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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.01.2008
Aktenzeichen: 1 TG 2392/07
Rechtsgebiete: PostPersRG, SUrlV


Vorschriften:

PostPersRG § 4 Abs. 3
SUrlV § 13 Abs. 1
SUrlV § 15 Abs. 1
SUrlV § 15 Abs. 2
Beurlaubungen nach § 4 Abs. 3 PostPersRG können bei Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen nur nach § 15 Abs. 1 SUrlV widerrufen werden.

Der Widerruf nach § 15 Abs. 2 SUrlV wegen zweckwidriger Verwendung setzt voraus, dass die Verwendung zu einem anderen als dem bewilligten Zweck der Sphäre des Beamten zuzurechnen ist.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 TG 2392/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Sonderurlaubs

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark, Richterin am Hess. VGH Schild

am 28. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 24. Oktober 2007 - 1 G 535/07 - aufgehoben; die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Widerrufsverfügung der Deutschen Telekom AG vom 5. Februar 2007 wird wieder hergestellt.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird - unter entsprechender Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung - für beide Rechtszüge auf je 13.581,72 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht darauf abgestellt, dass sich die angefochtene Widerrufsverfügung vom 5. Februar 2007 als offensichtlich rechtmäßig erweist und das Vollzugsinteresse das private Aufschubinteresse des Antragstellers überwiegt. Vielmehr dürfte der dem Antragsteller gewährte Sonderurlaub für eine privatrechtliche Tätigkeit bei der Antragsgegnerin zu Unrecht unter Berufung auf § 15 Abs. 2 Sonderurlaubsverordnung - SUrlV - in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. November 2004 (BGBl I S. 2636) mit Wirkung zum 1. März 2007 widerrufen worden sein, so dass an der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung kein öffentliches Interesse besteht.

Der Antragsteller ist nach sechs Jahren früheren Sonderurlaubs zuletzt für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis 31. Mai 2009 nach § 4 Abs. 3 PostPersRG i. V. m. § 13 Abs. 1 SUrlV zur Wahrnehmung einer privatrechtlichen Tätigkeit bei der T-Com-Zentrale in D. als Leiter der Gruppe Endgeräte auf dem Personalposten EG 112, AtNr. 62705 beurlaubt worden. Diese Tätigkeit hat der Antragsteller in Ausfüllung eines am 16. Juni 2003 mit der Antragstellerin abgeschlossenen außertariflichen Einstellungsvertrags mindestens bis 28. Februar 2007 - nach eigenen Angaben sogar noch einige Wochen darüber hinaus - wahrgenommen. Aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen der Antragsgegnerin wurde zum 1. März 2007 ein eigenständiges Zentrum Endgeräte eingerichtet, wodurch der Arbeitsplatz des Antragstellers in der T-Com-Zentrale wegfiel und nur als Überhangposten noch eine Zeitlang weitergeführt wurde. Auf diese Veränderungen wies die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 5. Februar 2007 hin und widerrief gleichzeitig mit Verfügung vom selben Tag unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die gewährte Insichbeurlaubung, gestützt auf § 15 Abs. 2 SUrlV, der allein auf eine objektiv zweckwidrige Verwendung des bewilligten Sonderurlaubs abstelle und keine andere Entscheidung erlaube.

Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung spricht jedoch vieles dafür, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, den gewährten Sonderurlaub unter Berufung auf § 15 Abs. 2 SUrlV zu widerrufen. Denn anders als das Verwaltungsgericht dies in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 01.09.2004 - 1 B 1305/04 - und Beschluss vom 24.08.2005 - 1 B 444/05 -) angenommen hat, ist § 15 Abs. 2, 1. Alt. SUrlV nach der Überzeugung des Senats nicht auf die vorliegende Fallgestaltung anwendbar.

Zwar kann der von der Antragsgegnerin gewährte Sonderurlaub grundsätzlich unter den Voraussetzungen des § 15 SUrlV widerrufen werden, unabhängig davon, ob die Bewilligung dieser Insichbeurlaubung allein auf § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 PostPersRG oder - wie hier - auch auf § 13 Abs. 1 Sonderurlaubsverordnung gestützt worden ist (so ausdrücklich auch OVG NRW, Beschluss vom 24.08.2005 - 1 B 444/05 - sowie OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.08.2005 - 10 B 10860/05 -). § 15 SUrlV sieht in seinen beiden Absätzen allerdings zwei deutlich voneinander zu unterscheidende Varianten des Widerrufs vor: Gemäß § 15 Abs. 1 SUrlV kann die Bewilligung bei einem befristeten Urlaub aus zwingenden dienstlichen Gründen widerrufen werden, während sie gemäß § 15 Abs. 2 SUrlV zu widerrufen ist, wenn der Urlaub zu einem anderen als dem bewilligten Zweck verwendet wird oder wenn andere Gründe, die die Beamtin oder der Beamte zu vertreten hat, den Widerruf erfordern. Die Antragsgegnerin hat sich bei ihrem Widerruf ausschließlich auf § 15 Abs. 2, 1. Alt. SUrlV gestützt und zur Begründung ausgeführt, dass durch die Rationalisierungsmaßnahme die Tätigkeit, für die der Antragsteller beurlaubt worden sei, wegfalle und damit der bewilligte Sonderurlaub tatsächlich nicht mehr dem konkreten Bewilligungszweck entsprechend verwendet werden könne. Unabhängig davon, ob der Grund für die nicht mehr zweckentsprechende Verwendung der Sphäre des Beurlaubten oder des Dienstherrn entstamme, räume § 15 Abs. 2 SurlV dem Dienstherrn kein Ermessen hinsichtlich des "Ob" des Widerrufs ein, sondern die Insichbeurlaubung müsse ohne weitere Rechtsprüfung entfallen.

Damit übersieht die Antragsgegnerin nach Auffassung des Senats, dass schon der Wortlaut der Vorschrift "verwendet wird" dafür spricht, dass die zweckwidrige Verwendung der Sphäre des Beamten und nicht - wie hier - der Sphäre des Dienstherrn entstammen muss. Denn genutzt wird der Urlaub letztlich vom Beamten, der den Urlaub ausdrücklich beantragen muss (vgl. § 14 SUrlV) und der durch die Beurlaubung die Möglichkeit erhält, anderweitig tätig zu sein. Gestützt wird diese Überlegung durch die 2. Alternative in § 15 Abs. 2 SUrlV, wenn a n d e r e Gründe, die die Beamtin oder der Beamte zu vertreten hat, den Widerruf erfordern. Wären nur mit dieser letzten Alternative Gründe aus dem Verantwortungsbereich des Beamten gemeint, so wäre es nicht erforderlich gewesen, vor das Wort "Gründe" das zusätzliche Adjektiv "andere" einzufügen. Insofern spricht die Zusammenschau beider Alternativen des § 15 Abs. 2 SUrlV dafür, dass es sich insgesamt um Umstände handeln muss, die der Sphäre des Beamten zuzurechnen sind; nur dann soll ein zwingender Widerruf der Urlaubsbewilligung ohne Einzelfallprüfung erfolgen (so auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.08.2007 - 4 S 1055/07 -).

In systematischer Hinsicht erfährt diese Auslegung ihre Bestätigung durch die nachfolgende Regelung des § 16 SUrlV. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift werden Mehraufwendungen, die durch den Widerruf der Urlaubsbewilligung entstehen, nach den Bestimmungen des Reise- und Umzugskostenrechts ersetzt, es sei denn, dass der Widerruf nach § 15 Abs. 2 ausgesprochen wird. Diese Regelung will erreichen, dass die Ersatzpflicht für Mehraufwendungen immer dann entfällt, wenn der Widerruf auf Umständen aus der Sphäre des Beamten beruht, denn dann ist es sachgerecht, den Beamten auch mit den durch den Widerruf entstehenden Mehraufwendungen zu belasten. Ist dies nicht der Fall, ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass der Beamte die Mehraufwendungen für einen von ihm nicht zu vertretenden Widerruf selbst tragen muss. Würde man aber § 15 Abs. 2, 1. Alt. SUrlV im Sinne der Antragsgegnerin dahingehend auslegen, dass es nur auf die objektiv zweckwidrige weitere Verwendung des Sonderurlaubs ankommt, so könnte der Beamte keinen Ersatz für Mehraufwendungen verlangen, obwohl ihm der Grund für den Widerruf nicht zuzurechnen ist. Ein solches Ergebnis widerspricht der Absicht des Verordnungsgebers, den schutzwürdigen Belangen des Beamten Rechnung zu tragen (so auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.08.2007 - 4 S 1055/07 -).

Gegen diese Interpretation von § 15 Abs. 2 Sonderurlaubsverordnung kann auch nicht eingewandt werden, dass es im Organisationsermessen des Dienstherrn liegt, Arbeitsplätze umzuorganisieren oder Rationalisierungsmaßnahmen zu treffen und ihm diese Möglichkeit erhalten bleiben muss, ungeachtet eines einmal gewährten Sonderurlaubes zur Wahrnehmung bestimmter Tätigkeiten. Ebenso wenig verlangt die Struktur des Beamtenverhältnisses oder der Umstand, dass die Beurlaubung nach § 4 Abs. 3 PostPersRG ausschließlich dienstlichen Interessen dient, eine andere Betrachtungsweise. Denn bei derartigen Umorganisationen mit Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes steht dem Dienstherrn die Regelung des § 15 Abs. 1 SUrlV zur Verfügung, nach der (auch) ein befristeter Urlaub aus zwingenden dienstlichen Gründen widerrufen werden kann. Der Wegfall der bisher ausgeübten Tätigkeit oder sonstige Rationalisierungsmaßnahmen dürften regelmäßig als zwingende dienstliche Gründe einzustufen sein, so dass die Entscheidungskompetenz des Dienstherrn erhalten bleibt und er im Einzelfall sogar freier entscheiden kann als wenn der ursprünglich gewährte Urlaub zwingend nach § 15 Abs. 2 SurlV zu widerrufen wäre.

Die Antragsgegnerin kann also den Widerruf der Insichbeurlaubung nicht auf § 15 Abs. 2 SUrlV stützen, da die durchgeführten Rationalisierungs- und Umorganisationsmaßnahmen sowie der Wegfall der dem Antragsteller bislang privatrechtlich übertragenen Tätigkeit als Leiter der Gruppe Endgeräte allein ihrem Verantwortungsbereich entspringt, nicht aber in irgendeiner Form der Sphäre des Beamten zuzurechnen wäre. In einer derartigen Fallkonstellation scheidet § 15 Abs. 2 SUrlV als Rechtsgrundlage für den Widerruf aus.

Zwar hätte die Antragsgegnerin sich stattdessen auf § 15 Abs. 1 SUrlV stützen können, um den Sonderurlaub des Antragstellers vorzeitig zu beenden. Bei § 15 Abs. 1 SUrlV handelt es sich allerdings um eine Ermessensvorschrift, die Ermessenserwägungen des Dienstherrn zum "Ob" und "Wie" der Beendigung voraussetzt. Derartige Ermessenserwägungen hat die Antragsgegnerin auch nicht ansatzweise angestellt, weder in der angefochtenen Entscheidung noch während des gerichtlichen Eilverfahrens. Insofern lässt die getroffene Entscheidung entgegen § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG nicht erkennen, von welchen Ermessensgesichtspunkten die Antragsgegnerin sich hat leiten lassen. Eine Heilung dieses Begründungsmangels noch zum jetzigen Zeitpunkt scheidet nach § 45 Abs. 2 VwVfG, § 114 Satz 2 VwGO aus, und auch für eine Ermessensreduzierung auf Null bestehen keinerlei Anhaltspunkte, so dass der Begründungsmangel ebenso wenig nach § 46 VwVfG als unbeachtlich eingestuft werden kann. Vielmehr spricht der Vortrag des Antragstellers, dass er noch eine Zeitlang seinen bisherigen Posten in der T-Com-Zentrale wahrgenommen hat, nachdem die Gruppe Endgeräte bereits ausgelagert worden war, und dass ihm erst ab 15. Juni 2007 eine andere Aufgabe übertragen worden ist, dafür, dass jedenfalls der Beendigungszeitpunkt für den Sonderurlaub genau abzuwägen ist. Zudem kommt eine Umdeutung des als gebundene Entscheidung ergangenen Widerrufs in eine Ermessensentscheidung wegen § 47 Abs. 3 VwVfG ohnehin nicht in Betracht (so auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.08.2007- 4 S 1055/07 -).

Ein Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 1997 - 2 C 32.96 - (ZBR 1997, 320) liegt im Übrigen bei der vom Senat vorgenommenen Interpretation des § 15 Abs. 2 SUrlV nicht vor. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat seinerzeit den Widerruf eines Sonderurlaubs bestätigt, der einem Beamten für die Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung bewilligt worden war. Während dieses Sonderurlaubs hatte sich der Beamte von der Einrichtung aus persönlichen Gründen unbezahlten Urlaub gewähren lassen, um andere Tätigkeiten ausüben zu können, und damit lag die zweckwidrige Verwendung des für die Tätigkeit bei der Einrichtung bewilligten Sonderurlaubs ausschließlich in seiner Sphäre. Das Bundesverwaltungsgericht hatte daher keinen Anlass, sich mit dem Merkmal der Zurechenbarkeit auseinander zu setzen.

Erweist sich somit die angefochtene Widerrufsverfügung nach summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, so ist dem Aufschubinteresse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen diese Verfügung wieder herzustellen.

Da die Antragsgegnerin unterlegen ist, hat sie die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Senat geht bei der Streitwertfestsetzung ebenso wie das Verwaltungsgericht von dem Differenzbetrag zwischen dem Beamtengehalt des Antragstellers und der ihm aufgrund der Beurlaubung zustehenden Angestelltenvergütung aus. Dies ist ausweislich der gewährten Härtefallzahlung ein Betrag von 2.263,62 € monatlich, den der Senat auf ein Jahr hochgerechnet hat. Die gesamte Zeitdauer des ursprünglich bis 31. Mai 2009 gewährten Sonderurlaubs erscheint unangemessen lang, da die Antragsgegnerin jederzeit eine erneute Widerrufsverfügung auf geänderter Rechtsgrundlage erlassen kann. In Anbetracht des nur vorläufigen Charakters des Eilverfahrens ist der Jahresbetrag von 27.163,44 € sodann halbiert worden. Die Befugnis zur Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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