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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.04.2006
Aktenzeichen: 3 Bf 442/03
Rechtsgebiete: AuslG 1990, StAG, HmbVerfSchG


Vorschriften:

AuslG 1990 § 86 Nr. 2
StAG § 11 Satz 1 Nr. 2
HmbVerfSchG § 23
1. Bei der Feststellung eines Hinderungsgrundes für die Einbürgerung nach § 86 Nr. 2 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG dürfen im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände - ergänzend und mit minderem Beweiswert - auch Tatsachen berücksichtigt werden, zu denen Auskünfte des Landesamtes für Verfassungsschutz vorliegen, die auf geheimgehaltenen nachrichtendienstlich gewonnenen Erkenntnissen beruhen.

2. Auf die fortbestehende innere Verbundenheit mit der PKK kann bei deren eindeutiger Unterstützung in der Vergangenheit auch aus der Teilnahme an legalen Demonstrationen geschlossen werden, die zur Unterstützung der sicherheitsgefährdenden Ziele der PKK geeignet sind; dem steht der grundrechtliche Schutz der freien Meinungsäußerung in Art. 5 Abs. 1 GG nicht entgegen.


HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

3 Bf 442/03

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Kollak und Larsen am 7. April 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 1. Oktober 2003 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 8.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

1. Der Kläger begründet das Vorliegen ernstlicher Zweifel zunächst damit, dass die ablehnende Entscheidung nicht mit hinreichend gesicherten Erkenntnissen getroffen worden sei, da das Verwaltungsgericht ihr die Feststellungen des Landesamtes für Verfassungsschutz zugrundegelegt habe, obwohl es diese entgegen einschlägiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keiner kritischen Prüfung unterworfen habe, und obwohl sich aus den Angaben des Verfassungsschutzes weder genauere Informationen zur Art der beiden Demonstrationen am 18. Dezember 1998 in Bonn und im Februar 1999 in Kiel noch zur Art der Teilnahme des Klägers an diesen entnehmen ließen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung zu begründen.

Das Verwaltungsgericht sieht in Bezug auf eine Einbürgerung des Klägers den Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG 1990 (in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999, BGBl. I S. 1618; heute: § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG) als gegeben an. Es legt seiner Entscheidung unter anderem zugrunde, dass der Kläger "nach wie vor Sympathisant der PKK / des KADEK" sei und im Dezember 1998 in Bonn und im Februar 1999 in Kiel an "Demonstrationen der PKK" teilgenommen habe, wie sich aus zwei schriftlichen Auskünften des Landesamtes für Verfassungsschutz an die Beklagte ergebe. Der Umstand, dass die Feststellungen des Landesamtes auf nachrichtendienstlich gewonnenen Erkenntnissen beruhten, die wegen überwiegender schutzwürdiger Interessen Dritter in entsprechender Anwendung von § 23 Abs. 2 Nr. 2 HmbVerfSchG nicht mitgeteilt worden seien, führe nicht dazu, dass diese Anknüpfungstatsachen ihre gerichtliche Verwertbarkeit verlören. Denn vorliegend eröffne sich im Rahmen der Beweiswürdigung die Möglichkeit einer Gesamtbetrachtung der (auf geheimgehaltener Tatsachengrundlage beruhenden) Feststellungen des Landesamtes für Verfassungsschutz mit weiteren "vorwiegend zu berücksichtigenden" (S. 9 UA, 3. Absatz) hinreichend gesicherten Erkenntnissen über PKK-Aktivitäten des Klägers in der Vergangenheit, wobei nicht ausgeschlossen werde, dass diese weiteren Erkenntnisse schon für sich allein Anlass zu Zweifeln am Bekenntnis des Klägers zur Werteordnung der Verfassung böten.

Die Richtigkeit dieser Erwägungen des Verwaltungsgerichts wird durch das Vorbringen des Klägers nicht ernstlich in Frage gestellt. Als "vorwiegend zu berücksichtigende Umstände" hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt, dass der Kläger vor seiner Ausreise Mitglieder der PKK mit Nahrungsmitteln und Bekleidung unterstützt und kurz nach seiner Einreise seiner Sympathie für die PKK durch die Teilnahme an einer Demonstration von Anhängern der PKK am 24. Juni 1993 vor dem türkischen Konsulat in Hamburg Ausdruck verliehen habe. Bei letzterer Demonstration war der Kläger nach seinen Angaben im Asylverfahren zur Feststellung seiner Personalien vorläufig festgenommen worden. Nach den Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz handelte es sich seinerzeit um unfriedlich verlaufene Aktionen von Anhängern bzw. Sympathisanten der PKK. Dass das Verwaltungsgericht diese - vom Kläger nicht bestrittenen - Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG als hinreichend gesicherte Erkenntnisse über PKK-Aktivitäten des Klägers in der Vergangenheit (S. 8 UA, letzter Absatz) als "vorwiegend zu berücksichtigend" gewertet hat, ist vom Kläger mit seinem Zulassungsantrag ebenso wenig (ausdrücklich und substantiiert) angegriffen worden wie die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass seine Einlassungen zur Teilnahme an den beiden Demonstrationen im Dezember 1998 und im Februar 1999 pauschal, oberflächlich und widersprüchlich seien und dass damit sein Vorbringen als unglaubhaft zu werten sei (S. 13 UA oben). Auch dass das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung davon ausgeht, dass es die auf geheimgehaltene Umstände gestützten Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht näher habe überprüfen können, hat der Kläger mit seinem Zulassungsantrag weder ausdrücklich noch substantiiert angegriffen, insbesondere nicht aufgezeigt, welche Möglichkeiten einer erfolgversprechenden weiteren Sachaufklärung für das Verwaltungsgericht bestanden hätten.

Wenn das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz hinsichtlich der Demonstrationen in den Jahren 1998 und 1999 als "plausibel" bezeichnet, sie auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung sinngemäß als nicht weiter aufklärbare Tatsache mit minderem Beweiswert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999, - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101 S. 101,126) berücksichtigt und dann zu dem Ergebnis kommt, dass der Kläger nach wie vor als Sympathisant der PKK bzw. der KADEK anzusehen sei, so zeigt der Zulassungsantrag bezüglich dieser Beweiswürdigung keine Fehler auf. Allein, dass der Kläger die Teilnahme an einer der beiden Demonstrationen bestritten hatte, musste das Verwaltungsgericht nicht ernsthaft an der Aussagekraft der Auskunft zweifeln lassen. Zum einen hat das Verwaltungsgericht die Angaben des Klägers aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit insgesamt als unglaubhaft gewürdigt, und zum anderen hat der Kläger selbst bei seiner Anhörung bei der Beklagten eine Teilnahme an der zweiten Demonstration nicht ausgeschlossen. Insbesondere letzteres zeigt deutlich, dass der Kläger selbst seinerzeit die generelle Teilnahme an 'PKK-Demonstrationen' gar nicht bestreiten wollte bzw. nicht bestreiten zu können glaubte. Das Verwaltungsgericht musste vor diesem Hintergrund auf die Berücksichtigung der amtlichen Auskunft des Landesamtes für Verfassungsschutz auch nicht deshalb verzichten, weil in dieser die Art der genannten Veranstaltungen lediglich durch die Formulierung "Demonstration der PKK" gekennzeichnet und die Art der Teilnahme des Klägers nicht näher beschrieben worden war. Entgegen der Annahme des Klägers durfte das Verwaltungsgericht den kurz gefassten Angaben in der Auskunft durchaus eine ausreichende Aussagekraft beimessen. Dass die PKK seinerzeit in Deutschland bereits mehrere Jahre verboten war und deshalb selbst offiziell keine Demonstrationen anmelden konnte, steht dem nicht entgegen. Der gewählten Formulierung durfte das Verwaltungsgericht vielmehr sinngemäß entnehmen, dass der Kläger an Demonstrationen teilgenommen hatte, die direkt oder indirekt durch die PKK selbst oder durch Personen aus dem näheren Umfeld der PKK organisiert worden waren und bei denen eine Teilnahme des Klägers vor dem Hintergrund seiner Teilnahme an der unfriedlich verlaufenen Aktion im Juni 1993 als aussagekräftiges Indiz dafür zu werten war, dass er weiterhin mit den inkriminierten Zielen der PKK sympathisierte.

Der Verwertbarkeit der Auskunft des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 6. Dezember 2002 durch das Verwaltungsgericht stand auch nicht entgegen, dass das Landesamt erklärt hatte, dass nähere Einzelheiten nicht mitgeteilt werden könnten, da der Sachverhalt auf nachrichtendienstlichem Wege bekannt geworden sei. Zum einen wurde das Gewicht der amtlichen Auskunft noch dadurch erhöht, dass diese auf erneute Nachfrage der Beklagten (mit Hinweis auf das Bestreiten des Klägers) vom Landesamt mit Schreiben vom 5. Mai 2003 noch einmal ausdrücklich und unter Hinweis auf eine eingehende Prüfung bekräftigt worden war. Zum anderen bestand seitens des Verwaltungsgerichts vor dem Hintergrund des widersprüchlichen und als unglaubhaft gewerteten Vorbringens des Klägers sowie seiner unbestrittenen Teilnahme an einer unfriedlich verlaufenen Aktion der PKK im Jahre 1993 ohnehin kein zwingender Anlass, den Sachverhalt noch weiter aufzuklären.

Der Berücksichtigung der Auskunft des Landesamtes für Verfassungsschutz stand auch nicht die bereits vom Verwaltungsgericht ausführlich wiedergegebene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur gerichtlichen Überprüfbarkeit auf geheimgehaltene Umstände gestützter behördlicher Angaben entgegen. Nach dieser Rechtsprechung (BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999, BVerfGE Bd. 101 S. 106) darf die in Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Gewährung effektiven Rechtsschutzes auch dann nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, wenn eine Behörde sich gegenüber dem Auskunftsbegehren eines Bürgers auf Geheimhaltungsgründe beruft und sich diese Gründe gerade auch auf die allein als Beweismittel in Betracht kommenden Verwaltungsvorgänge beziehen, in denen die für das Verwaltungsverfahren und sein Ergebnis relevanten Sachverhalte dokumentiert sind. Soweit in einem derartigen Fall die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, muss das Gericht die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen. Allerdings hat bereits das Bundesverfassungsgericht selbst in der genannten Entscheidung (a.a.O., S. 126) darauf hingewiesen, dass das durch die Geheimhaltung entstehende Rechtsschutzdefizit in anders gelagerten Fällen unter Umständen im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeglichen werden kann; nämlich dann, wenn die Sachentscheidung einer Behörde nicht allein auf einer geheimgehaltenen Tatsachengrundlage beruht und das Gericht die Aufklärungslücke überbrücken kann, indem es die übrigen Erkenntnisse verwertet und die nicht aufklärbare Tatsache nur mit minderem Beweiswert berücksichtigt. Einen solchen Fall hat des Verwaltungsgericht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegend angenommen. Diese Wertung wird durch das Vorbringen im Zulassungsantrag nicht ernsthaft in Frage gestellt. Auch soweit sich das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang (S. 8 UA oben) unter Bezugnahme auf die in §§ 1 Abs. 1, 16 Abs. 2 BVerfSchG bzw. in § 4 Abs. 1 HmbVerfSchG normierte Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden auf die Erwägung stützt, dass die von ihm seiner Entscheidung zugrundegelegte differenzierende Betrachtungsweise einen sachgerechten Ausgleich schaffe zwischen dem Rechtsschutzinteresse des Einzelnen und dem Interesse des Staates an einem funktionsfähigen behördlichen Verfassungsschutz, wie er insbesondere auch im Bereich des Einbürgerungsrechts von Bedeutung sei, ist das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, die Richtigkeit dieser Erwägungen ernstlich in Frage zu stellen.

Die Zulässigkeit der Berücksichtigung der Auskunft des Landesamtes für Verfassungsschutz wird entgegen dem Einwand des Klägers auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem Landesamt hinsichtlich der Zeit zwischen 1993 und 1998 keine Erkenntnisse vorliegen. Dasselbe gilt für die Überlegung, dass aufgrund der fehlenden weiteren Aufklärbarkeit eine Personenverwechslung hinsichtlich der beiden Demonstrationen in Bonn und Kiel nicht ausgeschlossen werden könne. Besondere Anhaltspunkte für eine derartige Verwechslung hat der Kläger nicht vorgetragen.

2. Der Kläger begründet das Vorliegen ernstlicher Zweifel ferner damit, dass das Verwaltungsgericht die Feststellung, dass er sich in nicht unerheblicher Weise für die Bestrebungen der PKK eingesetzt habe, mit seiner Unterstützung der PKK als Jugendlicher in der Türkei vor seiner Ausreise und mit der Teilnahme an der Demonstration vor dem türkischen Konsulat am 24. Juni 1993 begründe, obwohl diese Aktivitäten über 10 Jahre her seien und die PKK erst im November 1993 in Deutschland verboten worden sei. Insoweit könne es nur darauf ankommen, ob eine nachhaltige Unterstützung der PKK auch nach dem Wirksamwerden ihres Verbotes erfolgt sei. Ferner sei im Hinblick auf den hohen Mobilisierungsgrad der PKK bzw. des KADEK eine Differenzierung geboten, um bloße Mitläufer von der Anwendung des § 86 Nr. 2 AuslG auszuschließen.

Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung zu begründen. Dass er seinerzeit als bloßer Mitläufer anzusehen gewesen sei, wird vom Kläger nicht dargelegt. Hiervon musste das Verwaltungsgericht bei der Teilnahme eines 18-Jährigen, der Mitglieder der PKK nach eigenen Angaben bereits in der Türkei als Minderjähriger mit Nahrung und Kleidung unterstützt hatte, an einer unfriedlich verlaufenen PKK-Aktion vor einem türkischen Konsulat auch nicht ausgehen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die PKK in Deutschland erst ca. 5 Monate nach diesem Vorfall verboten wurde, da der Kläger zum einen die Politik und Methoden der PKK bereits aus der Türkei gekannt haben muss und er sich zum anderen auch nicht etwa nur an einer legalen, friedlichen Veranstaltung beteiligt hatte. Dass er eher unabsichtlich in die unfriedlich verlaufene Aktion vor dem türkischen Konsulat 'hineingeraten' wäre, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Dass seitdem bereits ein längerer Zeitraum vergangen ist, schließt die Berücksichtigung dieser Unterstützungshandlung nicht grundsätzlich aus. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass der am 11. Dezember 1974 geborene und im Juni 1992 nach Deutschland eingereiste Kläger zum Zeitpunkt seiner Unterstützung der PKK in der Türkei noch minderjährig war.

3. Der Kläger begründet das Vorliegen ernstlicher Zweifel weiter damit, dass das Verwaltungsgericht sich nicht damit auseinandergesetzt habe, dass bei einer wertenden Gesamtbetrachtung auch zu berücksichtigen sei, dass er bei der Teilnahme an Demonstrationen im Bundesgebiet sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit, Art. 5 GG, wahrnehme.

Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung zu begründen. Zwar ist im Rahmen der Frage, ob tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme sicherheitsgefährdender Aktivitäten im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG / § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG rechtfertigen, eine wertende Betrachtungsweise erforderlich, bei der auch die dem Ausländer zustehenden Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG und aus Art. 9 Abs. 3 GG zu berücksichtigen sind. Hieraus folgt aber nicht, dass politische Aktivitäten, die grundrechtlich geschützt oder einfachrechtlich erlaubt sind, bei der Prüfung nach § 86 Nr. 2 AuslG / § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG völlig außer Betracht zu bleiben haben (vgl. Berlit, in GK-StAR, § 11 StAG, Rdnr. 88 f). Vielmehr kann insbesondere dann, wenn in der Vergangenheit bereits eine eindeutige Unterstützungshandlung vorliegt, aus der Teilnahme an späteren legalen, zur Unterstützung der sicherheitsgefährdenden Ziele der PKK bzw. des KADEK geeigneten Demonstrationen der Schluss gerechtfertigt sein, dass weiterhin eine innere Verbundenheit mit der PKK (bzw. mit dem KADEK) und den entsprechenden politischen Zielen besteht. Hinsichtlich der Teilnahme an der unfriedlich verlaufenen Aktion vor dem türkischen Konsulat in Hamburg am 24. Juni 1993 kann sich der Kläger ohnehin nicht auf den grundrechtlichen Schutz seiner Meinungsfreiheit berufen.

4. Der Kläger macht weiter geltend, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung bestünden, soweit das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass er ein Abwenden von den nach § 86 Nr. 2 AuslG inkriminierten Bestrebungen nicht glaubhaft gemacht habe, und dies damit begründe, dass der Einbürgerungsbewerber seine Abwendung von der früheren Unterstützung dieser Bestrebungen durch substantiierte und einleuchtende Darlegung der entsprechenden Umstände glaubhaft machen müsse. Auch wenn er (der Kläger) zu seinem Sinneswandel vor 10 Jahren nichts weiter dargelegt habe, sprächen bereits alle äußeren Anzeichen dafür, dass die zukünftige Verfolgung oder Unterstützung inkriminierter Bestrebungen mit hinreichender Gewissheit auszuschließen sei. Insoweit habe das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen, dass er zum Zeitpunkt der Unterstützung von Mitgliedern der PKK mit Nahrungsmitteln und Bekleidung noch Jugendlicher gewesen sei und sich in der Türkei, mithin also unter völlig anderen politischen Bedingungen und Verhältnissen, befunden habe. Nach allgemeiner Lebenserfahrung nehme ein Mensch im jugendlichen Alter andere Positionen ein als mit knapp 30 Jahren. Auch die Tatsache, dass selbst seitens des Landesamtes für Verfassungsschutz seit Februar 1999 keine Erkenntnisse mehr vorlägen, sei bei der Frage des Abwendens zu berücksichtigen. Auch mit diesem Vorbringen wird die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Aus ihm ergibt sich keine Glaubhaftmachung eines Abwendens im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG. Für ein Abwenden genügt ein bloß äußeres - zeitweiliges oder situationsbedingtes - Unterlassen der Unterstützungshandlungen nicht. Vielmehr ist die Glaubhaftmachung eines individuellen Lernprozesses erforderlich, der annehmen lässt, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig die Verfolgung oder Unterstützung inkriminierter Bestrebungen - auch in Ansehung der durch eine Einbürgerung erworbenen Rechtsposition - auszuschließen ist (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 - 3 Bf 172/04 -, Juris; VGH München, Beschl. v. 13. 7.2005 - 5 ZB 05.901, Juris; Urt. v. 27.5.2003 - 5 B 01.1805, Juris; Urt. v. 27.5.2003 - 5 B 00.1819, Juris; VGH Mannheim, Urt. v. 11.7.2002, a.a.O.; Berlit in: GK-StAR, § 11 StAG, Rdnr. 152). Die Glaubhaftmachung einer veränderten Auffassung verlangt angesichts der nur schwer zu fassenden Anhaltspunkte aus der (inneren) Sphäre des Ausländers und der ihn treffenden materiellen Beweislast eine substantiierte Darlegung von Umständen, die den nachvollziehbaren Schluss auf eine geänderte innere Einstellung zulässt. Die an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen hängen ab von Art, Gewicht und Häufigkeit der Handlungen, die zur Verfolgung oder Unterstützung der in § 11 Satz 1 Nr. 2 genannten Bestrebungen entfaltet worden sind, und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt sind (vgl. Berlit in: GK-StAR, § 11 StAG, Rdnr. 158).

Das Vorbringen des Klägers lässt keinerlei Anhaltspunkte erkennen, die ein Abwenden in dem geschilderten Sinne begründen könnten. Insbesondere ist die Darlegung eines Sinneswandels entgegen der Ansicht des Klägers keinesfalls entbehrlich. Auch wenn die Anforderungen an die Glaubhaftmachung grundsätzlich weniger hoch anzusetzen sind, wenn die festgestellten tatsächlichen Anhaltspunkte bereits längere Zeit zurückliegen, kann dies nicht dazu führen, dass die Notwendigkeit der Glaubhaftmachung vollständig entfällt. Vorliegend hat der Kläger nicht nur keinerlei substantiierte Angaben zu seinem heutigen Verhältnis zu den sicherheitsgefährdenden Zielen der PKK bzw. des KADEK gemacht, sondern hat sich mit seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, dass er seit ca. 1993 auf keine Demonstrationen gegangen sei, sogar in Widerspruch gesetzt zu seinen eigenen Angaben bei der Beklagten am 31. Januar 2003.

5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 72 Nr. 1 GKG, 14 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG (a.F.). Dabei orientiert sich der Senat hinsichtlich des Streitwertes an der Empfehlung des sog. Streitwertkatalogs in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 (abgedruckt u.a. in: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, Anh. § 164 Rdnr. 14), nach dem der Streitwert bei der Einbürgerung mit dem doppelten Auffangwert zu bemessen ist.

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