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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.02.2000
Aktenzeichen: 1 TG 651/00
Rechtsgebiete: AuslG, AsylVfG, AsylbLG


Vorschriften:

AuslG § 55
AsylVfG § 50 Abs. 4
AsylbLG § 10 A Abs. 1 S. 1
AsylbLG § 10 A Abs. 1 S. 2
AsylbLG § 10 B Abs. 3
Für die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) an einen Ausländer, dessen Aufenthalt nach endgültiger Ablehnung seines Asylantrags gemäß § 55 Ausländergesetz (AuslG) geduldet wird, ist der Leistungsträger örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der Ausländer tatsächlich aufhält (§ 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG).
Gründe:

Die mit Beschluss des Senats vom heutigen Tag - 1 TZ 4310/99 - zugelassene Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 25. November 1999 hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hätte den Antragsgegner nicht im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) an die Antragstellerin verpflichten dürfen. Ein Anordnungsanspruch im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist nicht glaubhaft gemacht worden; denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Antragsgegner örtlich nicht zuständig für die Gewährung der begehrten Leistung. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im vorliegenden Fall nicht nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, sondern nach Satz 2 der Vorschrift. Danach ist die Behörde zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält, mithin hier die Stadt Gießen.

Die Antragstellerin, deren Asylverfahren durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 9. September 1997 - 9 E 31500/94.A (1) - negativ abgeschlossen worden ist, war ursprünglich aufgrund einer entsprechenden Verteilungs- und Zuweisungsentscheidung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge dem Landkreis Marburg-Biedenkopf zugewiesen worden. Seit Beendigung des Asylverfahrens wird ihr Aufenthalt nach § 55 Ausländergesetz (AuslG) geduldet.

Zwar bestimmt § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, dass für Leistungen nach diesem Gesetz diejenige Behörde örtlich zuständig ist, in deren Bereich der Leistungsberechtigte aufgrund der Verteilungs- und Zuweisungsentscheidung zugewiesen worden ist. Diese auf § 50 Abs. 4 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) beruhende Entscheidung bleibt zwar grundsätzlich auch bei unanfechtbarer Ablehnung oder Rücknahme des Asylantrags bis zu dessen aufenthaltsrechtlicher Abwicklung wirksam; sie wird jedoch gegenstandslos, wenn dem Ausländer ein asylverfahrensunabhängiger Aufenthalt ermöglicht wird. Dies kann auch im Wege einer Duldung nach § 55 AuslG geschehen (wie hier: BVerwG, Urteil vom 31. März 1992 - 9 C 155.90 - NVwZ 1993, 276 = EZAR 221 Nr. 36 zu § 22 Abs. 4 AsylVfG a.F.; OVG NW, Beschlüsse vom 18. April 1989 - 19 B 585/89 - NVwZ-RR 1990, 330 zu § 22 Abs. 4 AsylVfG a.F. sowie vom 30. Januar 1997 - 25 B 2973/96 - Juris; ebenso im Ergebnis VG Ansbach, Beschluss vom 4. November 1998 - AN 4 E 98.01563 - InfAuslR 1999, 315; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 1999, Rdnr. 18 zu § 50 AsylVfG; Marx, AsylVfG, 4. Aufl., Rdnr. 28 zu § 50; a.A. Deibel, Das neue Asylbewerberleistungsrecht, ZAR 1998, 1, 35; Hohm in GK-AsylbLG, Rdnr. 32 zu § 10).

Die entgegenstehende Ansicht beruft sich darauf, dass mit dem AsylbLG ursprünglich eine umfassende leistungsrechtliche Regelung einschließlich entsprechender Verfahrensvorschriften für den Personenkreis getroffen werden sollte, der den Vorschriften des AsylVfG unterliegt (vgl. Deibel, a.a.O., ZAR 1998, 35 unter Berufung auf BT-Drucksache 13/2746, S. 18). Diese Begründung vermag jedoch die Annahme einer Fortgeltung der asylverfahrensrechtlichen Zuweisungsentscheidung und damit der Anwendbarkeit des § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nicht mehr in allen Fällen zu tragen. Der Gesetzeszweck hat sich vielmehr zwischenzeitlich dadurch erweitert, dass aufgrund des Ersten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl. I S. 1130) u.a. auch Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge sowie geduldete Ausländer im Sinne von §§ 32, 32a, 55 AuslG aus dem Geltungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ausgeschlossen und in den leistungsberechtigten Personenkreis nach dem AsylbLG aufgenommen worden sind (vgl. § 1 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 AsylbLG). Dies rechtfertigt es, die Geltungsdauer einer asylverfahrensrechtlichen Zuweisungsentscheidung jedenfalls in den Fällen, in denen der Ausländer sich nach Beendigung des Asylverfahrens rechtmäßig weiter hier aufhalten darf, auf die Dauer des Asylverfahrens zu beschränken; denn der Aufenthalt des nachträglich in den sachlichen Geltungsbereich des AsylbLG einbezogenen Personenkreises wird ohnehin nicht durch eine Zuweisungsentscheidung geregelt.

Vor diesem Hintergrund ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, bei Ausländern, die eine Duldung nach § 55 AuslG nach negativem Abschluss ihres Asylverfahrens erhalten, weiterhin nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG zu verfahren. Die örtliche Zuständigkeit des Leistungsträgers richtet sich in diesen Fällen vielmehr gemäß § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG nach dem (rechtmäßigen) tatsächlichen Aufenthalt des Berechtigten.

Für diese Auslegung spricht auch der Gesetzeszusammenhang, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat. Aus der kostenerstattungsrechtlichen Vorschrift des § 10 b Abs. 3 AsylbLG, nach welcher die Behörde des bisherigen Aufenthaltsorts im Falle eines rechtmäßigen Umzugs des Leistungsberechtigten gegenüber der nunmehr zuständigen Behörde für einen bestimmten Zeitraum erstattungspflichtig ist, kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit bei rechtmäßigem Aufenthaltswechsel ausgeht, nicht hingegen von einer strikten Bindung an die asylverfahrensrechtliche Zuweisungsentscheidung. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, diese Vorschrift sei nur in den Fällen des Austritts aus einer Einrichtung im Sinne von § 10 a Abs. 2 AsylbLG anwendbar, findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze.

Schließlich wird mit der Anwendung des § 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG auch den Bedürfnissen der Verwaltungspraxis Rechnung getragen. Unter diesen Umständen bleibt der Antragstellerin nichts anderes übrig, als beim örtlich zuständigen Leistungsträger, dem Landkreis Gießen, erneut die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG zu beantragen. Die von der Antragstellerin angeregte Beiladung des zuständigen Leistungsträgers kam nicht in Betracht, da die Voraussetzungen einer einfachen oder notwendigen Beiladung nach § 65 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht gegeben sind. Die Entscheidung des Senats bindet unmittelbar nur die Parteien des vorliegenden Verfahrens.

Als unterliegende Partei hat die Antragstellerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Diese bestehen lediglich aus den außergerichtlichen Kosten der Beteiligten, da Gerichtskosten gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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