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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.01.2008
Aktenzeichen: 1 UZ 1064/07
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 31 Abs. 1 S. 1
BeamtVG § 31 Abs. 2 S. 1
Kein Dienst- bzw. Wegeunfall, wenn ein Beamter im Dienstausgleich auf dem Weg zum Briefkasten zwecks Einwurf eines an den Dienstherrn gerichteten Schreibens verunglückt.
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 UZ 1064/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Dienstunfallrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Dr. Bark, Richterin am Hess. VGH Schild

am 7. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 29. März 2007 - 6 E 1421/06 - wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 23.072,11 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Voraussetzungen der geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwGO liegen nicht vor.

Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, mit der das Verwaltungsgericht die auf Anerkennung des Unfalls vom 4. Oktober 2003 als Dienstunfall sowie auf Erstattung der entsprechenden Heilbehandlungskosten abgewiesen hat. Der Senat würde in einem Berufungsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 bzw. § 130b Satz 2 VwGO hierauf Bezug nehmen (S. 5 bis 9 des Abdrucks); die Antragsbegründung führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Das Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage eines zutreffenden Begriffs des Dienstunfalls in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sowie des Ursachenzusammenhangs im Dienstunfallrecht in einer den Senat überzeugenden Weise dargelegt, dass der Einwurf eines Briefes am 4. Oktober 2003 nicht in dem erforderlichen engen Zusammenhang mit der Dienstausübung des Klägers gestanden hat.

Der Dienstunfallschutz beruht im Kern auf einer Verteilung des Unfallrisikos auf den Dienstherrn und den Beamten, die in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG durch die Begriffe "in Ausübung oder infolge des Dienstes" gekennzeichnet ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Unfall sich während der rechtmäßigen und pflichtgemäßen Erledigung dienstlicher Obliegenheiten ereignet hat; denn der Schutz der Unfallfürsorge gilt gegenüber Risiken, die mit der Erfüllung dienstlicher Aufgaben zusammenhängen, mithin bei Körperschäden, die deshalb eintreten, weil der Beamte zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort dienstlich tätig werden musste. Zum privaten Lebensbereich des Beamten gehört demgegenüber ein Geschehen, das nicht im Allgemeinen durch Dienstzeit und Dienstort geprägt ist. Die Einbeziehung von Unfällen, die beim Zurücklegen bestimmter Wege eintreten, ist nach § 31 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG möglich, wenn der Beamte aus Gründen, die ihre wesentliche innere Ursache im Dienst haben, seinen privaten Lebensbereich verlässt. Andere, mit dem Dienst nicht zusammenhängende Ursachen müssen in den Hintergrund treten (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1963 - II C 27.60 - BVerwGE 16, 103; ferner Urteile vom 21. Juni 1982 - 6 C 90.78 - NJW 1983, 642 = ZBR 1983, 36 und vom 27. Mai 2004 - 2 C 29.03 - BVerwGE 121, 67).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe weist der Weg zu einem Briefkasten zwecks Einwurfs eines Briefes mit dienstlichem Inhalt (hier: Rücksendung eines Gesprächsprotokolls) einen derart geringen dienstlichen Bezug auf, dass eine Übertragung des Haftungsrisikos auf den Dienstherrn in keiner Weise gerechtfertigt wäre. Der Kläger befand sich seinerzeit im Dienstausgleich und trat den Weg an einem Sonnabend von seiner Privatwohnung an. Es liegt fern, dass er sich zu diesem Zweck in den Dienst versetzt haben könnte. Mit der Rücksendung des Protokolls ohne Gegenzeichnung legte der Kläger den inhaltlichen Schwerpunkt seiner Verrichtung auf das Einlegen eines Rechtsbehelfs, mithin einen dem privaten Verantwortungsbereich zuzuordnenden Vorgang, wie das Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben hat. Hieran ändert es nichts, dass der Kläger bereits mehrmals zur Rücksendung aufgefordert worden war; denn auch das Befolgen einer Weisung kann allenfalls dann der Risikosphäre des Dienstherrn zuzurechnen sein, wenn der Beamte sich im Dienst befindet und eine seinem gewöhnlichen Aufgabenkreis zugeordnete Verrichtung ausführt.

Ein Fehler des erstinstanzlichen Verfahrens im Sinne des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor. Dem Kläger ist es verwehrt, sich auf eine unzulängliche Sachaufklärung durch das Verwaltungsgericht zu berufen. Der anwaltlich vertretene Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keine förmlichen Beweisanträge im Sinne von §§ 86 Abs. 2, 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO gestellt. In derartigen Fällen kann eine Verletzung der Aufklärungspflicht des Gerichts nicht geltend gemacht werden (vgl. zur revisionsrechtlichen Vorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO: BVerwG, Beschlüsse vom 24. November 1977 - VI B 16.77 - und vom 24. März 2000 - 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nrn. 161 und 308 sowie vom 1. März 2001- 6 B 6.01 - NVwZ 2001, 922; vgl. ferner VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. April 1997 - 8 S 1040/97 -, VBlBW 1997, 299, 300; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Rdnrn. 56 zu § 124a, 17 zu § 133). Auch von Amts wegen bestand für das Verwaltungsgericht kein zwingender Grund für die Einholung eines Obergutachtens zu der Frage, ob das Umknicken am 4. Oktober 2003 auf einer Instabilität des Sprunggelenkes des Klägers als Folge des Dienstunfalls im Jahr 2000 beruhte.

Ob dies erforderlich ist, hat das Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. April 1964 - V C 45.63 - BVerwGE 18, 216, 217 = DÖV 1964, 492 und vom 8. Juni 1972 - 4 C 1.79 - NJW 1980, 900; Beschluss des Senats vom 4. Juli 2000 - 1 UZ 3708/98 -). Eine - weitere - Beweiserhebung kommt in Betracht, wenn die bereits vorliegenden Gutachten nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen, dem Gericht die erforderliche Sachkunde für die Vorbereitung einer Entscheidung zu vermitteln. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unvoreingenommenheit des Gutachters besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 1968 - VIII C 29.67 - BVerwGE 31, 149, 156 = DVBl. 1969, 404 sowie Beschluss vom 10. März 1977 - 6 B 38.76 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 21; Urteil des Senats vom 19. Juni 1996 - 1 UE 1389/92 -).

Dafür ist im vorliegenden Fall nichts dargetan. Die mit der Zulassungsbegründung vorgelegte privatärztliche Bescheinigung vom 30. Mai 2007 (Bl. 146 d. A.) besagt im Wesentlichen nur, dass bei insgesamt 7 Behandlungsterminen eine "weitgehend therapieresistente Schwellung mit Instabilität des Bandapparates am li. Sprunggelenk" des Klägers festzustellen sei. Zu den Ergebnissen des Gutachtens der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik vom 30. Mai 2007 wird nicht Stellung genommen; Mängel oder Widersprüche dieses Gutachtens sind auch für den Senat nicht feststellbar.

Da der Antrag auf Zulassung der Berufung erfolglos bleibt, hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Senat berechnet den Streitwert ebenso wie das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. März 2007. Die Festsetzung erfolgt nicht nach den Grundsätzen zum sog. Teilstatus; denn die Klage war auf Erstattung konkret feststehender Heilbehandlungskosten gerichtet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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