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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 1 UZ 1485/07
Rechtsgebiete: BGB, BeamtVG


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 199
BGB § 820 Abs. 1
BeamtVG § 52 Abs. 2
BeamtVG § 55
Für die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge gilt seit dem 1.1.2002 die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren nach § 195 BGB. Anders als bei der früheren Verjährungsfrist von 30 Jahren beginnt die Verjährungsfrist erst ab Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Dienstherrn von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners (§ 199 Abs. 1 BGB).

Ohne Rücksicht auf die Kenntnis verjähren die Rückforderungsansprüche 10 Jahre nach ihrer Entstehung (§ 199 Abs. 4 BGB).


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 UZ 1485/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Versorgung

hier: Rückforderung überzahlter Bezüge

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 1. Senat - durch

Präsident des Hess. VGH Reimers, Richter am Hess. VGH Kohlstädt, Richterin am Hess. VGH Schild

am 20. Dezember 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 6. Juni 2007 - 1 E 430/07 - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Zulassungsverfahren auf 16.212,94 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung genügt zwar noch dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, da er mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lässt, auf welche Zulassungsgründe die Klägerin sich stützen will. Der Zulassungsantrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, da weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO) noch die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Leistungsbescheid vom 5. Februar 2007 zu Recht abgewiesen, mit der von der Klägerin überzahlte Versorgungsbezüge in Höhe von insgesamt 16.212,94 € zurückgefordert werden. Die Klägerin hat in der Zeit vom 1. Februar 1998 bis zum 30. November 2006 monatlich Versorgungsbezüge ohne Anrechnung der ihr in dieser Zeit gewährten gesetzlichen Altersrente entgegen § 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BeamtVG erhalten, und gegenüber der Rückforderung der überzahlten Beträge kann sie sich weder auf den Wegfall der Bereicherung noch auf Verjährung berufen.

Die Anrechnung von Altersrenten auf die Versorgungsbezüge ergibt sich aus der Ruhensvorschrift des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 BeamtVG, weshalb jeder Versorgungsfestsetzung und -auszahlung ein gesetzlicher Vorbehalt innewohnt. Der Versorgungsfestsetzungsbescheid weist nur aus, dass und in welcher Höhe ein Anspruch auf Versorgung besteht; er enthält aber in aller Regel keine Festlegung darüber, ob der Auszahlung des als Versorgung festgesetzten Betrages ein rechtliches Hindernis entgegensteht oder nicht (st. Rspr. des BVerwG, siehe nur Urteil vom 24. November 1966 - II C 119.64 - BVerwGE 25, 291 ff.). In Übereinstimmung damit können die Ruhensvorschriften - sobald die Behörde von dem Vorliegen ihrer Voraussetzung Kenntnis erlangt - ohne ausdrücklichen Widerruf der bisherigen Versorgungsfestsetzung angewandt und die auszuzahlenden Versorgungsbezüge rückwirkend neu festgesetzt werden, wie dies für die Klägerin mit dem gesondert angefochtenen Bescheid vom 8. Dezember 2006 geschehen ist (s. Parallelverfahren 1 UZ 1487/07).

Gleichzeitig ist der Dienstherr berechtigt, die überzahlten Bezüge gemäß § 52 Abs. 2 BeamtVG i. V. m. §§ 812 ff. BGB zurückzufordern. Da die Festsetzung und Auszahlung der Bezüge jeweils unter dem gesetzlichen Vorbehalt der Ruhensvorschrift u. a. des § 55 BeamtVG steht, gilt für die Rückforderung § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB, d. h. die Zahlung der Versorgungsbezüge wird behandelt wie eine Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, so dass bei Wegfall des Rechtsgrundes der Empfänger der Leistung verschärft nach § 818 Abs. 4 BGB haftet (so ausdrücklich BVerwG in st. Rspr. seit dem Urteil vom 29. März 1966 - II C 44.64 - sowie Urteil vom 24. November 1966 - II C 119.64 - m. w. N.).

Es kommt also nicht darauf an, ob die Klägerin den Mangel des rechtlichen Grundes nach § 819 Abs. 1 Satz 1 BGB gekannt hat oder jedenfalls nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG hätte kennen müssen. Davon ist zwar auszugehen, da die Klägerin zu Beginn ihres Ruhestandes ein Merkblatt erhalten hat, in dem ausdrücklich auf die Anrechnung von Altersrenten auf die Versorgungsbezüge hingewiesen worden ist. Darüber hinaus hat sie auch ein Formular ausgefüllt, in dem sowohl nach akuten Rentenzahlungen als auch nach Rentenanwartschaften gefragt wurde, und sie hat fälschlich angegeben, dass derartige Anwartschaften nicht bestehen. Darauf kommt es jedoch nicht einmal an, da auch ohne die Kenntnis der Anrechnungsregelung schon aufgrund der Gesetzeslage eine verschärfte Haftung wie bei Rechtshängigkeit nach § 820 Abs. 1 BGB besteht. Dieser Haftung könnte die Klägerin allenfalls Verwirkung bzw. die Grundsätze von Treu und Glauben entgegenhalten (vgl. auch insoweit BVerwG, Urteil vom 24. November 1966 - II C 119.64 - sowie Urteil vom 12. Mai 1966 - II C 197.62 -). Für die Anwendung dieser Vorschriften besteht bei der Klägerin allerdings kein Raum, da der Beklagte nicht gegen Treu und Glauben handelt, wenn er in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben von der Klägerin die überzahlten Versorgungsbezüge zurückverlangt. Insbesondere ist dem Beklagten nicht vorzuhalten, dass er aus dem Lebenslauf der Klägerin hätte entnehmen können, dass die Klägerin vor der Übernahme ins Beamtenverhältnis versicherungspflichtig beschäftigt war und sich daraus eine anzurechnende Rentenzahlung ergeben könnte. Denn die Klägerin hat auf dem ihr übersandten Formblatt im Jahr 1996 ausdrücklich angekreuzt, dass sie weder Rentenzahlungen bezieht noch Anwartschaften auf eine gesetzliche Altersrente bestehen, so dass der Beklagte nicht gehalten war, von sich aus weitere Nachforschungen vorzunehmen.

Die Klägerin kann sich gegenüber der Rückforderung für die Jahre 1998 bis einschließlich 2003 auch nicht auf Verjährung berufen. Zwar trifft es zu, dass auf die Rückforderung von Versorgungsbezügen mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung die reguläre Verjährungsfrist nach dem BGB anwendbar ist (so für die frühere 30-jährige Verjährungsfrist ausdrücklich: BVerwG, Urteil vom 25. November 1982 - 2 C 14.81 - BVerwGE 66, 251 ff., sowie Urteil vom 13. September 2001 - 2 A 9.00 - ZBR 2003, 43). Aufgrund der Neuordnung der Verjährungsfristen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 1. Januar 2001 (BGBl. I S. 3138) gilt nunmehr für die Rückforderung von Versorgungsbezügen die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB (so auch ausdrücklich OVG des Saarlandes, Urteil vom 27. April 2007 - 1 R 22/06 -). Allerdings ist seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz gleichzeitig der Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht mehr allein davon abhängig, dass der Anspruch entstanden ist, sondern auch davon, dass der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Kenntnis von der Zahlung der gesetzlichen Altersrente an die Klägerin und damit von der Verringerung der auszuzahlenden Versorgungsbezüge hat der Beklagte erst im Sommer 2006 erlangt, und zwar nicht nur für die Überzahlungen der letzten drei Jahre, sondern vom Beginn des Überzahlungszeitraumes im Februar 1998 an, auch wenn der Rückforderungsanspruch als solcher wegen des gesetzlichen Vorbehaltes unabhängig von der Kenntnis der Beklagten bereits mit der jeweiligen Überzahlung entstanden ist. Die Verjährungsfrist begann also gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst am Schluss des Jahres 2006 zu laufen, in dem der Beklagte von den Rentenzahlungen Kenntnis erlangt hat.

Dem Beklagten kann auch nicht vorgehalten werden, dass er nur wegen grober Fahrlässigkeit erst so spät von diesen Zahlungen erfahren hat. Denn trotz der Hinweise im Lebenslauf auf die versicherungspflichtige Beschäftigungszeit der Klägerin vor der Übernahme in das Beamtenverhältnis im Jahr 1963 durfte der Beklagte sich jedenfalls auf die Angabe der Klägerin verlassen, dass sie - so im Formular 1996 angekreuzt - weder Rentenzahlungen bezieht noch Rentenanwartschaften erworben hat. Der Leistungsbescheid vom 5. Februar 2007 ist damit zweifelsohne innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist, nämlich schon sehr zeitig zu Beginn dieser Frist nach nur wenigen Wochen erlassen worden.

Auch die absolute Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB ist eingehalten. Nach dieser Vorschrift verjähren andere Ansprüche als Schadensersatzansprüche ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Selbst der älteste Rückforderungsanspruch für den Monat Februar 1998 und erst Recht die Ansprüche für die Folgemonate waren damit bei Geltendmachung im Februar 2007 noch nicht verjährt.

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist die Rechtssache nicht auf. Die Klägerin verweist hierzu nur auf das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, das seit dem 1. Januar 2002 völlig neue Rechtsgrundlagen für die Verjährung geschaffen habe. Diese veränderten Verjährungsfristen ergeben sich jedoch ohne weiteres aus dem Gesetz und lassen besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten nicht erkennen. Allein das Fehlen obergerichtlicher Rechtsprechung belegt diese Schwierigkeiten ebenso wenig, wobei bisher schon das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes durch Urteil vom 27. April 2007 (1 R 22/06) zur neuen Rechtslage entschieden hat.

Da der Zulassungsantrag erfolglos bleibt, hat die Klägerin die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG und geht von dem streitgegenständlichen Rückforderungsbetrag aus.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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