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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.01.2009
Aktenzeichen: 5 Bs 240/08
Rechtsgebiete: IRG, VwGO, EGGVG, GVG


Vorschriften:

IRG § 13 Abs. 1 Satz 1
IRG § 79 Abs. 2 Satz 3
IRG § 79 Abs. 3
IRG § 29
IRG § 33
VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1
EGGVG § 23
GVG § 17a Abs. 5
GVG § 17a Abs. 3 Satz 2
1. Für innerstaatliche Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Auslieferung an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach den §§ 78 ff. IRG hat der Gesetzgeber eine umfassende und ausdrückliche Zuweisung der anfallenden Rechtsstreitigkeiten an das Oberlandesgericht vorgenommen. Der Verwaltungsrechtsweg ist daher nicht eröffnet.

2. Eine Bindung des Rechtsmittelgerichts hinsichtlich des Rechtsweges gemäß § 17a Abs. 5 GVG tritt nicht ein, wenn das erstinstanzliche Gericht die Rechtswegfrage ausdrücklich offen lässt. Das gleiche gilt, wenn das erstinstanzlich tätig gewordene Gericht entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG keine Vorabentscheidung über die Rechtswegfrage getroffen hat.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

5 Bs 240/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 5. Senat, durch die Richter Prof. Dr. Ramsauer, Probst und Engelhardt am 23. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 1. Dezember 2008 wird aufgehoben.

Für das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist der Verwaltungsrechtsweg unzulässig. Der Rechtsstreit wird an das Hanseatische Oberlandesgericht verwiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, ein polnischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die von der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg ausgesprochene Bewilligung seiner Auslieferung nach Polen zum Zweck der Strafvollstreckung.

Das Bezirksgericht W?oc?awek übersandte mit Schreiben vom 30. April 2008 der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg einen Europäischen Haftbefehl, auf dessen Grundlage es um Auslieferung des Antragstellers ersuchte, damit eine vom Amtsgericht W?oc?awek gegen den Antragsteller verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten in Polen vollstreckt werden könne. Die Justizbehörde teilte der Generalstaatsanwaltschaft am 10. Juli 2008 mit, dass nicht beabsichtigt sei, Bewilligungshindernisse geltend zu machen. Daraufhin beantragte die Generalstaatsanwaltschaft beim Hanseatischen Oberlandesgericht, die Auslieferung für zulässig zu erklären. Der Antragsteller machte Einwände gegen die Auslieferung geltend, indem er vorbrachte, es lägen sowohl Gründe gegen die Zulässigkeit der Auslieferung als auch Bewilligungshindernisse vor. In diesem Zusammenhang rügte er u.a., dass das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) den Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI - RB-EuHB) nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe und das breite Ermessen der Bewilligungsbehörde mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG sowie mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar sei. Mit Beschluss vom 10. Oktober 2008 erklärte das Hanseatische Oberlandesgericht die Auslieferung des Antragstellers für zulässig und führte in den Gründen aus, die Entscheidung der Justizbehörde, keine Bewilligungshindernisse nach § 83b IRG geltend zu machen, sei nicht zu beanstanden. Daraufhin teilte die Justizbehörde mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 dem Bezirksgericht W?oc?awek mit, dass sie die Auslieferung des Antragstellers bewilligt habe. Dieses teilte die Justizbehörde auch dem Bevollmächtigten des Antragstellers in einem Schreiben vom 21. Oktober 2008 mit. Sie verwies auf den Inhalt der Zulässigkeitsentscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 10. Oktober 2008 und ergänzte, eine weitere Prüfung eventueller Rechtsverletzungen gehöre nicht zum Entscheidungsrahmen des Bewilligungsverfahrens. Mit Beschluss vom 24. Oktober 2008 verwarf das Hanseatische Oberlandesgericht eine Anhörungsrüge des Antragstellers und entschied ferner, dass seine Gegenvorstellung keinen Anlass gebe, den Beschluss vom 10. Oktober 2008 zu ändern.

Am 6. November 2008 erhob der Antragsteller in einem an die Justizbehörde gerichteten Schreiben "Widerspruch" gegen die Bewilligung der Auslieferung und bat um Bestätigung, dass dieser aufschiebende Wirkung habe.

Am gleichen Tag stellte er beim Verwaltungsgericht Hamburg einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Er begehrte darin die Feststellung, dass sein Widerspruch gegen die Auslieferungsbewilligung aufschiebende Wirkung hat, hilfsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Generalstaatsanwaltschaft untersagt werden soll, den Antragsteller vor Bestandskraft der Auslieferungsbewilligung der polnischen Justiz zu übergeben. Für sein Begehren sei der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Auslieferungsbewilligung sei ein Verwaltungsakt, der in seine subjektiven Rechte eingreife. Der hiergegen gerichtete Widerspruch habe daher gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Jedenfalls verletze die Auslieferung Rechte des Antragstellers. Die im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen enthaltene Zweigleisigkeit des Auslieferungsverfahrens verstoße gegen den Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl. Außerdem werde das in Art. 12 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) geregelte gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot dadurch verletzt, dass ausländische Staatsangehörige gemäß § 83b Abs. 2 IRG schlechter behandelt würden als deutsche Staatsangehörige, die nur mit ihrer Zustimmung ausgeliefert werden dürften (§ 80 Abs. 3 IRG).

Mit Beschluss vom 1. Dezember 2008 lehnte das Verwaltungsgericht Hamburg die Anträge des Antragstellers ab. Es bestünden bereits erhebliche Zweifel, ob der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Zwar dürfte es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handeln. Es spreche jedoch vieles dafür, dass §§ 13 Abs. 1, 79 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 i.V.m. § 33 IRG die Streitigkeiten einem anderen Gericht, nämlich dem Oberlandesgericht, zuwiesen. Es blieben aber Zweifel daran, ob in diesen Normen eine eindeutige und ausdrückliche Zuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gesehen werden könne. Allerdings könne der Hauptantrag des Antragstellers auch bei der Annahme, der Verwaltungsrechtsweg sei gegeben, keinen Erfolg haben. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob es sich bei der Auslieferungsbewilligung um einen Verwaltungsakt handle. Sei dies zu verneinen, sei der Antrag auf Feststellung, dass der hiergegen gerichtete Widerspruch aufschiebende Wirkung habe, unstatthaft. Aber auch wenn die Verwaltungsaktsqualität bejaht würde, sei der Antrag mangels einer Antragsbefugnis unzulässig. Der Antragsteller mache nicht geltend, dass er über die bereits beim Hanseatischen Oberlandesgericht vorgebrachten und dort umfassend geprüften Rechtsbeeinträchtigungen hinaus in seinen Rechten betroffen sei. Eine Überprüfung der Auslieferungsbewilligung durch das Verwaltungsgericht könne er aber allenfalls dann erwirken, wenn er Rechtsverletzungen geltend mache, die nicht bereits zum Prüfungsprogramm des Oberlandesgerichts gehörten. Auch das hilfsweise geltend gemachte Rechtsschutzbegehren sei unzulässig, da es auch insofern an einer Antragsbefugnis fehle.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er legt u.a. dar, weshalb nach seiner Ansicht der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Einer Überprüfung der Rechtswegfrage durch das Oberverwaltungsgericht stehe im übrigen § 17a Abs. 5 GVG entgegen. Die Antragsgegnerinnen beantragen die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und die Verweisung des Rechtsstreits an das Hanseatische Oberlandesgericht. Die Prüfungssperre des § 17a Abs. 5 GVG greife hier nicht ein, da das Verwaltungsgericht die Verfahrensweise des § 17a Abs. 3 GVG nicht beachtet habe. Es habe sich zwar mit der Rechtswegfrage auseinandergesetzt, ohne diese aber zu entscheiden. Außerdem hätte es über den Rechtsweg gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab entscheiden müssen, da die Antragsgegnerinnen die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gerügt hätten.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers führt zur Feststellung, dass der Verwaltungsrechtsweg unzulässig ist, sowie zur Verweisung des Rechtsstreits an das Hanseatische Oberlandesgericht (§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG). Außerdem ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 1. Dezember 2008 zur Klarstellung aufzuheben (4.).

Das Beschwerdegericht kann nicht davon absehen, die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs zu prüfen. Eine solche Prüfung könnte nur unterbleiben, wenn die Justiziabilität der angegriffenen Maßnahme eindeutig und unbezweifelbar verneint werden müsste. Das ist vorliegend aber nicht der Fall (1.). Das Beschwerdegericht ist hier auch nicht durch § 17a Abs. 5 GVG gehindert, die Rechtswegfrage zu überprüfen (2.). Eine Analyse der Regelungen des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen ergibt, dass der Gesetzgeber für die Fälle der Auslieferung an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union eine umfassende und ausdrückliche Zuweisung der anfallenden (innerstaatlichen) Rechtsstreitigkeiten an das Oberlandesgericht vorgenommen hat (3).

1. Die Frage, ob die Bewilligung der Auslieferung eines Verfolgten an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union gemäß § 12 und §§ 78 ff. des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1994, zuletzt geändert am 6. Juni 2008 [BGBl. I 1994 S. 1537; 2008 S. 995]) nach dem jetzt geltenden Recht einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden kann, lässt sich nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht eindeutig und unzweifelhaft verneinen. Zwar entsprach die Unanfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung der Absicht der Bundesregierung, die in dem im Jahr 2006 eingebrachten neuen Entwurf eines Europäischen Haftbefehlsgesetz (EuHbG 2006 - BT-Drs. 16/1024) wieder die Einfügung eines § 74b IRG vorsah, wonach die Bewilligungsentscheidung nicht anfechtbar sein sollte. Die Neukonzeption des Auslieferungsbewilligungsverfahrens durch Einbeziehung einer der Zulässigkeitsprüfung vorgeschalteten und der Überprüfung durch das Oberlandesgericht unterliegenden Entscheidung, ob Bewilligungshindernisse geltend gemacht werden sollen (§ 79 Abs. 2 IRG), einschließlich der Möglichkeit der Überprüfung nach § 79 Abs. 3 i.V.m. § 33 IRG dürfte ferner dazu führen, dass die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil zum EuHbG 2004 (Urt. v. 18.7.2005, BVerfGE 113, 273, 314), die Auslieferungsbewilligung sei "als klassischer Verwaltungsakt einzuordnen", jedenfalls für die Bewilligung nach dem EuHbG 2006 nicht mehr zutrifft. So führt Rennert (in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 40 Rn. 129) aus, die Bewilligung der Auslieferung sei ein rein völkerrechtlicher Akt und eröffne, da zuvor über die Rechtmäßigkeit der Auslieferung von den Oberlandesgerichten abschließend entschieden worden sei, keinen zweiten Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten. In diesem Sinn dürfte auch Ehlers (in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand März 2008, § 40 Rn. 633) zu verstehen sein.

Indes wurde der vorgeschlagene § 74b IRG im Gesetzgebungsverfahren wieder fallen gelassen, da - so die Mehrheit des Bundestags-Rechtsausschusses (BT-Drs. 16/2015, S. 12) - es für nicht ausgeschlossen erachtet wurde, dass im Einzelfall auch die Entscheidung der Bewilligungsbehörde in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen könne. Daher sollte "davon Abstand genommen werden, kategorisch die Unanfechtbarkeit einer Bewilligungsentscheidung festzuschreiben". Dies zeigt bereits, dass von einer unzweifelhaft und unbestritten zu verneinenden Justiziabilität der Auslieferungsbewilligung nach §§ 78 ff. IRG nicht ausgegangen werden kann. Ist aber die gerichtliche Überprüfbarkeit einer Maßnahme zweifelhaft, hat über diese Frage dasjenige Gericht zu entscheiden, das bei Bejahung der Justiziabilität sachlich zuständig ist (BVerwG, Urt. v. 10.10.1975, BVerwGE 49, 221, 223). Somit kann die Prüfung, welcher Rechtsweg für das vorliegenden Begehren gegeben ist, nicht unterbleiben.

2. Das Oberverwaltungsgericht als Beschwerdegericht ist hier nicht durch § 17a Abs. 5 GVG gehindert, die Rechtswegfrage zu überprüfen. Nach dieser Vorschrift prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Unter einer Entscheidung in der Hauptsache ist auch eine Entscheidung zu sehen, mit der eine Klage oder ein Antrag aus anderen Gründen als wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs als unzulässig abgelehnt wird (Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 41 § 17a GVG Rn. 45; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 17a GVG Rn. 43).

Eine Bindungswirkung würde voraussetzen, dass das Verwaltungsgericht - ausdrücklich oder implizit - den Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO bejaht hat. Das ist indes gerade nicht der Fall; vielmehr hat das Verwaltungsgericht diese Frage im Beschluss vom 1. Dezember 2008 ausdrücklich offen gelassen. Es hat unter Abschnitt I.1.a) der Beschlussgründe erhebliche Zweifel an der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs geäußert und ausführlich dargelegt, es spreche vieles dafür, dass die §§ 13 Abs. 1, 79 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 i.V.m. § 33 IRG Streitigkeiten der vorliegenden Art dem Oberlandesgericht zuwiesen. Mit der Erwägung, es blieben aber Zweifel, ob in diesen Normen eine eindeutige und ausdrückliche Zuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gesehen werden könne, beendete das Verwaltungsgericht seine Ausführungen zum Rechtsweg und legte im weiteren dar, der Antrag des Antragstellers könne "auch bei der Annahme, der Verwaltungsrechtsweg sei gegeben," keinen Erfolg haben. Hieraus wird ersichtlich, dass die Rechtswegfrage gerade offen geblieben ist.

Außerdem greift § 17a Abs. 5 GVG auch deshalb nicht ein, weil das Verwaltungsgericht keine Vorabentscheidung über die Rechtswegfrage getroffen hat, obwohl es hierzu gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG verpflichtet gewesen wäre (Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 41 § 17a GVG Rn. 29, 46; Ziekow in Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn. 44 f.; Lückemann in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 17a GVG Rn. 17 f.). Die Antragsgegnerinnen haben im Schriftsatz vom 18. November 2008 (Seiten 2 und 3) die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs gerügt. Auf den Wortlaut kommt es nicht an; allerdings muss die Zulässigkeit des Rechtswegs ausdrücklich bestritten werden, die Äußerung bloßer Zweifel reicht nicht aus (Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 41 § 17a GVG Rn. 25). Liest man die eine ganze Seite umfassenden Ausführungen der Antragsgegnerinnen zum Rechtsweg im genannten Schriftsatz, zeigt sich, dass dort eindeutig der Verwaltungsrechtsweg verneint wird; die einleitenden Begriffe "Bedenken" bzw. "Zweifel" ändern an der Bestimmtheit der nachfolgenden Ausführungen nichts.

3. Für (innerstaatliche) Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Auslieferung an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach den §§ 78 ff. IRG hat der Gesetzgeber eine umfassende und ausdrückliche Zuweisung der anfallenden Rechtsstreitigkeiten an das Oberlandesgericht vorgenommen.

a) Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer Auslieferungsbewilligung sind, wovon auch das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Beschluss ausgeht, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinn von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht folgt hierzu der Auffassung der Oberverwaltungsgerichte Münster (Urt. v. 9.4.1963, DVBl. 1963, 731; Beschl. v. 22.12.1980, OVGE MüLü 35, 186, 187) und Berlin (Beschl. v. 26.3.2001, DVBl. 2001, 1004, 1005).

b) Der Verwaltungsrechtsweg ist für die genannten Streitigkeiten nicht schon durch § 23 EGGVG ausgeschlossen. Die Auslieferung gehört nicht zur Strafrechtspflege im Sinne dieser Vorschrift, sondern zu den zwischenstaatlichen Beziehungen (Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl. 2008, § 23 EGGVG Rn. 44 und 60; Schoreit in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 23 EGGVG Rn. 56; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 23 EGGVG Rn. 4; OVG Berlin, Beschl. v. 26.3.2001, a.a.O; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 9.4.1963, a.a.O. allerdings mit der Begründung, die damals für die Bewilligung zuständige Bundesregierung sei keine Justizbehörde). Auch dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum EuHbG 2004 (Urt. v. 18.7.2005, BVerfGE 113, 273, 311 f.) lässt sich eine Bestätigung dieser Auffassung entnehmen, wenn es dort heißt, Auslieferungen seien als Teil der auswärtigen Beziehungen einzuordnen.

c) § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO fordert für den Fall, dass in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art ein anderer Rechtsweg als der zu den Verwaltungsgerichten eröffnet werden soll, eine ausdrückliche Zuweisung durch ein Bundesgesetz. Eine solche Zuweisung ist für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union durch § 13 Abs. 1 Satz 1, § 79 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 29, § 79 Abs. 3 i.V.m. § 33 IRG vorgenommen worden. Der gegenteiligen Auffassung des OVG Berlin (Beschl. v. 26.3.2001, a.a.O., S. 1005) und - sich hierauf beziehend - des Verwaltungsgerichts Berlin (Beschl. v. 12.4.2005, 34 A 98.04, juris, Rn. 11) ist jedenfalls für die jetzt geltende Rechtslage nicht zu folgen.

Als der Gesetzgeber im Jahr 2004 zum ersten Mal den Rahmenbeschluss des Rates über den Europäischen Haftbefehl umsetzte, wurde die Schaffung des § 74b IRG (Unanfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung) u.a. damit begründet (siehe Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BT-Drs. 15/1718, S. 14), soweit durch die Aus- oder Durchlieferung in Freiheitsrechte des Verfolgten eingegriffen werde, werde "ein umfassender Rechtsschutz im Rahmen der gerichtlichen Zulässigkeitsprüfung durch das Oberlandesgericht gewährleistet." Mangels Beeinträchtigung subjektiver Rechte des Verfolgten durch die Auslieferungsbewilligung würde es für eine verwaltungsgerichtliche Klage an der erforderlichen Betroffenheit in eigenen Rechten (§ 42 Abs. 2 VwGO) fehlen. Der neue § 74b IRG diene "auch der Klarstellung, nachdem entgegen der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur das Oberverwaltungsgericht Berlin in zwei Beschlüssen vom 26. März 2001 (...) die Anfechtbarkeit im Verwaltungsrechtsweg bejaht" habe. Wenn auch der Gesetzgeber zur Verfahrensbeschleunigung (so ausdrücklich BT-Drs. 15/1718, S. 14) den Weg ging, die Auslieferungsbewilligung als unanfechtbar zu bezeichnen, so wurde bereits damals deutlich, dass auch eine Aufspaltung des Rechtsschutzes auf zwei Gerichtsbarkeiten vermieden werden sollte.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht das EuHbG 2004 für nichtig erklärt hatte (Urt. v. 18.7.2005, BVerfGE 113, 273 ff.), wurde das Verfahren, das sich an den Eingang eines Auslieferungsersuchens eines Mitgliedstaates der Europäischen Union anschließt, neu konzipiert. Das Bundesverfassungsgericht hatte u.a. bemängelt (a.a.O., S. 312 ff.), dass die Bewilligungsentscheidung unanfechtbar sein sollte, obwohl sie um Ermessenstatbestände erweitert worden sei, die dem Schutz des Verfolgten dienten und deshalb der Rechtsschutzgarantie unterworfen seien. Hierauf hat der Gesetzgeber im Europäischen Haftbefehlsgesetz vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1721) dergestalt reagiert, dass er der Auslieferungsbewilligung eine Vorabentscheidung über das Geltendmachen von Bewilligungshindernissen vorgeschaltet hat, die vom Oberlandesgericht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung überprüft wird (§ 79 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 i.V.m. § 29 IRG). Nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Umstände, die geeignet sind, Bewilligungshindernisse geltend zu machen, können, wenn die Bewilligung nicht deswegen abgelehnt wird, wiederum beim Oberlandesgericht einer Prüfung unterzogen werden. Der Umstand, dass gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 IRG ein Auslieferungsersuchen nur aus den im Achten Teil des Gesetzes geregelten Gründen abgelehnt werden kann, spricht zusätzlich dafür, dass alle Umstände, die möglicherweise in Rechte des Verfolgten eingreifen, vom Oberlandesgericht zu prüfen sind.

Über die Vorschriften des § 79 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 29 und des § 79 Abs. 3 i.V.m. § 33 IRG hinaus ist aber § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG zu beachten, der gemäß § 78 Abs. 1 IRG auch für den Aus- und Durchlieferungsverkehr mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Anwendung findet, soweit der Achte Teil des Gesetzes keine besonderen Regelungen enthält. Gerade wenn angenommen wird, dass die Auslieferungsbewilligung selbst (§ 78 Abs. 1 i.V.m. §§ 12, 74 Abs. 1 und 2 IRG) unter Umständen einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden kann (siehe oben unter 1.), greift hierfür die Rechtswegzuweisung zu den Oberlandesgerichten als allgemeine und ausdrückliche Regelung ein. Zwar wurde diese Regelung zu einer Zeit geschaffen, als es allgemeine Ansicht war, die Auslieferungsbewilligung selbst sei unanfechtbar (vgl. auch BVerfG, Urt. v. 18.7.2005, BVerfGE 113, 273, 312 und 317), doch sprechen Wortlaut und systematische Stellung der Vorschrift sowie die Absicht des Gesetzgebers bei der Schaffung des EuHbG 2006 für die Auslegung, dass alle innerstaatlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Auslieferung eines Verfolgten an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union von den Oberlandesgerichten entschieden werden sollen.

Zu kurz griffe eine Auslegung, wonach § 13 Abs. 1Satz 1 IRG nur die gerichtlichen Entscheidungen über die in § 12 IRG erwähnte Zulässigkeit der Auslieferung meinte. Dagegen spricht schon, dass die in § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG selbst enthaltenen Ausnahmen von der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nicht die eigentliche Zulässigkeit der Auslieferung betreffen, somit gar nicht notwendig wären, beträfe § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG wirklich nur die Entscheidungen über die Zulässigkeit der Auslieferung. Da in den Vorschriften, die das Verfahren und die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung betreffen (§§ 29 bis 33 IRG), das Oberlandesgericht jeweils eigens erwähnt ist, liegt es nahe, § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG einen hierüber hinausgehenden Gehalt beizumessen. Dieser Befund wird auch durch die Begründung der Bundesregierung zum damaligen § 12 IRG-E (BT-Drs. 9/1338, S. 47) bestätigt, wonach hinsichtlich der Zuständigkeit der Oberlandesgerichte die "bewährte Regelung des DAG ... übernommen" werde; abweichend vom DAG werde die sachliche Zuständigkeit "in einer für alle (mit Ausnahme der nach §§ 20, 21 und 38 Abs. 2 zu treffenden) gerichtlichen Entscheidungen geltenden Bestimmung zusammengefasst".

Diese Auslegung wird auch dem Willen des Gesetzgebers bei Schaffung des EuHbG 2006 gerecht. Die neu geschaffene Vorabentscheidung über das Geltendmachen von Bewilligungshindernissen, die im Zulässigkeitsverfahren durch das Oberlandesgericht überprüft werde, solle der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach umfassendem gerichtlichen Rechtsschutz Rechnung tragen (so die Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BT-Drs. 16/1024, S. 11 und S. 12 f.). Die Verlagerung der Bewilligungsentscheidung faktisch vor die Zulässigkeitsentscheidung und die Schaffung einer Überprüfungsmöglichkeit im Zulässigkeitsverfahren hätten den Vorteil, dass sich Gerichte nicht mehrmals, "gegebenenfalls noch dazu in verschiedenen Gerichtsbarkeiten", mit dem Vorgang befassen müssten (BT-Drs. 16/1024, S. 13). Zwar wurde der im Entwurf des EuHbG 2006 (BT-Drs. 16/1024) wiederum vorgesehene § 74b IRG (Unanfechtbarkeit der Bewilligungsentscheidung) aus den oben unter 1. wiedergegebenen Gründen letztlich nicht beschlossen, doch kann dem Bericht des Bundestags-Rechtsausschusses (BT-Drs. 16/2015) nicht entnommen werden, dass die Ausschussmehrheit damit hinsichtlich eines etwaigen Rechtsschutzbegehrens bezüglich der Bewilligungsentscheidung einen anderen als den Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten in den Blick genommen hätte.

Gleiches gilt für den im Laufe der Gesetzesberatung geänderten § 79 Abs. 3 IRG, der im Fall nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände, die geeignet sind, Bewilligungshindernisse geltend zu machen, zunächst eine Überprüfung der "Bewilligungsentscheidung" durch das Oberlandesgericht vorsah (BT-Drs. 16/1024, S. 6). Die vorgenommenen Änderungen, wonach sich bei nachträglich eingetretenen oder bekannt gewordenen Umständen das Verfahren nach § 33 IRG richten soll (BT-Drs. 16/2015, S. 12), können aber nicht als Argument für einen anderen Rechtsweg als den zu den Oberlandesgerichten im Fall des Angriffs auf die Bewilligungsentscheidung dienen, weil insoweit wiederum das Oberlandesgericht angesprochen ist.

Selbst die im Gesetzgebungsverfahren abgelehnten Vorschläge für einen direkt auf die Bewilligungsentscheidung zielenden nachgelagerten Rechtsschutz hatten nicht einen Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zum Ziel. Der Entschließungsantrag der FDP, wonach die Bundesregierung einen neuen Gesetzentwurf vorlegen solle, der die Möglichkeit einer nachträglichen Anfechtung der Bewilligungsentscheidung vorsehe (vgl. BT-Drs. 16/2015, S. 10 f.), enthielt keinen Hinweis auf den dann zu beschreitenden Rechtsweg. Dagegen sah der Änderungsvorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (vgl. BT-Drs. 16/2015, S. 9) für eine Beschwerde gegen die Bewilligungsentscheidung ausdrücklich den Weg zum Oberlandesgericht vor. Die Begründung hierzu führte aus, hiermit werde die vollständige Überprüfbarkeit der Entscheidung der Auslieferungsbehörde hergestellt "und die bewährte Zulässigkeitsprüfung durch die Oberlandesgerichte beibehalten".

Die Argumentation des Antragstellers vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Sie geht im wesentlichen dahin, dass das in § 79 Abs. 2 und 3 IRG installierte Rechtsschutzsystem unzureichend sei und den Erfordernissen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genüge. Ob die diesbezüglichen Ausführungen zu überzeugen vermögen, ist hier nicht zu prüfen. Richtig ist, dass eine etwaige gerichtliche Überprüfung der abschließenden Auslieferungsbewilligung in § 79 Abs. 2 und 3 IRG nicht vorgesehen ist. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass für ein solches Begehren der Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten nicht gegeben und demzufolge gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet wäre. Wie dargelegt, weist § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG auch solche Rechtsstreitigkeiten den Oberlandesgerichten zu. Andernfalls würde ein Rechtsweg (zu den Verwaltungsgerichten) eröffnet, in dem wegen der - wohl alle den Verfolgten betreffenden Elemente umfassenden - Entscheidungszuständigkeit der Oberlandesgerichte nach § 79 Abs. 2 und 3 IRG inhaltlich nahezu nichts zu prüfen wäre. Wird eine Entscheidung in einem mehrstufigen Verfahren getroffen, so sind die Entscheidungselemente, die einer eigenen gerichtlichen Überprüfung zugänglich sind, in späteren Verfahrensstadien nicht mehr zu überprüfen. Das ist keine Besonderheit des Auslieferungsverfahrens, sondern gilt z.B. auch für den Rechtsschutz gegen die Vollstreckung von Verwaltungsakten, wo Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt nur außerhalb des Vollstreckungsverfahrens geltend gemacht werden können (vgl. § 18 Abs. 1 VwVG des Bundes; § 75 Abs. 2 HmbVwVG), oder für die Bindung der Ausländerbehörden und der Gerichte, die deren Entscheidungen überprüfen, an bestimmte Feststellungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (§ 42 Satz 1 AsylVfG; vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 22.11.2005, NVwZ 2006, 711 ff.).

4. Somit ist gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG der Verwaltungsrechtsweg für unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit an das Hanseatische Oberlandesgericht zu verweisen. Die Beteiligten wurden hierzu vom Oberverwaltungsgericht angehört.

Daneben ist auch der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2008 aufzuheben (vgl. Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 41 § 17a GVG Rn. 30; Lückemann in Zöller, a.a.O., § 17a GVG Rn. 17). Damit wird klargestellt, dass das Hanseatische Oberlandesgericht nicht etwa nur über die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu befinden hat, sondern als gesetzlicher Richter erst- (und wegen § 13 Abs. 1 Satz 2 IRG auch letzt-)instanzlich über den Antrag des Antragstellers zu entscheiden hat.

Ende der Entscheidung

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