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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.05.2006
Aktenzeichen: 1 TG 395/06
Rechtsgebiete: HGlG


Vorschriften:

HGlG § 1 S. 1
HGlG § 14
HGlG § 18
HGlG § 19
Zur Beteiligung der Frauenbeauftragten am Personalauswahlverfahren.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 TG 395/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Beförderung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark

am 15. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2006 - 9 G 5086/05 (V) - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufgehoben.

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 13.745,26 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Voraussetzungen eines im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernden Anspruchs sind nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht worden. Die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Bewerbungsverfahrensrecht, das eine faire und (chancen-)gleiche Behandlung ihrer Bewerbung mit rechtsfehlerfreier Wahrnehmung der Beurteilungsermächtigung sowie die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens einschließlich etwaiger Anhörungs- und Beteiligungsrechte umfasst.

Die Art und Weise der Beteiligung der Frauenbeauftragten lässt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler erkennen. Der Frauenbeauftragten ist mit Schreiben des Antragsgegners vom 29. Dezember 2004 Gelegenheit gegeben worden, sich zum Entwurf eines Anforderungsprofils für die Stellenausschreibung zu äußern. Hiervon hat sie mit Schreiben vom 10. Januar 2005 sowie im anschließenden Widerspruchsverfahren nach § 19 HGlG Gebrauch gemacht. An dem schulfachlichen Überprüfungsverfahren am 29. Juni 2005 hat die Frauenbeauftragte teilgenommen. Gegen den ihr vorgelegten Entwurf des Auswahlvermerks vom 20. Juli 2005 hat sie mit Schreiben vom 27. Juli (nicht "6.") 2005 ohne Erfolg Widerspruch eingelegt. Am 22. August 2005 hat sie Einsicht in die vollständigen Bewerbungsunterlagen sowie in die Personalakten und die dienstlichen Beurteilungen der Bewerber erhalten. Die Auswahlmitteilung an die Bewerber ist am 10. Oktober 2005 ergangen.

Bei dieser Sachlage bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob die Frauenbeauftragte im Hinblick auf die Stellenausschreibung und die Vorbereitung des Überprüfungsverfahrens einschließlich der Bildung der Kommission vorab in jeder Weise einwandfrei und vollständig informiert worden ist; denn anfängliche Mängel des Beteiligungsverfahrens wären jedenfalls durch die Gewährung umfassender Akteneinsicht in der in § 18 Abs. 4 Satz 1 HGlG vorgesehenen Weise rechtzeitig vor der abschließenden Entscheidung als geheilt anzusehen. Im übrigen neigt der Senat hinsichtlich des Umfangs der Beteiligungsbefugnisse der Frauenbeauftragten zu der auch vom Antragsgegner vertretenen Auffassung, dass unter beteiligungspflichtigen "Maßnahmen" des Dienstherrn im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 HGlG im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens keine die Entscheidung lediglich vorbereitenden Handlungen organisatorischer Art, sondern nur statusberührende Handlungen zu verstehen sind (vgl. zum Personalvertretungsrecht BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1995 - 6 P 14.93 - PersR 1995, 491 m. w. N.). Daraus folgt, dass der Dienstherr dem Beteiligungserfordernis nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HGlG in verfahrensfehlerfreier Weise genügt, wenn die Frauenbeauftragte rechtzeitig vor Ablauf der Zweiwochenfrist des § 18 Abs. 3 Satz 1 HGlG Gelegenheit erhält, die der Personalauswahl zu Grunde zu legenden Verwaltungsvorgänge einschließlich der Bewerbungen und der aktuellen dienstlichen Beurteilungen sowie den Auswahlvorschlag des Dienstherrn zur Kenntnis zu nehmen (Unterrichtung) und sich dazu zu äußern (Anhörung). Die Beteiligung der Frauenbeauftragten an Personalmaßnahmen ist im Lichte des Gesetzeszwecks, den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu öffentlichen Ämtern zu fördern (§ 1 Satz 1 HGlG), auf die Geltendmachung frauenspezifischer Belange zu beziehen (vgl. Beschluss des Senats vom 1. Dezember 2004 - 1 TG 3121/04 - NVwZ-RR 2005, 646). Solche Belange sind in aller Regel durch die Entscheidung selbst und nicht schon durch vorbereitende Maßnahmen berührt.

Bei der Vorbereitung und Durchführung eines Personalauswahlverfahrens kann der Dienstherr hingegen ohne unmittelbare Beteiligung der Frauenbeauftragten einen weiten Organisationsspielraum in Anspruch nehmen, solange die im Bewerbungsverfahrensrecht begründeten Rechte der unmittelbar Beteiligten nicht durch "Maßnahmen" des Dienstherrn im oben genannten Sinne berührt sind. Das ist bei der Entscheidung über das Ob und Wie der Durchführung eines schulfachlichen Überprüfungsverfahrens grundsätzlich nicht der Fall. Deshalb besteht auch unter der Geltung des § 18 HGlG keine zwingende Notwendigkeit, die Frauenbeauftragte in diesem Stadium des Auswahlverfahrens - abgesehen von der durch § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HGlG gebotenen Teilnahme am Überprüfungsverfahren selbst - zu beteiligen. Aus dem Recht der Frauenbeauftragten auf Teilnahme am Überprüfungsverfahren folgt entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht nicht zugleich ein Anspruch auf Mitwirkung bei dessen Vorbereitung einschließlich der Bildung einer Kommission. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob bei Mängeln des schulfachlichen Überprüfungsverfahrens gerichtlicher Rechtsschutz gewährt werden kann; dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung ist auch nicht im Hinblick auf die Zusammensetzung der Überprüfungskommission zu beanstanden. Zwar handelt es sich bei der Überprüfungskommission ohne Zweifel um ein Gremium im Sinne des Personalvertretungsrechts (vgl. zu diesem Begriff Hess. VGH, Beschluss vom 14.Dezember 1998 - 22 TL 1945/98 - NVwZ-RR 1999, 780 = PersR 1999, 179), dessen Mitglieder zusammentreten, um einen persönlichen Eindruck von der Befähigung der Bewerber zu gewinnen und dadurch die Auswahlentscheidung vorzubereiten. § 14 HGlG schreibt vor, dass solche Gremien mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt werden sollen. An der Überprüfung der Bewerber am 29. Juni 2005 haben neben der Frauenbeauftragten drei männliche Bedienstete des Ministeriums teilgenommen. Das ist nach Auffassung des Senats im Ergebnis unschädlich. § 14 HGlG ist eine Sollvorschrift mit Programmcharakter und eröffnet dem Dienstherrn einen Ermessensspielraum in den Grenzen der Sachbezogenheit und Willkürfreiheit. Die Erwägung, das Gremium auf der Grundlage der Geschäftsverteilung des Ministeriums nach sachlicher Zuständigkeit zu besetzen, bewegt sich in diesen Grenzen; dem entspricht es, dass die Frauenbeauftragte selbst diesbezüglich keinen Anlass zu Beanstandungen gesehen hat. Eine gesetzliche Sanktion der unvorschriftsmäßigen Besetzung ist in § 14 HGlG nicht vorgesehen.

Der Senat vermag schließlich keinen Abwägungsfehler darin zu erkennen, dass der Antragsgegner seine Entscheidung nicht allein und unmittelbar auf einen wertenden Vergleich der aktuellen dienstlichen Beurteilungen (Würdigungsberichte) oder auf frühere Beurteilungen, sondern darüber hinaus auf das Ergebnis eines schulfachlichen Überprüfungsverfahrens gestützt hat. Diese Vorgehensweise entspricht im vorliegenden Fall den in der Rechtsprechung des Senats gestellten Anforderungen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 8. Juni 1999 - 1 TG 1829/99 - ZBR 2001, 339, vom 1. Februar 2001 - 1 TZ 2569/00 - HessVGRspr. 2002, 51 sowie vom 6. Februar 2001- 1 TZ 3246/00 - ESVGH 53, 165). Danach kann die schulfachliche Überprüfung als besonderes Verfahren geboten sein, wenn der Eignungs- und Leistungsvergleich nicht zu einem eindeutigen Ergebnis geführt hat oder der Vertiefung durch das persönliche Auftreten von Bewerbern vor einer Kommission bedarf. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, unterliegt der gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren wertenden Erkenntnis des Dienstherrn. In diesem Zusammenhang rügt die Antragstellerin ohne Erfolg, dass der Antragsgegner sich bei Heranziehung früherer dienstlicher Beurteilungen ohne Überprüfungsverfahren zu ihren Gunsten hätte entscheiden können. Nach dem Inhalt des Auswahlberichts (Bl. 229 des Verwaltungsvorgangs) ist der insoweit bedeutsame Inhalt der Personalakten einschließlich früherer Beurteilungen bei der Entscheidung berücksichtigt worden. Im Übrigen kommt auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der aktuellen Beurteilung die maßgebende Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 - ZBR 2003, 359 und vom 27. Februar 2003 - 2 C 16.02 - DVBl. 2003, 1548; s. auch Beschluss des Senats vom 19. September 2000 - 1 TG 2902/00 - ZBR 2001, 413).

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das in dem Auswahlbericht vom 2. August 2005 im Einzelnen begründete Verfahren nicht zu beanstanden. Insbesondere ist der Antragsgegner nicht gehindert, bereits bei der Auswertung der Würdigungsberichte bestimmte Wertungen einfließen zu lassen. Für die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Auswahlbericht habe sich auf eine reine Dokumentation zu beschränken, ist keine Grundlage ersichtlich. Allerdings sind auch bei einem derartigen Verfahrensschritt die Grenzen des dem Dienstherrn im Auswahlverfahren zustehenden Spielraums einzuhalten. Diese Grenzen sind nicht verletzt, wenn eine vergleichende Darstellung des Inhalts von Würdigungsberichten/dienstlichen Beurteilungen wertende Zuordnungen enthält; denn es gehört zu den zentralen Aufgaben einer Personalauswahl, dienstliche Beurteilungen aus verschiedenen Aufgabenbereichen oder von unterschiedlichen Beurteilern an Hand eines einheitlichen Auswahlmaßstabs nach Maßgabe des Anforderungsprofils zu bewerten (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 27. April 1999 - 1 TZ 4569/98 - ZBR 2001, 145). Hingegen ist es den Gerichten verwehrt, eigene Wertungen an die Stelle derjenigen des Dienstherrn zu setzen; soweit das Verwaltungsgericht bei der Erörterung des Auswahlberichts (S. 10 f. des Abdrucks) in dieser Weise zu verfahren scheint, vermag der Senat sich dem nicht anzuschließen. Gegen das Überprüfungsverfahren als solches sowie seine Dokumentation durch den Antragsgegner sind substantiierte Einwendungen nicht erhoben worden.

Als unterliegende Partei hat die Antragstellerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Zu einer Billigkeitsentscheidung hinsichtlich außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen (§ 162 Abs. 3 VwGO) besteht kein Anlass, da dieser keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG. Der Senat berechnet den Streitwert ebenso wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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