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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 19.02.2008
Aktenzeichen: 1 UE 1678/07
Rechtsgebiete: BBesG, GG, HBesG


Vorschriften:

BBesG § 17
GG Art. 31
GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 27
GG Art. 125a Abs. 1 S 1
HBesG § 7 Abs. 2
Beamte der Kriminalpolizei haben nach hessischem Besoldungsrecht keinen Anspruch auf Kleidergeld. Dies gilt auch, nachdem die Beamtenbesoldung Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung geworden ist.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 UE 1678/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kleidergeldes hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch den Berichterstatter, Richter am Hess. VGH Dr. Bark, ohne mündliche Verhandlung am 19. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juni 2007 - 9 E 5341/06 (V) - aufgehoben, soweit darin der Klage teilweise stattgegeben worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Beklagten abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 31. Januar 19.. geborene Kläger stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des Monats Januar 2007 als Erster Kriminalhauptkommissar im Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes. Er leitete seit 1986 das Kommissariat .. (...). Der Beklagte gewährt den Beamtinnen und Beamten der Schutz- und Kriminalpolizei ein jährliches Bekleidungsgeld, und zwar nach einer Neuregelung der entsprechenden Verfahrensvorschriften durch Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern vom 16. Dezember 2005, ergänzt durch Erlass vom 6. Januar 2006 (LPP 52 G - 15c) ab 2006 gekürzt mit Vollendung des 55. Lebensjahres und nur noch bis zur Vollendung des 58. bzw. in Fällen verlängerter Dienstzeit des 59. Lebensjahres.

Der Kläger hat am 14. November 2006 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, der Dienstherr könne sich seiner Pflicht zur Zahlung eines Bekleidungsgeldes nach § 7 Hessisches Besoldungsgesetz (HBesG) nicht durch Änderung von Verwaltungsvorschriften entziehen. Die Regelung bewirke eine Diskriminierung älterer Beamter, die ebenso wie jüngere Kollegen für ein einwandfreies äußeres Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit zu sorgen hätten.

Er hat sinngemäß beantragt,

das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Hessischen Bezügestelle vom 31. Juli 2006 und ihres Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2006 zu verurteilen, dem Kläger ein monatliches Kleidergeld in Höhe von 15,34 € ab Januar 2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat darauf hingewiesen, dass das Kleidergeld bis zur Vollendung des 59. Lebensjahres und bei entsprechender Verlängerung der Dienstzeit über das 60. Lebensjahr hinaus auch länger gezahlt werde; die Anknüpfung an das 59. Lebensjahr in der Tabelle sei fehlerhaft.

Wegen weiterer Einzelheiten des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Klageverfahren wird gemäß § 130b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 13. November 2006 hat das Verwaltungsgericht der Verpflichtungsklage stattgegeben, sowie ein monatliches Kleidergeld in Höhe von 15,25 € begehrt werde; wegen des darüber hinausgehenden Betrages hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zahlung des Kleidergeldes als Aufwandsentschädigung nach § 7 Abs. 2 HBesG seien erfüllt. § 7 Abs. 4 HBesG ermächtige den Dienstherrn nicht dazu, einen Leistungsanspruch ab einem bestimmten Lebensalter entfallen zu lassen. Die Kürzung stelle für lebensältere Beamte eine seit Inkrafttreten des § 7 Abs. 1 Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG) verbotene unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Alters im Sinne des § 3 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG dar. Diese sei weder durch die Art der dienstlichen Tätigkeit des Klägers noch durch die Bedingungen der Dienstausübung gerechtfertigt im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG. Das Bekleidungsgeld in Höhe von 183,00 € entsprechend 15,25 € monatlich stehe dem Kläger ungekürzt bis zum Eintritt in den Ruhestand zu. Für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des AGG ergebe sich der Anspruch unmittelbar aus dem europarechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG; für die geforderte Leistung von 15,34 € bestehe hingegen keine Rechtsgrundlage.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 5. September 2007 begründet. Er macht geltend, für die Altersdifferenzierung bestünden sachliche Gründe im Sinne des § 10 AGG. Erfahrungsgemäß werde bei älteren Beschäftigten die Dienstkleidung geringer beansprucht, da aufgrund von Einschränkungen der Dienstfähigkeit oder Fürsorgegründen weniger Außendienst geleistet werde und weniger Einsätze erforderlich würden. Bei unerwarteter Beanspruchung der Dienst- oder Zivilkleidung bestehe entsprechend dem Hinweis in Nr. 2.7 der Verwaltungsvorschrift ein Ersatzanspruch. Den besonderen Belastungen des Polizeidienstes trage bereits die allgemeine Polizeizulage Rechnung. Vertrauensschutz könne bei freiwilligen Leistungen nicht gewährt werden.

Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 5. September 2007,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juni 2007 - 9 E 5341/06 (V) - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen und weist darauf hin, dass er als Leiter des Kommissariats .. (...) 19 Jahre lang altersunabhängig den gleichen Dienst geleistet habe, während eine Vielzahl jüngerer Beamter Dienst bei Organisationseinheiten verrichte, in denen keine Außeneinsätze anfielen. Im Ergebnis führe die Kürzung des Kleidergeldes zu einem nicht hinnehmbaren längeren Abtragen der Kleidung. Die Behauptung, diese werde altersbedingt geringer abgenutzt, sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 25. bzw. 26. September 2007 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des Verwaltungsvorgangs des Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen, der vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter an Stelle des Senats (§ 125 i. V. m. §§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO).

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen gemäß § 124a Abs. 2 und 3 VwGO zulässige Berufung des Beklagten ist im Ergebnis begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 2006 bis zum Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des Monats Januar 2007 ein monatliches Bekleidungsgeld zu zahlen. Der dieses Begehren ablehnende Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Bekleidungsgeldes, weil hierfür keine gesetzliche Grundlage besteht. § 7 Abs. 2 Satz 2 HBesG kommt nicht in Betracht, weil die Vorschrift mit höherrangigem Recht unvereinbar ist, soweit sie die Gewährung von Kleidergeld an Beamte vorsieht, die nicht zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet sind.

Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 HBesG erhalten Beamte, die zum Tragen einer Dienstkleidung verpflichtet sind, freie Dienstkleidung oder einen Bekleidungszuschuss. Der hier einschlägige Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass die Beamten der Kriminalpolizei ein Kleidergeld erhalten. Dieses wird im Dienstbereich des Beklagten als Festbetrag in einer bestimmten, vom Dienst- und Lebensalter abhängigen Höhe gewährt. Für eine derartige Regelung zieht jedoch die bundesrechtliche Bestimmung des § 17 Satz 2 BBesG enge Grenzen. Danach sind Aufwandsentschädigungen in festen Beträgen nur zulässig, wenn auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte oder tatsächlicher Erhebungen nachvollziehbar ist, dass und in welcher Höhe dienstbezogene finanzielle Aufwendungen typischerweise entstehen. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit der in Satz 1 enthaltenen Grundregel für Aufwandsentschädigungen zu sehen, die bei Vorliegen weiterer haushaltsrechtlicher Voraussetzungen grundsätzlich nur gewährt werden dürfen, wenn und soweit aus dienstlicher Veranlassung finanzielle Aufwendungen entstehen, deren Übernahme dem Beamten nicht zugemutet werden kann. Die Regelung sieht also vor, dass ein dienstbezogener, tatsächlicher finanzieller Aufwand ausgeglichen werden kann, während eine Pauschalierung im Sinne von Festbeträgen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig ist. Von der Gesetzgebungsermächtigung in § 17 Satz 3 BBesG, eine Behörde zu bestimmen, die zu der Festsetzung von Aufwandsentschädigungen in festen Beträgen ihr Einvernehmen zu erteilen hat, ist im Land Hessen kein Gebrauch gemacht worden.

Die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 HBesG ist mit der bundesrechtlichen Regelung unvereinbar. Ein Lebenssachverhalt, der ausnahmsweise die Gewährung einer Aufwandsentschädigung als Festbetrag rechtfertigen könnte, ist bei Beamten der Kriminalpolizei nicht gegeben. Dieser Beamtengruppe entstehen typischerweise keine dienstbezogenen finanziellen Aufwendungen für Dienstkleidung; denn sie zählen nicht zum Kreis der in § 98 Abs. 2 Satz 1 HSOG aufgeführten Beamten, die zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet sind. Die Sonderregelung des § 70 BBesG gilt nur für Beamte des Polizeivollzugsdienstes im BGS. Der Mehraufwand, der beim Tragen privater Kleidung im Dienst entsteht, ist einer Pauschalierung unter den in § 17 Satz 2 BBesG genannten Voraussetzungen nicht zugänglich, weil der dienstbezogene Anteil des finanziellen Gesamtaufwands nicht typisierbar ist; dies liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung. Die bisher im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehenden Fragen einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung im Sinne von §§ 1, 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 AGG bei der altersbezogenen Stufung des Kleidergeldes erweisen sich als unerheblich für die zu treffende Entscheidung, die unmittelbar auf dem Vorrang des Bundesrechts beruht (Art. 31 GG).

Soweit der Beklagte nunmehr vorträgt, es handele sich bei dem Kleidergeld um eine "freiwillige Leistung", die der Dienstherr relativ frei ausgestalten könne, ändert dies nichts am Ergebnis des Rechtsstreits; denn auf eine freiwillige Leistung besteht ohnehin kein Rechtsanspruch.

Die Rechtslage hat sich auch nicht dadurch zu Gunsten des Klägers geändert, dass die Besoldung der Landesbeamten im Zuge der Föderalismusreform gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG in der Fassung des Gesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) mit Wirkung ab 1. September 2006 Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist. Die Übergangsregelung des Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG bestimmt die Fortgeltung von Bundesrecht, das wegen der Änderung des Art. 74 Abs. 1 GG nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte. Der Landesgesetzgeber ist durch Satz 2 der Vorschrift ermächtigt, die betreffende Vorschrift durch Landesrecht zu ersetzen. Es bedürfte also eines eigenen gesetzgeberischen Aktes, um die (Fort)-Geltung des § 7 Abs. 2 Satz 2 HBesG als Anspruchsgrundlage für ein Kleidergeld zu bewirken.

Als unterliegende Partei hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 166 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§§ 127 BRRG, 183 HBG, 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 198,25 € festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3 GKG. Der Senat geht ebenso wie das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. Juni 2007 von 13 Monatsbeträgen des Bekleidungsgeldes für den Kläger aus, deren Höhe jedoch im Berufungsrechtszug entsprechend dem Urteilsausspruch zu Lasten des Beklagten lediglich mit 15,25 € anzusetzen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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