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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.02.2003
Aktenzeichen: 1 TG 3256/02
Rechtsgebiete: GG, HBG, HRiG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
HV Art. 134
HBG § 8 Abs. 1
HBG § 12 Abs. 1
HRiG § 47 Abs. 2
HRiG § 78a Abs. 2 Satz 2
Die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HBG zur Entscheidung berufene Landesregierung muss in dem Personalvorschlag des zuständigen Ministeriums vollständig über alle Bewerber und die wesentlichen Auswahlerwägungen inhaltlich unterrichtet werden.

Dem Personalvorschlag des Justizministers an die Landesregierung muss die Begründung eines abweichenden Personalvorschlags des Bezirksstaatsanwaltsrats beigefügt sein.


1 TG 3256/02

Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Beförderung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

am 11. Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 12. November 2002 - 9 G 2603/02 (V) - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 14.963,72 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht stattgegeben.

Der Antragsteller hat den geltend gemachten Anspruch nicht glaubhaft gemacht, dem Antragsgegner zu untersagen, den Beigeladenen zum Leitenden Oberstaatsanwalt als Leiter der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht D. zu befördern. Der Antragsteller ist durch die Art und Weise des Auswahlverfahrens und die hierauf beruhende Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen nicht in seinem von Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 134 Hessische Verfassung gewährleisteten grundrechtsgleichen Recht auf chancengleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verletzt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 1989, DVBl. 1989, 1247; Hess. StGH, Urteil vom 13. Mai 1992, NVwZ-RR 1993, 201 f.; Hess. VGH, Beschluss vom 26. Oktober 1993, DVBl. 1994, 593 m. w. N.).

Die Auswahl des Beigeladenen kann im Verhältnis zum Antragsteller gerichtlich nicht beanstandet werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Antragsteller nicht schon durch die Art und Weise der Unterrichtung der gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HBG für die Personalentscheidung zuständigen Landesregierung durch den Justizminister in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt worden. Allerdings setzt nach der Rechtsprechung des Senats eine rechtsfehlerfreie Entscheidung über die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens bzw. die Beförderung voraus, dass das für die Personalentscheidung zuständige Organ durch die Beschlussvorlage in die Lage versetzt wird, in materieller Hinsicht eine eigenständige Auswahlentscheidung zu treffen (Hess. VGH, Beschluss vom 11. April 1995 - 1 TG 2665/94 - ZTR 1995, 381 = PersV 1995, 570 <LS>). Das Verwaltungsgericht ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass die zur Entscheidung berufene Landesregierung in dem Personalvorschlag des zuständigen Ministers vollständig über alle Bewerber und über die wesentlichen Auswahlerwägungen inhaltlich unterrichtet werden musste. Im Hinblick auf die Bedeutung der Beteiligung des Bezirksstaatsanwaltsrats, der gemäß § 78a Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 47 Abs. 2 HRiG ein eigenständiges Eignungsurteil über den vorgeschlagenen Bewerber abgeben muss und auch einen begründeten, abweichenden eigenen Personalvorschlag machen kann, ist es auch erforderlich, dass dem Personalvorschlag des Justizministeriums an die Landesregierung die Begründung eines abweichenden Personalvorschlags des Bezirksstaatsanwaltsrats beigefügt ist (so auch VG Düsseldorf, rechtskräftiges Urteil vom 27. Oktober 1994 - 4 K 7120/93 - DRiZ 1996, 149).

Diesen formellen Anforderungen wird die Personalvorlage des Hessischen Justizministeriums vom 3. Juni 2002 an die Landesregierung jedenfalls in Bezug auf den Antragsteller und den Beigeladenen gerecht. In dem beigefügten Auswahlvermerk werden die Leistungen und die Eignung der beiden Bewerber zusammenfassend dargestellt und gegeneinander abgewogen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bezirksstaatsanwaltsrat, der ein Recht zur Stellungnahme zur persönlichen und fachlichen Eignung besitze, dieser Auswahlentscheidung nicht zugestimmt habe. Außerdem war dem Schreiben an die Staatssekretäre der einzelnen Ministerien, die die allgemeinen Vertreter der jeweiligen Minister sind und die die Vorlagen an die Landesregierung in der Vorkonferenz gemäß § 14 der Geschäftsordnung der Hessischen Landesregierung vom 10. Februar 1995 (GVBl. I S. 114) beraten, neben anderen Personalunterlagen auch die Stellungnahme des Bezirksstaatsanwaltsrats vom 11. September 2001 beigefügt, in der der Vorschlag zu Gunsten des Antragstellers im Einzelnen begründet wird. Damit waren die Mitglieder der Landesregierung in ausreichender Weise in die Lage versetzt, von den Erwägungen des Bezirksstaatsanwaltsrats Kenntnis zu nehmen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war es nicht geboten, außerdem in der Kabinettvorlage noch ausdrücklich die Begründung des Bezirksstaatsanwaltsrats inhaltlich wiederzugeben. Es war ausreichend, dass in der Kabinettvorlage mitgeteilt wurde, dass die Personalvertretung nicht zugestimmt habe und hierbei auf die Anlage verwiesen wurde.

Die Entscheidung des Antragsgegners, den Beigeladenen dem Antragsteller vorzuziehen, genügt auch den Bedingungen rationaler Abwägung. Es ist nachvollziehbar, dass der Antragsgegner aufgrund des vorgenommenen Eignungs- und Leistungsvergleichs den Beigeladenen für besser geeignet hält, die Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle zu erfüllen. In dem Auswahlvermerk vom 6. Juni 2002, der konkludent von der Landesregierung gebilligt worden ist, wird nach einer zusammenfassenden Darstellung des jeweiligen beruflichen Werdeganges von Antragsteller und Beigeladenem ausgeführt: Die dienstlichen Beurteilungen zeigten, dass beide Bewerber das Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Stelle in hervorgehobener Weise erfüllten. Die Begründung des Generalstaatsanwalts in seinem Besetzungsbericht belege, dass der Beigeladene durch seine vielfältige Führungserfahrung einen Eignungsvorsprung vor dem Antragsteller besitze.

... (weitere persönlichkeitsbezogene Auswahlerwägungen)

Diese Auswahlerwägungen tragen im Verhältnis zum Antragsteller rechtsfehlerfrei die Entscheidung zu Gunsten des Beigeladenen. Das persönlichkeitsbedingte Urteil über die Eignung der Bewerber unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung nur in einem beschränkten Umfang. Bei derartigen Werturteilen besteht für den Dienstherrn eine Beurteilungsermächtigung, so dass das Gericht die Beurteilung nicht etwa mit Hilfe von Sachverständigen im Einzelnen nachprüfen darf. Es ist ihm verwehrt, das Urteil des Dienstherrn in vollem Umfang zu überprüfen oder dies gar durch ein eigenes zu ersetzen. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich nur darauf zu erstrecken, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1980 - 2 C 8.78 - BVerwGE 60, 245 f.; Hess. VGH, Beschluss vom 30. Juni 1998 - 1 TG 2045/98 -; BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2002 - 2 BvR 723/99 - DVBl. 2002, 1203 ff. m. w. N.).

Aufgrund der sich aus den Akten und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sachlage bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner bei der Eignungsbeurteilung des Antragstellers im Vergleich zu dem Beigeladenen diese Grundsätze nicht beachtet hat. Die Erwägungen des Antragsgegners in dem Auswahlvermerk vom 6. Juni 2002 sind nachvollziehbar, in sich schlüssig und stehen im Einklang mit den dienstlichen Beurteilungen und dem sonstigen wesentlichen Inhalt der Personalakten. Es kann insbesondere gerichtlich nicht beanstandet werden, dass der Antragsgegner dem Beigeladenen deshalb einen Eignungsvorsprung einräumt, weil dieser bereits mehrere Jahre lang erfolgreich Behördenleiterfunktionen wahrgenommen hat. Das Abstellen auf das Kriterium der eigenverantwortlichen Führung einer Behörde hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung als zulässige Auswahlerwägung bei der Besetzung von Behördenleiterstellen anerkannt (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Februar 1995 - 1 TG 3471/94 -).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers durfte der Antragsgegner seiner Auswahlentscheidung die Beurteilung des Beigeladenen durch den Generalstaatsanwalt vom 10. Juli 2001 zu Grunde legen. Der Antragsgegner hat in seinem Schriftsatz vom 18. April 2002 auf den Seiten 17 f. im Einzelnen die Art der Erstellung der Beurteilung des Beigeladenen erläutert. Aufgrund dieser Darlegungen, an deren Richtigkeit der Senat keinen Zweifel hat, bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Berücksichtigung der dienstlichen Beurteilung vom 10. Juli 2001. Auch aufgrund der Stellungnahme der Vertreterin des Generalstaatsanwalts vom 8. April 2002 zu den Umständen der Erstellung der dienstlichen Beurteilung kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene in unzulässiger Weise Einfluss auf den Inhalt der Beurteilung genommen hat. Im Übrigen steht die dienstliche Beurteilung vom 10. Juli 2001 in ihrem wesentlichen Inhalt im Einklang mit vorherigen Beurteilungen des Beigeladenen vom 18. April 1995, 8. März 1996 und 27. März 1998, in denen ihm jeweils auch eine hervorragende Führungsqualifikation bescheinigt wird.

Der Antragsteller hat bei summarischer Prüfung auch keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, aus dem sich ergibt, dass der Beigeladene in rechtswidriger Weise zu gut beurteilt worden ist. Hierbei ist zu beachten, dass bei der gerichtlichen Überprüfung von dienstlichen Beurteilungen nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des beschließenden Senats nur eine eingeschränkte Kontrolldichte besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2002, a. a. O., m. w. N.).

Da die Personalentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen die Landesregierung und nicht der Staatssekretär im Justizministerium getroffen hat, kann es offen bleiben, ob sich aus der Anmerkung des Staatssekretärs zu den Ausführungen auf den Seiten 6 f. der Beurteilung des Antragstellers durch den früheren Generalstaatsanwalt vom 9. April 2001 eine eventuelle Voreingenommenheit gegenüber dem Antragsteller herleiten lässt oder ob es sich hierbei um eine nachvollziehbare Kritik an den betreffenden Formulierungen der Beurteilung handelt. Aus dem der Entscheidung der Landesregierung zu Grunde liegenden Auswahlvermerk vom 6. Juni 2002 ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Voreingenommenheit zu Lasten des Antragstellers.

... (Ausführungen zu schutzbedürftigen persönlichen Umständen)

Der Antragsteller hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO als unterliegender Verfahrensbeteiligter die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Eventuelle außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, denn er hat sich am Verfahren nicht mit eigenem Antrag beteiligt (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 14 i. V. m. §§ 13 Abs. 4, 20 Abs. 3 GKG. Der Senat berechnet den Streitwert ebenso wie das Verwaltungsgericht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).



Ende der Entscheidung

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