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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.06.2003
Aktenzeichen: 10 UE 843/03.A
Rechtsgebiete: AsylVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 26
1. Bei der Frage, ob ein Asylsuchender seinen Asylantrag "unverzüglich nach der Einreise" (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG) gestellt hat, ist maßgeblich, ob er das getan hat, was man billigerweise von ihm verlangen kann.

2. "Unverzüglich" heißt nicht nur "möglichst schnell", sondern auch "sachgemäß".

3. Sachgemäß und damit ohne schuldhaftes Zögern handelt ein Asylsuchender, wenn er binnen zwei Wochen mit einem Rechtsanwalt Kontakt aufnimmt, um sich von ihm beraten zu lassen. Dabei ist unerheblich, dass der Rechtsanwalt nicht sofort einen Besprechungstermin anbieten kann, sondern erst zwei Wochen später.


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

10 UE 843/03.A

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Asylrechts

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 10. Senat - durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Pieper, Richter am Hess. VGH Dr. Saenger, Richterin am Hess. VGH Hannappel

am 24. Juni 2003 nach § 130 a VwGO beschlossen:

Tenor:

Auf die Berufung der Beigeladenen wird das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. August 2001 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt - 3 E 30257/98.A (4) - abgeändert.

Die Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht die Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beigeladene zu 1., geboren am 18. September 1965 in Suleimania sowie die Beigeladene zu 2., ihre am 22. September 1992 geborene Tochter, sind irakische Staatsangehörige. Sie reisten am 15. August 1997 mit einem Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie mit Faxschreiben ihres Bevollmächtigten vom 4. September 1997 Asyl beantragten. Der Ehemann der Beigeladenen zu 1. und Vater der Beigeladenen zu 2., Herr ..., war bereits im April 1996 nach Deutschland eingereist, seine bestandskräftige Asylanerkennung datiert vom 31. Mai 1996. Am 22. August 1997 erhielten die Beigeladenen eine bis zum 21. August 1998 gültige Aufenthaltserlaubnis.

Am 18. November 1997 wurde die Beigeladene zu 1. durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt - Außenstelle Karlsruhe -) zu ihren Asylgründen nach § 25 AsylVfG gehört. Mit Bescheid vom 3. Februar 1998 erkannte das Bundesamt die Beigeladenen als Asylberechtigte an und verwies zur Begründung zunächst darauf, dass Herr ... mit Bescheid des Bundesamtes vom 31. Mai 1996 bestandskräftig als Asylberechtigter anerkannt worden sei. Nach § 26 Abs. 1 AsylVfG werde der Ehegatte eines Asylberechtigten selbst dann als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Ehe schon in dem Staat bestanden habe, in dem die Bezugsperson politisch verfolgt worden sei, und wenn der Ehegatte seinen Asylantrag vor oder gleichzeitig mit der Bezugsperson bzw. unverzüglich nach der Einreise gestellt habe und die Anerkennung der Bezugsperson nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen sei. Nach § 26 Abs. 2 AsylVfG seien Kinder von Asylberechtigten selbst dann als Asylberechtigte anzuerkennen, wenn sie im Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig und ledig gewesen seien, wenn ihr Antrag vor oder gleichzeitig mit der Bezugsperson bzw. unverzüglich nach der Einreise gestellt worden sei. Nach den vorliegenden Erkenntnissen sei die Ehe der Beigeladenen zu 1. im Irak geschlossen worden. Die Asylanträge seien am 4. September 1997 und damit rechtzeitig gestellt worden. Die Anerkennung des Ehemannes sei derzeit auch nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen.

Gegen diesen Bescheid hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten am 2. März 1998 Klage erhoben, die er damit begründet hat, die Gewährung von Familienasyl scheitere im vorliegenden Fall daran, dass die Frist des § 26 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG nicht eingehalten worden sei. Das Gesetz fordere für den Ehegatten und nach § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG entsprechend für die Kinder eines Asylberechtigten die unverzügliche Asylantragstellung nach der Einreise. Das Bundesverwaltungsgericht halte im Hinblick auf die im gesamten Asylverfahrensrecht verkürzten Fristen eine Frist von zwei Wochen in der Regel für angemessen und ausreichend. Ein späterer Antrag sei nur dann rechtzeitig gestellt worden, wenn sich aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ergebe, dass der Antrag nicht habe früher gestellt werden können. Hier sei der Asylantrag nicht innerhalb der Zweiwochenfrist nach der Einreise gestellt und es seien keine besonderen Umstände vorgetragen worden, die die verspätete Asylantragstellung gerechtfertigt hätten.

Der Bundesbeauftragte hat beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes vom 3. Februar 1998 aufzuheben.

Die Beigeladenen haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung haben sie vorgetragen: Nach ihrer Einreise am 15. August 1997 in das Bundesgebiet hätten sie am 28. August 1997 bei ihrem Bevollmächtigten um einen Beratungstermin gebeten, der dann am 2. September 1997 stattgefunden habe. Des deutschen Rechts unkundig hätten sie sich innerhalb von 13 Tagen rechtskundigen Rates bedient. Da sie berechtigt gewesen seien, anwaltlichen Rat einzuholen, hätten sie auch ohne schuldhaftes Zögern innerhalb angemessener Zeit gehandelt. Ferner drohe ihnen alleine durch die kurdische Volkszugehörigkeit bei einer Rückkehr in den Irak die Gefahr politischer Verfolgung. Als Tag der Kontaktaufnahme mit dem Anwalt hat die Beigeladene zu 1) in der mündlichen Verhandlung am 29. August 2001 den 22. August 1997 genannt, d. h. den Tag, an dem sie bei der Ausländerbehörde gewesen sei. Von diesem Datum ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen.

Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. August 2001 ergangenem Urteil den Bescheid des Bundesamtes vom 3. Februar 1998 aufgehoben. Zur Begründung wird auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs verwiesen, wonach die Gewährung von Familienasyl bei einem Kind, welches im Bundesgebiet nach der Asylantragstellung, aber vor der Anerkennung (des Stammberechtigten) geboren worden sei, nur in Betracht komme, wenn der Asylantrag für das Kind innerhalb von zwei Wochen nach der Geburt von den gesetzlichen Vertretern gestellt worden sei. Diese Frist hätten die Beigeladenen versäumt, da zwischen ihrer Einreise und der Antragstellung 20 Tage lägen. Sie hätten auch nicht vorgetragen, dass sie aufgrund besonderer Umstände in entschuldbarer Weise daran gehindert gewesen seien, den Asylantrag unverzüglich zu stellen. Als ein nachvollziehbarer Entschuldigungsgrund könne zum Beispiel die Tatsache angesehen werden, dass ein Antragsteller aufgrund einer nachgewiesenen Krankheit nicht in der Lage gewesen sei, die erforderliche Verfahrenshandlung vorzunehmen. Auch könne eine falsche Beratung - etwa durch die Ausländerbehörde - ein Entschuldigungsgrund sein. Unkenntnis der Rechtslage sei kein anzuerkennender Entschuldigungsgrund, insbesondere dann nicht, wenn der Antragsteller wie hier bereits mit mehreren deutschen Behörden in Kontakt gekommen sei. Hier hätten die Beigeladenen bei der Ausländerbehörde in Darmstadt vorgesprochen. Nach der Vorsprache hätten sie sich an ihren Rechtsanwalt gewandt, von dem sie aber erst am 2. September 1997 einen Besprechungstermin erhalten hätten. Die Einberaumung eines Besprechungstermins eineinhalb Wochen nach der Vorsprache der Beigeladenen berge angesichts der nach dem Asylverfahrensgesetz geforderten Unverzüglichkeit von Verfahrenshandlungen ein Risiko, das sich vorliegend verwirklicht habe. Da die Beigeladene zu 1. vor der Ausländerbehörde nicht über Asyl gesprochen habe und keine weiteren Anzeichen dafür erkennbar seien, dass sie falsch verstanden oder falsch beraten worden sei, könne sie sich auch auf diesen Entschuldigungsgrund nicht berufen. Im Übrigen stehe den Beigeladenen auch kein originärer Anspruch auf Asylgewährung nach Art. 16 a GG zu.

Auf den Antrag der Beigeladenen hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 27. März 2003 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt zugelassen.

Zur Begründung der Berufung weisen die Beigeladenen darauf hin, dass die Bezugnahme auf die im Urteil des Verwaltungsgerichts zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und anderer Obergerichte unangemessen sei. Die einfache Übertragung dieser Rechtsprechung verkenne die besondere Situation von Asylsuchenden. Die Beigeladenen seien sprachunkundig wie auch rechtsunkundig. Es sei angesichts der Kompliziertheit des deutschen Asylrechts mittlerweile üblich, sich in diesen Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Angesichts dessen sei die Rechtsprechung, wonach der Asylantrag binnen 14 Tagen zu stellen sei, nicht vertretbar.

Die Beigeladenen beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 29. August 2001 die Klage abzuweisen.

Der Bundesbeauftragte und das Bundesamt haben keinen Antrag gestellt.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 17. April 2003 wurden die Beteiligten nach Beratung im Senat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, über die Berufung durch Beschluss nach § 130 a VwGO zu entscheiden, da der Senat sie einstimmig für begründet halte. Der Bevollmächtigte der Beigeladenen hat sich innerhalb der gesetzten Frist mit einer Entscheidung nach § 130 a VwGO einverstanden erklärt, die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Akte des Bundesamtes Bezug genommen. Diese sind ebenso Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen wie die bereits vom Verwaltungsgericht beigezogene Akte des Bundesamtes Herrn ... betreffend.

II.

Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss nach § 130 a VwGO entscheiden, da er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden.

Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beigeladenen ist begründet und führt zur Abweisung der Klage des Bundesbeauftragten. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts haben die Beigeladenen einen Anspruch darauf, im Wege des Familienasyls (§ 26 Abs. 1 und 2 AsylVfG) als Asylberechtigte anerkannt zu werden. Was die Beigeladene zu 1. betrifft, so folgt dies aus § 26 Abs. 1 Nr. 1 - 3 AsylVfG, wonach der Ehegatte eines Asylberechtigten als Asylberechtigter anerkannt wird, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist, die Ehe schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird und der Ehegatte einen Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist. Für die Beigeladene zu 2. ergibt sich dies aus § 26 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 26 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AsylVfG. Es ist unbestritten, dass der stammberechtigte Ehemann der Beigeladenen zu 1. und Vater der Beigeladenen zu 2. unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist, und dass diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist, ferner, dass die Ehe zwischen dem stammberechtigten Herrn ... mit der Beigeladenen zu 1. schon im Irak bestanden hat. Nach Auffassung des erkennenden Senats haben die Beigeladenen den Asylantrag auch "unverzüglich nach der Einreise" gestellt, so dass das Bundesamt die Beigeladenen zu Recht auf der Grundlage des § 26 AsylVfG als Asylberechtigte anerkannt hat.

In der vom Bundesbeauftragten sowie vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hatte das Kind eines Asylberechtigten (Stammberechtigten) einen Asylantrag gestellt, das in Deutschland nach der Antragstellung durch den Stammberechtigten, aber vor dessen Anerkennung geboren war. In diesem Fall hat das Kind nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG Anspruch auf Familienasyl, wenn der Familienasylantrag unverzüglich - das heißt in der Regel innerhalb von 2 Wochen - nach der Geburt gestellt worden ist (Urt. vom 13. Mai 1997 - 9 C 35/96 -, BVerwGE 104, 362 ff. = NVwZ 1997, 1137 ff.). Dass das nach Antragstellung, aber vor Anerkennung der Eltern im Bundesgebiet geborene Kind den Asylantrag in entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG unverzüglich nach der Geburt stellen müsse, ergebe sich aus dem Zweck der Regelung über das Familienasyl. Es solle neben der raschen Integration der Familie gerade auch der Vereinfachung des Verfahrens dienen (BT Drucks. 11/6960, Seite 29/30). Diesem Zweck entspreche es, wenn über die Anträge aller Familienmitglieder möglichst in einem Verfahren entschieden werde. Das Erfordernis einer Antragstellung unverzüglich nach der Geburt stelle bei Kindern, die vor der Anerkennung der Eltern im Bundesgebiet geboren worden seien, am ehesten sicher, dass das Kind noch in das Verfahren der Eltern einbezogen werden könne. Auch wenn das im Einzelfall nicht möglich sei, gewährleiste das Erfordernis einer Antragstellung unverzüglich nach der Geburt zumindest, dass entsprechend dem insgesamt vom Asylverfahrensgesetz verfolgten Ziel die Asylverfahren aller Familienmitglieder zügig abgeschlossen werden könnten und bei erfolglosem Ausgang der Verfahren der Aufenthalt der Familie im Bundesgebiet möglichst bald beendet werden könne. Insofern komme der Bestimmung einer Antragsfrist auch eine Ordnungsfunktion zu. Durch das Erfordernis der Antragstellung unverzüglich nach der Geburt solle auch verhindert werden, dass eine verzögerte, bei mehreren Kindern auch sukzessive Stellung des Asylantrags die Beendigung des Aufenthalts der gesamten Familie im Falle der Erfolglosigkeit der Asylanträge der Eltern erschwere. Der Antrag müsse zwar nicht sofort, aber - unter Berücksichtigung der persönlichen Lebensumstände der Eltern - alsbald gestellt werden. Dabei sei einerseits den Eltern eine angemessene Überlegungsfrist zuzubilligen, andererseits aber auch das von § 26 Abs. 1 Nr. 2 (3) AsylVfG als Ordnungsvorschrift verfolgte öffentliche Interesse, möglichst rasch Rechtsklarheit zu schaffen, zur Geltung zu bringen. Im Hinblick auf die im gesamten Asylverfahrensrecht verkürzten Fristen halte der Senat eine Frist von zwei Wochen in der Regel für angemessen und ausreichend. Ein späterer Antrag sei folglich regelmäßig nur dann rechtzeitig, wenn sich aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ergebe, dass der Antrag nicht früher habe gestellt werden können. Von einem gewissenhaften Asylsuchenden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet vorläufig und nur zur Durchführung seines Asylverfahrens gestattet sei (§ 55 Abs. 1 AsylVfG), sei zu erwarten, dass er sich nach der Geburt eines Kindes über dessen Rechtsstellung, gegebenenfalls durch Einholung von Rechtsrat Klarheit verschaffe und den erforderlichen Antrag nach § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG stelle. Dieselben Maßstäbe haben der 9. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 20. Juli 1999 (9 UE 696/98.A -, EZAR 043 Nr. 35) sowie der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 15. November 2000 (A 12 S 367/99 -, AuAS 2001, 71 f.) angelegt, letzterer im Fall eines im Ausland geborenen, den Eltern in die Bundesrepublik Deutschland nachgereisten Kindes.

Allen drei Entscheidungen lagen Sachverhalte zugrunde, in denen das entweder im Ausland oder in Deutschland geborene Kind den Asylantrag vor der Rechtskraft der Anerkennung des Stammberechtigten gestellt hatte. Die Gesichtspunkte, die für das Bundesverwaltungsgericht dazu geführt haben, eine Frist von zwei Wochen in der Regel für angemessen und ausreichend anzusehen (rasche Integration der Familie durch Vereinfachung des Verfahrens; über die Asylanträge aller Familienmitglieder soll möglichst in einem Verfahren entschieden werden; eine verzögerte Stellung des Asylantrages soll verhindert werden), sind aber in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Stammberechtigte bei Stellung des Asylantrages durch das Kind bzw. die Ehefrau bereits unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist, Ehefrau und Kind mit Visa zum Zwecke der Familienzusammenführung eingereist sind und nach der Einreise Aufenthaltserlaubnisse erhalten haben, ohne Bedeutung.

Bei der Frage, ob ein Asylsuchender seinen Asylantrag "unverzüglich" i. S. v. § 26 Abs. 1 AsylVfG gestellt hat, ist darauf abzustellen, ob er das getan hat, was man billigerweise von ihm verlangen kann. Unverzüglich bedeutet nach der Legaldefinition in § 121 BGB "ohne schuldhaftes Zögern" (BVerwGE, Urt. vom 13. Mai 1997 a.a.O., m. w. N.). "Unverzüglich" heißt in diesem Sinne nicht nur "möglichst schnell", sondern auch "sachgemäß". Sachgemäß ist es aber, dass ein rechtsunkundiger Asylsuchender mit einem Rechtsanwalt Kontakt aufnimmt, um sich von ihm beraten zu lassen. Diese Kontaktaufnahme geschah im vorliegenden Falle innerhalb der Zweiwochenfrist, d. h. bereits nach sieben Tagen. Damit haben die Beigeladenen jedoch das getan, was sie nach der Intention des Gesetzes tun mussten. Wenn der von ihnen kontaktierte Rechtsanwalt einen Besprechungstermin erst etwa zwei Wochen später anbieten konnte, was bei der Belastung der Anwälte nicht ungewöhnlich ist, so fällt dies den Beigeladenen nicht zur Last.

Von Bedeutung ist im vorliegenden Falle obendrein, dass die Beigeladenen am 22. August 1997, das heißt sieben Tage nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland, die Ausländerbehörde aufgesucht haben, wo sie wie erwähnt eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Bei der Ausländerbehörde hätten die Beigeladenen bereits einen Asylantrag nach § 13 Abs. 1 AsylVfG einreichen können, den die Ausländerbehörde unverzüglich dem Bundesamt hätte zuleiten müssen (§ 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es könne nicht von einer falschen Beratung durch die Ausländerbehörde gesprochen werden, greift zu kurz. Vielmehr ist hier von einer "Nichtberatung" durch die Ausländerbehörde auszugehen. Eine Beratung dahingehend, dass der Asylantrag auch bei der Ausländerbehörde eingereicht werden könne, hätte nahegelegen.

Da die Berufung der Beigeladenen Erfolg hat, hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen (§§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO). Die Beigeladenen haben nämlich in beiden Rechtszügen Anträge gestellt und sich damit dem Kostenrisiko ausgesetzt.

Nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG werden Gerichtskosten nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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