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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.08.2009
Aktenzeichen: 3 So 104/09
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 162
VwGO § 164
VwGO § 165
ZPO § 767
Im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 164, 165 VwGO sind Einwände des Kostenschuldners dahin, der Prozessbevollmächtigte des Kostengläubigers könne von diesem Gebühren und Auslagen nach dem Inhalt des Anwaltsvertrages oder wegen dessen Nichtigkeit nicht beanspruchen, nicht zu berücksichtigen, wenn die behaupteten Umstände streitig und nicht offenkundig sind. Dem Kostenschuldner steht für den Rechtsschutz der Weg der Vollstreckungsgegenklage (§ 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 767 ZPO) zur Verfügung.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

3 So 104/09

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Niemeyer am 7. August 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die gemäß § 146 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. Januar 2009 zu Recht zurückgewiesen.

1. Die Antragstellerin begehrte im Ausgangsverfahren vorläufigen Rechtsschutz mit dem Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig einen Studienplatz im Studiengang Soziale Arbeit (Bachelor) im Wintersemester 2008/2009 außerhalb der festgesetzten Kapazität zuzuweisen. Nach Zurücknahme dieses Antrags stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. Oktober 2008 das Verfahren ein und sprach darin die Kostentragungspflicht der Antragstellerin gemäß § 155 Abs. 2 VwGO aus. Mit Beschluss vom 26. Januar 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftstelle des Verwaltungsgerichts die von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 257,04 Euro (nebst Zinsen) fest. Dies entsprach dem Kostenfestsetzungsantrag, mit dem die Antragsgegnerin den Ausgleich der Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung verfolgt.

Die Antragstellerin macht geltend, Anwaltskosten seien hier nicht erstattungsfähig: Die Antragsgegnerin habe mit ihrem Prozessbevollmächtigten (offenbar) vertraglich vereinbart, dass sie diesem die gesetzlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz im Falle des eigenen Unterliegens nicht zu vergüten (und dieser sich im Falle des Obsiegens allein an die unterlegene Gegenseite zu halten) habe, so dass sie ihrem Prozessbevollmächtigten keinerlei Vergütung schulde. Ein Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten bestehe ferner deshalb nicht, weil der Anwaltsvertrag mangels Ausschreibung des Auftrags zur Vertretung in den Hochschulzulassungsstreitigkeiten im Wintersemester 2008/2009, die nach den Bestimmungen der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) Teil A sowie der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) erforderlich gewesen sei, nichtig sei. Schließlich verletze die Festsetzung der Kosten des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin in einem Kapazitätsrechtsstreit die Antragstellerin in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG.

2. Diese Einwendungen berühren die Rechtmäßigkeit des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 26. Januar 2009 und damit auch die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 26. Mai 2009 nicht. Sie sind im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 164, 165 VwGO nicht zu berücksichtigen.

a) Im Kostenfestsetzungsverfahren ist allein über die Erstattungsfähigkeit und die Höhe der zu erstattenden Kosten zu entscheiden; sein Gegenstand ist die Frage, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Dieses Verfahren ist auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände unter prozessualen und gebührenrechtlichen Gesichtspunkten zugeschnitten. Materiell-rechtliche Einwendungen und Einreden gegen den Kostenerstattungsanspruch sind deshalb grundsätzlich - mit Ausnahme unstreitiger oder offenkundiger Einwände - nicht zu berücksichtigen. Dies rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nur bei eindeutigen Verhältnissen die ihm sonst nicht zugängliche und verwehrte Prüfung materiell-rechtlicher Einwendungen selbst zuverlässig vornehmen kann (BVerwG, Beschl. v. 5.12.2007, JurBüro 2008, 142; BGH, Beschl. v. 22.11.2006, NJW-RR 2007, 422; OVG Hamburg, Beschl. v. 30.5.2006, NVwZ 2006, 1301; OVG Greifswald, Beschl. v. 10.4.2008, NordÖR 2008, 265). Der Kostenschuldner wird durch diese Beschränkung nicht rechtsschutzlos gestellt. In Verwaltungsstreitverfahren steht ihm der Weg der Vollstreckungsgegenklage nach Maßgabe von § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 767 ZPO zur Verfügung (BVerwG, Urt. v. 21.3.2005, NJW 2005, 1962; OVG Münster, Beschl. v. 22.2.2008, 20 B 256/08, juris).

b) Nach diesem Maßstab ist der Einwand, der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin habe nach dem Inhalt des Anwaltsvertrages für die Vertretung im Ausgangsverfahren gegen diese keinen Vergütungsanspruch gehabt, nicht zu berücksichtigen. Der Inhalt des Anwaltvertrages ist nicht bekannt. Die Antragstellerin führt lediglich Umstände an, denen sie einen Indizwert für die behaupteten Abreden beimisst. Die Antragsgegnerin ist dem behaupteten Vertragsinhalt entgegengetreten. Ob das Vorbringen der Antragstellerin hinreichend substantiiert und - etwa in Bezug auf eine nach § 49 b Abs. 2 BRAO unzulässige Vereinbarung eines Erfolgshonorars - überhaupt schlüssig ist, kann dahinstehen. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist jedenfalls eine Beweisaufnahme zum Inhalt des Anwaltsvertrages nicht veranlasst.

c) Nicht zu berücksichtigen ist nach diesen Grundsätzen auch der Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsvertrages mangels öffentlicher Ausschreibung des Auftrags zur Vertretung. Der Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsvertrags liegt wegen der Beschränkung auf die Prüfung der Kostentatbestände grundsätzlich außerhalb des Prüfungsrahmens des Kostenfestsetzungsverfahrens (BGH, Beschl. v. 22.11.2006; a.a.O.; OVG Greifswald, Beschl. v. 10.4.2008, a.a.O.; OVG Münster, Beschl. v. 22.2.2008, 20 B 256/08, juris). Dass der Anwaltsvertrag mit dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin nichtig wäre, ist keinesfalls offensichtlich. So liegt es nach der Größenordnung der Zahl der semesterlichen Streitverfahren wegen Zulassung zum Studium bei der Antragsgegnerin schon nicht auf der Hand, dass die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten den in § 2 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (i.d.F. der Bekanntmachung v. 11.2.2003, BGBl. I S. 169) bestimmten Schwellenwert (hier nach Nr. 3: 211.000,-- Euro) erreichte und deshalb überhaupt den Bestimmungen der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) Teil A (Bundesanzeiger Nr. 100 a v. 30.5.2006) bzw. denen der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF, Bundesanzeiger Nr. 91 a v. 13.5.2006) unterfiel, § 1 VOL/A bzw. § 2 Abs. 2 VOF. Ebenso wenig steht es in rechtlicher Hinsicht fest, dass ein Verstoß gegen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge - wie die Antragstellerin geltend macht - zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages gemäß § 134 BGB führt (vgl. zu diesem Fragenkreis OLG Hamburg, Beschl. v. 25.1.2007, NordÖR 2007, 200, juris Rn. 29-31).

d) Der Beschwerde zum Erfolg verhilft schließlich auch nicht der Einwand eines Verstoßes der Kostenfestsetzung gegen Grundrechte der Antragstellerin. Die Gültigkeit der Vorschrift in § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, nach der die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts - von Ausnahmefällen abgesehen - stets erstattungsfähig sind, ist nicht ernstlich zweifelhaft. Dies gilt auch in Fällen der anwaltlichen Vertretung der Hochschulen in Hochschulzulassungsverfahren (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 30.5.2006, a.a.O.; VGH Mannheim, Beschl. v. 2.8.2006, NVwZ 2006, 1300; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 1.2.2006, NVwZ 2006, 713; OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.8.2003, NVwZ-RR 2004, 155). Die Darlegungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 23. Juni 2009 geben für den vorliegenden Fall schon deshalb keinen Anlass zu weiteren Ausführungen, weil sie auf die Verhältnisse in den medizinischen Studiengängen mit bundesweitem numerus clausus zugeschnitten sind, die hier nicht in Rede stehen. Auch für diese Studiengänge ist im Übrigen nicht vorgetragen oder sonst bekannt, dass eine der Verfassungsbeschwerden, die wegen des Umfangs der Kostenbelastung der Studienbewerber durch Kosten der anwaltlichen Vertretung der Hochschulen erhoben worden sind (vgl. Brehm, NVwZ 2006, 640), Erfolg hatte.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil die Gerichtsgebühr als fester Betrag (50,-- Euro) erhoben wird (Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 [zu § 3 Abs. 2] GKG).

Ende der Entscheidung

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