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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.02.2005
Aktenzeichen: 1 UE 1357/04
Rechtsgebiete: HBG, HessVwVfG


Vorschriften:

HBG § 52 Abs. 1
HBG § 53 Abs. 1
HessVwVfG § 44 Abs. 1
Ein vereinfachtes Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach § 52 Abs. 1 HBG leidet nicht an einem besonders schwerwiegenden Verfahrensfehler, wenn der unmittelbare Dienstvorgesetzte am Verfahren beteiligt war, aber keine aktenkundige Feststellung zur Dienstfähigkeit des Beamten getroffen hat.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

1 UE 1357/04

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Versetzung in den Ruhestand

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richter am Hess. VGH Dr. Bark

am 1. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 2004 - 9 E 3737/03 (1) - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 31.533,45 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der am 27. Februar 19.. geborene Kläger stand seit 1977 im Finanzverwaltungsdienst des beklagten Landes, und zwar zuletzt als Steueramtsinspektor bei dem Finanzamt W. Am 27. Dezember 1996 beantragte er durch seinen Bevollmächtigten unter Vorlage eines persönlichen Schreibens seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit; mehrere ärztliche Stellungnahmen reichte er anschließend nach. Mit weiterem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23. Mai 1997 legte er weitere Arztberichte vor und erklärte, mit einer Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit sei nicht zu rechnen; er bitte um kurzfristige Entscheidung.

Der Vorsteher des Finanzamt W. leitete den Vorgang einschließlich der ärztlichen Stellungnahmen an die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main weiter, die den Kläger nach Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens vom 14. Juli 1997 durch Bescheid vom 9. September 1997 wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 31. Dezember 1997 in den Ruhestand versetzte.

Der Antrag des Klägers vom 25. Januar 2002, die Nichtigkeit der Zurruhesetzung wegen fehlender Beteiligung des Dienstvorgesetzten festzustellen, wurde durch Bescheid der Oberfinanzdirektion vom 18. Februar 2002, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2003, abgelehnt.

Am 4. August 2003 hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben. Er hat beantragt,

den Bescheid der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 18. Februar 2002 und deren Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2003 aufzuheben und festzustellen, dass die Zurruhesetzungsverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 9. September 1997 nichtig ist.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Wegen des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im erstinstanzlichen Verfahren wird gemäß § 130b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 26. März 2004 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, weder liege ein "besonders schwerwiegender" Verfahrensfehler im Sinne des § 44 Abs. 1 HVwVfG vor noch sei dieser bei verständiger Würdigung aller Umstände "offensichtlich". Im Verfahren nach § 52 Abs. 1 HBG sei eine ausdrückliche, in den Akten dokumentierte Erklärung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten zum Gesundheitszustand des Beamten nicht erforderlich, wenn dieser in das Zurruhesetzungsverfahren eingebunden gewesen sei und seine persönliche Kenntnis der Leistungsfähigkeit des Beamten und ggf. bereits aufgetretener Störungen des Dienstbetriebs im Verfahren für den Dienstherrn nutzbar gemacht habe. Dies könne auch durch schlüssiges Verhalten geschehen. Das Beteiligungsverfahren nach § 52 Abs. 1 HBG sei ein behördeninterner Vorgang; die Sachentscheidungsbefugnis der zuständigen Stelle bleibe unberührt.

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers, die er mit Schriftsätzen vom 19. Mai und 3. Dezember 2004 wie folgt begründet: Nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 HBG sei eine ausdrückliche Erklärung des Dienstvorgesetzten zur Dienstfähigkeit des Beamten erforderlich. Ein Umkehrschluss des Inhalts, dass der Vorgesetzte konkludent eine positive Zustimmungserklärung erteile, indem er keine Einwände erhebe, sei nicht zulässig. Entweder sei die aktive Mitwirkungspflicht dem Behördenleiter nicht bewusst gewesen, oder er habe zunächst die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens abwarten wollen. Die erforderliche Erklärung sei aber auch zu keinem Zeitpunkt nachgeholt worden. Es handele sich um eine persönliche und unvertretbare Erklärung, deren Fehlen zur Nichtigkeit der Zurruhesetzung führe, auch wenn es sich zunächst nur um eine verwaltungsinterne Maßnahme handele.

Der Kläger beantragt mit Schriftsatz vom 19. Mai 2004 sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 2004 - 9 E 3737/03 (1) - abzuändern und nach seinem in erster Instanz gestellten Antrag zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, aus dem Verwaltungsvorgang ergebe sich eindeutig, dass der Vorsteher des Finanzamts W. umfassend in das Verfahren eingebunden und von der Dienstunfähigkeit des Klägers überzeugt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs (3 Bände Personalakten) Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss, da er sie einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a Abs. 1 VwGO). Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.

Die zugelassene und auch im Übrigen gemäß § 124a Abs. 2 und 3 VwGO zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die auf Feststellung der Nichtigkeit der Zurruhesetzungsverfügung vom 9. September 1997 gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.

Ausgehend von einem zutreffenden, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Begriff des "besonders schwerwiegenden" Verfahrensfehlers in § 44 Abs. 1 HVwVfG hat das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt, dass das der Versetzung des Klägers in den Ruhestand vorangehende Beteiligungsverfahren nicht zu beanstanden sei. Insbesondere genüge im vereinfachten Zurruhesetzungsverfahren nach § 52 Abs. 1 HBG eine Beteiligung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten in der Form, dass dieser den Antrag des Beamten und die hierzu vorgelegten ärztlichen Atteste und Stellungnahmen inhaltlich zur Kenntnis genommen und ohne Einwände an die für die Sachentscheidung zuständige Stelle weitergeleitet habe und somit tatsächlich in das Verfahren eingebunden gewesen sei. Zur näheren Begründung hat das Verwaltungsgericht folgendes ausgeführt:

"Die Gesamtumstände legen damit im Grund bereits die Annahme nahe, der unmittelbare Dienstvorgesetzte habe sich ... durch schlüssiges Verhalten der Erklärung des Klägers angeschlossen, es liege dauerhafte Dienstunfähigkeit vor. Ob ...damit letztlich den verfahrensmäßigen Vorgaben des § 52 Abs. 1 HBG bereits genügt wurde, ... kann im Ergebnis aber letztlich dahinstehen, da auf Grund der tatsächlichen verfahrensmäßigen Einbindung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten jedenfalls dem Zweck seiner Beteiligung genügt wurde, seine persönliche Kenntnis des Klägers, seiner Leistungsfähigkeit und der ggf. bislang aufgetretenen Störungen des Dienstbetriebes im Verfahren nutzbar zu machen (...). Da der unmittelbare Dienstvorgesetzte des Klägers jedenfalls in diesem Sinne in das Zurruhesetzungsverfahren eingebunden war, also zumindest nicht von einem völligen Fehlen dieses Verfahrensschrittes ausgegangen werden kann, dessen Erklärung zur Dienstfähigkeit gem. § 52 Abs. 2 HBG noch nicht einmal Bindungswirkung für die zuständige Stelle zukommt, die in eigener Verantwortung die Dienstunfähigkeit zu prüfen und über die Ruhestandsversetzung zu entscheiden hat und schließlich der Kläger selbst von dauerhafter Dienstunfähigkeit im Entscheidungszeitpunkt ausgeht, kann bei Würdigung der Gesamtumstände keinesfalls von einem schwerwiegenden Verfahrensfehler ... ausgegangen werden. (...)

Soweit sich ... aus der Entscheidung des Bad. VGH vom 30.07.1951 (DVBl. 1951, 667, 669) etwas anderes ergibt, kann der Entscheidung jedenfalls in ihrer Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Denn allein schon der Umstand, dass der Erklärung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten keinerlei Bindungswirkung für das weitere Verfahren zukommt, begründet erhebliche Zweifel, in dessen Erklärung zur Dienstunfähigkeit wegen der 'Formstrenge de Beamtenrechts' bereits eine so wesentliche Verfahrensvoraussetzung zu sehen, dass deren Fehlen zwangsläufig zur Nichtigkeit der nachfolgenden Zurruhesetzungsverfügung führt. Dies kann jedenfalls dann nicht gelten, wenn der unmittelbare Dienstvorgesetzte ... zumindest im Zurruhesetzungsverfahren beteiligt war, also jedenfalls nicht vom völligen Fehlen des insofern vorgegebenen Verfahrensschrittes ausgegangen werden kann. In diesem Sinne nimmt auch .. v. Roetteken (in: von Roetteken/Rothländer, HBR, § 52 HBG Rdnr. 26) nur bei einem völligen Fehlen des Verfahrensschrittes ... Nichtigkeit an (...)."

(S. 6 und 7 des Abdrucks)

Der Senat teilt diese Rechtsauffassung und nimmt insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Der Kläger berücksichtigt nicht hinreichend, dass seine Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit im vereinfachten Verfahren erfolgt ist (vgl. zu § 43 BBG: Urteil des Senats vom 27. September 1995 - 1 UE 1199/91 - ZBR 1996, 406). Die Vereinfachung gegenüber dem in §§ 51 Abs. 1, 53 HBG geregelten Verfahren besteht im Wesentlichen darin, dass die Feststellung der Dienstunfähigkeit zunächst allein auf der Grundlage der schriftlichen Antrags- oder Zustimmungserklärung des Beamten und damit ohne weitere Anhörung in Verbindung mit einer im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstvorgesetzten stehenden, "auf Grund eines ärztlichen Gutachtens" abzugebenden Erklärung erfolgt. Diese Erklärung ersetzt nicht etwa die eigentliche Versetzung in den Ruhestand, sondern dient als behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO ihrer Vorbereitung und entfaltet, wie § 52 Abs. 2 Satz 1 HBG zeigt, keine Bindungswirkung in Bezug auf die Letztentscheidung über die Zurruhesetzung durch die nach § 56 Abs. 1 HBG hierfür zuständige Stelle (vgl. Battis, Bundesbeamtengesetz, 4. Aufl., Rdnr. 3 zu § 43 BBG).

Dem entspricht der erkennbare Sinn und Zweck der Beteiligung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten, der im Rahmen seiner Feststellungsbefugnis keine eigene Entscheidung über die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einer Dienstunfähigkeit, sondern lediglich über den Umfang der zur Sachverhaltsfeststellung etwa noch erforderlichen Aufklärung zu treffen hat (ebenso v. Roetteken/Rothländer a. a. O. § 52 HBG Rdnr. 18). Damit wird sichergestellt, dass die persönliche Kenntnis des Vorgesetzten von der Leistungsfähigkeit des Beamten und die konkreten Verhältnisse an der Beschäftigungsdienststelle bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Gelangt eine ausdrückliche schriftliche Erklärung des Dienstvorgesetzten zur Feststellung der Dienstunfähigkeit nicht zu den Akten, so weist die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung jedenfalls keinen besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 44a Abs. 1 HVwVfG auf. Die Beteiligung im Rahmen des § 52 Abs. 1 HBG dient in erster Linie der Wahrung öffentlicher Belange im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und nicht dem Schutz des Beamten vor den Folgen einer möglicherweise übereilten Antragstellung oder Zustimmung (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 17. September 1996 - 2 B 98.96 - ZBR 1997, 20). Erfolgt diese Beteiligung in der Weise, dass der Dienstvorgesetzte den Antrag des Beamten auf Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit sowie die von ihm vorgelegten ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen entgegennimmt und an die entscheidungsbefugte Dienstbehörde weiterleitet, so ist dem Beteiligungserfordernis in der Sache genügt.

Da die Berufung erfolglos bleibt, hat der Kläger nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§§ 127 BRRG, 183 HBG, 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO). Insbesondere kommt die vom Kläger angeregte Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht in Betracht; denn es ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls, ob der unmittelbare Dienstvorgesetzte im Zurruhesetzungsverfahren hinreichend beteiligt worden ist.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1a GKG a.F. Das Gesetz ist in der bis zum 30. Juni 2004 gültigen Fassung anzuwenden, da der die Instanz einleitende Antrag auf Zulassung der Berufung vor diesem Zeitpunkt gestellt worden ist (§ 72 GKG n. F.). Im Übrigen berechnet der Senat den Streitwert ebenso wie das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. März 2004.

Ende der Entscheidung

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