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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.11.2006
Aktenzeichen: 3 Bs 126/05
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 25 Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 7
1. Eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann nicht durch Umstände begründet werden, die an sich nach anderen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes zu prüfen und zu würdigen sind, den darin bestimmten Anforderungen für ein Aufenthaltsrecht aber nicht genügen.

2. Die Abschiebung nach Jamaika ist für einen psychisch Kranken, der unter paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie leidet, nicht mit einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verbunden.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

3 Bs 126/05

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Niemeyer am 1. November 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. März 2005 geändert.

Der Antrag des Antragstellers wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und - insoweit unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts - für das Verfahren in erster Instanz auf jeweils 2.500,- Euro festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt G B wird abgelehnt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Dem Antragsteller steht der erstrebte vorläufige Rechtsschutz nicht zu.

I. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der von dem Antragsteller erhobenen Klage auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (9 K 5885/04) angeordnet und zur Begründung ausgeführt, der nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO statthafte Eilantrag sei begründet, weil das diesbezügliche Interesse des Antragstellers gegenüber dem Sofortvollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiege. Dafür genüge es, dass der Ausgang des Klageverfahrens zwar offen sei, jedoch besondere Gründe des Antragstellers das öffentliche Sofortvollziehungsinteresse überwögen. Der Ausgang des Klageverfahrens sei offen, da zunächst geklärt werden müsse, in welchem Maße der aufgrund seiner psychischen Erkrankung behandlungs- und betreuungsbedürftige Antragsteller in der Lage sei, sich in seinem Heimatland Jamaika allein zurecht zu finden. Nach der Aktenlage sei er zwar nicht gerade auf die Betreuung seiner Mutter angewiesen, doch müsse eine Betreuung gewährleistet sein; ob dies in Jamaika der Fall wäre, sei für das Gericht nicht erkennbar. Diese Lage lasse es als zumindest möglich erscheinen, dass es - etwa wenn die festgestellte Psychose sich durch ein Verlassen des gewohnten Rahmens deutlich verschlechtern sollte oder er in Jamaika nicht hinreichend betreut werden könnte - für den Antragsteller eine außergewöhnliche Härte bedeuten könne, das Bundesgebiet zu verlassen, und ihm deshalb gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nach dem Ermessen der Antragsgegnerin eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden könne. Es bestünden auch hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falls, der ein Abweichen von den Regelversagunsgründen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AufenthG rechtfertige: Auch wenn die psychische Erkrankung möglicherweise weder für die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts noch für die von ihm begangenen Straftaten ursächlich sei, träfen ihn die Folgen einer Ausreise ggf. stärker als andere Ausländer. Dann wiederum stehe die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Ermessen der Antragsgegnerin, das diese in den angefochtenen Bescheiden nicht ausgeübt habe. Sofern es zu einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Neubescheidung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis komme, würde dies mangels fortbestehender Ausreisepflicht auch zur Aufhebung der in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Abschiebungsandrohung führen.

Die Antragsgegnerin trägt dagegen mit der Beschwerde (u. a.) vor: Sie habe bereits im Widerspruchsbescheid (vom 16.11.2004) ausgeführt, dass die Behauptung des Antragstellers, dass eine ärztliche Betreuung in Jamaika nicht möglich sei, durch nichts belegt werde, und dass die psychische Erkrankung des Antragstellers es nicht rechtfertige, ihm nach § 30 Abs. 2 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen. Die dortigen Erwägungen zum Fehlen eines Ausnahmefalls hielten einer Überprüfung weiterhin stand. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG komme nicht in Betracht, da eine außergewöhnliche Härte im Sinne dieser Bestimmung nicht vorliege. Auch wenn den Antragsteller eine Rückkehrverpflichtung härter treffe als einen vergleichbaren gesunden Ausländer, handele es sich nicht um einen Fall, in dem eine Rückkehr absolut unzumutbar sei. In Jamaika gebe es jedenfalls touristische Regionen, zu denen offenbar auch (der Geburtsort des Antragstellers) St. Elisabeth gehöre, mit ausreichender medizinischer Versorgung. Der Antragsteller habe keine Erkrankung, deren Behandlung zur Vermeidung von schnellem Siechtum und Tod eine hochentwickelte Apparatemedizin erfordere, wie etwa bei Dialysefällen. Psychische Krankheiten gebe es auch in Jamaika; demnach werde man auch dort Erfahrungen im Umgang damit haben. Ausländer hätten keinen Anspruch, den deutschen Behandlungsstandard zu behalten und zu diesem Zweck auf Dauer im Bundesgebiet zu verbleiben. Dies gelte erst recht, wenn, wie im Fall des Antragstellers, Ausweisungsgründe in Gestalt von Straftaten vorlägen und der Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Schließlich gebe es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller, der erst mit sechzehneinhalb Jahren in das Bundesgebiet gekommen sei, niemanden in Jamaika mehr kenne. Nach Aktenlage lebten dort noch mehrere nahe Verwandte (leiblicher Vater, Bruder), die ihn unterstützen und neben den jamaikanischen Behörden dafür sorgen könnten, dass er sich erforderlichenfalls behandeln lasse.

II. Die Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe ergibt, dass der angefochtene Beschluss mit der dort gegebenen Begründung keinen Bestand haben kann. Damit ist das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet, ohne die Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO über die Beschwerde in eigener Kompetenz zu entscheiden (zu dieser Folge vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.12.2003 - 3 Bs 415/02). Auf dieser Grundlage bleibt der Eilantrag des Antragstellers ohne Erfolg.

Die Beschwerde erschüttert die Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei hinreichend wahrscheinlich, dass die (zuletzt bis zum 22.1.2002 gültige) Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte verlängert werden könne. Es ist (auch) aus den dort genannten Gründen jedenfalls ernstlich zweifelhaft, ob sich der Antragsteller in einer extremen Ausnahmesituation befindet, in der die Rückkehr in sein Heimatland schlechthin unvertretbar ist (vgl. dazu i. ü. die nachstehenden Ausführungen unter "III.2.d").

III. Dem Antragsteller ist kein vorläufiger Rechtsschutz hinsichtlich seiner auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Aufhebung der von der Antragsgegnerin verfügten Abschiebungsandrohung gerichteten Klage zu gewähren. Der Eilantrag des Antragstellers ist zulässig (1.). Dem Antragsteller dürfte keine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern bzw. zu erteilen (2.) und die ihm gegenüber verfügte Abschiebungsandrohung dürfte rechtmäßig (3.) sein.

1. Der Eilantrag ist zulässig; insbesondere fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dies wäre allerdings der Fall, wenn die von dem Antragsteller erhobene Klage (9 K 5885/04), auf die sich der vorliegende Eilantrag bezieht, bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hätte. Eine solche Situation ist hier jedoch nicht gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass die o. g. Klage (auch) an einen Antrag des Antragstellers vom 21. Januar 2002 auf Verlängerung der seinerzeit bis zum 22. Januar 2002 geltenden Aufenthaltserlaubnis/EG anknüpft - die Antragsgegnerin hat dieses Begehren mit dem Widerspruchsbescheid vom 16. November 2004 (S. 4) ausdrücklich versagt -, und dass Rechtsmittel gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis/EG gemäß § 12 Abs. 9 AufenthG/EWG entgegen § 72 Abs. 1 AuslG aufschiebende Wirkung hatten (nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU würde bei Rechtsmitteln gegen die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis-EU Entsprechendes gelten, da § 11 FreizügG/EU nicht auf § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verweist). Denn die o. g. Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis/EG hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung:

Nach § 12 Abs. 9 AufenthG/EWG hatten Widerspruch und Klage gegen die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis/EG nur dann aufschiebende Wirkung, wenn der Ausländer (zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels) tatsächlich zu dem nach § 1 Abs. 1 oder 2 AufenthG/EWG freizügigkeitsberechtigten Personenkreis gehörte, da § 12 AufenthG/EWG insgesamt nur galt, soweit "dieses Gesetz Freizügigkeit gewährt" hat (§ 12 Abs. 1 Satz 1; vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.10.1987, InfAuslR 1988 S. 104, 105; Beschl. v. 5.8.1999, InfAuslR 1999 S. 486, 487 f.; Beschl. v. 2.12.1999, InfAuslR 2000 S. 168 f.; VGH Mannheim, Beschl. v. 17.8.1994, - 13 S 1678/94, JURIS). Der Antragsteller hat jedoch zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage (ebenso wie bereits zuvor bei der Einlegung des Widerspruchs gegen die Verfügung vom 17.6.2004 und bei der Beantragung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis/EG am 21.1.2002) nicht mehr zu dem von § 1 Abs. 2 AufenthG/EWG erfassten, freizügigkeitsberechtigten Personenkreis gehört, da er im Sinne dieser Vorschrift kein "Familienangehöriger" seiner Mutter mehr war: Er war bereits 21 Jahre alt (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AufenthG/EWG), und seine Mutter gewährte ihm - er wohnte nicht bei ihr und lebte von Hilfeleistungen des Sozialamts - auch keinen Unterhalt (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AufenthG/EWG).

Ebensowenig ist anzunehmen, dass die o. g. Klage mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU am 1. Januar 2005 aufschiebende Wirkung erlangt hätte.

Unabhängig von der Frage, ob es überhaupt in Betracht kommt, dass vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingelegte Rechtsmittel, die nach Maßgabe des AufenthG/EWG keine aufschiebende Wirkung hatten, nunmehr gemäß dem Freizügigkeitsgesetz/EU mit dessen Inkrafttreten aufschiebende Wirkung erlangen können, ist dies jedenfalls im vorliegenden Fall ausgeschlossen, weil der Antragsteller auch nach Maßgabe dieses Gesetzes nicht freizügigkeitsberechtigt ist, und eine ggf. aus § 11 FreizügG/EU folgende aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln nur in Bezug auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen gilt, "die nach § 2 Abs. 1 oder Abs. 5 < FreizügG/EU > das Recht auf Einreise und Aufenthalt haben". Der Antragsteller ist auch gemäß dem Freizügigkeitsgesetz/EU kein nach seiner Mutter im Sinne von § 2 Abs. 1 oder Abs. 5 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigter Familienangehöriger: Er hat das 21. Lebensjahr vollendet (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU), und seine Mutter gewährt ihm nach wie vor keinen Unterhalt (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU). Außerdem hat er nicht bei seiner Mutter Wohnung genommen, was zusätzlich einem von seiner Mutter abgeleiteten Freizügigkeitsrecht entgegensteht (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU).

2. Es ist nicht ersichtlich, dass die dem Antragsteller zuletzt erteilte Aufenthaltserlaubnis zu verlängern (vgl. dazu nachfolgend "a" und "d") oder ihm eine neue Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (vgl. dazu nachfolgend "b" und "c") wäre.

a) Der Antragsteller kann die Verlängerung seiner ihm zuletzt gemäß dem Aufenthaltsgesetz/EWG vom 31. Januar 1980 erteilten Aufenthaltserlaubnis nicht nach Maßgabe des (am 1.1.2005 an die Stelle des AufenthG/EWG getretenen) Freizügigkeitsgesetzes/EU beanspruchen. Der Antragsteller hat jedenfalls schon deshalb keine Ansprüche gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, weil er, wie bereits ausgeführt, nicht zu dem nach diesem Gesetz freizügigkeitsberechtigten Personenkreis gehört (vgl. § 3 Abs. 2 FreizügG/EU, ebenso nach vorheriger Rechtslage die Regelung in § 7 Abs. 1 AufenthG/EWG).

b) Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller wegen eines gesundheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 25 Abs. 3, 60 Abs. 7 AufenthG hätte.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine solche Gefahr für Leib oder Leben kann sich auch daraus ergeben, dass sich eine Krankheit des Ausländers im Falle seiner Rückkehr in den Heimatstaat erheblich verschlimmert, weil die dortigen Behandlungsmöglichkeiten unzureichend sind, oder weil eine notwendige Behandlung dort zwar im Prinzip geleistet werden kann, sie für den betreffenden Ausländer aber individuell tatsächlich nicht zu erlangen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002, DVBl. 2003 S. 463, zur gleichlautenden Regelung in § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990). Erheblich im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist eine Gefahr, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers in dem betreffenden Staat wesentlich verschlechtern würde. Konkret ist die Gefahr, wenn sie sich voraussichtlich alsbald nach der Rückkehr des Ausländers realisieren würde.

Nach diesem Maßstab bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass für den Antragsteller angesichts seiner psychischen Erkrankung wegen ungenügender Behandlungs- und Betreuungsmöglichkeiten in seinem Heimatland Jamaika dort eine erhebliche konkrete Gefahr für seine Gesundheit bestünde. Die vorgelegten ärztlichen Atteste und Gutachten lassen zwar darauf schließen, dass der Antragsteller in erheblichem Maße psychisch erkrankt ist (paranoid-halluzinatorische Schizophrenie), die Verschreibung einer hochdosierten Medikation nicht ohne weiteres die Vermeidung psychotischer Fehlhandlungen gewährleistet und dass der Antragsteller zeitweise erst nach Unterbringung in einer geschützten Station mit kontrollierter Medikamenteneinnahme und gesicherter Cannabisabstinenz hinreichend "aufklarte", um seine Situation zu realisieren (vgl. das Gutachten von Dr. K. vom 15.11.2005 S. 9 f.)

Das Beschwerdegericht vermag aber nicht zu erkennen, dass der Antragsteller deswegen in Jamaika voraussichtlich in eine gesteigert bedrohliche Situation geraten würde. Der Antragsteller hat keine Belege für seinen Vortrag erbracht, er könne in Jamaika nicht behandelt und betreut werden. Die Auskunftslage wiederum spricht dafür, dass der Antragsteller in Jamaika zumindest soweit behandelt und betreut werden könnte, dass besondere Gefährdungen durch psychotische Schübe vermeidbar wären:

Laut Munzinger-Archiv, Internationales Handbuch, gab es in Jamaika im Jahr 2004 neben 6 privaten 24 staatliche Krankenhäuser und etwa 350 Gesundheitszentren.

Krankenhausbehandlung und allgemeine medizinische Versorgung werden staatlich subventioniert; im Haushaltsjahr 2005/2006 erfolgten für das Gesundheitswesen 6,1 v. H. der Gesamtausgaben. Als Haupttodesursachen gelten in Jamaika die "Erste-Welt"-Krankheiten Krebs, Diabetes, Bluthochdruck und Herzerkrankungen; daneben verursachen Infektionskrankheiten (Malaria, Dengue, Tuberkulose) und Aids Probleme (vgl. Munzinger-Archiv/IH-Länder aktuell 40/06, Jamaika, Soziales und Kultur, S. 2). Nach Erkenntnissen des Home Office des Vereinigten Königreichs vom April 2005 (Jamaica Country Report, JURIS, Asylis - Fakten) gibt es in Jamaika ein Gesundheitssystem, das Behandlungen im primären, sekundären und tertiären Bereich ermöglicht ("Medical Services", Abschnitt 5.120 ff.). Insbesondere bestehen dort diese Möglichkeiten auch zur ambulanten und stationären Behandlung psychischer Erkrankungen ("Mental Health Care", Abschnitt 5.164 ff.), wobei offenbar gerade Erkrankungen aus dem (auch den Antragsteller betreffenden) schizophrenen Formenkreis in Jamaika besonders häufig auftreten (laut der Pan American Health Organisation, Country Health Profile Jamaica, 2002, waren im Jahr 2000 von den klinisch behandelten psychisch kranken Patienten 49% schizophren, vgl. Jamaica Country Report, a. a. O., Abschnitt 5.164). Verschiedene Psychopharmaka sind in Jamaika erhältlich (a. a. O., Abschnitt 5.168). Zudem stehen dem nationalen Gesundheitsdienst speziell ausgebildete psychiatrische Krankenpflegekräfte zur Verfügung, die bei Krisenmanagement, Medikation und supportiver Psychotherapie behilflich sind und Hausbesuche machen (a. a. O., Abschnitt 5.170).

Angesichts dessen ist es unwahrscheinlich, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Jamaika dort wegen seiner psychischen Erkrankung einer ernsthaften Bedrohung seiner Gesundheit ausgesetzt wäre. Wie die o. g. Erkenntnisquellen zeigen, verfügt das öffentliche Gesundheitssystem in Jamaika offenbar über nicht unerhebliche Möglichkeiten und Erfahrungen im Zusammenhang mit der Behandlung psychischer Erkrankungen im allgemeinen und schizophrener Erkrankungen im besonderen. Somit dürfte es möglich sein, die Erkrankung des Antragstellers dort jedenfalls soweit zu behandeln, dass erhebliche gesundheitliche Bedrohungen vermieden werden. Sofern erforderlich, könnte zudem eine Anschlussbehandlung des Antragstellers in Jamaika durch seine Übergabe in ärztliche Obhut bei der Ankunft und durch die Mitgabe eines Medikamentenvorrats für eine Übergangszeit gefördert werden.

c) Der Antragsteller dürfte nach derzeit erkennbarer Lage auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 25 Abs. 5 AufenthG haben. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Ausreise des Antragstellers aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich wäre (§ 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

aa) Eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG aus gesundheitlichen Gründen ist nicht ersichtlich.

aaa) Für eine Reiseunfähigkeit (im Sinne einer Transportunfähigkeit) des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keine konkreten Anhaltspunkte.

bbb) Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass der Antragsteller durch eine Ausreise aus dem Bundesgebiet gesundheitlich existentiell bedroht wäre, weil er dadurch seinem gewohnten Umfeld in Hamburg entrissen würde. Es spricht zwar einiges dafür, dass der Antragsteller der Hilfe durch zuverlässige Personen bedarf, die ihn - insbesondere - zur regelmäßigen Einnahme seiner Medikamente veranlassen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass es derartige Hilfe durch zuverlässige Personen nur im Bundesgebiet (bzw. nur in Hamburg) gäbe. Die bereits erfolgten Wechsel seiner Betreuer deuten außerdem darauf hin, dass solche Hilfe nicht unbedingt durch bestimmte Personen geleistet werden müsste. Zu seiner Mutter wiederum hat er laut Angaben seines Betreuers ein distanziertes Verhältnis (vgl. das Schreiben des Herrn W. B. an die Antragsgegnerin vom 24.9.2004), das Hilfe von mütterlicher Seite zwar nicht ausschließen, aber auch nicht zwingend erforderlich machen dürfte.

ccc) Schließlich gibt es auch keine hinreichend klaren Anhaltspunkte dafür, dass seine Ausreise wegen einer familiären Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Kind gemäß Art. 6 GG rechtlich unmöglich wäre.

(1) Soweit der Antragsteller in früherer Zeit aufgrund einer Anerkennung der Vaterschaft als Vater des Kindes A. F. (geb. ) anzusehen war, dürfte dies inzwischen überholt sein, nachdem durch Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin vom 10.2.2004 (erstattet für das Amtsgericht Hamburg-Altona, offenbar im Rahmen eines Verfahrens zur Anfechtung der Vaterschaft) nachgewiesen wurde, dass der Antragsteller "offenbar unmöglich" der Vater dieses Kindes sein könne.

(2) Soweit der Antragsteller im Rahmen des Klageverfahrens (9 K 5885/04, vgl. zuletzt dortiges Schreiben des Antragstellervertreters vom 28.3.2006) vorgetragen hat, er habe eine deutsche Freundin namens A. K. und mit dieser einen gemeinsamen Sohn deutscher Staatsangehörigkeit (N. K. geb. ), wobei die Freundin und das Kind in der Strasse 16 wohnten, sich aber regelmäßig in der Wohnung des Antragstellers (in der K. Str. ) aufhielten, und die Freundin das Kind teilweise alleine zur Beaufsichtigung bei dem Antragsteller lasse, ergibt sich auch daraus noch keine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise des Antragstellers nach Art. 6 GG: Die (bisher nicht belegte) "Freundschaft" mit der Kindesmutter dürfte noch nicht vom Schutzbereich des Art. 6 GG erfasst werden; für die behauptete Vaterschaft des Antragstellers bzgl. des genannten Kindes fehlt bisher jeglicher Beweis. Damit bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine familiäre Beziehung, die eine Ausreise des Antragstellers rechtlich unmöglich machen könnte. Dem entspricht es, dass er bisher offenbar nicht die Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen einer solchen familiären Beziehung beantragt und somit der Antragsgegnerin auch nicht die Möglichkeit eröffnet hat, im Rahmen eines neuen aufenthaltsrechtlichen Verfahrens das Vorliegen dieser bislang lediglich behaupteten familiären Beziehung zu überprüfen.

d) Der Antragsteller dürfte schließlich auch aus § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG keinen Anspruch auf Verlängerung der ihm zuletzt nach dem AufenthG/EWG erteilten Aufenthaltserlaubnis haben. Nach dieser Bestimmung kann eine Aufenthaltserlaubnis - abweichend von § 8 Abs. 1 und 2, also aus anderen Gründen als denjenigen, die ursprünglich zur Erteilung der betreffenden Aufenthaltserlaubnis geführt haben - verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebietes für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Eine solche Situation setzt voraus, dass eine Aufenthaltsbeendigung wegen einer atypischen, für den Gesetzgeber nicht vorhersehbaren und nicht berücksichtigten Notlage schlechthin unvertretbar erscheint. Die Bestimmung dient dagegen nicht dazu, subsidiäre Aufenthaltsrechte zu schaffen, wenn die vorgebrachten Gründe an sich von den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften und den dort normierten Voraussetzungen erfasst werden, den dortigen Anforderungen aber nicht genügen (vgl. Hailbronner, AuslR, § 25 AufenthG Rdnr. 85). Nach diesem Maßstab ist es nicht ersichtlich, dass eine Rückkehr nach Jamaika für den Antragsteller eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG darstellen würde. Das Vorbringen des Antragstellers, er müsse aus gesundheitlichen Gründen im Bundesgebiet bleiben, ist seinem Sachgehalt nach nicht atypisch und lässt sich ohne weiteres nach Maßgabe der dafür einschlägigen Bestimmungen des Aufenthaltsrechts prüfen und würdigen: Soweit er vorträgt, dass sich sein Gesundheitszustand in Jamaika wegen dort fehlender Behandlungs- und Betreuungsmöglichkeiten wesentlich verschlechtern würde, macht er damit sinngemäß das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG geltend, das ggf. nach § 25 Abs. 3 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begründen könnte. Dementsprechend ist dieser Vortrag nach Maßgabe der letztgenannten Bestimmungen zu würdigen (vgl. dazu die vorstehenden Ausführungen unter "b"). Soweit der Antragsteller meint, er dürfe zur Vermeidung einer wesentlichen Verschlechterung seiner Gesundheit nicht von seinen Bezugspersonen bzw. aus dem ihm vertrauten Umfeld in Hamburg gelöst werden, lässt sich dies als Geltendmachung eines gesundheitsbedingten inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses verstehen, welches ggf. zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG führen könnte; demgemäß ist dieser Vortrag nach den letztgenannten Bestimmungen zu prüfen (vgl. dazu die vorstehenden Ausführungen unter "c").

Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Antragstellers aus gesundheitlichen Gründen ein zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25 Abs. 3, 60 Abs. 7 AufenthG bzw. gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG führendes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot bzw. inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis vorliegt. Ebensowenig ist nach derzeit erkennbarer Sachlage davon auszugehen, dass die Ausreise des Antragstellers aus familiären Gründen gemäß Art. 6 GG rechtlich unmöglich wäre. Angesichts dessen ergibt sich auch aus einer kumulativen Betrachtung aller von dem Antragsteller vorgetragenen Gründe keine Fallgestaltung im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG.

Für eine Verlängerung der dem Antragsteller zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG dürfte demnach kein Raum bleiben.

2. Der Eilantrag des Antragstellers bleibt auch insoweit ohne Erfolg, als er sich gegen die von der Antragsgegnerin verfügte Abschiebungsandrohung richtet. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit ist (mangels insoweit einschlägiger Übergangsvorschriften im AufenthG) der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides der Antragsgegnerin (16.11.2004) als letzter behördlicher Entscheidung, da es sich bei der Abschiebungsandrohung um einen belastenden Verwaltungsakt (ohne Dauerwirkung) handelt, der im Hauptsacheverfahren mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (zum maßgeblichen Zeitpunkt in solchen Fällen vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2003, BVerwGE Bd. 117 S. 380, 388; Urt. v. 28.5.1991, NVwZ 1992 S. 177).

Die Abschiebungsandrohung dürfte nach den somit maßgeblichen Bestimmungen des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Ausländergesetzes 1990 (AuslG) rechtmäßig sein. Der Antragsteller war zum Zeitpunkt des o. g. Widerspruchsbescheides ausreisepflichtig gemäß § 42 Abs. 1 AuslG, da er mit der Versagung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis/EG bzw. der Ablehnung der Erteilung einer sonstigen Aufenthaltsgenehmigung ausreisepflichtig wurde. Der dagegen gerichtete Widerspruch hat ebenso wie die später erhobene Klage, wie bereits ausgeführt, keine aufschiebende Wirkung gemäß § 12 Abs. 9 AufenthG/EWG i. V. m. § 80 Abs. 1 VwGO ausgelöst, so dass der Ausreisepflicht des Antragstellers auch nicht etwa ein nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG i. V. m. § 15 AufenthG/EWG weiterhin erlaubter Aufenthalt entgegenstand. Die Abschiebungsandrohung durfte nach § 50 Abs. 1 Satz 2 AuslG mit der Versagung der Aufenthaltsgenehmigung verbunden werden.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 3 GKG; angemessen ist für beide Instanzen ein Streitwert in Höhe des halben Auffangwerts, da der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens begehrt, das nicht bloß auf die Erteilung einer Duldung, sondern auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels gerichtet ist, für welches wiederum der volle (und nicht bloß der halbe) Auffangwert anzusetzen ist (vgl. dazu bereits den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14.12.2004 im Klageverfahren 9 K 5885/04 über die vorläufige Festsetzung des dortigen Streitwerts).

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten war trotz insoweit fehlender Maßgeblichkeit der Erfolgsaussichten (§§ 166 VwGO, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO) abzulehnen, weil er trotz Aufforderung des Beschwerdegerichts (mit Schreiben vom 9.5.2005) bis jetzt nicht die erforderliche aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat (§§ 166 VwGO, 117 Abs. 2 -4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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