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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.05.2006
Aktenzeichen: 3 So 38/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 67 Abs. 3
VwGO § 162 Abs. 2
VwGO § 164
VwGO § 165
1. Im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 164, 165 VwGO ist grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten des Beteiligten wirksam war, der die Festsetzung der zu erstattenden Kosten beantragt.

2. Eine Prozessvollmacht (§ 67 Abs. 3 VwGO) ist nicht deshalb unwirksam, weil sie für eine abstrakt bestimmte Vielzahl von Verfahren (hier: Vertretung der Hochschule in allen verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Zulassung zum Studium der Humanmedizin oder Zahnmedizin innerhalb oder außerhalb der festgesetzten Kapazität in allen laufenden und künftigen Verfahren) erteilt und die Vollmachtsurkunde nicht zum Bestandteil der einzelnen Verfahrensakte gemacht worden ist.

3. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts ohne die Prüfung erstattungsfähig, ob die Heranziehung des Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Nur in Ausnahmefällen findet eine Kostenerstattung nicht statt.


HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

3 So 38/06

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Niemeyer am 30. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 3. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

I.

Der Antragsteller beantragte im Oktober 2004, ihn im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zum Studium der Humanmedizin bei der Antragsgegnerin im Wintersemester 2004/2005 zuzulassen. Die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zeigten mit Schriftsatz vom 20. Juni 2005 an, dass sie in den Verwaltungsrechtssachen wegen Zulassung zum Studium der Humanmedizin im Wintersemester 2004/2005 die Antragsgegnerin fortan in allen Verfahren vertreten; ordnungsgemäße Bevollmächtigung werde anwaltlich versichert. Mit Schriftsätzen vom 7. und 11. Juli 2005 reichten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin umfangreiche Unterlagen zur Sammelakte, die für diese Verfahren gebildet worden war, und machten Ausführungen zur Sache. Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2005, der am 12. Juli 2005 beim Verwaltungsgericht einging, zeigten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin nochmals förmlich an, dass sie die Antragsgegnerin in allen verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Zulassung zum Studium der Humanmedizin oder Zahnmedizin innerhalb oder außerhalb der festgesetzten Kapazität in allen laufenden und künftigen Verfahren vertreten, und fügten eine entsprechende Prozessvollmacht vom 30. Mai 2005 bei.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 4. August 2005 ab und bestimmte, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Der Beschluss wurde nicht angefochten.

Der Antragsteller bat das Verwaltungsgericht um Auskunft, warum im Rubrum des Beschlusses bei der Antragsgegnerin eine anwaltliche Vertretung aufgeführt sei; er hatte Abschriften der Schriftsätze vom 20. Juni 2005 sowie vom 7. und 11 Juli 2005 nicht erhalten. Die Auskunft wurde mit Schreiben vom 30. August 2005 unter Beifügung der Kopie der Prozessvollmacht vom 30. Mai 2005 erteilt und die Erläuterung gegeben, dass diese von einer von dem Präsidenten der Antragsgegnerin zur Zeichnung bevollmächtigten Person unterzeichnet sei.

Die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin beantragten die Festsetzung der der Antragsgegnerin für ihre Vertretung entstandenen und vom Antragsteller zu erstattenden Kosten in Höhe von 392,66 €. Der Antragsteller wendete ein, dass die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin in seinem Eilverfahren überhaupt nicht tätig geworden seien. Es sei auch nicht zulässig, dass ein Rechtsanwalt sich ohne Übersendung einer Vollmacht zum jeweiligen Verfahren auf Vorrat für alle Verfahren melde und ihm Schriftsätze in neuen Verfahren übersandt würden.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die von dem Antragsteller an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 392,66 € fest. Diese Kosten der Antragsgegnerin seien entstanden und gemäß § 162 VwGO erstattungsfähig. Ob eine wirksame Bevollmächtigung vorliege, sei im Festsetzungsverfahren nicht mehr zu erörtern.

Das Verwaltungsgericht wies die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss mit Beschluss vom 3. Februar 2006 zurück: Gemäß § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO seien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Die Frage, ob eine wirksame Bevollmächtigung der Rechtsanwälte vorliege, sei bereits im Hauptsacheverfahren geprüft worden und im Festsetzungsverfahren nicht mehr zu erörtern. Insoweit würden die Vorschriften der Zivilprozessordnung gelten, auf die § 173 VwGO verweise. Im Übrigen liege eine auch für das vorliegende Verfahren gültige ordnungsgemäße Bevollmächtigung vor.

II.

Die dagegen erhobene - zulässige - Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Verfahren der Kostenfestsetzung ist in der Verwaltungsgerichtsordnung nur insoweit geregelt, als nach § 164 VwGO der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten festsetzt und nach § 165 VwGO die Beteiligten die Festsetzung der zu erstattenden Kosten unter entsprechender Anwendung des § 151 VwGO anfechten können. Ergänzend sind nach § 173 VwGO die §§ 103 ff ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 14. Aufl., 2005, § 164 Rdnr. 3). Das bedeutet u.a., dass im Kostenfestsetzungsverfahren die im Zivilprozess geltenden allgemeinen Verfahrensgrundsätze Anwendung finden, die Beteiligten durch ihr Vorbringen oder Nichtbestreiten insbesondere darüber entscheiden, welche Einwendungen zu bescheiden oder unbeachtet zu lassen sind (vgl. Hellstab, in: Eicken, Die Kostenfestsetzung, 19. Aufl., 2005, S. 229 f). Im Rechtsbehelfsverfahren findet keine umfassende Überprüfung des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs statt, sondern nur eine Entscheidung über die vom Kostenschuldner erhobenen Einwendungen und Einreden.

2. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass dem Begehren der Antragsgegnerin auf Kostenausgleich der Einwand einer fehlenden wirksamen Bevollmächtigung nicht entgegengehalten werden kann.

Im Kostenfestsetzungsverfahren ist allein über die Erstattungsfähigkeit und die Höhe der zu erstattenden Kosten zu entscheiden. Materiell-rechtliche Einwendungen und Einreden gegen den prozessualen Kostenerstattungsanspruch sind grundsätzlich - mit Ausnahme unstreitiger oder offenkundiger Einwendungen und Einreden - nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. VGH München, Beschluss vom 9.3.2006 - 1 C 05.3053 -, Juris, mit. weit. Nachw.). Die Frage, ob der Rechtsanwalt der Gegenpartei für das Verfahren wirksam bevollmächtigt gewesen sei, dient jedoch nicht der betragsmäßigen Ausfüllung der Kostengrundentscheidung, sondern obliegt der Entscheidung im Hauptverfahren (KG, Beschluss vom 18.1.1968, NJW 1968 S. 1290; Herget, in: Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, 25. Aufl., 2005, § 104 Rdnr. 21 "Vollmacht" - S. 428 -, m. weit. Nachw.; Mathias, in: Eicken, a. a. O., S. 48 m. weit. Nachw.).

Es liegt auch nicht der Fall vor, dass eine wirksame Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin unstreitig oder offenkundig nicht gegeben ist. Die Antragsgegnerin hat sich gegen diese Auffassung des Antragstellers gewandt. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass eine auch für das vorliegende Verfahren gültige ordnungsgemäße Bevollmächtigung vorliege.

Im Übrigen ergeben die Ausführungen des Antragstellers nicht, dass eine wirksame Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gefehlt hat. Die von der Antragsgegnerin im Original eingereichte Vollmacht entsprach den Voraussetzungen des § 67 Abs. 3 VwGO; sie war schriftlich erteilt und von einer vertretungsberechtigten Person der Antragsgegnerin handschriftlich unterzeichnet worden. Dieser Vollmacht war eine von dem Präsidenten der Antragsgegnerin am 17. Mai 2005 unterzeichnete "Allgemeine Prozessvollmacht" gleichen Umfangs vorausgegangen (Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 23.3.2006). Die Vollmacht vom 30. Mai 2005 ließ den Umfang der Bevollmächtigung erkennen. Dass sie für eine Vielzahl, nicht im einzelnen konkret benannter Verfahren erteilt worden war, und dass sie nicht Bestandteil der vorliegenden Verfahrensakte war, macht sie nicht unwirksam (vgl. BFH, Urteil vom 16.11.2000, NVwZ-RR 2001 S. 347; Urteil vom 17.4.1998, NVwZ-RR 1998 S. 528).

3. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Beauftragung von Prozessbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin rechtsmissbräuchlich war, weil die Prozessbevollmächtigten sich ohne Einlassung zur Sache im vorliegenden Verfahren nur zur Akte gemeldet hätten.

Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Die Vorschrift fingiert die Erstattungsfähigkeit ohne Prüfung, ob die Heranziehung des Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war; nur in Ausnahmefällen findet eine Kostenerstattung nicht statt (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 1.9.2005 - 1 So 99/05 - m. weit. Nachw.). Dies gilt z. B. bei einem Verstoß gegen den Grundsatz, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, und wird insbesondere dann angenommen, wenn die anwaltliche Vertretung für die Partei offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit ist dabei nicht, ob der Prozessgegner oder das Gericht die Tätigkeit des bevollmächtigten Anwalts für nutzlos halten, sondern, ob sie für die von ihm vertretene Partei von Nutzen ist.

Im vorliegenden Fall ist von einem solchen Ausnahmefall, den der Antragsteller geltend macht, nicht auszugehen. Die Annahme des Antragstellers, die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin hätten sich im zugrunde liegenden Verfahren nicht zur Sache eingelassen, trifft nicht zu. Ausweislich der Sammelakte für alle Verfahren, in denen Antragsteller ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im Wintersemester 2004/2005 bei der Antragsgegnerin begehrten, ist (umfangreicher) Sachvortrag der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin für alle diese Verfahren erfolgt. Unerheblich für den Erstattungsanspruch der Antragsgegnerin ist, ob die Gegenseite von diesen Ausführungen Kenntnis erlangt hat, was hier möglicherweise aufgrund von Versäumnissen des Gerichts nicht der Fall war. Dadurch wird die Nützlichkeit der Ausführungen der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin für ihre Partei nicht in Frage gestellt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil die Gerichtsgebühr als fester Betrag (50 Euro) erhoben wird (Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 [zu § 3 Abs. 2] GKG).

Ende der Entscheidung

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