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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.11.2002
Aktenzeichen: 10 UZ 2439/00
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 140
1. Der Senat folgt der gefestigten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach staatliche Gerichte auch im Rahmen von Statusfolgeverfahren nicht zur Überprüfung kirchlicher Maßnahmen (hier: Entfernung eines Kirchenbeamten aus dem Dienst) befugt sind.

2. Über Fragen des kirchlichen Amtsrechts dürfen staatliche Gerichte nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze und in Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs jedenfalls nicht vor Erschöpfung des insoweit gegebenen kirchlichen Rechtswegs entscheiden (s. BVerfG, Beschluss vom 18. September 1998 - 2 BvR 1476/94 - NJW 1999, 349).


Hessischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss

10. Senat

10 UZ 2439/00

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Besoldung und Versorgung

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 10. Senat - durch Vorsitzenden Richter am Hess. VGH Pieper, Richter am Hess. VGH Dr. Saenger, Richterin am Hess. VGH Hannappel,

am 05. November 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 25. Mai 2000 - 8 E 1272/98 (V) - wird abgelehnt.

Der Kläger hat auch die Kosten des Verfahrens auf Zulassung der Berufung zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 70.409,03 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 25. Mai 2000 ist zulässig, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben. Der Rechtssache kommt zunächst der ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Es bereitet bereits Schwierigkeiten festzustellen, welche Frage nach Auffassung des Klägers im Berufungsverfahren einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugeführt werden soll. Sollte es sich um die auf Blatt 1 unten der Rechtsmittelschrift vom 10. Juli 2000 angesprochene Frage handeln, "inwieweit die staatliche Gerichtsbarkeit kirchliche Disziplinarmaßnahmen überprüfen kann und zu überprüfen hat, um den Justizgewährungsanspruch zu erfüllen", so ist diese im hier vorliegenden Statusfolgeverfahren -Anspruch auf Besoldung nach der Entfernung aus dem Dienst durch ein für rechtswidrig gehaltenes Urteil des Disziplinargerichts des Bistums L. vom 10. März 2000 - zwar incidenter zu überprüfen, doch ist in der Verwaltungsgerichtsbarkeit geklärt, dass staatliche Gerichte auch im Rahmen von Statusfolgeverfahren nicht zur Überprüfung innerkirchlicher Maßnahmen befugt sind. So begründet selbst die kirchengesetzliche Zuweisung versorgungsrechtlicher Streitigkeiten an die staatlichen Verwaltungsgerichte nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28. April 1994 - 2 C 23/92 -, BVerwGE 95, 379 = DÖV 1994, 961) nicht deren Befugnis, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Dienstverhältnisses als Pastor oder Kirchenbeamter als Grundlage der geltend gemachten Versorgungsansprüche zu prüfen ("verkappte Statusklage"; siehe auch OVG Koblenz, Beschluss vom 29. April 1985 - 2 E 3/85 -, DÖV 1986, 115). Im vorliegenden Fall erfolgte die Verweisung auf das Beamtenrecht noch nicht einmal durch ein Kirchengesetz, sondern durch ein Schreiben des Bistums vom 14. November 1995, in dem dem Kläger mitgeteilt wurde, er werde mit Wirkung vom 1. Januar 1996 in das Beamtenverhältnis des Bistums L. berufen. Der Senat sieht keine Veranlassung, von der gefestigten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, und er sieht auch in neueren höchstrichterlichen Entscheidungen - bezogen auf die "verkappten Statusklagen" - keine "Tendenzwende in der Rechtsprechung zum staatlichen Rechtsschutz in Kirchensachen" (so aber Magen in : "Der Rechtsschutz in Kirchensachen nach dem materiell-rechtlichen Ansatz", NVwZ 2002, 897 ff. ,unter Berufung u.a. auf den Beschluss des BVerfG vom 25. Februar 1999 <-2 BvR 548/96-, NVwZ 1999, 758>, wo aber der Bestand des Dienstverhältnisses gerade nicht als rechtliche Vorfrage der geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche zu klären war ).

Für die Klärungsbedürftigkeit der o.g. Frage kann sich der Kläger auch nicht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. September 1999 (richtig muss es heißen: 18. September 1998) berufen (- 2 BvR 1476/94 -, NJW 1999, 349). Dieser Entscheidung ist im Gegenteil zu entnehmen, dass der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten hier nicht gegeben ist. "Wenn und soweit die Kirchen die Möglichkeit geschaffen haben, Rechtsstreitigkeiten von einem kirchlichen Gericht beurteilen zu lassen, und somit die Gelegenheit besteht, die Streitigkeit im Einklang mit dem kirchlichen Selbstverständnis beizulegen", so das Bundesverfassungsgericht, "gebietet es die verfassungsrechtlich geschuldete Rücksichtnahme gegenüber diesem Selbstverständnis den staatlichen Gerichten, über Fragen des kirchlichen Amtsrechts nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze und in Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs jedenfalls nicht vor Erschöpfung des insoweit gegebenen kirchlichen Rechtswegs zu entscheiden".

Danach ist die vom Kläger für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage auch deshalb nicht entscheidungserheblich, weil der kirchliche Rechtsweg offensichtlich in seinem Falle noch nicht erschöpft ist. So ergibt sich zwar aus dem Urteil des Disziplinargerichts des Bistums L. vom 10. März 2000, dass die Disziplinarordnung des Bistums keine Berufungsmöglichkeiten kennt. Auch wird unter Ziffer 15 des Urteils darauf hingewiesen, eine Berufung sei deswegen unmöglich, weil das Urteil durch Verkündigung bereits rechtskräftig geworden sei und gegen ein rechtskräftiges Urteil keine Berufung eingelegt werden könne. Doch "steht es nach dem kanonischen Recht jedem Gläubigen frei, seine Streit- oder Strafsache in jeder Gerichtsinstanz und in jedem Prozessabschnitt dem Heiligen Stuhl zur Entscheidung zu übergeben oder bei ihm einzubringen" (c. 1417 § 1 CIC). Von dieser Möglichkeit, den durch das kanonische Recht vorgesehenen Rechtsweg zur Sacra Romana Rota voll auszuschöpfen, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht.

Im Übrigen hat sich bereits der Disziplinarhof beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 11. November 1998 (- 24 DH 2230/98 -, NJW 1999, 377) mit der vom Kläger für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltenen Frage - bezogen auf die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung des Klägers vom 18. Februar 1998 - auseinander gesetzt und ausgesprochen, dass der Kläger hinsichtlich des Disziplinarrechts nicht unter das hessische Beamtenrecht falle, unbeschadet der Verweisung auf das Beamtenrecht im o.g. Schreiben des Bistums vom 14. November 1995. Was für die vorläufige Dienstenthebung der Kirchenbeamten gilt, gilt natürlich auch für die Entfernung aus dem Dienst durch Urteil des Disziplinargerichts des Bistums L.

Des Weiteren bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), diesen Zulassungsgrund hat der Kläger in der Antragsschrift auch nicht hinreichend dargelegt. Da der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dem Zweck dienen soll, die Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen und grob ungerechte Entscheidungen zu korrigieren ( vgl. dazu BT-Drucks. 13/3993 S. 13 ), ist für eine Zulassung erforderlich, dass in dem Antrag in sich schlüssig und überzeugend nicht nur eine fehlerhafte verwaltungsgerichtliche Begründung, sondern obendrein dargelegt wird, dass die Entscheidung im Ergebnis als grob ungerecht bzw. unvertretbar anzusehen ist. Bei der danach vorzunehmenden Prüfung ist das Gericht allein auf die vom Kläger gemäß § 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO fristgemäß dargelegten Gründe beschränkt (s. Hess. VGH. Beschluss vom 30. Januar 1998 -14 TZ 2416/97-, NVwZ 1998, 755 ff., 756 m.w.N.).

Das Verwaltungsgericht hat es dahingestellt sein lassen, ob die vermögensrechtlichen Auswirkungen der kirchlichen Disziplinarmaßnahmen überhaupt vom (staatlichen) Gericht einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen werden dürfen, da sie allein an den beamtenrechtlichen Status des Klägers anknüpften. Die Frage bedürfe keiner Entscheidung, da die kirchlichen Maßnahmen einer Überprüfung an Hand der Grundprinzipien der staatlichen Rechtsordnung (gute Sitten, ordre public oder Willkürverbot ) standhielten und dem Gericht eine weitergehende Prüfung mit Rücksicht auf das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht des Beklagten verwehrt sei. Deshalb hat das Verwaltungsgericht die Klage auf Nachzahlung des Grundgehalts bzw. Feststellung, dass das Bistum ab 1. Oktober 1998 das Grundgehalt nach der Besoldungsgruppe B 3 zu zahlen habe, als unbegründet abgewiesen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich bereits, dass das Verwaltungsgericht keine Sachentscheidung treffen durfte, sondern die Klage durch Prozessurteil hätte abweisen müssen. Eine Überprüfung der besoldungsrechtlichen Ansprüche des Klägers ist dem staatlichen Gericht im Statusfolgeverfahren ebenso verwehrt wie die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entfernung des Klägers aus dem Dienst. Diesen Fehler hat der Kläger - aus seiner Sicht verständlich - in der Rechtsmittelschrift vom 10. Juli 2000 nicht gerügt. Seine ernstlichen Zweifel beschränken sich auf einen Absatz auf Bl. 14 des angegriffenen Urteils, wo sich das Verwaltungsgericht gegen die in der Literatur vertretene Auffassung wendet, für vermögensrechtliche Ansprüche sei eine volle Überprüfung unproblematisch, weil bei festgestellter Rechtswidrigkeit einer Statusmaßnahme die Kirchen nicht verpflichtet werden könnten, den untragbar gewordenen Kirchenbeamten weiterzubeschäftigen, sondern lediglich dazu, dessen vermögensrechtliche Ansprüche zu befriedigen. Der Kläger kann die Auffassung des Verwaltungsgerichts, für vermögensrechtliche Ansprüche könne die volle Überprüfung kirchlicher Disziplinarakte (deswegen) nicht erfolgen, weil sich die Kirchen in Zeiten zurückgehender finanzieller Mittel die Verwirklichung ihres verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts zunehmend wirtschaftlich nicht mehr leisten könnten, nicht nachvollziehen, dies könne kein Kriterium sein. Weitere ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nennt der Kläger nicht. Es liegt auf der Hand, dass sich mit der bloßen Kritik an der vom Verwaltungsgericht vertretenen eingeschränkten Kontrollmöglichkeit kirchlicher Rechtsakte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils nicht begründen lassen, zumal im vorliegenden Fall eine Kontrolle der kirchlichen Rechtsakte durch staatliche Gerichte schon generell ausscheidet.

Nach alledem ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 14 Abs. 1 und 3, 13 Abs. 4 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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