Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.06.2008
Aktenzeichen: 3 Bf 246/07
Rechtsgebiete: StVG, FeV, HmbVwVfG


Vorschriften:

StVG § 2 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 17
FeV § 46 Abs. 4
HmbVwVfG § 48
1. Hat der Fahrerlaubnisinhaber die praktische Fahrprüfung unter Verstoß gegen die Vorschrift in § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV nicht am Ort seiner Hauptwohnung (hier: Hamburg), sondern an einem nicht zugelassenen anderen Prüfort (ohne großstädtischen Verkehr) abgelegt, rechtfertigt dieser Umstand die Annahme nicht, er könnte zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht befähigt sein.

2. Die Fahrerlaubnisbehörde ist befugt, die wegen des Verstoßes gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV rechtswidrig erteilte Fahrerlaubnis nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte zurückzunehmen.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Im Namen des Volkes Urteil

3 Bf 246/07

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Kollak sowie den ehrenamtlichen Richter Girnth und die ehrenamtliche Richterin Schult für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 25. April 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Der Kläger wurde 1966 im Irak geboren. Seit 1998 wohnte er zusammen mit seiner Ehefrau in Hamburg. Am 28. Juli 2003 meldete er sich mit Hauptwohnsitz in B....... an, um eine Fahrschule in F............. zu besuchen. Seine Hamburger Wohnung behielt er als Nebenwohnung bei. Nach Ablegung der praktischen Fahrprüfung am 19. September 2003 erhielt der Kläger vom Landkreis S......F............. die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse B. Seit dem 24. September 2003 ist der Kläger wieder mit Hauptwohnsitz in Hamburg gemeldet.

Die Beklagte ordnete mit Schreiben vom 1. Juli 2004 eine Begutachtung des Klägers an: Gemäß § 17 Abs. 3 FeV habe der Fahrerlaubnisbewerber die praktische Prüfung grundsätzlich am Ort des Hauptwohnsitzes zu absolvieren. Der Kläger sei durchgehend mit Hauptwohnsitz in Hamburg gemeldet gewesen. Damit habe er die gesetzlichen Erfordernisse nicht erfüllt. Ihm hätte die Fahrerlaubnis nicht erteilt werden dürfen. Anstatt ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, werde ihm die Möglichkeit gegeben, seine praktischen Fahrkenntnisse nachzuweisen. Daher werde eine zweite praktische Fahrprüfung in Hamburg durch einen amtlich anerkannten Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr angeordnet.

Der Kläger teilte der Beklagten mit, dass sein Hauptwohnsitz im Zeitraum vom 28. Juli 2003 bis 24. September 2003 in B....... gewesen sei. Während dieser Zeit sei seine Hamburger Wohnung nur Nebenwohnung gewesen. Er habe während dieser zwei Monate auch tatsächlich in B....... gelebt. Allein die Tatsache, dass ihm seine Fahrerlaubnis möglicherweise entgegen § 17 Abs. 3 S. 1 FeV erteilt worden sei, könne nicht die Annahme rechtfertigen, dass er zum Führen eines Kraftfahrzeuges nicht befähigt sei. Er habe mit dem Bestehen der theoretischen und praktischen Prüfung bewiesen, dass er ein Kraftfahrzeug führen könne.

Mit Bescheid vom 17. September 2004 entzog die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis: Bedenken hinsichtlich seiner Eignung ergäben sich aufgrund des Fehlens der Ablegung der praktischen Prüfung am Hauptwohnsitz. Er habe sich lediglich zwecks Erwerbs einer Fahrerlaubnis in B....... angemeldet. Der zweimonatige Wohnungswechsel habe nur zum Zwecke des schnellen Fahrerlaubniserwerbs gedient, wodurch das Wohnsitzprinzip umgangen worden sei.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2005 zurück: Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 4 Satz 1 FeV habe die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Das sei bei dem Kläger der Fall. Die Nichtbefähigung des Klägers ergebe sich aus der Tatsache, dass er einer rechtmäßigen Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens nicht gefolgt sei. Gemäß § 11 Abs. 8 in Verbindung mit § 46 Abs. 4 Satz 3 FeV dürfe die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichtbefähigung des Betroffenen schließen und habe dann gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 4 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Betroffene weigere, sich untersuchen zu lassen, oder er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringe. Die Forderung nach einem solchen Gutachten sei zu Recht ergangen. Die Anordnung sei gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 FeV erfolgt, wonach die Verwaltungsbehörde die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr anordnen könne, wenn Tatsachen die Annahme der mangelnden Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen rechtfertigten. Derartige Tatsachen lägen insbesondere dann vor, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Bewerber seine praktische Prüfung unter Verstoß gegen die Bestimmungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV nicht an dem vorgeschriebenen Ort ablege, sondern an einem Ort, der den Verkehrsverhältnissen an dem vorgeschriebenen Ort in keiner Weise entspreche. Die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens sei geboten gewesen, weil nach erteilter Fahrerlaubnis nur über diese Form der Begutachtung die bisher unterbliebene Fahrprüfung am Ort der Hauptwohnung "nachgeholt" und damit den der Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV zugrunde liegenden sicherheitsrechtlichen Erwägungen genügt werden könne. Das vom Kläger erwartete Gutachten sei von diesem nicht beigebracht worden.

Der Kläger hat am 5. Juli 2005 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen hat.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2005 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen ihre in den angefochtenen Bescheiden dargelegte Auffassung wiederholt.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 25. April 2007 den Bescheid vom 17. September 2004 und den Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2005 aufgehoben: Die Voraussetzungen für eine Fahrerlaubnisentziehung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 4 FeV lägen nicht vor. Die Beklagte habe den Kläger zu Unrecht aufgefordert, ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr beizubringen. Eine Tatsache, die die Annahme der fehlenden Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründe, sei nicht bereits darin zu sehen, dass der Kläger seine praktische Fahrprüfung nicht in Hamburg, sondern in B....... abgelegt habe. Insofern sei zunächst allerdings davon auszugehen, dass der Kläger gegen die Bestimmung des § 17 Abs. 3 FeV verstoßen habe. Sein kurzzeitiger Aufenthalt in B....... habe allein dem Erwerb der Fahrerlaubnis gedient und sei von vornherein auf diesen Zeitraum begrenzt gewesen. Seinen Lebensmittelpunkt habe der Kläger dort zu keiner Zeit gehabt. Der Verstoß gegen die Bestimmung des § 17 Abs. 3 FeV rechtfertige jedoch weder allein noch in der Zusammenschau mit den konkreten Umständen des vorliegenden Falles Zweifel an der Befähigung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dass ein Verstoß gegen die Bestimmung über den Prüfungsort für sich genommen noch keine Eignungszweifel begründe, folge bereits aus der Regelung des § 17 Abs. 3 FeV selbst. Nach Abs. 3 Satz 3 könne nämlich die Fahrerlaubnisbehörde auch zulassen, dass der Bewerber die Prüfung an einem anderen Prüfort ablege. Lasse somit die gesetzliche Regelung selbst für den Fall, dass Sicherheitsbedenken nicht vorlägen, eine Abweichung vor, so könne nicht in jedem Verstoß gegen den Prüfungsort ohne weiteres von Eignungszweifeln ausgegangen werden. Vielmehr seien die konkreten Umstände des Einzelfalles in den Blick zu nehmen. Nur wenn danach Zweifel an der Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestünden, dürfe die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr anordnen. Gemessen hieran sei die Beklagte zu Unrecht von Eignungszweifeln ausgegangen.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus: Dem Kläger sei die Fahrerlaubnis rechtmäßig auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 4 Satz 1 FeV entzogen worden, da er der Anordnung vom 30. September 2004 zur Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr in der Form einer den Anforderungen der praktischen Befähigungsprüfung für den Erwerb der Fahrerlaubnis der Klasse B entsprechenden Fahrprobe zu Unrecht nicht gefolgt sei. Daher habe entsprechend § 46 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichtbefähigung des Klägers geschlossen und ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden dürfen. Die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens sei zu Recht erfolgt, da Tatsachen im Sinne des § 46 Abs. 4 Satz 2 FeV vorlägen, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. Diese Tatsachen lägen in dem Umstand, dass der Kläger bisher keinen Nachweis einer den Anforderungen des § 17 Abs. 3 FeV genügenden Befähigungsprüfung erbracht habe. Denn er habe die praktische Prüfung nicht am Ort seiner tatsächlichen Hauptwohnung in Hamburg erfolgreich abgelegt. Er habe damit nicht den nach § 17 Abs. 3 FeV erforderlichen Nachweis erbracht, gerade den in einer Großstadt herrschenden besonderen Verkehrsverhältnissen gewachsen zu sein. Der Regelung des § 17 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 FeV komme wesentlicher materiell-rechtlicher Gehalt zu. Der Sinn dieser der Verkehrssicherheit dienenden Zuständigkeitsregelung sei darin zu sehen, dass ein Fahrerlaubnisbewerber seine praktische Fahrprüfung an jenen Orten ablegen solle, an denen er nach Erteilung der Fahrerlaubnis erwartungsgemäß regelmäßig am Straßenverkehr teilnehmen werde. Insbesondere das Autofahren in Großstädten wie Hamburg stelle hohe Anforderungen an die Befähigung eines Bewerbers um die Erteilung einer Fahrerlaubnis. Durch die Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV solle verhindert werden, dass Fahrschüler die großstädtische Verkehrssituation insbesondere bei der praktischen Prüfung mieden, um auf diese Weise eine Fahrerlaubnis zu erlangen, obwohl sie den besonderen Anforderungen des großstädtischen Verkehrs gar nicht gewachsen seien. Wenn der Verstoß gegen § 17 Abs. 3 FeV vorliege, bestünden bereits allein deshalb Tatsachen, die Zweifel an der Befähigung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründeten. Dem stehe nicht entgegen, dass die Fahrerlaubnisbehörde im Einzelfall gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV die Ablegung der Befähigungsprüfung auch an einem anderen Prüfort zulassen könne. Die Erlaubnisbehörde habe bei ihrer Ermessensausübung den in Satz 1 eindeutig zum Ausdruck gebrachten Willen des Normgebers in der Weise zu berücksichtigen, dass als "anderer Prüfort" grundsätzlich nur ein Ort in Betracht kommen könne, in welchem mit dem nach § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV vorgesehenen Prüfort vergleichbare Verkehrsverhältnisse bestünden. Der Normgeber habe mit der Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV keineswegs die materiell-rechtliche Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV relativiert. Auch der Blick auf § 17 Abs. 4 FeV führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn die darin normierten Anforderungen an das Prüfungsverfahren knüpften daran an, dass die Prüfung an dem in § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV festgelegten oder von der örtlich zuständigen Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 oder 3 FeV bestimmten Prüfort stattfinde und nicht etwa - wie im Fall des Klägers - an einem Ort erfolge, der in keiner Weise den Verkehrsverhältnissen entspreche, die am Hauptwohnort bestünden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2007 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2005 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger erwidert: Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei rechtswidrig. Entgegen der Auffassung der Beklagten lägen keine Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht befähigt sei. Er habe zum Zeitpunkt der Anordnung der Beibringung eines Gutachtens bereits mehr als 9 Monate lang eine Fahrerlaubnis gehabt und sei verkehrsrechtlich nicht aufgefallen. Es sei nicht richtig, wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang ausführe, dass seine Fahrpraxis keine hinreichende Gewähr dafür biete, dass er ausreichende praktische Fertigkeiten hinsichtlich des Führens eines Kraftfahrzeuges in der Großstadt habe. Es werde bestritten, dass die von einem ungeeigneten oder nicht befähigten Kraftfahrer ausgehende Verkehrsgefährdung jahrelang latent bleiben und jederzeit in einen schweren Schaden umschlagen könne. Unabhängig davon verstoße das Fahrerlaubnisrecht aber auch gegen Artikel 3 Abs. 1 GG, da es gleiche Situationen ungleich behandele. Einem Fahranfänger aus einem ländlichen Gebiet bleibe es nach der Verordnung unbenommen, unmittelbar nach dem Ablegen der Führerscheinprüfung in eine Großstadt zu ziehen. In diesem Fall werde nicht von einer Ungeeignetheit des Fahrers ausgegangen, wie er auch nicht verpflichtet werde, ein Gutachten zur Geeignetheit vorzulegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf die von der Beklagten vorgelegte Sachakte, die Schriftsätze der Beteiligten und die Niederschrift vom 10. Juni 2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 17. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2005, mit dem die Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis wegen fehlender Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers sind nicht gegeben.

1. Nach den Vorschriften in § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 4 FeV, auf die die Beklagte die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers gestützt hat, ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen ist gemäß § 2 Abs. 5 StVG, wer ausreichende Kenntnisse der für das Führen von Kraftfahrzeugen maßgebenden gesetzlichen Vorschriften hat (Nr. 1), mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut ist (Nr. 2), die zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs, gegebenenfalls mit Anhänger, erforderlichen technischen Kenntnisse besitzt und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage ist (Nr. 3) und über ausreichende Kenntnisse einer umweltbewussten und energiesparenden Fahrweise verfügt und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage ist (Nr. 4). Nach § 11 Abs. 8 FeV, der gemäß § 46 Abs. 4 Satz 3 FeV entsprechend anzuwenden ist, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis auf die Nichtbefähigung des Betroffenen schließen, wenn dieser den von ihm geforderten Nachweis seiner Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen - hier eine praktische Fahrprüfung in Hamburg - nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss auf die Nichtbefähigung ist aber nur zulässig, wenn die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.6.2005, NJW 2005, 3081 m. weit. Nachw.). Berechtigt war die Anordnung der praktischen Prüfung nach § 46 Abs. 4 Satz 2 FeV dann, wenn Tatsachen die Annahme gerechtfertigt haben, dass der Kläger nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen war. Derartige Tatsachen liegen vor, wenn sie Bedenken begründen bzw. die Besorgnis rechtfertigen, dem betreffenden Fahrerlaubnisinhaber fehle die erforderliche Befähigung (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 4.2.2003, NordÖR 2003, 305 m. weit. Nachw.).

Als konkrete Tatsache, aus der geschlossen werden könnte, dem Kläger fehle die erforderliche Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen, kommt im vorliegenden Fall allein in Betracht, dass die praktische Fahrprüfung des Klägers entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV im Landkreis S......F............. und nicht in Hamburg durchgeführt wurde; insoweit geht auch das Berufungsgericht aus den vom Verwaltungsgericht dargestellten Gründen, auf die Bezug genommen wird, davon aus, dass die Hauptwohnung des Klägers in der Zeit vom 28. Juli bis 23. September 2003, in der er sich in B....... aufhielt, um eine Fahrschule in F............. zu besuchen, und in S...... die praktische Fahrprüfung ablegte, weiter seine beibehaltene Wohnung in Hamburg war. Aus dieser Tatsache können jedoch keine Bedenken gegen die Fahrbefähigung des Klägers hergeleitet werden.

In § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV ist bestimmt, dass der Bewerber die praktische Prüfung am Ort seine Hauptwohnung oder am Ort seiner schulischen oder beruflichen Ausbildung, seines Studiums oder seiner Arbeitsstelle abzulegen hat. Dieser Bestimmung liegen verkehrssicherheitsrechtliche Erwägungen zugrunde. Der Verordnungsgeber will erreichen, dass ein Fahranfänger möglichst dort ausgebildet und geprüft wird, wo er nach Erwerb der Fahrerlaubnis hauptsächlich am Verkehr teilnimmt, nämlich an seinem Wohn-, Ausbildungs- oder Arbeitsort (vgl. amtliche Begründung zu § 17 Abs. 3 FeV, VkBl. 1998, S. 1073); so soll danach im Rahmen der Zulassung eines anderen Prüforts nach § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV die auswärtige Prüfung im Hinblick auf Sicherheitsbedenken nicht in Betracht kommen, wenn der Bewerber in einer Großstadt wohnt und auf einen dünn besiedelten Bereich ausweichen will, weil er glaubt, den Anforderungen in der Großstadt nicht gewachsen zu sein. Bei der Bestimmung handelt es sich damit nicht lediglich um eine bloße Zuständigkeitsregelung, sondern auch um eine materiell-rechtliche, der Verkehrssicherheit dienende Vorschrift. Mit ihr wird im Interesse der Verkehrssicherheit das Ziel verfolgt, dass der Fahrerlaubnisbewerber die praktische Prüfung dort ablegen soll, wo er in der ersten Zeit nach Erwerb der Fahrerlaubnis erwartungsgemäß hauptsächlich am Verkehr teilnehmen und seine Fahrpraxis erwerben wird. Da der Kläger in S...... weder seine Hauptwohnung noch seine Arbeitsstelle hatte, dort auch keine schulische oder berufliche Ausbildung (der Besuch einer Ferienfahrschule fällt nicht darunter) und kein Studium betrieb, durfte seine praktische Fahrerlaubnisprüfung nicht in S...... stattfinden. Ihm hätte deshalb von der Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises S......F............. keine Fahrerlaubnis erteilt werden dürfen. Zur Durchsetzung der der allgemeinen Verkehrssicherheit dienenden Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV hätte die Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises S......F............. gegebenenfalls die Richtigkeit der Angabe des Klägers zu seinem Hauptwohnsitz überprüfen und für die Einhaltung der Vorschrift sorgen müssen.

Aus dem Umstand, dass § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV der Verkehrsicherheit dient, kann aber nicht geschlossen werden, dass eine entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV abgelegte praktische Fahrprüfung die Annahme rechtfertigt, der Inhaber der Fahrerlaubnis könnte sich bereits deswegen als nicht befähigt zum Führen eines Kraftfahrzeugs erweisen. Der Verordnungsgeber der Fahrerlaubnis-Verordnung geht davon aus, dass die Befähigung eines Fahrerlaubnisinhabers, der seine praktische Prüfung in rechtmäßiger Weise in einem eher ländlichen Raum bestanden hat und dem die Fahrerlaubnis zu Recht erteilt worden ist, nicht deshalb angezweifelt werden darf, weil dieser unmittelbar oder kurze Zeit nach Erhalt der Fahrerlaubnis in eine Großstadt umsiedelt und dort ein Kraftfahrzeug führt. Er hält die an jedem Prüfungsort und damit auch eine im ländlichen Raum rechtmäßig erworbene Fahrerlaubnis für ausreichend, um allgemein die Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen nachzuweisen. Für eine wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV rechtswidrig erworbene Fahrerlaubnis, bei der die Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen den generellen Anforderungen in § 2 Abs. 5 StVG entsprechend nachgewiesen wurde, kann nichts anderes gelten. Dies ist keine Frage der Gleichbehandlung einer rechtswidrig erlangten Fahrerlaubnis mit einer rechtmäßig erteilten Fahrerlaubnis. Vielmehr beruht die gleiche Nachweiswirkung auf dem Umstand, dass die erfolgreich abgelegte praktische Fahrprüfung unabhängig vom Prüfort generell als ein ausreichender Nachweis für die Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Die Qualität des Nachweises verändert sich nicht dadurch, dass die anschließende Erteilung der Fahrerlaubnis - wegen des Fehlens einer weiteren Voraussetzung - rechtswidrig erfolgt.

Das Erfordernis der praktischen Prüfung an dem in § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV bestimmten Ort soll einen zusätzlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten, ohne den Grundsatz aufzuheben, dass der in der praktischen Prüfung zu erbringende Nachweis auf die Fähigkeit bezogen ist, ohne Einschränkung auf ortsgebundene Verhältnisse ein Kraftfahrzeug sicher im allgemeinen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrerlaubnisrecht gibt den in § 17 Abs. 3 FeV hergestellten Ortsbezug bereits mit dem Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis wieder auf. In dem keineswegs lebensfremden, von der Gefährdungslage her mit der Rückkehr des Fahranfängers aus der Ferienfahrschule an seinen großstädtischen Wohnort gleich liegenden Fall, dass ein Fahranfänger kurz nach dem Erwerb der Fahrerlaubnis vom Land in die Großstadt zieht oder dorthin täglich zu seiner Arbeitsstätte fährt, überantwortet der Normgeber die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer dem ortsungebundenen Recht der Fahrerlaubnis auf Probe.

Diese Betrachtungsweise steht auch in Einklang mit § 17 Abs. 4 FeV und der Anlage 7 Teil 2. Aus diesen Regelungen lässt sich entnehmen, dass es gleiche Vorgaben für die Auswahl des Prüfortes und die Durchführung der praktischen Prüfung unabhängig davon gibt, ob sich die zuständige Fahrerlaubnisbehörde in einem Landkreis oder einer Großstadt befindet. Nach § 17 Abs. 4 FeV ist der innerörtliche Teil der praktischen Prüfung in (festgelegten) geschlossenen Ortschaften durchzuführen, die auch in ländlichen Bereichen bestimmte Anforderungen im Hinblick auf das Straßennetz, die vorhandenen Verkehrszeichen und -einrichtungen sowie die Verkehrsdichte und -struktur erfüllen müssen, um - nicht anders als der Prüfort in einer Großstadt - die Prüfung der wesentlichen Verkehrsvorgänge zu ermöglichen. Das Gleiche gilt für den außerörtlichen Teil der praktischen Prüfung. Faktisch wird es Unterschiede in den Verkehrsverhältnissen der einzelnen Prüforte etwa hinsichtlich der Verkehrsdichte und der Häufigkeit von Gefahrsituationen geben, die Anforderungen an die Bedingungen, unter denen der Befähigungsnachweis im Sinne eines ausreichenden generellen Standards zu erbringen ist, sind jedoch gleich.

2. Da die dem Kläger erteilte Fahrerlaubnis nicht aus Gründen rechtswidrig ist, die seine individuelle Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen betreffen, käme nur eine - hier nicht im Streit befindliche - Rücknahme der Fahrerlaubnis in Betracht. Zwar gilt der Grundsatz, dass in allen Fällen, in denen sich erweist, dass jemand ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, ausschließlich eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 StVG in Betracht kommt (vgl. m. weit. Nachw. zur Rspr. OVG Hamburg, Beschl. v. 30.1.2002, NJW 2002, 2123; s. bereits BVerwG, Beschl. v. 12.10.1982, NJW 1983, 1279). Aber dies schließt eine Rücknahme der Fahrerlaubnis nach § 48 HmbVwVfG nicht aus, wenn die Erteilung der Fahrerlaubnis aus anderen Gründen rechtswidrig ist, die weder die Voraussetzung der Eignung noch die der Befähigung betreffen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Nebenentscheidungen ergeben sich im Übrigen aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache wegen der Frage, ob die Ablegung einer praktischen Fahrprüfung unter Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV eine Tatsache im Sinne des § 46 Abs. 4 Satz 2 FeV ist, die die Annahme rechtfertigt, dass der Inhaber einer darauf beruhenden Fahrerlaubnis sich als nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweisen könnte, grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

Zurück