juli 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 25. Februar 2005 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt die Antragstellerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf 30.703,- Euro.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die im Berufungsverfahren 1827/W3 ausgeschriebene Professur ... , mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden ist.

Die Antragsgegnerin schrieb am 18. Dezember 2003 die Stelle eines Universitätsprofessors/ einer Universitätsprofessorin W 3 für . aus. In der Ausschreibung hieß es u.a. : Aufgabengebiet : ...

Am 4. Februar 2004 konstituierte sich der Berufungsausschuss, dem u.a. Prof. und Prof. als auswärtige Wissenschaftler angehörten. In dieser Sitzung legte der Berufungsausschuss in Unkenntnis der Bewerbungen einstimmig die drei folgenden Zusatzkriterien fest : 1. Bei dem im Ausschreibungstext verlangten Forschungsschwerpunkt wird besonderer Wert auf den Aspekt der ... gelegt; eine gründliche Vertrautheit mit -Primärquellen muss nachgewiesen sein. 2. Für die Leitung des ... sind Erfahrungen im Umgang mit Handschriften sowie in der Leitung von Projekten oder Instituten wünschenswert. 3. Gewünscht wird eine erkennbare Bereitschaft zur regionenübergreifenden Zusammenarbeit im . ...

Auf diese Ausschreibung bewarben sich neben der Antragstellerin und dem Beigeladenen weitere 16 Bewerber. Die Berufungskommission schied zunächst 4 Bewerbungen aus formalen Gründen aus. Für die inhaltliche Überprüfung der Unterlagen der übriggebliebenen Bewerber bildete die Berufungskommission Arbeitsgruppen für die einzelnen Bewerbungen. Auf der 3. Sitzung der Berufungskommission wurde über alle Bewerber im einzelnen diskutiert und 4 Bewerber herausgefiltert, die zu einem Probevortrag eingeladen wurden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kommission 2 auswärtige Fachgelehrte als stimmberechtigte und bei den Kommissionssitzungen anwesende Mitglieder angehörten, beschloss die Berufungskommission, keine auswärtigen Gutachter zu benennen. Nachdem die Probevorträge gehalten worden waren, wurde in der 4. Sitzung der Berufungskommission über die Bewerbungen eingehend diskutiert und das Bewerberfeld einstimmig in eine höher einzustufende und eine nachrangig einzustufende Gruppe aufgeteilt. Die Antragstellerin gehörte der zweiten Gruppe an.

Die Antragstellerin hat am 15. Dezember 2004 vorläufigen Rechtsschutz begehrt und im Wesentlichen geltend gemacht : Das Auswahlverfahren sei verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich fehlerhaft gewesen. Die Berufungskommission sei fehlerhaft besetzt gewesen.

Im übrigen sei sie besser qualifiziert als der Erstplatzierte.

Mit Beschluss vom 25. Februar 2005 hat das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Beigeladenen vor unanfechtbarem Abschluss des Berufungsverfahrens zum Professor für zu ernennen. Es sei verfahrensfehlerhaft gewesen, dass den Mitgliedern der Berufungskommission für die Beratungen keine schriftliche Darstellung bzw. Zusammenfassung vorgelegt worden sei über Leistungen, Werdegang und wissenschaftliche Reputation der ernsthaft in Betracht kommenden Bewerber. Zwar enthielten das Hamburgische Hochschulgesetz oder andere Vorschriften keine derartigen Regelungen, dennoch sei eine entsprechende schriftliche Darstellung erforderlich. Jeder Bewerber habe einen Anspruch darauf, dass sich die Kommission anhand von schriftlichen Unterlagen ein vollständiges Bild von seinem Leistungsstand machen könne. Dementsprechend seien in der Regel Gutachten zu erstellen, wie es auch in einigen Bundesländern gesetzlich vorgeschrieben sei. Es sei nach Überzeugung der Kammer nicht möglich, nur aufgrund von mündlichen Darstellungen und Diskussionen ohne eine schriftliche Vorbereitung qualifiziert die Leistungsstände der Bewerber gegeneinander abzuwägen. So sei es bei Stellenbesetzungen von Beamten erforderlich, schriftliche dienstliche Beurteilungen aus Anlass der Bewerbung einzuholen. Der Berufungsvorschlag selbst könne mit seiner Begründung die entsprechenden schriftlichen Vorlagen nicht ersetzen. Darüber hinaus sei die Berufungskommission fehlerhaft besetzt gewesen, da Bedenken an der Mitwirkung von Prof. ........ in der Berufungskommission unter dem Gesichtspunkt der unparteiischen Amtsausübung bestünden. Das Näheverhältnis zwischen ihm und dem Zweitplatzierten sei geeignet, seine Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Es bestehe keine generelle Verpflichtung zur Einholung von internen schriftlichen Gutachten. Die für die Universität noch geltende Berufungsordnung sehe dies nur für den Fall einer Hausberufung vor. Seit Jahrzehnten würde bei Berufungen die Auswahl auf der Grundlage mündlicher Berichte erfolgen. Die Berufungskommission sei auch nicht fehlerhaft besetzt gewesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.

Die Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe ergibt, dass die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts keinen Bestand hat. Ein Bewerber kann zwar verlangen, dass über seine Bewerbung in einem fairen, chancengleichen Verfahren frei von Ermessensfehlern und unter Beachtung des Leistungsgrundsatzes entschieden wird, es lässt sich jedoch nicht mit der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der sog. Bewerberverfahrensanspruch der Antragstellerin verletzt worden ist. Sie hat nicht gem. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht, dass sie durch die Art und Weise des Auswahlverfahrens und die hierauf beruhende Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen in ihrem von Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten grundrechtsgleichen Recht auf chancengleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verletzt worden ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschl.v. 29.7.2003 - 2 BvR 311/03-, NVwZ 2004 S. 95 f.).

Die Auswahl des Beigeladenen kann im Verhältnis zur Antragstellerin gerichtlich nicht beanstandet werden. Die Auswahlentscheidung unterliegt als Akt wertender Erkenntnis nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die hier in einem gesondert durchgeführten Berufungsverfahren auf Vorschlag einer Berufungskommission getroffene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin kann nur darauf hin überprüft werden, ob die Entscheidung über die Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei getroffen worden ist.

1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war es nicht geboten, dass die Berufungskommission über die Bewerber nur nach Vorlage schriftlicher Gutachten oder Voten entscheiden konnte. Weder das Hamburgische Hochschulgesetz vom 18. Juli 2001 i.d.F. des Hochschulmodernisierungsgesetzes vom 27. Mai 2003 (HmbGVBl. 2003 S. 138 ff.) (HmbHG) noch die Berufungsordnung der Beklagten vom 4. Februar 1999 oder die "Vorläufige Richtlinie zur Durchführung von Berufungsverfahren an der Universität Hamburg (Berufungsordnung)" vom 11. August 2003 enthalten eine entsprechende Regelung. Gem. § 14 Abs. 6 HmbHG treffen die Hochschulen in Satzungen (Berufungsordnungen) die näheren Regelungen über ihre Verfahren. Die näheren Regelungen finden sich in der als Satzung vom Akademischen Senat der Antragsgegnerin am 4. Februar 1999 beschlossenen Berufungsordnung, soweit sie nicht den Vorschriften des Hamburgischen Hochschulgesetzes durch die mit Gesetz vom 27. Mai 2003 erfolgte Neuregelung widerspricht. Danach sieht lediglich § 9 Abs. 2 der Berufungsordnung vom 4. Februar 1999 vor, dass in den Fällen, in denen ein Mitglied der Universität zur Berufung vorgeschlagen werden soll, mindestens zwei auswärtige Gutachten einzuholen sind. Weitere Regelungen liegen nicht vor.

Das von der Berufungskommission durchgeführte Verfahren ist nicht zu beanstanden. Schriftliche Gutachten über Leistung, Werdegang und wissenschaftliche Reputation von Bewerbern mussten von der Berufungskommission zur Vorbereitung der Liste nicht eingeholt oder erstellt werden. Es ist dem Landesgesetzgeber vorbehalten, entsprechende Regelungen zu treffen. Der hamburgische Gesetzgeber hat bei der Neufassung des Gesetzes keine Veranlassung für eine entsprechende Regelung gesehen, obwohl gerade auch im Bereich der Berufungen eine Strukturreform durchgeführt worden ist. Um Berufungen von hochqualifizierten Nachwuchswissenschaftlern zu gewährleisten, wurde u. a. § 14 HmbHG mit dem Hochschulmodernisierungsgesetz neu geregelt. § 14 Abs. 2 HmbHG sieht vor, dass Berufungsausschüssen mindestens zwei hochqualifizierte externe Professorinnen oder Professoren angehören müssen. Diese Regelung erfolgte, um transparente und sachgerechte Berufungsentscheidungen sicherzustellen (vgl. Gesetzesbegründung Bü/Drs 17/1661 S. 20, 23). Berücksichtigt man, dass durch das Hochschulmodernisierungsgesetz die Berufungsverfahren gegenüber dem vorher geltenden Recht vereinfacht und verkürzt werden sollten, entsprach es nicht dem Willen des Gesetzgebers, schriftliche Gutachten als Entscheidungsgrundlage zu fordern, die das Verfahren hinauszuzögern könnten.

Das Verfahren verstößt auch nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, weil nicht zu erkennen sei, welche Informationen über die eingegangenen Bewerber vorgelegen hätten. Aus dem Protokoll der 2. Sitzung der Berufungskommission geht hervor, dass für die inhaltliche Überprüfung der Bewerber verschiedene Arbeitsgruppen gebildet wurden, die die Dissertation und so weit vorhanden die Habilitationsschrift und nach eigenem Ermessen fünf weitere Publikationen anfordern sollten. In der 3. Sitzung der Kommission wurde über diese Leistungen der jeweiligen Bewerber berichtet und diskutiert und dies auch im Protokoll festgehalten. Anschließend wurden die zu einem Vortrag einzuladenden Bewerber ausgewählt. Nachdem man die Probevorträge gehört hatte, hat man sich auf Qualitätskriterien geeinigt, anhand derer die Liste erstellt werden sollte, und dies ebenso im Protokoll dokumentiert wie die wesentlichen Gründe für die Platzierungen. Der Berufungsvorschlag enthält eine ausführliche Darstellung des Werdegangs der Bewerber und eine umfassende Bewertung der von ihren erbrachten konkreten wissenschaftlichen Leistungen in Bezug auf die ausgeschriebene Professur. Die Grundlage der Entscheidung und die ausschlaggebenden Gründe für die Auswahl des Erstplatzierten werden detailliert begründet, so dass die für die Abwägung maßgeblichen Gründe deutlich zum Ausdruck kommen.

Der von dem Verwaltungsgericht gezogene Vergleich zum allgemeinen Beamtenrecht, aufgrund dessen bei der Besetzung von Beförderungsstellen Beurteilungen der Bewerber einzuholen sind, überzeugt nicht. Die Leistungen von Beamten können nur von den jeweiligen Dienstvorgesetzten erfasst und bewertet werden, während diese bei Wissenschaftlern insbesondere aufgrund ihrer Publikationen von der Fachkollegen beurteilt werden können.

2. Das Beschwerdegericht teilt weiterhin nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Berufungskommission nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Präsident der Antragsgegnerin auf Vorschlag des Fachbereichs Prof. als auswärtigen Wissenschaftler für die Berufungskommission benannt hat. Zwar mag ein Näheverhältnis zwischen ihm und dem Zweitplatzierten bestehen, da dieser seit Jahren an seinem Lehrstuhl arbeitet. Dies allein begründet aber noch keinen Rechtsfehler, insbesondere nicht den Vorwurf der Befangenheit. Es kommt vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an, d.h. ob in der Person des einzelnen Kommissionsmitglieds individuelle Gründe vorliegen, die seine Mitwirkung hinsichtlich eines oder mehrerer Konkurrenten angreifbar machen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.10.1998 - 1 Bs 214/98-, NordÖR 1999 S. 252 f.). Entsprechende Gründe hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Letztlich kann diese Frage dahingestellt bleiben, da der Erstplatzierte inzwischen den Ruf angenommen hat und eine etwaige Befangenheit im Hinblick auf den Zweitplatzierten insoweit keine Auswirkungen mehr hat.

3. Entgegen ihrer Auffassung hat die Antragstellerin auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie im Sinne der Kriterien der Ausschreibung und der Zusatzkriterien besser für die ausgeschriebene Stelle qualifiziert sei als der Erstgereihte. .....

III.

Die Antragstellerin hat als Unterlegene die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus den §§ 52 Abs. 1 und 2; 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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