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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.10.2005
Aktenzeichen: 3 Bs 319/05
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 123
VwGO § 149
VwGO § 173
ZPO § 570 Abs. 3
1. Das Beschwerdegericht darf im Beschwerdeverfahren wegen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung in entsprechender Anwendung der Vorschriften in §§ 149, 173 VwGO in Verbindung mit § 570 Abs. 3 ZPO eine Zwischenentscheidung treffen, die verhindern soll, dass die Antragsgegnerin vor der Entscheidung über die Beschwerde vollendete Tatsachen schafft (hier: Vergabe von Studienplätzen an konkurrierende Studienbewerber), die die begehrte einstweilige Anordnung (hier: Verpflichtung zur vorläufigen Zulassung zum Studium) gegenstandslos machen.

2. Die Universität verletzt das für eine kapazitätswirksame Vergabe zu beachtende Willkürverbot nicht, wenn sie im Vergleichswege Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität anhand einer vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rangliste endgültig an die darin aufgeführten Studienbewerber vergibt und in die Vergabe auch diejenigen einbezieht, die neben der Klage kein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (mehr) betreiben.


3 Bs 319/05

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Fligge am 18. Oktober 2005 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin zu untersagen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens 3 Nc 106/05 Studienbewerber im Studiengang Humanmedizin nach den Verhältnissen des Berechnungszeitraums 2004/05 im 1. Fachsemester zu immatrikulieren, deren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtskräftig abgewiesen worden war, wird abgelehnt.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe:

Der Antrag hat keinen Erfolg.

I.

Der Antragsteller begehrt seine vorläufige Zulassung zum Studium der Medizin außerhalb der festgesetzten Kapazität nach den Verhältnissen des Berechnungszeitraums 2004/2005. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat seinen darauf gerichteten Antrag mit Beschluss vom 4. August 2005 abgelehnt. Es ermittelte, dass noch 49 Studienplätze für die Verteilung an die Antragsteller zur Verfügung ständen. Entgegen den Ausführungen im Beschluss vom 4. August 2005 hat es diese Studienplätze nicht selbst vergeben, sondern es der Antragsgegnerin überlassen, die Studienplätze im Vergleichswege nach den Vorgaben des Gerichts anhand einer vom Gericht aufgestellten Rangliste endgültig Studienbewerbern anzubieten. Zunächst nahmen 32 der 49 rangbesten Antragsteller das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin an und immatrikulierten sich. Anschließend übermittelte die Antragsgegnerin den auf der Rangliste folgenden 17 Antragstellern ein Vergleichsangebot, von denen zum Zeitpunkt dieser Entscheidung 12 das Vergleichsangebot angenommen und 4 sich auch schon immatrikuliert haben. Der Antragsteller hat kein Vergleichsangebot erhalten. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. August 2005 hat er Beschwerde erhoben, über die bisher noch nicht entschieden wurde. Mit dem vorliegenden Antrag will der Antragsteller erreichen, dass die Antragsgegnerin keine vollendeten Tatsachen schafft, die seinen mögli-chen Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium vereiteln könnten.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag ist zulässig.

Dem Vorbringen des Antragstellers ist zu entnehmen, dass er eine Zwischenentscheidung begehrt. Der Beschwerdesenat soll verhindern, dass während des anhängigen Beschwerdeverfahrens bis zur Entscheidung über die Beschwerde durch die Antragsgegnerin vollendete Tatsachen geschaffen werden, die seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos machen.

Die Zulässigkeit für eine solche Zwischenentscheidung ist analog §§ 149, 173 VwGO in Verbindung mit § 570 Abs. 3 ZPO zu beurteilen. Zwar gilt § 570 Abs. 3 ZPO nur für die vorübergehende Aussetzung des Vollzugs von Gerichtsentscheidungen. Aber die dem Beschwerdegericht eingeräumte Möglichkeit, von einem Beteiligten vorläufig Nachteile abzuwenden, die sich aus dem Vollzug von Gerichtsentscheidungen ergeben, weil nicht sofort über die Beschwerdeverfahren entschieden werden kann, muss ebenso bestehen, wenn sich die Nachteile aus dem Vollzug von Verwaltungsentscheidungen ergeben. Anders wäre in diesen Fällen ein effektiver vorläufiger Rechtsschutz, auf den gemäß § 19 Abs. 4 GG ein Anspruch besteht, nicht zu gewährleisten (vgl. Guckelberger, Zulässigkeit und Anfechtbarkeit verwaltungsgerichtlicher Hängebeschlüsse, NVwZ 2001 S. 275).

2. Der Antrag ist unbegründet.

Mit der Vergabe von verschwiegenen Studienplätzen außerhalb der anhängigen Beschwerdeverfahren durch die Antragsgegnerin wird der im Eilverfahren geltend gemachte Anspruch des Antragstellers nicht beeinträchtigt. Das Verhalten der Antragsgegnerin, an Antragsteller im Wege des Vergleichs endgültig Studienplätze zu vergeben, die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts im Eilverfahren Erfolg haben würden, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin ist nicht gehindert, freie Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität mit der Folge selbst und endgültig zu vergeben, dass diese Plätze in Beschwerdeverfahren anderer Antragsteller nicht mehr zur Verteilung zur Verfügung stehen.

Rechtliche Grenzen ergeben sich dabei lediglich aus dem Willkürverbot. Dass die Antragsgegnerin bei der Vergabe von zusätzlichen Studienplätzen für das Fach Medizin nach den Verhältnissen des Berechnungszeitraums 2004/2005 nicht sachgerecht vorgegangen sein könnte, lässt sich jedoch nicht feststellen. Insbesondere war es nicht geboten, den Antragstellern auf der Rangliste des Verwaltungsgerichts kein Vergleichsangebot mehr zu machen, die zwar ihre Klage weiter verfolgen, aber auf eine Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts verzichtet hatten. Verteilt die Antragsgegnerin Studienplätze bewusst unter allen Klägern aufgrund einer gerichtlichen Rangliste ohne Berücksichtigung des Umstands, ob die Betreffenden gleichzeitig ein Eilverfahren betreiben, ist dies genauso willkürfrei wie der umgekehrte Fall nur der Berücksichtigung der Kläger, die gleichzeitig auch noch ein Eilverfahren betreiben.

Im Übrigen bedürfte es auch keiner Zwischenentscheidung, wenn es vor Abschluss des Eilverfahren zu einer nicht gerechtfertigten Besetzung von Studienplätzen durch die Antragsgegnerin kommen sollte. Diese Besetzungen könnten nicht als kapazitätsdeckend anerkannt werden und würden einen möglichen Anspruch des Antragstellers auf vorläufige Zulassung zum Studium nicht beeinträchtigen können.

Ende der Entscheidung

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