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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.06.2005
Aktenzeichen: 1 TG 890/05
Rechtsgebiete: ForstG, HBG, HVwVfG


Vorschriften:

ForstG § 33
ForstG § 37 Abs. 1
ForstG § 39 Abs. 1
HBG § 8 Abs. 1
HVwVfG § 39 Abs. 1
Zu den Voraussetzungen einer verfahrens- und beurteilungsfehlerfreien Personalauswahlentscheidung nach § 53 Hessisches Forstgesetz (ForstG).
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

1. Senat

1 TG 890/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Dienstpostenbesetzung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark

am 9. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. März 2005 - 1 G 2339/04 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung dahin erkannt, dass die Art und Weise des vom Antragsgegner durchgeführten Auswahlverfahrens sowie die darauf beruhende Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen den Antragsteller in seinem von Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 134 HV gewährleisteten grundrechtsgleichen Recht auf (chancen-)gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verletzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 1989 - 2 BvR 1576/88 -, NJW 1990, 501; Hess. StGH, Urteil vom 13. Mai 1992 - P.St. 1126 -, ESVGH 43, 1). Das Bewerbungsverfahrensrecht des Antragstellers, das eine faire Behandlung seiner Bewerbung mit rechtsfehlerfreier Wahrnehmung der Beurteilungsermächtigung sowie die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens einschließlich etwaiger Anhörungs- und Beteiligungsrechte umfasst (vgl. Beschluss des Senats vom 26. Oktober 1993 - 1 TG 1585/93 - DVBl. 1994, 593 = ZBR 1994, 347), ist vom Antragsgegner nicht hinreichend beachtet worden.

Nach §§ 33, 37 Abs. 1, 39 Abs. 1 Hessisches Forstgesetz - ForstG - vom 10. November 1954 (GVBl. S. 211) in der Fassung vom 10. September 2002 (GVBl. I S. 582) haben Gemeinden, Gemeindeverbände und Zweckverbände unter bestimmten näher bezeichneten Voraussetzungen das Recht der Auswahl unter Bewerbern um Planstellen staatlicher Revierleitungen, die ihnen vom Landesbetrieb Hessen-Forst vorgeschlagen werden. Wie jede Personalauswahlentscheidung im öffentlichen Dienst unterliegt diese Auswahl dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Bestenauslese nach den Maßstäben von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 134 HV, §§ 8 Abs. 1 HBG, 10 Abs. 2 HGlG). Damit die zur Auswahl berechtigten Körperschaften in die Lage versetzt werden, eine sachgerechte und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung zu treffen, müssen sie im Rahmen des dem Landesbetrieb obliegenden Vorschlags in ausreichender Weise über die persönliche und fachliche Qualifikation der vorgeschlagenen Bewerber informiert werden. Von diesem Grundsatz ist zu Recht auch das Verwaltungsgericht ausgegangen.

Welche Akten und Unterlagen zusammen mit dem Vorschlag vorzulegen sind, um den beteiligten Gemeinden und Verbänden eine einwandfreie und ausreichende Entscheidungsgrundlage zu bieten, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls. Die Ausgangssituation der Beteiligten gleicht zunächst derjenigen entscheidungsbefugter Gemeindeorgane, die in die Lage versetzt werden sollen, in materieller Hinsicht eigenverantwortlich eine Eignungsbeurteilung hinsichtlich der Besetzung des höherwertigen Dienstpostens vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür grundsätzlich eine Übersicht über die Ausbildung und den beruflichen Werdegang aller Bewerber erforderlich; für diejenigen Bewerber, die in die nähere Wahl kommen, ist zusammenfassend der wesentliche Inhalt zeitnaher dienstlicher Beurteilungen wiederzugeben, um eine vergleichende Beurteilung ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu ermöglichen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 13. August 1992 - 1 TG 924/92 - DÖV 1993, 206 = ZBR 1993, 338 sowie vom 11. April 1995 - 1 TG 2665/94 - ZTR 1995, 381, jeweils m. w. N.). Ob in diesem Zusammenhang die Mitteilung der Gesamturteile oder eine gedrängte Zusammenfassung des Inhalts ausreicht oder aber der vollständige Wortlaut dienstlicher Beurteilungen wiederzugeben ist, hängt jeweils davon ab, ob signifikante Leistungs- und Eignungsunterschiede zwischen einzelnen Bewerbern bestehen und erkennbar werden.

Nach dem Inhalt des Auswahlvorgangs (Bl. 19) hat der Landesbetrieb eine tabellarische Übersicht vorgelegt, die als unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium lediglich die "Beurteilungsstufe" (Gesamturteil) der aktuellen dienstlichen Beurteilungen sowie darüber hinaus mehrere Hilfskriterien von unterschiedlichem Gewicht enthält (Ergebnisse der Laufbahn- sowie der Diplomprüfung, Daten der Anstellung und der letzten Beförderung, Dauer der Wahrnehmung der Revierleiterfunktion). Ob entsprechend dem Ausschreibungstext vom 17. Mai 2005 auch die tabellarischen Lebensläufe der Bewerber beigefügt waren, ist dem Auswahlvorgang nicht zu entnehmen.

Der Senat ist ebenso wie das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass diese Unterlagen als Grundlage einer sachgerechten Auswahlentscheidung im Rahmen des § 33 ForstG jedenfalls im vorliegenden Fall nicht ausreichen, und zwar deshalb, weil der Beigeladene und der Antragsteller in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen im Wesentlichen gleich abgeschnitten haben (Beurteilungsstufe 3). In derartigen Fällen sind zu den Beurteilungen regelmäßig differenziertere Erwägungen anzustellen, insbesondere ob die Bewertung bestimmter Einzelmerkmale einen Leistungsvorsprung ergibt, oder ob frühere dienstliche Beurteilungen eine bestimmte Entwicklungstendenz erkennen lassen (Beschlüsse des Senats vom 5. Juli 1994 - 1 TG 1659/94 - ZBR 1995, 7 und vom 16. Mai 1995 - 1 TG 772/95 - NVwZ-RR 1996, 279). Bleibt auch dies ohne eindeutiges Ergebnis, kommt die Heranziehung leistungsbezogener Hilfskriterien (Datum der letzten Beförderung, Prüfungsergebnisse) in Betracht. Derartige Erwägungen waren den auswahlbefugten Körperschaften mangels entsprechender Unterlagen nicht möglich.

Der in der lückenhaften Unterrichtung der nach § 33 ForstG Beteiligten liegende Verfahrensfehler ist auch als ursächlich für die Auswahlentscheidung anzusehen, da bei gleichem Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung nicht auszuschließen ist, dass sich die Beteiligten auf der Grundlage umfassender Beurteilungsunterlagen übereinstimmend für den Antragsteller entschieden hätten. Demgegenüber kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die in dem Auswahlvermerk vom 10. September 2004 dargelegten Erwägungen des Leiters des Landesbetriebs Hessen-Forst gerichtlicher Überprüfung standhalten; denn dieser war unter den gegebenen Umständen nicht zur Entscheidung berufen.

Die vom Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung ist vielmehr auch deshalb verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen, weil der Landesbetrieb Hessen-Forst die Auswahlzuständigkeit sofort und ohne weiteres an sich gezogen hat, nachdem die beteiligten Körperschaften ihre uneinheitlichen Entscheidungen bekannt gegeben hatten. Diese Verfahrensweise beruht ersichtlich auf der früheren Vorschrift des § 40 Satz 2 ForstG in der Fassung des Gesetzes vom 4. Juli 1978 (GVBl. I S. 423), nach der die obere Forstbehörde über die Auswahl der staatlichen Revierleiter zu entscheiden hatte, wenn eine Einigung zwischen den nach Satz 1 der Vorschrift zur Auswahl befugten Gemeinden nicht zu Stande kam. Obwohl diese Regelung seit der Neuorganisation des Forstwesens aus redaktionellen Gründen nicht mehr im Gesetz enthalten ist (vgl. § 40 ForstG i. d. F. des Gesetzes vom 22. Dezember 2000, GVBl. I S. 588; s. dazu LT-Drs. 15/1575, S. 57 zu Nr. 18; vgl. jetzt § 33 ForstG), liegt es nach wie vor in der Natur der Sache, dass in derartigen Fällen die Auswahlzuständigkeit auf die zur beamtenrechtlichen Ernennung befugte Dienstbehörde übergeht. Dies setzt aber nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung voraus, dass zuvor überhaupt ein erkennbares Bemühen um Einigung auf einen bestimmten Bewerber stattgefunden hat. Hierzu ist den beteiligten Gemeinden Gelegenheit zu geben; es reicht nicht aus, lediglich die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass die Vorschläge des Landesbetriebes zunächst ohne weitere Erörterung in unterschiedlicher Weise beschieden worden sind. Erst wenn ein konkreter Versuch der Einigung gescheitert sein sollte, darf der Antragsgegner ohne Verfahrensfehler davon ausgehen, dass die Gemeinden von ihrem in § 33 ForstG niedergelegten Recht keinen Gebrauch machen wollen oder können.

Zu einer solchen Verfahrensweise bietet die vorliegende Fallkonstellation in besonderem Maße Anlass, weil vier der insgesamt fünf zu beteiligenden Körperschaften (die Stadt A-Stadt sowie die Interessentenwälder M., D. und B.) sich an erster Stelle für den Antragsteller entschieden haben, während allein die Domanialverwaltung für den Beigeladenen gestimmt hat. Es ist Sache des Antragsgegners, im Rahmen der erforderlichen Einigungsbemühungen darauf hinzuwirken, dass die beteiligten Gemeinden eine verantwortliche, am Maßstab von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber orientierte Auswahlentscheidung im Sinne der Bestenauslese treffen können.

Im übrigen bedarf auch die nach § 33 ForstG getroffene Entscheidung einer schriftlichen Begründung im Sinne des § 39 Abs. 1 HVwVfG. Dieses rechtsstaatliche Erfordernis ergibt sich unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 GG; denn der unterlegene Bewerber soll in die Lage versetzt werden, verantwortlich zu prüfen, ob er Rechtsschutz in Anspruch nehmen will (vgl. Urteil des Senats vom 1. Dezember 1993 - 1 UE 691/91 - DÖD 1995, 38 sowie zuletzt Beschluss vom 5. Mai 2000 - 1 TG 2709/00 - Juris).

Da die Beschwerde erfolglos bleibt, hat der Antragsgegner nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Zu einer Billigkeitsentscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO hinsichtlich außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen besteht kein Anlass, da dieser keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG. Der Senat bemisst den Streitwert ebenso wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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