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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.08.2009
Aktenzeichen: 1 A 1474/09.Z
Rechtsgebiete: BBG, PostPersRG


Vorschriften:

BBG § 78
PostPersRG § 7 Abs. 2
Die Pflicht zur sicheren Aufbewahrung eines ausgehändigten Dienstschlüssels trifft den Betriebsratsvorsitzenden in gleicher Weise wie jeden anderen Beschäftigten und ist nicht Ausfluss seiner besonderen betriebsverfassungsrechtlichen bzw. personalvertretungsrechtlichen Funktion. Für eine über die materielle Betriebsratstätigkeit hinausgehende Haftungsfreistellung des Betriebsratsmitglieds ist deshalb kein Raum.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 A 1474/09.Z

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Beamtenrechts

hier: Schadensersatz für abhanden gekommenen Dienstschlüssel

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richterin am Hess. VGH Schild

am 3. August 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 26. März 2009 - 1 K 462/07.KS - wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 4.264,81 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Aus den vom Kläger dargelegten Gründen bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Sache besondere rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) auf. Auch die vom Kläger zusätzlich gerügte Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts liegt nicht vor.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, weil das Verwaltungsgericht trotz der Funktion des Klägers als Betriebsratsvorsitzender dessen Haftung für den verloren gegangenen Gruppenschlüssel bejaht hat. Denn entgegen der Darstellung des Klägers war nicht etwa der gesamte Betriebsrat für den Gruppenschlüssel verantwortlich, sondern der Schlüssel ist dem Kläger persönlich - wenn auch in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender - übergeben worden, so dass er auch als derjenige, der den Erhalt des Schlüssels mit seiner Unterschrift bestätigt hat (vgl. Bl. 3 und 4 Behördenakte) bei Verlust des Schlüssels haftet. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf verzichtet, die Frage zu problematisieren, in welchem Umfang der gesamte Betriebsrat Träger von Rechten und Pflichten sein kann, was in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 24.04.1986 - 6 AZR 607.83 - BAGE 52, 1 ff.) nur innerhalb der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabenstellung der Fall sein mag. Der Schlüssel ist aber - auch wenn er für alle Betriebsratsmitglieder zur Verfügung stehen sollte - nicht dem Betriebsrat als Kollegialorgan, sondern dem Kläger persönlich ausgehändigt worden, und nur in Anknüpfung an diese persönliche Übergabe zieht die Beklagte den Kläger zur Erstattung der Kosten für den Austausch der Schließzylinder heran. Der Kläger wird nicht für das Organ Betriebsrat, sondern in seiner persönlichen Verantwortlichkeit für den ihm ausgehändigten Schlüssel in Regress genommen, unabhängig davon, ob der Schlüssel auch von anderen Betriebsratsmitgliedern benutzt werden konnte oder benutzt worden ist. Auf die Frage, ob der Betriebsrat als solcher für Schäden des Dienstherrn bzw. Arbeitgebers in Anspruch genommen werden kann, kommt es demgemäß nicht entscheidungserheblich an.

Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob es überhaupt notwendig gewesen ist, dem Kläger neben dem für ihn persönlich gedachten Schlüssel einen zweiten Schlüssel für alle Betriebsratsmitglieder auszuhändigen, obwohl ausweislich der Schlüsselübergabeliste (Bl. 4 Behördenakte) andere Betriebsratsmitglieder ebenfalls eigene Schlüssel erhalten haben.

Der Kläger ist auch hinreichend deutlich - nachweislich durch die von ihm am 14. Juli 2004 unterzeichnete "Belehrung zu ausgehändigten Schlüsseln" (Bl. 3 Behördenakte) - auf seine persönliche Haftung aufmerksam gemacht worden. Denn Ziffer 3 der Belehrung weist ausdrücklich darauf hin, dass bei Verlust des Schlüssels oder sonstigen Unregelmäßigkeiten derjenige haftet, der den Erhalt des Schlüssels mit seiner Unterschrift bestätigt hat. Demgemäß musste dem Kläger bewusst sein, dass er auch dann für den Verlust des Schlüssels einzustehen hat, wenn der Schlüssel nicht seiner ausschließlichen Verwendung, sondern der Verwendung durch alle Betriebsratsmitglieder diente.

Auch auf die Frage, inwieweit Personalrats- bzw. beamtete Betriebsratsmitglieder gegenüber ihrem Arbeitgeber für Pflichtverletzungen in Ausübung ihres Betriebsratsamtes einzustehen haben, kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Denn die Überwachungs- und Aufbewahrungspflicht für ausgehändigte Schlüssel trifft den Kläger genauso wie jeden anderen Beschäftigten bei der Beklagten und ist nicht Ausfluss seiner besonderen Funktion als Betriebsratsvorsitzender. Für die vom Kläger für sich in Anspruch genommene, über die materielle Betriebsratstätigkeit hinausgehende Haftungsfreistellung findet sich weder im Personalvertretungsrecht noch im Betriebsverfassungsgesetz ein rechtlicher Ansatz (vgl. §§ 38, 40 BetrVG, die ausdrücklich nur die berufliche Freistellung und die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers regeln), so dass der Kläger in diesem Rahmen nicht anders zu behandeln ist wie alle anderen Beschäftigten auch.

Schließlich bietet auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe durch die Art und Weise der Aufbewahrung des ihm ausgehändigten Schlüssels grob fahrlässig seine Pflichten verletzt, keinen Anlass zu ernsthaften Zweifeln. Denn immerhin handelte es sich bei dem dem Kläger ausgehändigten Schlüssel um einen sogenannten Gruppenschlüssel, der nicht nur den Zugang zu einem bestimmten Dienstzimmer, sondern zu einer Vielzahl von Räumen ermöglichte und der deshalb mit besonderer Sorgfalt zu behandeln ist. Diese umfassende Zugangsmöglichkeit zeigt sich letztlich auch an der Vielzahl der Schließzylinder, die nach dem Verlust des Schlüssels ausgetauscht werden mussten. Der Kläger hat einen dermaßen umfassend einsetzbaren Schlüssel in einem unverschlossenen Behältnis jederzeit zugänglich im Betriebsratszimmer aufbewahrt, obwohl in dem Sicherheitshandbuch der Deutschen Post AG die Aufbewahrung von Gruppenschlüsseln als "sicher und unter Verschluss" beschrieben wird. Selbst wenn der Kläger diese konkrete Sicherheitsvorschrift nicht gekannt hat und auf sie nicht ausdrücklich aufmerksam gemacht worden ist, legt es die alltägliche Erfahrung immerhin nahe, dass ein vielfach einsetzbarer Schlüssel nur unter Verschluss aufgehoben werden darf. Insofern ist es nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht die Verhaltensweise des Klägers als grob fahrlässig eingestuft hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Damit bewegt sich das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2003 - 4 ZR 171/01 - NJW 2003, 1118 ff. m. w. N.). Seine Bewertung kann zudem auch deshalb schwerlich beanstandet werden, weil der Kläger seinerseits die örtlichen Gegebenheiten und die konkreten Aufbewahrensumstände kaum beschrieben hat, so dass für eine anderweitige Einschätzung schon die tatsächlichen Grundlagen fehlen. Insbesondere hat der Kläger nicht dargelegt, wer zu welchen Zeiten das Betriebsratszimmer betreten konnte, ob es regelmäßig mit einer Aufsichtsperson besetzt war und ob bzw. welche Gedanken er sich über die Sicherheit des Schlüssels in einem unverschlossenen Schlüsselkasten - bei dem also für jeden ersichtlich ist, dass sich darin ein Schlüssel befindet - gemacht hat, die den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit möglicherweise entkräften könnten.

Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf, weil es zur Haftung des Betriebsrates als Organ oder der einzelnen Betriebsratsmitglieder bis auf die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. April 1986 (6 AZR 687/83) keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt. Denn auf diese von dem Kläger in den Vordergrund gestellte Frage der Haftung des Betriebsrats als Organ kommt es nicht entscheidungserheblich an. Vielmehr ist dem Kläger der abhanden gekommene Schlüssel persönliche übergeben worden, und damit bestand auch für ihn persönlich die Verpflichtung, den Schlüssel sicher aufzubewahren (s. oben S. 2/3). Insofern unterscheiden sich seine Sicherungspflichten nicht von denjenigen, die jeden anderen Beschäftigten treffen, dem ein dienstlicher Schlüssel zur Verfügung gestellt wird, unabhängig von der Funktion als Betriebsratsvorsitzender. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass der Kläger Beamter ist und er sich mit der gleichzeitig innegehabten Position als Betriebsratsvorsitzender in einer Sonderstellung befindet, die es nur in den Nachfolgeunternehmen von Bahn und Post gibt.

Erst recht führt diese Konstellation nicht dazu, dass der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufweist. Denn für den vorliegenden Fall ist nicht die "Frage der Kollision von beamtenrechtlichen Haftungsvorschriften und Haftungsvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes" umfassend zu klären, sondern es kommt lediglich darauf an, ob der Kläger persönlich grob fahrlässig oder vorsätzlich im Sinne von § 78 Abs. 1 BBG i. V. m. § 7 Abs. 2 PostPersRG gehandelt hat, und diese Frage ist - wie oben S. 2 dargelegt - unabhängig von der Haftung des Betriebsrates als Gesamtorgan zu beantworten.

Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. April 1986 (6 AZR 607/83) stellt im Übrigen auch nicht fest, dass die Haftung eines Betriebsratsvorsitzenden für Handlungen des Betriebsratsgremiums generell ausgeschlossen ist, sondern befasst sich mit der Frage, in welcher Rechtsform Betriebsratsmitglieder bei der Einrichtung und Führung einer Kantine als Sozialeinrichtung tätig werden, da der Betriebsrat als solcher mangels Rechts- und Vermögensfähigkeit nicht Träger der Kantine sein kann. Die Frage, ob bzw. inwieweit Betriebsräte für die bei der Kantinenverwaltung entstehenden Schäden haften, wird ausdrücklich offen gelassen, da im konkreten Fall eine vorherige vergleichsweise Regelung etwaige Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers ausschloss. Unabhängig davon, dass das Bundesarbeitsgericht ohnehin kein Gericht ist, von dem ein erstinstanzliches Urteil im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO abweichen kann, liegt die behauptete Abweichung somit auch inhaltlich nicht vor.

Da der Zulassungsantrag erfolglos bleibt, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG. Der Senat geht von dem im Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2007 festgesetzten Betrag von 4.264,81 € aus, der der Schlussabrechnung der beauftragten Handwerksfirma entspricht. Der ursprünglich genannte und vom Verwaltungsgericht als Streitwert festgesetzte Betrag von 4.212,66 € ergibt sich lediglich aus dem Kostenvoranschlag. Von der ihm zustehenden Befugnis, den erstinstanzlichen Streitwert von Amts wegen zu ändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG) macht der Senat keinen Gebrauch, da sich durch die um rund 52,00 € zu niedrige Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts keine abweichenden Gebühren ergeben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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