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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 3 Bf 105/05
Rechtsgebiete: VwGO, HmbVwVG


Vorschriften:

VwGO § 58
VwGO § 60
VwGO § 124 a Abs. 6
HmbVwVG § 19
1. Die dem Beschluss über die Zulassung der Berufung beigefügte Rechtsmittelbelehrung ist unrichtig erteilt im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO, wenn das Oberverwaltungsgericht, bei dem die Begründung der Berufung einzureichen ist, über seinen Sitz hinaus mit einer falschen postalischen Anschrift angegeben ist.

Die Angabe einer falschen postalischen Anschrift des Gerichts ist objektiv geeignet, die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist zu erschweren. Die Erschwernis fehlt nicht wegen des Anspruchs auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Auffassung des Berufungsgerichts). Dass der Beteiligte des konkreten Verfahrens (hier: die Freie und Hansestadt Hamburg) die richtige Anschrift kennt und der Fehler für die Fristversäumnis nicht ursächlich wird, ist unerheblich.

2. Führt ein Abschleppunternehmen mit demselben Abschleppfahrzeug im direkten Anschluss an einen abgebrochenen Abschleppvorgang, der ohne jeglichen Verladevorgang blieb, weil der Fahrer des beiseite zu räumenden Fahrzeugs beim Eintreffen des Abschleppfahrzeugs vor Ort war, auf Grund eines während der Anfahrt erteilten weiteren Auftrags das Abschleppen eines in derselben Straße in einer Entfernung von 75 m abgestellten anderen Fahrzeugs durch, verletzt das Abrechnen (auch) der Kosten für den abgebrochenen Abschleppvorgang, das den Bestimmungen in § 8 der "Leistungsbeschreibung über die Vergabe des Bergens, Abschleppens bzw. Beiseiteräumens von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen auf Grund von Polizeimaßnahmen und Ordnungsmaßnahmen der Marktaufsichten der Bezirksämter in der Freien und Hansestadt Hamburg in der Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2006" entspricht, das Äquivalenzprinzip nicht.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 Bf 105/05

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Kollak sowie den ehrenamtlichen Richter Bredow und die ehrenamtliche Richterin Correll für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2005 geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Gebührenbescheid für einen abgebrochenen Abschleppvorgang.

Der Kläger parkte das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen am 27. Februar 2002 ab mindestens 16,04 Uhr in der P......... 11 im eingeschränkten Haltverbot. Die Beklagte ordnete das Beiseiteräumen des Fahrzeugs an. Die Abschleppfirma wurde um 16,25 Uhr beauftragt. Sie erschien um 16,35 Uhr. Der Kläger entfernte das Fahrzeug selbst aus der eingeschränkten Haltverbotszone, ohne dass es zu einem Abschleppen durch die angeforderte Abschleppfirma kam. Anschließend fuhr das Abschleppfahrzeug zur P......... 3, um dort ein Fahrzeug beiseite zu räumen, womit die Abschleppfirma um 16,32 Uhr beauftragt worden war.

Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 29. Mai 2002 setzte die Beklagte die von dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 91,52 € fest. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2003 zurück.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 26. Januar 2005 den Bescheid vom 29. Mai 2002 und den Widerspruchsbescheid aufgehoben, soweit darin ein 34,10 € übersteigender Erstattungsbetrag festgesetzt worden ist; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen: Zu Recht habe der Bedienstete der Beklagten angeordnet, dass das Fahrzeug des Klägers im Wege der Ersatzvornahme abzuschleppen sei. Dem Kostenerstattungsbegehren der Beklagten stehe nicht von vornherein entgegen, dass die Ersatzvornahme nicht zur Durchführung gelangt sei. Die Pflicht zur Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme und zur Zahlung des Gemeinkostenschlags entstehe bereits mit der Erteilung des Auftrags an Dritte. Gleichwohl dürften die eigentlichen Abschleppkosten in Höhe des vom Abschleppunternehmen geforderten Betrages in Höhe von 52,20 € und demgemäß auch ein hierauf entfallender Gemeinkostenzuschlag nicht erhoben werden. Nach dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. März 2000 sei die Erhebung von Abschleppkosten für einen abgebrochenen Abschleppvorgang unverhältnismäßig, wenn im direkten Anschluss an den Abbruch ein unmittelbar benachbartes Fahrzeug abgeschleppt werde. Die in dem obergerichtlichen Urteil ausgeführten Grundsätze seien auf den vorliegenden Einzelfall übertragbar und ließen die Heranziehung des Klägers zu dem vom Abschleppunternehmer geltend gemachten Betrag als unverhältnismäßig erscheinen. Spezifische, auf die beabsichtigte Entfernung des Kraftfahrzeugs des Klägers gerichtete Leistungen seien nicht erbracht worden. Die Erteilung des Abschleppauftrags löse nach den getroffenen Vereinbarungen noch keine Kosten aus, sondern erst der Beginn der Anfahrt des Abschleppfahrzeugs. Die Anfahrt sei aber dem Verantwortlichen für das in Höhe der P......... 3 abgestellte Fahrzeug zugute gekommen und in Rechnung gestellt worden und dürfe deshalb nicht ein weiteres Mal als erstattungsfähiger Aufwand für einen abgebrochenen Abschleppvorgang betrachtet werden. Der Abschleppunternehmer habe um 16.25 Uhr den Auftrag zum Abschleppen des klägerischen Fahrzeuges erhalten und der zweite Auftrag sei bereits um 16.32 Uhr eingegangen, bevor der Abschleppwagen vor Ort um 16.35 Uhr in der P......... 11 eingetroffen sei. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers habe sich dieser bereits bei dem Eintreffen des Abschleppwagens an seinem Fahrzeug befunden. Der Fahrer des Abschleppwagens sei nicht einmal aus seinem Fahrzeug ausgestiegen, sondern habe sich durch die heruntergekurbelte Fensterscheibe kurz mit dem Kläger unterhalten und sei sodann ohne Unterbrechung über das Fleet hinweg gefahren, um den bereits erhaltenen zweiten Auftrag für das Abschleppen des verkehrswidrig abgestellten Fahrzeuges in Höhe der P......... 3 auszuführen. Der hiermit verbundene, allenfalls in Sekunden zu bemessene Aufwand des Zurücklegens einer Fahrtstrecke von etwa 75 m sei so gering, dass er die Forderung eines pauschalierten Entgeltes für einen abgebrochenen Abschleppvorgang nicht rechtfertigen könne. Bei natürlicher Betrachtungsweise stelle sich die von dem Abschleppunternehmen vorgenommene Leistung als ein einziger durchgeführter Abschleppvorgang in Bezug auf das in Höhe der P......... 3 abgestellte Fahrzeug dar, auch wenn die Fahrzeuge nicht unmittelbar hintereinander in einer Parkbucht gestanden hätten. Die Fahrzeuge hätten jedoch in derselben Straße in Sichtweite zueinander gestanden. Dies reiche aus, um die Inanspruchnahme des Klägers als unverhältnismäßig erscheinen zu lassen.

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit Beschluss vom 22. Juni 2005 wegen ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2005 zugelassen. In der Rechtsmittelbelehrung hieß es, dass die Begründung beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, Nagelsweg 37, 20097 Hamburg einzureichen sei.

Der Beschluss wurde der Beklagten am 5. August 2005 zugestellt. Am 24. August teilte die Beklagte telefonisch mit, dass die Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der Adresse falsch sei.

Mit Schriftsatz vom 6. September 2005 (einem Dienstag), der am gleichen Tag bei Gericht einging, beantragt die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründet ihre Berufung: Die Anwendung der im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 28. März 2000 genannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall sei unzutreffend, da es sich in dieser Entscheidung um eine nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Sachlage handele.

Die Beklagte beantragt,

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sowie

2. unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2005 die Klage des Klägers abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen;

2. die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2005 zu verwerfen, mit der Ergänzung des Hilfsantrags, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus: Die Beklagte habe die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Die falsche Adressangabe in der Rechtsmittelbelehrung sei unerheblich. Die Verwaltungsbehörden und das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen sei, müssten eindeutig mit Namen und Sitz, d.h. Ort, bezeichnet werden. Dies sei vorliegend der Fall, da es sich um das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in Hamburg gehandelt habe. Es sei sogar die Angabe von Postleitzahl, Straße und Hausnummer grundsätzlich nicht erforderlich, es sei denn, die Zustellung des Rechtsbehelfs sei sonst gefährdet. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da es lediglich ein Hamburgisches Oberverwaltungsgericht gebe und keine Verwechslung mit einem anderen Gericht bestanden habe. Zudem habe die Beklagte auch zu keinem Zeitpunkt die falsche Adresse verwandt. Die Beklagte habe auch nicht vorgetragen, dass es aufgrund der Adresse zu einer Verwechslung oder Irritationen gekommen sei, sondern dass sich die Verspätung aufgrund des Umzugs in ein anderes Dienstgebäude ergeben habe. - Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet. - Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die vom Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung angeführten Grundsätze der oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidung auf den vorliegenden Fall anwendbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf die von der Beklagten vorgelegte Sachakte, die Schriftsätze der Beteiligten und die Niederschrift vom 6. Mai 2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde die Berufungsbegründungsfrist von der Beklagten nicht versäumt.

Nach § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO ist die durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts zugelassene Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Der Beschluss über die Zulassung der Berufung ist der Beklagten am 5. August 2005 zugestellt worden. Der Schriftsatz mit der Berufungsbegründung ging am 6. September 2005 bei Gericht ein. Die Monatsfrist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO wurde damit nicht eingehalten.

Sie brauchte im vorliegenden Fall aber auch nicht eingehalten zu werden. Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte aber nicht zutreffend im Sinne des § 58 Abs. 1 VwGO über den Sitz des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts belehrt worden, weil in der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses vom 22. Juni 2005 eine fehlerhafte Adresse des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts angegeben war, was zur Folge hat, dass die Berufung - wie geschehen - innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO begründet werden durfte.

1. § 58 Abs. 1 VwGO ist auf die Frist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO anwendbar, obwohl die Begründung einer Berufung (für sich) weder ein Rechtsmittel noch ein Rechtsbehelf ist. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der Beschluss, durch den die Berufung zugelassen wird, mit einer Rechtsmittelbelehrung über die befristete Berufungsbegründungspflicht versehen werden muss, weil bei zweistufig aufgebauten Rechtsmitteln auch über die zweite Stufe einer fristgebundenen Begründung zu belehren ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.10.2000, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 18, m. weit. Nachw.).

2. Erforderlich für die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung ist an sich nur die Belehrung über den Sitz des Gerichts im Sinne der §§ 2, 3 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil v. 9.11.1966, BVerwGE 25, 261). Die Angabe, dass Sitz des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts Hamburg ist, reicht für eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung aus. Diese Angabe ließ sich der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses vom 22. Juni 2005 entnehmen. Die Angabe der genauen Adresse mit Straße und Hausnummer ist dagegen nicht erforderlich.

3. § 58 Abs. 1 VwGO schließt es nicht aus, in die Belehrung auch Hinweise aufzunehmen, die nicht zwingend erforderlich sind, um die gesetzlichen Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfristen in Lauf zu setzen. Solche Zusätze, die an sich entbehrlich sind, entsprechen aber dann nicht mehr den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO, wenn sie einen unzutreffenden oder irreführenden Inhalt haben, der sich generell eignet, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO ist, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist es vielmehr auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (vgl. BVerwG, Urteil v. 21.03.2002, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 83 m. weit. Nachw.). Ein fehlerhafter Zusatz macht die Rechtsbehelfsbelehrung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wenn er objektiv geeignet ist, die Rechtsmitteleinlegung zu erschweren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.2.2000, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 77 m. weit. Nachw.). Das ist der Fall, wenn er den Adressaten davon abhalten kann, das Rechtsmittel überhaupt, rechtzeitig oder formgerecht einzulegen. Es kommt nicht darauf an, ob der zu beanstandende Zusatz der Belehrung im konkreten Fall tatsächlich einen Irrtum hervorgerufen und dazu geführt hat, dass das Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig eingelegt worden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.8.1997, NVwZ 1997, 1211). Es genügt, dass der irreführende Zusatz objektiv geeignet ist, die Rechtsmitteleinlegung zu erschweren.

Daran ändert nichts, dass eine unverschuldete Fristversäumnis die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigte; denn die Erschwernis läge unter diesen Umständen in der Pflicht, die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung zu erfüllen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.2.2000, a. a. O.). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hält der Berufungssenat an seiner gegenteiligen Auffassung, dass aus der Sicht des Rechtssuchenden die Straße und die Hausnummer des anzurufenden Gerichts ohne Bedeutung für die Einlegung des Rechtsmittels seien, weil der Rechtssuchende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen könne, wenn die Unrichtigkeit zur Versäumung der Rechtsmittelfrist geführt habe (vgl. z.B. Beschl. v. 23.9.1994, OVG Bs VII 242/94; Beschl. v. 11.7.1989, OVG Bf IV 76/89; Beschl. v. 31.3.1987, OVG Bf IV 34/86), nicht mehr fest.

4. Vorliegend war die Rechtsbehelfsbelehrung objektiv geeignet, die Beklagte an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist zu hindern. Der Umstand, dass die Beklagte im Berufungszulassungsbeschluss belehrt worden war, dass die Berufungsbegründung beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, Nagelsweg 37, 20097 Hamburg einzureichen sei, ist objektiv geeignet, die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist zu erschweren. Die Angabe einer unzutreffenden Anschrift kann dazu führen, dass der Adressat bei zulässiger Ausschöpfung der Berufungsbegründungsfrist die Berufungsbegründung an die fehlerhafte Adresse versendet und dadurch der Irrtum nicht mehr fristgerecht korrigiert werden kann. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn Adressaten der Rechtsmittelbelehrung mit den konkreten Hamburger Verhältnissen nicht vertraute auswärtige Behörden oder Anwälte sind.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg ist abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Der Bescheid vom 29. Mai 2002 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 28. Februar 2003 ist auch insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit darin ein 34,10 € übersteigender Erstattungsbeitrag festgesetzt ist.

1. Die Beklagte hat zu Recht das Abschleppen des Fahrzeugs des Klägers im Wege der Ersatzvornahme angeordnet, weil es im eingeschränkten Haltverbot abgestellt gewesen war, und für diese Maßnahme Erstattung ihrer Kosten verlangt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2005 Bezug genommen.

2. Dem Grunde nach wird der Erstattungsanspruch der Beklagten auch vom Kläger nicht (mehr) in Frage gestellt. Er hat das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg rechtskräftig werden lassen. Lediglich die Berechnung der Kosten für den abgebrochenen Abschleppvorgang in Höhe von 57,42 € für den vom Abschleppunternehmer geltend gemachten Betrag und den darauf erhobenen Gemeinkostenzuschlag ist noch streitig. Die Erstattungsforderung der Beklagten ist jedoch insoweit ebenfalls nicht zu beanstanden.

a) Der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung nach § 19 Abs. 1 HmbVwVG steht nicht entgegen, dass die im vorliegenden Fall von der Beklagten angeordnete Ersatzvornahme nicht mehr zur Vollendung gelangt ist, sondern abgebrochen wurde, weil der Kläger selbst bei seinem Fahrzeug erschien und es wegfuhr, so dass der Fahrer des bereits angeforderten Abschleppwagens es nicht mehr umsetzen musste. Auch Kosten solcher abgebrochenen Ersatzvornahmen sind "Kosten der Ersatzvornahme" im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVG (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 28.3.2000, NJW 2001 S. 168, 170). Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVG waren die Kosten nach den Aufwendungen der Beklagten festzusetzen. Dazu gehören der Betrag von 52,20 €, den der Abschleppunternehmer in Rechnung gestellt hat (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VKO), und der auf diese Summe erhobene Gemeinkostenzuschlag in Höhe von 10%, § 77 Abs. 3 lit. a HmbVwVG i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 1 VKO.

b) Die Beklagte war nach der mit dem beauftragten Abschleppunternehmen vereinbarten Leistungsbeschreibung über die Vergabe des Bergens, Abschleppens bzw. Beiseiteräumens von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen auf Grund von Polizeimaßnahmen und Ordnungsmaßnahmen der Marktaufsichten der Bezirksämter in der Freien und Hansestadt Hamburg in der Zeit vom 1.1.2002 bis 31.12.2006 verpflichtet, die vom Abschleppunternehmen geltend gemachten Abschleppkosten zu zahlen. Nach § 8 Absatz 3 Satz 1 der Leistungsbeschreibung liegt ein zu entgeltender abgebrochener Abschleppvorgang bereits dann vor, wenn sich das angeforderte Abschleppfahrzeug auf dem Weg zum Bestimmungsort befindet. Insoweit ist nicht zweifelhaft, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung gegeben sind. Denn das Abschleppfahrzeug fuhr nach Auftragserteilung um 16,25 Uhr zur P......... 11, wo das klägerische Fahrzeug bis zum Eintreffen des Abschleppfahrzeugs abgestellt war.

c) Die Voraussetzungen für eine Ausnahme, nach der gleichwohl die Kosten des abgebrochenen Abschleppvorgangs nicht in Rechnung gestellt werden dürften, liegen nicht vor. § 8 Absatz 3 Satz 2 der Leistungsbeschreibung, wonach für die Abrechnung abgebrochener Abschleppvorgänge im Zweifel der Grundsatz gilt, dass bei nicht erbrachten Fahrleistungen mit dem vollständig verladenen abzuschleppenden Fahrzeug die vergeblichen Anfahrten nur jeweils einmal pro eingesetztem Abschleppfahrzeug in Rechnung gestellt werden dürfen, beinhaltet dabei nur eine Auslegungsregel für die nachfolgenden Absätze 4 und 5 der Leistungsbeschreibung.

§ 8 Absatz 4 Sätze 1 und 2 der Leistungsbeschreibung regeln den Fall, dass sich nur ein Abschleppfahrzeug auf dem Weg zu einem Bestimmungsort befindet, an dem mehr als ein Fahrzeug beiseite zu räumen ist, und sämtliche Fahrzeuge vor Eintreffen des Abschleppfahrzeugs entfernt werden. § 8 Absatz 5 Satz 1 der Leistungsbeschreibung enthält Bestimmungen für den Fall, dass ein oder mehrere Fahrzeuge vor dem Eintreffen des Abschleppfahrzeugs oder vor der Verladung vom Verfügungsberechtigten entfernt wurden, sich jedoch noch mindestens ein beiseite zu räumendes Fahrzeug am Bestimmungsort befindet und verladen wird. Beide Fallgruppen setzen voraus, dass sich die Fahrzeuge an ein- und demselben Bestimmungsort befanden. Das war hier jedoch nicht der Fall. Denn das im Anschluss an den abgebrochenen Abschleppvorgang vom Abschleppunternehmen in der P......... 3 beiseite geräumte Fahrzeug befand sich aufgrund der Entfernung von 75 m bereits an einem anderen Abschlepport; maßgebend ist nicht die "Sichtweite", sondern die unmittelbare Nachbarschaft an ein- und demselben Bestimmungsort. Wegen dieses Erfordernisses eines unmittelbar benachbarten Fahrzeugs liegt auch nicht der in § 8 Abs. 5 Satz 2 der Leistungsbeschreibung beschriebene Fall des Abschleppens eines unmittelbar benachbarten Fahrzeugs in direktem Anschluss an einen abgebrochenen Abschleppvorgang vor.

d) Die Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem von ihr beauftragten Abschleppunternehmen ist nicht zu beanstanden. Insbesondere genügt sie den Anforderungen des Äquivalenzprinzips. Wie das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2000 (a. a. O.) ausgeführt hat, erschöpfen sich die Anforderungen an in Rechnung gestellte Aufwendungen Dritter nicht in einer lediglich kassentechnischen Prüfung, dass Aufwendungen in dieser Höhe entstanden sind. Das aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleitete Äquivalenzprinzip gebietet, dass auch bei Fremdleistungen kein Missverhältnis zwischen Leistung und Entgelt bestehen darf. Wie das Hamburgische Oberverwaltungsgericht im zitierten Urteil vom 28. März 2000 ausführlich begründet hat, ist es aber nicht zu beanstanden, dass für abgebrochene Abschleppvorgänge ein Entgelt vom Abschleppunternehmer bereits verlangt werden kann, sobald sich ein angefordertes Abschleppfahrzeug auf dem Weg zum Bestimmungsort befindet. Dem Differenzierungsbedürfnis wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass für abgebrochene Vorgänge ein deutlich geringeres Entgelt als für vollendete Abschleppmaßnahmen vereinbart ist. Die vereinbarten Preise stehen auch bei abgebrochenen Abschleppvorgängen nicht außer Verhältnis zu der erbrachten Leistung. Dort sind neben den Vorhaltekosten immer auch konkrete Aufwendungen für die Anfahrt zu verzeichnen. Dabei kann es unter Pauschalierungsgesichtspunkten auf die Länge des Anfahrtsweges nicht ankommen. Deshalb sind Kosten auch dann zu erstatten, wenn das Abschleppfahrzeug nur "um die Ecke" oder in derselben Straße lediglich kurze Strecken gefahren werden muss. Ist ein beiseite zu räumendes Fahrzeug entfernt worden und befand sich das hierfür bestimmte Abschleppfahrzeug bereits auf dem Weg zum Bestimmungsort, hat der Pflichtige den für einen abgebrochenen Abschleppvorgang zu entrichtenden Betrag zu erstatten. Eine Ausnahme ist nach dem Äquivalenzprinzip dann zu machen, wenn eine im Verhältnis zur Zahl der abzuschleppenden Fahrzeuge geringere Zahl von Abschleppwagen an den Einsatzort entsendet wird, weil eine solche Konstellation eine konkrete Zuordnung der Abschleppwagen zu den einzelnen beiseite zu räumenden Fahrzeugen nicht zulässt; ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Nebenentscheidungen ergeben sich im Übrigen aus § 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Ein Grund, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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